Landwirtschaft und Bodenerzeugnisse des Kantons Genf
Lf. 60.
GEOGRAPHISCHES LEXIKON DER SCHWEIZ
Verlag von Gebr. Attinger, Neuenburg.
^[Karte: 3° 50’ O; 46° 10’ N; 1:140000]
░ Ackerland
▓ Wald
▒ Parks u. Gärten
▐ Weinberge
▲ 50 Pferde
● 100 Rinder
.
❙ 100 Schweine
⥾ 100 Schafe
^ 100 Bienenst.
V. Attinger. sc
LANDWIRTSCHAFT U. BODENERZEUGNISSE DES KANTONS GENF ¶
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Fläche von 1813 ha umfassten. Alle Reben gehören derselben Art an, geben aber an besonders günstigen Lagen (so an den Hängen von Cologny, Pregny, Le Mandement, Bernex) einen den Durchschnitt an Güte übertreffenden Wein. Unter den Weissweinen ist neben einigen weniger wichtigen Sorten am verbreitetsten der sogen. «fendant roux», der dem Wein von La Côte in manchen Beziehungen gleicht, aber geringeren Gehalt an Alkohol hat. Die im Kanton Genf weniger verbreiteten Rotweine sind zumeist die Marken des Dôle und Salvagnin. Grosse Verwüstungen hat während der letztvergangenen Jahre die Reblaus angerichtet, so dass man seit einiger Zeit die Auffrischung der Genfer Rebberge mit amerikanischen Pfropfreben (von der Versuchsstation Ruth geliefert) begonnen hat.
Ueber den Ertrag der Weinernten im Kanton Genf geben folgende Zahlen Auskunft:
1896 | 1897 | 1898 | 1899 | 1900 | 1901 | |
---|---|---|---|---|---|---|
106949 | 104397 | 81381 | 95514 | 191536 | 122913 | hl. |
Von den 122913 hl des Jahres 1901 entfallen auf Weissweine 100929, auf Rotweine 20981 und auf gemischte Sorten 1003 hl, deren respektive Durchschnittspreise pro hl 20,50, 21,60 und 24,50 Fr. betrugen. Mit Berücksichtigung früherer Jahrgänge kann man den Durchschnittspreis für den hl Wein auf 30-40 Franken ansetzen. Die Weinernte von 1901 erzielte einen Gesamtertrag von Fr. 2555955.
Im Kanton Genf ist Hochwald wenig verbreitet; den Hauptplatz nehmen Buschholz und Gestrüpp ein, wie dies folgende Tabelle für 1898 zeigt:
ha | % | |
---|---|---|
Hochwald | 93.63 | 4% |
Reisholz | 22.91 | 1% |
Buschholz | 2253.78 | 87% |
Gestrüpp | 204.62 | 8% |
Total: | 2574.94 | 100% |
Die Waldfläche des Kantons ist im Verlauf des 19. Jahrhunderts zahlreichen Schwankungen unterworfen gewesen, hat aber im Grossen und Ganzen infolge grosser Abholzungen beständig abgenommen. Sie betrug:
1817 | 1829 | 1853 | 1882 | 1898 | |
---|---|---|---|---|---|
3993 | 4057 | 2220 | 2656 | 2575 | ha. |
Die Schuttbedeckung aus der Quaternärzeit, mit der beinahe die ganze Bodenfläche des Kantons Genf überführt ist, begünstigt vor Allem den Wuchs der Eiche, die zu mehr als 9/10 die Waldungen des Kantons zusammensetzt und dies hauptsächlich in der Form der Stieleiche (Quercus robur), während die Steineiche (Quercus sessiliflora) nur in kleinen und zerstreuten Beständen angetroffen wird. In den übrig bleibenden Zehnteil teilen sich Esche, Linde, Ahorn, Vogelbeerbaum, Wilder Kirschbaum, Elsbeerbaum, Spierling, Buche, Hagebuche, Kastanie, Birke, Erle, Weide, Pappel und einige Nadelhölzer. Der Gesamtertrag der Waldungen des Kantons belief sich 1898 auf 132040 Fr. (Vergl. Borel, W. Rapport sur les bois du canton de Genève. Genève 1899).
Die Genfer Bauern haben sich zum Zwecke besserer Wahrung ihrer Interessen gegenüber den Behörden und zur Erzielung günstigerer Absatzbedingungen ihrer Erzeugnisse gegenüber den Konsumenten zu landwirtschaftlichen Genossenschaften, sog. Syndicats agricoles, zusammen getan. Es bestehen heute deren 6 mit zusammen 1220 Mitgliedern und einem jährlichen Waarenumsatz von 175000 Fr. Die 1776 gegründete Klasse für Landwirtschaft der Société des Arts befasst sich nur mit dem wissenschaftlichen Studium landwirtschaftlicher Fragen und lässt die geschäftliche Seite ganz ausser Betracht.
