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öffentliche Unternehmungen bestimmten Gelder verwalteten. Die äussere Blüte der Stadt während und nach der Herrschaft der Flavier musste ihrer neuen politischen Stellung und dem Anwachsen ihrer Bevölkerung auf 30-40000 Seelen entsprechen. Die nächste Folge war der Bau einer befestigten Ringmauer, die ein Polygon von 6 km Umfang darstellte und das heutige Dorf Donatyre und den stufenförmigen Abfall s. der Stadt derart umfasste, dass nur der Wald von Châtel mit dem römischen Castellum ausserhalb ihres Umkreises blieb. Dieses letztere, von dem heute noch einige Spuren übrig geblieben sind, datiert aus einer weit spätern Zeit als der Bau der Ringmauer selbst.
Wie die Terrainbeschaffenheit den römischen Baumeistern den Verlauf der Ringmauer vorschrieb, hat sie auch deren Bauart beeinflusst. So ruht in der sumpfigen Niederung gegen den Murtensee ihr Unterbau auf Pfählen aus Eichenholz, und beim Bau der Mauer selbst ist hier der Jurakalk weit mehr zur Verwendung gelangt als auf der S.-Seite der Mauer, wo der weichere Sandstein von Châtel und La Molière vorherrscht. Die Vorwerke sind überall von der Oberfläche des Bodens verschwunden; auf der Terrasse des Museums wird blos noch eine einzige der Steinplatten aufbewahrt, die die Mauer oben in einer Höhe von ca. 6 m über dem Erdboden durchgängig bedeckten. Das am vollständigsten erhaltene Stück der Mauer ist der Abschnitt, der von der Tornallaz (einem römischen Wachtturm) zum Osttore führt.
Die Tornallaz, der einzige der stehen gebliebenen Mauertürme, hat aber ihre ursprüngliche Gestalt nicht mehr beibehalten, indem in ihr am Ende des 18. Jahrhunderts ein Tordurchgang durchgebrochen und sie 1856 einer wenig glücklichen Restauration unterzogen wurde. Der 12 m hohe Turm zählt heute ausser dem Erdgeschoss zwei mit Fenstern und Schiessscharten versehene Stockwerke. Nach den Angaben von Fr. v. Graffenried dürfte die gesamte Ringmauer ca. 80 derartige Wachttürme gezählt haben.
Die zum Zwecke der Anhandnahme systematischer Nachgrabungen 1885 gegründete Association Pro Aventico hat der Reihe nach an den wichtigsten der erhaltenen Mauerreste zwischen dem Bahnhofe und der Oertlichkeit La Maladaire Sicherungsarbeiten vornehmen lassen. Den besten Ueberblick über die ursprüngliche Maueranlage gestattet der Abschnitt Tornallaz-Osttor; hier zeigt die Mauer bei einer Mächtigkeit (an der Basis) von 3 m eine Höhe von 3½-4 m.
Seitdem Secretan im «Bulletin» II der Gesellschaft Pro Aventico 1888 auf das ehemalige, im Centrum der nö. Front der Ringmauer gelegene Osttor aufmerksam gemacht hat, sind 1897-1900 von J. Mayor an dieser Stelle Nachgrabungen vorgenommen worden, die denn auch wirklich den Unterbau eines monumentalen Tores bloslegten. Und zwar musste dieses Tor eines der bedeutendsten der Stadt gewesen sein, da die durch dasselbe führende Strasse, die die alte Stadt der Länge nach durchschnitt und sie in zwei Hälften teilte, selbst die Hauptverkehrsader derselben, die decumana major war.
Direkt der Ringmauer eingefügt, stand dieses Osttor keineswegs etwa in der Art eines Triumphbogens frei für sich da. Ein viereckiges Bauwerk von ca. 29 m Länge und 20 m Breite lehnte es sich mit seiner Längsseite an die Ringmauer an und liess die Fahrstrasse in einem centralen Torweg durchgehen. Seitlich von diesem dienten zwei besondere Gänge dem Fussgängerverkehr, während zwei weitere diesen parallel verlaufende, aber nach Aussen verschlossene ins Innere von zwei runden Aussentürmen führten, die die Front des Tores flankierten und dessen Uebergang in die Ringmauer vermittelten.