Die von der Eidgenossenschaft und den Kantonen Waadt und Bern subventionierte kantonale Genfer Gartenbauschule Châtelaine vermittelt theoretische und praktische Kenntnisse in Garten-, Gemüse- und Weinbau. Ihr ist zum Zwecke landwirtschaftlicher Versuche und Analysen ein Laboratorium angegliedert, das den Landwirten auf alle vorkommenden Fragen Auskunft erteilt. Daneben besteht in der Stadt Genf unter dem Namen der Cours agricoles eine landwirtschaftliche Winterschule, die in den verschiedenen Zweigen dieses Faches Unterricht erteilt.
Fauna.
Die Fauna des Kantons Genf stimmt im Allgemeinen mit der des schweizerischen Mittellandes überein und unterscheidet sich von ihr nur in einzelnen wenigen interessanten Sondererscheinungen. V. Fatio zählt auf: in der Masse der Wirbeltiere 13 Nager (Eichhörnchen, Eichelmaus, Siebenschläfer, Haselmaus, Wanderratte, weissbauchige Ratte, Hausmaus, Hamster, Feldmaus, Waldmaus, Wasserwühlmaus, Schärrmaus, gemeiner Hase), 6 Insektenfresser (Igel, Maulwurf, Wasserspitzmaus, gemeine Spitzmaus, Hausspitzmaus und Feldspitzmaus), 7 Raubtiere (Fuchs, Dachs, Stein- oder Hausmarder, Iltis, Hermelinwiesel, kleines Wiesel, Fischotter) und 14 Fledermäuse;
in der Klasse der Reptilien 4 Echsen (grüne Eidechse, Wurzeleidechse, Mauereidechse, Blindschleiche), 4 Schlangen (Ringelnatter, gemeine Viper, österreichische Natter, Redische Viper);
in der Klasse der Amphibien 7 Froschlurche (grüner Wasserfrosch, brauner Grasfrosch, Springfrosch, Feuerkröte, gemeine Kröte, grüne Kröte und Laubfrosch) und 4 Schwanzlurche (gefleckter Salamander, Bergwassermolch, grosser Wassermolch u. Teichmolch);
14 Fische. Die Nähe von See und Gebirge sowie das Vorhandensein von weiten Sumpfgebieten bedingen eine reiche Entwickelung der Avifauna, in der man 307 einzelne Arten, d. h. etwa 3/5 aller in Europa vorkommenden Vogelarten, unterschieden hat.
Davon sind 214 Arten einheimisch (105 Arten der Ebene, 27 Arten des Gebirges, 47 Ufer- und Sumpfvögel, 35 Wasservögel); 146 Arten nisten im Lande selbst und 84 Arten sind Zugvögel (25 Arten der Ebene, 4 Arten des Gebirges, 20 Ufer- u. Sumpfvögel, 35 Wasservögel).
Für die Wirbellosen sind unsere Kenntnisse noch nicht so weit gefördert, dass man eine vollständige Liste der Arten aufstellen könnte. Immerhin sind bereits eine Anzahl von guten Monographien einzelner Gruppen von Wirbellosen aus Genfs Umgebungen vorhanden, so eine von Penard über die Rhizopoden, eine von Roux über die Infusorien, eine von Weber über die Rotatorien, eine von Brot über die Lamellibranchiaten und mehrere über die Arthropoden. Von diesen letztgenannten mögen hier noch einige auf Genfer Boden ziemlich häufig anzutreffende südliche Arten hervorgehoben werden, wie die Mantis religiosa, Sira Dollfusii und einige Tausendfüssler aus der Gattung Scutigera.
Jagd und Fischerei.
Der Kanton Genf ist arm an Jagdharem Wild, weshalb zahlreiche Genfer es vorziehen, in den benachbarten französischen Départements der Jagd nachzugehen. Im Jahre 1900 hat das Genfer Justiz- und Polizeidepartement 511 Jagdpatente zu einer Taxe von je 20 Franken ausgestellt und Schussprämien ausgerichtet für 91 Füchse, 25 Marder, 2 Iltisse, 2 Wiesel und 12 Sperber. Auch die Jagdgesellschaft «Diana» fördert die Jagdinteressen durch Bezahlung von Schussprämien für schädliche Tiere und Wiederbevölkerung der Wälder mit verschiedenen Vogelarten (Rebhühnern, Fasanen etc.). ¶
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Im Kanton Genf wird die Jagd auf Flugwild am 1. September, die allgemeine Jagd am 1. Oktober geöffnet, und beide werden mit dem 15. Dezember geschlossen. Im Frühjahr ist die Jagd überall auf Schweizerboden untersagt; die Jagd auf die auf dem See lebenden Wasservögel wird von den Uferkantonen und -staaten gemeinsam geregelt.
Die Bewohner der See- und Rhoneufer treiben Fischerei und versehen den Markt zu Genf mit zahlreichen Arten von Fischen: Barsch, Forelle, Felchen, Aesche, Hecht, Trüsche etc. Der vor einigen Jahren noch gänzlich fehlende Aal wird jetzt in der Rhone häufig gefangen. Seit 1881 hat man den Versuch gemacht, im Genfersee einige fremde Arten einzuführen, wie die grosse Maräne (Coregonus maræna), den White fish (Coregonus alba) und einen Barsch (Eupomotis gibbosus). Von diesen hat sich die erstgenannte besonders gut akklimatisiert und wird heute auf den Fischmärkten häufig feilgehalten. 1899 sind 521 Jagdpatente ausgestellt worden, wovon 388 für Angelfischerei. 80 für Reusenfischerei, 23 für Netzfischerei im See und 30 für Netzfischerei in der Rhone und Arve.
Viehzucht.
Die unten folgende Tabelle zeit, dass die Viehzucht im Kanton Genf von grosser Wichtigkeit ist. Grosse Herden sind im Allgemeinen selten, dafür hält aber beinahe jeder Bauer einige Stück Vieh.
1888 | 1892 | 1901 | |
---|---|---|---|
Pferde | 3533 | 3434 | 3881 |
Maultiere | 10 | 9 | 16 |
Esel | 142 | 117 | 109 |
Zuchtstiere | 111 | 124 | 111 |
Kühe | 6285 | 6572 | 6586 |
Ochsen | 475 | 464 | 252 |
Kälber u. Rinder | 793 | 788 | 1157 |
Ziegen | 1526 | 1516 | 1670 |
Schafe | 1008 | 370 | 643 |
Schweine | 2555 | 2719 | 2468 |
Bienenstöcke | - | - | 2048 |
Zu nennen sind bei dieser Gelegenheit noch einige Geflügelzuchtanstalten, wie die von Crête, Chêne-Bougeries, Cointrin und Bellebouche bei Gy. Versuche zur Einführung der Seidenraupenzucht hat man s. Z. in Veyrier am Fuss des Salève unternommen, bald aber wieder aufgeben müssen.
Bevölkerung.
Mit seiner Wohnbevölkerung von 132510 Köpfen steht der Kanton Genf unter den 25 schweizerischen Kantonen an achter Stelle, während er seiner Fläche nach deren einundzwanzigster ist. Charakteristisch für die Bevölkerungsverhältnisse von Genf ist der mächtige Prozentsatz der Ausländer, von denen auf 1000 Ew. nicht weniger als 393,3 kommen, während die Genfer nur mit 345,1 und die übrigen Schweizer mit 261,6 Ew. vertreten sind. Dieses Ueberwiegen der fremden über die einheimische Bevölkerung erklärt sich aus der Lage Genfs als Grenzkanton und daraus, dass die Stadt Genf durch ihre reichen intellektuellen Hilfsmittel und andere Annehmlichkeiten die fremden Besucher zu dauernder Niederlassung anzieht und durch ihre rege Handels- und Gewerbetätigkeit Anderen Aussicht auf lohnenden Verdienst bietet. Die rasche Vermehrung der Bevölkerung erklärt sich zum weitaus grösseren Teile aus der beständigen Zuwanderung, als aus dem Ueberschuss der Geburten über die Todesfälle. Ueber diese Vermehrung gibt folgende Tabelle Auskunft:
Ew. | |
---|---|
1815 | 48489 |
1828 | 53407 |
1837 | 58666 |
1843 | 61871 |
1850 | 64146 |
1860 | 83345 |
1870 | 93239 |
1880 | 101595 |
1888 | 106738 |
1895 | 114975 |
1901 | 132510 |
Mit Bezug auf die Geburtsziffer nimmt Genf unter den Schweizer Kantonen die letzte Stelle ein. Für die Schweiz als Ganzes betrug im Zeitraum 1871-1890 das jährliche Mittel der Geburten 308 auf 10000 Ew., für Genf allein nur 243. Im Kanton Genf zählte man 1895 2361 Geburten (630 Genfer, 755 übrige Schweizer, 976 Ausländer) und 2534 Todesfälle (944 Genfer, 616 übrige Schweizer, 974 Ausländer); 1901 standen sich 2886 Geburten und 2529 Todesfälle gegenüber. Daraus ergibt sich zur Genüge, dass der Zuwachs der Bevölkerung fast ausschliesslich auf Rechnung der Zuwanderung zu setzen ist. Im Grossen und Ganzen würde sich die Bevölkerung ohne diesen Zuzug von fremden Elementen beinahe gleich bleiben; im Jahrzehnt 1860-70 ist das Genfer Element sogar zurückgegangen, zeigt aber jetzt wieder eine schwache Zunahme.