Der zentrale Torweg war an jeder Seite durch eine halbkreisförmig ausgebuchtete Ausweichstelle für die Erleichterung des Wagenverkehrs zweckmässig eingerichtet. Auf der Aussenseite des Tores fanden sich Reste einer gepflasterten Römerstrasse, die vermutlich rund um die Ringmauer herumlief. Vielleicht krönte die Mauer auch noch eine ausgezackte Schutzwehr mit dahinter befindlichem Rundgang, zu dem in den Wachttürmen angebrachte Holztreppen hinaufführen mochten.
Der Körper des Osttores bestand aus einem durch festen Mörtel verkitteten Mauerwerk von gerundeten Kieseln und Trümmerstücken aus gelblichem Kalkstein. Den inneren Wall der Mauer bildeten kleine rechteckige Bruchsteine von 10-12 cm Höhe, deren Fugen ein sehr widerstandsfähiger Mörtel ausfüllte und die an einzelnen Stellen wunderbar gut sich erhalten haben. Die grossen behauenen Blöcke des Aussenwalles, die zugleich dem Ganzen zum Schmucke dienen sollten, sind leider überall weggerissen und zu Bauzwecken verwendet worden.
Um den Nachgrabungsarbeiten auf dem ganzen Abschnitte der Ringmauer zwischen dem Tore und der Tornallaz und an dieser letzteren Stelle selbst ihren ungestörten Fortgang zu sichern, haben der Staat Waadt und die Gemeinde Avenches die hiefür notwendigen Grundstücke käuflich erworben. Das Osttor ist von der waadtländischen Kommission für historische Denkmale unter ihre Obhut genommen worden.
Geht man auf dem von Combes herkommenden Wege vom Osttore aus der Stadt entgegen, so findet man zur Linken bei der «En Selley» genannten Stelle die Reste des alten römischen Theaters, das einst das rechteckige Forum (den öffentlichen Platz) nach S. abschloss. Während die Ringmauer und der «Cigognier» Eigentum der Gemeinde sind und das Museum mit dem Amphitheater dem Staate Waadt gehört, waren die Reste des Theaters bis 1896 teilweise der Gemeinde, teilweise Privaten zu Eigen. Im genannten Jahre erwarb die Association Pro Aventico die privaten Grundstücke um die auf dem Wege der Subskription aufgebrachte Summe von 2200 Franken, worauf das Ganze, nachdem auch die Gemeinde ¶
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ihren Besitzteil abgetreten hatte, in gesetzlicher Form an die westschweizerische Geschichtsforschende Gesellschaft überging, die der Gesellschaft Pro Aventico das Recht sicherte, hier in voller Ungestörtheit die 1889 begonnenen Nachgrabungen zu vollenden.
Der beistehend nach den letzten Aufnahmen von 1900 abgebildete Grundriss des Theaters lässt erkennen, dass dieses einen weiten mit den Aussenmauern 106 m Durchmesser und 53 m Radius umfassenden Halbkreis bildete, an den sich im N. der viereckige Bau für die Bühne mit eben falls 106 m Frlanger ont ^[richtig: langer Front] und 30 m Breite anschloss. Es ist anzunehmen, dass das Theater vom Forum her durch einen monumentalen Porticus zugänglich war.
Von einem dem halbkreisförmigen Zuschauerraum rings herum folgenden Rundgang oder einer Galerie zweigten elf geradlinige, im Centrum des Halbkreises radial zusammenlaufende Gänge ab, von denen fünf als die Hauptzugänge sich bis zum unteren Fusse der Sitzreihen fortsetzten und auf eine halbkreisförmige Ihnnenmauer ^[richtig: Innenmauer] ausmündeten. Die sechs übrigen verbanden die Kreisgalerie mit den obern Sitzreihen vermittels Steintreppen, deren einzelne Stufen alle verschwunden sind.