Die Resultate der eidgenössischen Volkszählung von 1900 und der kantonalen Zählung von 1901 lassen sich in folgende Tabellen gruppieren:
a) Geschlecht (Zählung von 1900).
Stadt | Uebr. Gem. | Kanton | % | |
---|---|---|---|---|
Männlich | 27619 | 35436 | 63055 | 47.18 |
Weiblich | 32245 | 38344 | 70589 | 52.82 |
: | 59864 | 73780 | 133644 | 100.00 |
b) Muttersprache (Zählung von 1900).
Stadt | Uebr. Gem. | Kanton | % | |
---|---|---|---|---|
Französisch | 46267 | 63791 | 110058 | 82.35 |
Deutsch | 8301 | 5465 | 13766 | 10.30 |
Italienisch | 4166 | 3134 | 7300 | 5.46 |
Romanisch | 74 | 40 | 114 | 0.10 |
And. Sprach. | 1056 | 1350 | 2406 | 1.79 |
: | 59864 | 73780 | 133644 | 100.00 |
c) Konfession (Zählung von 1900).
Stadt | Uebr. Gem. | Kanton | % | |
---|---|---|---|---|
Reformierte | 30376 | 32165 | 62541 | 46.80 |
Katholiken | 27664 | 39564 | 67228 | 50.30 |
Juden | 716 | 360 | 1076 | 0.81 |
Andere | 1108 | 1691 | 2799 | 2.09 |
: | 59864 | 73780 | 133644 | 160.00 |
Das Ueberwiegen der Katholiken über die Reformierten rührt von der Zuwanderung her und datiert seit 1857, in welchem Jahre beide Konfessionen sich noch die Wage gehalten hatten.
d) Heimat (Zählung von 1901).
Stadt | Uebr. Gem. | Kanton | % | |
---|---|---|---|---|
Genfer | 18620 | 27115 | 45735 | 34.52 |
Uebr. Schw. | 17009 | 17634 | 34643 | 26.14 |
Ausländer | 23252 | 28880 | 52132 | 39.34 |
: | 58881 | 73629 | 132510 | 100.00 |
Die Ausländer verteilen sich wieder auf die verschiedenen Nationen wie folgt: Franzosen 34054, Italiener 10861, Deutsche 4027, Russen 785, Engländer 580, Oesterreicher 477, Amerikaner 344, Belgier 241, Spanier 131, Holländer 117, Türken 108, Verschiedene 407.
e) Zivilstand (Zählung von 1900).
Stadt | Uebr. Gem. | Kanton | % | |
---|---|---|---|---|
Ledig | 32514 | 40597 | 73111 | 54.70 |
Verheiratet | 21795 | 26967 | 48762 | 36.49 |
Verwitwet | 4936 | 5689 | 10625 | 7.95 |
Geschieden | 619 | 527 | 1146 | 0.86 |
: | 59864 | 73780 | 133644 | 100,00% |
Der Kanton als Ganzes zählt 37332 Haushaltungen, was für, die einzelne Haushaltung im Mittel 3,5 Köpfe ergibt; die Dichtigkeit der Bevölkerung beträgt 532 Ew. auf einen km2 Fläche (Fläche des Kantons ohne den Anteil am Genfersee gerechnet).
1901 betrug die Anzahl der Geburten 2886, wovon
Ehelich | Ausserehelich | |
---|---|---|
Männlich | 1285 | 138 |
Weiblich | 1350 | 113 |
1901 betrug die Anzahl der Todesfälle 2529, wovon
Männlich | 1298 | (77 Totgeburten) |
Weiblich | 1231 | (56 Totgeburten) |
Industrie.
Die industrielle Tätigkeit im Kanton Genf zeichnet sich aus durch die grosse Mannigfaltigkeit der betriebenen Gewerbe, von denen besonders die Präzisionsmechanik (und diese wieder hauptsächlich in der Form der Uhrenindustrie) eines weltumspannenden Rufes sich erfreut. Die Uhrenmacherei ist in Genf 1587 durch den Franzosen Ch. Cusin eingeführt worden und hat sich seither beständig weiter entwickelt, sodass sie 1789 schon 4000 Arbeiter beschäftigte. Heute zeichnet sie sich weniger durch die Anzahl der fertiggestellten Uhren, als vielmehr durch die Vorzüglichkeit ihrer in der ganzen Welt geschätzten Fabrikate aus. Spezialitäten der Genfer Uhrenindustrie sind die Herstellung von Präzisionschronometern, kunstvollen Schlagwerken, reich verzierten Uhren und Damenuhren. Auf Begehren der Fabrikanten untersucht die Sternwarte jeden Chronometer auf die Genauigkeit seines Ganges, die in einem besonderen Begleitschein amtlich bezeugt wird. Daneben veranstaltet die Société des Arts alljährlich besondere Preisbewerbungen für genau gehende Uhren (Concours de ¶
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réglage). Diese Einrichtungen tragen viel dazu bei, im Auslande den guten Ruf der Genfer Uhren zu erhalten. Der Wert der in Genf jährlich fertig gestellten Uhren wird auf ungefähr 10 Millionen Franken geschätzt. Kaum weniger wichtig sind die Juwelierkunst, Schmuckwaarenindustrie und Goldschmiedekunst. Zum Beweis dafür geben wir in Folgendem die Anzahl der 1899 vom Kontrolamt für Gold- und Silberwaaren gestempelten Stücke: 12422 goldene und 161217 silberne Uhrgehäuse, 7851 Stücke goldener Schmuckwaaren und 86 Stücke Goldschmiedearbeiten.
Von den 394 dem eidgenössischen Fabrikgesetz unterstellten industriellen Betrieben Genfs arbeiten nicht weniger als 70 auf den eben genannten Gebieten (38 Uhren- und 32 Gold- und Silberwaarengeschäfte). Trotz ihrer wichtigen Stellung im Erwerbsleben Genfs sind doch diese beiden Industriezweige während der letztvergangenen Jahre an Bedeutung zurückgegangen, indem sie 1896 300 Personen und 1902 700 Personen weniger beschäftigten als im Jahr 1888.
Auch die einst so blühende Herstellung von Musikdosen ist jetzt im Rückgang begriffen. Dafür haben sich aber in Genf in den letzten Jahren zahlreiche neue Industriezweige entwickelt, besonders seit die Stadt an der Rhone ihre zwei grossen Wasser- und Elektrizitätswerke von La Coulouvrenière und Chèvres errichtet hat, die das Wasser des Flusses in der Form von Druckwasser oder elektrischer Kraft nutzbar machen.
Im Jahre 1902 waren im Kanton Genf 394 Fabrikbetriebe dem eidgenössischen Fabrikgesetz unterstellt. Neben den 70 oben schon genannten Geschäften gehören hierher noch folgende: 23 Ateliers für graphische Künste und Buchdruckereien, 17 mechanische Werkstätten, 26 Zimmer- oder Schreinergeschäfte, 18 Schlossereien, 7 Giessereien, 7 Bierbrauereien, 9 Spenglereien, 9 Hutmachergeschäfte, 7 Fabriken für chemische Produkte, Anilinfarben und künstliche Parfumerien, 7 Tabak-, Zigarren- und Zigarettenfabriken, 5 Kerzen- und Seifenfabriken, 5 Backsteinfabriken und Ziegeleien, 2 Töpfereien, 4 Chokoladefabriken, 5 Zuckerwaarenfabriken, 5 Mühlen; dazu kommen noch Fabriken zur Herstellung von Automobilen, chirurgischen Instrumenten, Photographenapparaten, Waagen, Korkzapfen, Bürstenwaaren, physikalischen Instrumenten, Feuerwerk, dann Gerbereien, Parketterien etc. Die Anzahl der dem Haftpflichtgesetz (loi sur l'extension de la responsabilité civile) unterstellten Betriebe beläuft sich auf 197, wovon 178 dem Baugewerbe und 19 dem Verkehrswesen zu Wasser und zu Land dienen.
Da die landschaftliche Lage Genfs, die Schönheit und Anmut seiner Umgebungen, seine vielfachen wissenschaftlichen und künstlerischen Einrichtungen und Anregungen zahlreiche Fremde anziehen, so blüht hier auch ganz besonders noch die Hotelindustrie. Die Anzahl der in Genf verkehrenden Fremden nimmt von Jahr zu Jahr zu: so sind in den Gasthöfen der Stadt abgestiegen 1899: 158584, 1900: 175018 und 1901: 205767 Fremde. Diese letzte Zahl setzt sich zusammen aus 74280 Franzosen, 49180 Schweizern, 26487 Deutschen, 18902 Italienern, mehr als 20000 Engländern und Amerikanern. Am stärksten ist der Fremdenstrom in den Monaten Juli bis September, am schwächsten im Januar und Februar.
Handel.