Die Zugänge sind 2,2 m breit, die Gänge aber verschmälern sich in dem Masse, als sie sich von der Aussenmauer weiter nach Innen ziehen. Die den Behörden und übrigen Notabilitäten reservierte, zwischen dem Halbkreis der Zuschauer und der Bühne gelegene Orchestra bildete einen Halbkreis von 10,3 m Radius, hatte einen doppelt gepflasterten Boden und war ihrerseits wieder gegen die Bühne durch eine ebenfalls halbkreisförmige Mauer abgeschlossen, durch die auf jeder der beiden Seiten ein kleiner Durchgang die Verbindung mit jener herstellte.
Diese Bühne mit einer Frontentwicklung von 20,6 m scheint durch drei kleine im Rechteck verlaufende Mauern gestützt und nicht gepflastert gewesen zu sein, so dass die Annahme gemacht werden muss, dass die Schauspieler auf einem einfachen Bretterboden gespielt haben. Man hat ausserdem noch die zur Rechten und Linken von Aussen unmittelbar zur Bühne führenden zwei Seitengänge blosgelegt, die von rechtwinklig zu den Aussenmauern abzweigenden Radialmauern eingefasst sind. Die 1898-1900 an der Bühne vorgenommenen Räumungsarbeiten förderten ferner ein wahrscheinlich zu einer Säule der Bühnenmauer gehöriges Capitäl und einen Teil eines unter der Bühne durchlaufenden Abzugskanals zu Tage.
Der 10-12000 Personen fassende Zuschauerraum ist schon oft der Gegenstand von Nachgrabungen gewesen (so besonders 1840-42) und bot bis 1889 den Anblick eines wilden Chaos von mit Buschwerk bestandenen Schutthaufen. Von diesem Zeitpunkte an haben dann die Arbeiten der Gesellschaft Pro Aventico die Aussenmauer mit dem Rundgang und den Eingängen zu den Radialgängen auf eine Länge von 60 m und eine Tiefe von über 4 m offen gelegt. Darauf sind im nö. Abschnitt des Halbkreises auch diese Gänge selbst wieder aufgefunden worden. Man kennt also heute von den fünf Haupteingängen deren drei, dann zwei der dazugehörigen grossen Gänge und endlich drei Nebeneingänge mit den von ihnen auslaufenden kleinen Gängen. Die Bauart der Mauern ist im allgemeinen der des Osttores ähnlich, mit dem Unterschiede, dass die verwendeten Bruchsteine abwechselnd von grauer und gelber Farbe sind. Die obere Fläche hat man heute durch einen Zementmantel geschützt, dem eine Lage Humus auf liegt.
Obwohl weniger gut erhalten als das römische Theater von Augst, wird doch auch dasjenige von Avenches, sobald es einmal völlig blosgelegt ist, für den Archäologen von grossem Interesse sein und ihm ein wertvolles Studien- und Beobachtungsfeld bieten. Dass dabei auch die Bewohner von Avenches nicht leer ausgehen werden, dafür sorgt das Projekt der Gesellschaft Pro Aventico, einen Teil des Bauwerkes zu einem öffentlichen Spazierwege umzugestalten.