Es ist wahrscheinlich, dass die Bewohner Genfs schon von den ältesten Zeiten an dem Handel ihre ganz besondere Aufmerksamkeit schenkten. Die geographische Lage der Siedelung bot hierfür zahlreiche Vorteile, und die schon von Aurelian im 4. Jahrhundert hier eingerichteten Messen entwickelten sich zu solcher Wichtigkeit, dass die Siedelung davon den Namen des Emporium Allobrogum (Handelsstadt der Allobroger) erhielt. Mit dem Untergang des Römerreiches nahm dann wahrscheinlich auch Genfs Bedeutung als Handelsplatz ein Ende, freilich nicht für allzulange Zeit, da zahlreiche Urkunden aus dem 14. und den folgenden Jahrhunderten uns von einem neuen Aufschwung von Handel und Gewerbe Zeugnis geben.
Heute ist Genf ein wichtiger Handels- und Finanzplatz, der seine Beziehungen überallhin angeknüpft hat und seine Waaren nicht nur in der Schweiz und Frankreich absetzt, sondern auch nach Italien und den Vereinigten Staaten von Nordamerika ausführt. Es gibt etwa 30 Speditionsgeschäfte und Auswanderungsagenturen und etwa 50 Geldinstitute (Banken, Spar- und Leihkassen etc). Emissionsbank ist einzig die Handelsbank (Banque du Commerce), die 1901 für 24 Millionen Franken Banknoten ausgegeben hat.
Im Jahr 1899 sind im Ganzen 8091 gewerbliche Patentbewilligungen ausgestellt worden, wovon 1023 für Auspacken, Feilhalten und Liquidation von Waaren, 3602 für Hausierer, 750 für wandernde Handwerker und Kleingewerbetreibende, 2716 für wandernde Artisten und 2494 Legitimationskarten für Handelsreisende. Von diesen letzteren wurden ohne Entgelt 2404 (1519 auf im Kanton ¶
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selbst niedergelassene Geschäfte und 885 auf auswärtige Geschäfte) und gegen Taxe 90 (68 auf im Kanton selbst niedergelassene Geschäfte und 22 auf auswärtige Geschäfte) ausgegeben. Eine 1865 gegründete, vom Staate Genf subventionierte, aber von den Genfer Kaufleuten unterhaltene Handelskammer vertritt die Interessen der Kaufmannschaft den Behörden gegenüber und studiert alle in ihren Geschäftskreis einschlagenden Fragen. Seit 1888 besteht auch eine Handelsschule, die rasch zu grosser Blüte gelangt ist und jungen handelsbeflissenen die ihnen nötigen Kenntnisse vermittelt; ausserdem besteht noch je eine Handelsabteilung auch an der Sekundar- und Höhern Töchterschule.
Der Kanton Genf ist von einer in Zollangelegenheiten neutralen Zone umgeben, deren Grenzen über die politische Landesgrenze hinaus in französisches Gebiet verlegt sind. Das Rechte Ufer des Kantons grenzt an die Zone des Pays de Gex, die sich bis zur Valserine erstreckt und 1814 vom Pariser Kongress geschaffen worden ist. Das neutrale Gebiet hinter dem Linken Ufer des Kantons, die Zone von Savoyen, datiert aus dem Jahre der Vereinigung dieser Landschaft mit Frankreich (1860); ihre Schaffung ist damals durch Volksabstimmung der Bewohner Savoyens beschlossen worden.
Vom übrigen Frankreich ist diese neutrale Zone Savoyens durch eine unregelmässige Linie abgetrennt, die zunächst bis Seyssel dem Rhonelauf folgt, dann den Bach Les Usses hinaufgeht und weiterhin über Évire, Saint Jean de Sixt, La Giétaz und Flumet die italienische Grenze erreicht; die Zone umfasst die französischen Arrondissemente Thonon und Bonneville ganz, und Saint Julien und Annecy zu einem Teile. Diese Einrichtung der zollfreien Zonen erleichtert die Versorgung Genfs mit Lebensmitteln und gestattet den Bewohnern des Pays de Gex und Savoyens die bequeme Abfuhr ihrer Landesprodukte nach derjenigen Stadt, die deren natürlicher Absatz- und Ausfuhrmarkt ist. Diese zollfreie Zonen sind also für beide Länder vorteilhaft, ganz besonders aber für Savoyen und das Pays de Gex, die sich beide immer gegen ihre Einreihung in das allgemeine französische Zollsystem gewehrt haben.
Verkehrswege.
Seiner geographischen Lage entsprechend ist Genf das Verbindungslied zwischen der Schweiz einerseits, dem südl. Frankreich, Algerien und Spanien andererseits. Drei Eisenbahnlinien stellen die Verbindung Genfs mit seinen Nachbargebieten her, nämlich die Linien der Jura-Simplonbahn, Paris-Lyon-Méditerranée und Les Vollandes-Annemasse. Die zwei erst genannten gehen vom Bahnhof Cornavin aus, die andere verbindet Genf mit dem Bahnnetz der Haute Savoie, ist von weit geringerer Bedeutung, mündet in den Bahnhof von Les Eaux Vives ein und wird - obwohl Eigentum des Staates Genf - von der Paris-Lyon-Méditerranée-Bahn betrieben. Es ist für den Handel Genfs und auch für den internationalen Verkehr ein grosser Nachteil, dass diese Linien auf Genfer Boden nicht mit einander verbunden sind und in zwei verschiedene Bahnhöfe einmünden.
Obwohl schon verschiedene Projekte einer Verbindungsbahn zwischen den beiden Bahnhöfen Cornavin und Eaux Vives ausgearbeitet worden, ist doch die ganze Angelegenheit heute noch immer in der Schwebe. Das Gesamtgewicht der in beiden Bahnhöfen angekommenen Güter belief sich 1900 auf ungefähr 600000 Tonnen. Die Gesamtlänge der normalspurigen Bahnen auf Genfer Boden beträgt 30 km. Von grosser Bedeutung ist für den Kanton Genf daneben noch sein ausgedehntes Netz von Schmalspurbahnen, die 1887 mit der Eröffnung der Linie Genf-Veyrier ihren ersten Anfang nahmen und heute alle als elektrische Bahnen eingerichtet sind.
Dieses Netz dient vor allem den ländlichen Gebieten des Kantons und setzt sich noch über die Kantonsgrenzen hinaus bis zu wichtigen Ortschaften des Département de l'Ain (Fernex-Gex) und Hoch Savoyens (Saint Julien, Étrembières, Douvaine, Collonges sous Salève) fort. Endstationen dieser von Genf nach allen Seiten hin ausstrahlenden Linien sind Versoix, Fernex, Vernier, Saint Georges, Chancy, Lancy, Saint Julien, Collonges sous Salève, Jussy, Douvaine und Hermance. Gesamtlänge 117 km. Mit Ausnahme der von einer besonderen Gesellschaft betriebenen Linie Genf-Veyrier-Collonges sous Salève sind alle diese Bahnen Eigentum der Compagnie Genevoise des Tramways Électriques.
Die beiden Flussläufe des Kantons Genf sind nicht schiffbar. Die Arve ist hierfür zu seicht und hat zu sehr Wildbachcharakter, und die Rhone unterbricht ihren Lauf bei Bellegarde (Département de l'Ain) in der von ihr ausgewaschenen sog. Perte du Rhône. Ausserdem ¶
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sperrt 6 km unterhalb der Stadt Genf der Staudamm des Elektrizitäts- und Wasserwerkes Chèvres den Rhonelauf seiner ganzen Breite nach. Von Bedeutung als Verkehrsweg ist dagegen der Genfersee, auf dem die Compagnie générale de Navigation 16 Dampfboote unterhalt, die beide Ufer regelmässig bedienen und fast ausschliesslich nur Personen befördern. Den Waarenverkehr vermitteln zahlreiche Segelschiffe, die dem Hafen von Genf die Erzeugnisse der Ufergebiete, vor Allem die Bausteine der Brüche von Meillerie (Hoch Savoyen) zuführen. Den Verkehr im Hafen selbst und in seinen nächsten Umgebungen besorgen endlich eine Anzahl von kleinen Motorbooten.
Staat und Verwaltung.
Der Kanton Genf wird nach der Verfassung vom verwaltet, die ihre Ausarbeitung der nach dem Aufruhr vom eingesetzten provisorischen Regierung verdankt und seither zu verschiedenen Malen abgeändert worden ist. Ihre Hauptbestimmungen sind: Verminderung der Mitgliederzahl des Staatsrates und des Grossen Rates, Verkürzung ihrer Amtsdauer, Beseitigung der Bürgermeister (syndics), Gewährleistung der Glaubensfreiheit, Wahl der ausübenden Behörde durch das Volk, Ausdehnung des Stimmrechtes auf die Almosengenössigen und die im Kanton niedergelassenen Schweizer aller Kantone, Unentgeltlichkeit des Volksschulunterrichtes, Gründung der Banque de Genève und der Hypothekarkasse, Aufhebung der Oekonomischen Gesellschaft (einer aristokratischen Einrichtung, deren Mitglieder blos alteingesessene Genfer Patrizier werden konnten und die aus ihrem beträchtlichen Vermögen bisher gewisse Ausgaben für die Volksschule und den reformierten Kultus bestritten hatte).