Nordwestlich vom Theater dehnt sich ein rechteckiges Stück Sumpfland, das ehemalige Forum, aus, an dessen gegenüberliegendem Ende der Cigognier (die «Storchensäule») steht, der seinen Namen einem einst lange Zeit auf ihm nistenden Storchenpaare verdankt. Es ist dies eine, ohne den noch im Boden verborgenen Sockel 12 m hohe Säule aus mächtigen behauenen Blöcken von weissem Jurakalk, die ohne eine Verfestigung durch Mörtel aufeinandergetürmt sind. Von ihrer SO.-Front löst sich eine mit einem korinthischen Capitäl gekrönte Halbsäule ab und an die O.-Seite des Mauerpfeilers lehnt sich eine zweite kleinere Säule an, über der der Ansatz eines Bogens sichtbar ist, der das Denkmal in dieser Richtung fortsetzte und vollendete. Bursian deutet den Cigognier als den Ueberrest einer Art von Cryptoporticus, der sich rund um das Forum zog, während Ritter in ihm ein monumentales Tor, einen fornix, sah; in diesem Falle wäre der Porticus ein im Rechteck mit vier Arkaden gezierter doppelter gewesen. Es wird sich die Frage vielleicht dann endgültig lösen lassen, sobald einmal systematische Nachgrabungen die genaue Anlage der anschliessenden Mauern festgestellt haben werden.
Das römische Amphitheater liegt in einem mit etlichen Bäumen bepflanzten Bodeneinschnitt w. des Museumturmes. Es bildete eine 103 m lange und 93 m breite Ellipse und bot 10-12000 Zuschauern Raum. Die einzigen sichtbaren Ueberreste dieses Bauwerkes sind die aus Mauerwerk aufgeführten Halbkreise, von denen heute acht vor der NW.-Seite des Museumturmes und drei s. der Terrasse aufgedeckt sind und die der Umfassungsmauer als Stützen zu dienen bestimmt waren.
Der Turm, in dem das Museum untergebracht ist, ruht auf einem zum Amphitheater gehörigen Gewölbe; ebenso datieren die zwei in spitzem Winkel zusammenstossenden Mauerstücke hinter dem Turm und der Unterbau der über der Strasse nach Murten und dem Garten du Rafour sich erhebenden Mauer noch aus der Römerzeit. Der Turm selbst scheint vom bernischen Landvogt Oberst Wyss im ¶
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17. Jahrhundert zu einem Getreidespeicher eingerichtet worden zu sein. Das Erdgeschoss und erste Stockwerk sind 1838 dem Museum eingeräumt und der Saal im zweiten Stockwerk ist 1893 eröffnet worden. Das seit 1899 der Aufsicht der waadtländischen Kommission für die historischen Denkmale unterstellte Museum enthält ausschliesslich Gegenstände aventicensischer Herkunft und dient somit blos seinem ganz speziellen Zwecke. Es verdankt seinen gegenwärtigen Bestand besonders den Anstrengungen von Caspari, der es von 1862-1888 als Konservator verwaltete, und den zahlreichen von der Gesellschaft Pro Aventico ausgegrabenen und hier aufgestellten Gegenständen.
Weniger deutlich bestimmen lässt sich die Lage der einstigen Tempel; man vermutet, dass derjenige der Göttin Aventia auf dem Capitol, die zwei andern in der Nähe des Cigognier gestanden haben werden. Die in der Kirchenmauer, dem Museum und dem diesem als Annex dienenden Schuppen zu sehenden schönen, kunstvoll behauenen Karniesstücke schreibt man einem nw. vom Cigognier gestandenen Bauwerke zu.
Die während des 19. Jahrhunderts vorgenommenen Ausgrabungen gestatten, die Topographie der bewohnten Quartiere von Aventicum annäherungsweise wieder herzustellen. Die Ausdehnung des Forums ist nicht genau bekannt; doch hat man im Verlaufe der an der Oertlichkeit En Perruet 1890-91 stattgehabten Nachforschungen das Vorhandensein eines zweiten Forums nachweisen können. Man hat sich darüber geeinigt, diese neue Stelle das Forum der scholae zu nennen, weil um sie herum die Ruinen von drei bestimmt als solche erkannten scholae sich gruppieren.