Diese Verfassung von 1847 ist später in manchen wichtigen Bestimmungen abgeändert worden, so besonders mit Bezug auf die Amtsdauer der Mitglieder des Staatsrates und Grossen Rates, die Einführung des Referendums und andere Punkte. Die Staatsform des Kantons Genf ist die einer repräsentativen Demokratie. Der Gesamtheit der Wähler (Conseil général) stehen folgende Rechte zu: Wahl der ausübenden und gesetzgebenden Behörden und der Vertreter des Kantons in den eidgenössischen Räten, Gewährleistung der Verfassung, fakultatives Referendum;
ferner das Hecht der Initiative, die aber, um in Kraft treten zu können, von mindestens 2500 stimmberechtigten Bürgern unterstützt werden muss, während das Referendum zu seiner Vollziehung die Unterschrift von mindestens 3500 Bürgern verlangt. 1899 zählte der Kanton 22189 stimmberechtigte Bürger, von denen 7431 auf die Stadt, 5770 auf das Rechte Ufer und 8988 auf das Linke Ufer entfielen.
Von den Stimmberechtigten sind 8600 oder 38,8% Schweizerbürger aus anderen Kantonen (3100 deutscher und 5500 französischer Zunge). Die Zunahme dieser Klasse von Stimmberechtigten macht sich weit mehr als in der Stadt in den ländlichen Gemeinden des Kantons bemerkbar.
Gesetzgebende Behörde ist der Grosse Rat (Grand Conseil), der sich aus 100 je für 3 Jahre von den drei Kreiswahlkörpern (Stadt, Rechtes Ufer, Linkes Ufer) proportional zur Zahl ihrer Bevölkerung gewählten Mitgliedern zusammensetzt. Die Wahl der Grossräte erfolgt vermittels des Listenskrutiniums nach dem durch Gesetz vom aufgestellten Prinzip der Proportionalvertretung. In den Geschäftskreis des Grossen Rates fallen die Beratung von Gesetzesvorschlägen, die Aufsicht über die kantonale Verwaltung, das Begnadigungs- und Amnestierecht, die Bestimmung des Steuerfusses, die Beschlussfassung über Ausgaben und Anleihen, Ratifikation von Konkordaten und Verträgen, Ernennung der richterlichen Behörden, Bürgerrechtsgesuche.
Die ausübende Behörde, der ebenfalls auf eine Amtsdauer von 3 Jahren ernannte Staatsrat (Conseil d'État) besteht aus 7 Mitgliedern, die den einzelnen Verwaltungsabteilungen (Erziehungswesen, Finanz- und Steuerwesen, Oeffentliche Arbeiten, Justiz und Polizei, Handel und Volkswirtschaft, Inneres, Landwirtschaft und Kultus, Militärwesen) vorstehen. Der Gesamtbehörde liegen ob die Bekanntmachung und Durchführung der Gesetze, die kantonale Verwaltung, die Aufsicht über die Gerichte, den Kultus und das Schulwesen, die Vermittlung der Beziehungen zu den eidgenössischen und übrigen kantonalen Behörden etc.
Der Kanton Genf ordnet in den Nationalrat 7 Mitglieder ab, die wie auch die beiden Ständeräte direkt vom Volke gewählt werden.
Die heutige Justizorganisation des Kantons beruht auf dem Gesetz vom das durch dasjenige vom in einigen Punkten abgeändert und ergänzt worden ist. Die richterlichen Funktionen werden ausgeübt durch Schiedsgerichte, Friedensgerichte, einen Gerichtshof erster Instanz, ein Zivil-, Straf- und Korrektionsgericht, den Staatsanwalt und den Untersuchungsrichter, eine Untersuchungskammer, eine Vormundschaftskammer und ein Kassationsgericht.
Alle richterlichen Behörden werden auf eine Amtsdauer von 4 Jahren vom Grossen Rate ernannt, mit Ausnahme der Schiedsgerichte, die von den Arbeitsgebern und Arbeitern nach Berufsgruppen getrennt bestellt werden. Diese gewerblichen Schiedsgerichte entscheiden in allen zwischen Prinzipalen und Angestellten entstehenden Streitigkeiten, wie z. B. Lohnfragen, Arbeitsausführungen und Lehrverträgen. Der Kanton ist in 4 Friedensgerichtsbezirke eingeteilt: Genf, Carouge, Chêne Bourg und Petit Saconnex, von denen die drei letztgenannten wieder in je vier Kreise gegliedert sind. Es gibt 3 Friedensrichter u. 4 Stellvertreter. Der Gerichtshof erster Instanz setzt sich zusammen aus 5 Richtern, 10 Beisitzern, 6 stellvertretenden Richtern u. 6 stellvertretenden Beisitzern; er gliedert sich in 5 Kammern (vier für Zivilsachen und ¶