Die Bäder scheinen nicht so luxuriös eingerichtet gewesen zu sein wie die Thermen der Städte in Italien; sie waren eher blosse Badhäuser oder -säle (balneae), die durch Hypocausten geheizt wurden. Immerhin darf man aus dem Vorhandensein eines Hypocausten nicht unmittelbar auf das eines Badesaales schliessen, da gewiss auch die Villen der reichen Bewohner mit Heizeinrichtungen versehen gewesen sind. Das am besten bekannte Badhaus lag im Winkel der Wege nach Les Mottes und Murten. Es wurde 1786 von Ritter entdeckt und zuerst beschrieben und dann vom Maler Curty aus Freiburg besucht, der eine (in Secretan's «Aventicum» veröffentlichte) Zeichnung davon entwarf. Die üppigen Villen und Wohnhäuser der Reichen lagen zum grössten Teile in der Gegend von Conches-dessous zwischen der Eisenbahnlinie und der Strasse nach Murten. Wie man aus den hier gefundenen zahlreichen Mosaikfragmenten schliessen darf, waren die Atrien dieser Häuser zweifellos mit Mosaikböden gepflastert.
Zahlreiche Reste von Speichern, Waarenräumen und Kellern sind blosgelegt worden; wir nennen die 1785 in Conches-dessus entdeckten Ruinen eines Kellers mit 22 nebeneinander befindlichen Amphoren und die am selben Orte 1710 von F. v. Graffenried aufgefundenen Spuren eines ehemaligen Steinhauerwerkplatzes.
Mehrere Aquäducte speisten mit ihrem Wasser die öffentlichen Brunnen und Bäder; ihr bedeutendster sammelte die Quellwasser des Mont de Châtel, trat durch das S.-Tor in die Stadt ein und mündete in der Gegend des Forum. Ein anderer ca. 12 km langer führte die Wasser der Arbogne sw. Avenches ab, und ein dritter und vierter kamen aus den Umgebungen von Oleyres, von den Höhen von Belmont und dem Felde Le Pâqueret her.
Der bis jetzt am besten bekannte Friedhof lag längs der ausserhalb des W.-Tores sich hinziehenden Römerstrasse. 1872 fand man hier Reste eines Eichensarges, eine Bronzekanne, ein Halsband, Armband, Glasperlen und besonders zwei Trinkgläser, deren eines die Aufschrift Vivas in Deo, das andere den in christlichen Grabstätten häufig angetroffenen Zuruf Zeses trägt. Die hier 1885-86 vorgenommenen Nachgrabungen der Gesellschaft Pro Aventico führten dann noch zu der Entdeckung von zahlreichen Grabstelen und Aschenurnen. In Avenches finden sich also gleichzeitig Zeugnisse von Erd- und von Feuerbestattung; allerdings war letztere die häufigere. Diese Ausgrabungen haben dem Museum eine reiche Sammlung von Urnen in Glas und Ton, von Grablampen und Lacrymatorien zugeführt.
Der erste Einfall der Alemannen erfolgte unter der Regierung von Licinius Gallienus um das Jahr 265 n. Chr. Aventicum erlag dem Ansturm und wurde geplündert. Es scheint aber, dass dieser Vorbote späterer Ereignisse keine unersetzbaren Verluste im Gefolge hatte, da man aus den im Theater gefundenen Münzen mit dem Bildnis des Kaisers Tetricus (268-74) schliessen darf, dass dieses noch nach dem Einfalle der Alemannen seinem Zwecke gedient hat. In den letzten Jahren des 3. Jahrhunderts eroberten sich die römischen Legionen die Rheinlinie wieder zurück und besetzten sie mit Beobachtungsstationen; Vitodurum (Ober-Winterthur) wurde wieder aufgebaut, Vindonissa befestigt und wahrscheinlich auch auf dem Mont de Châtel das Aventicum schützende Vorwerk angelegt.
Dank den Siegen von Probus und Constantius Chlorus konnte die Gefahr der Alemanneneinbrüche noch einmal abgewendet werden, und die unter Diocletian und Constantin durchgeführte Neueinteilung des Reiches vereinigte das helvetisch-römische Gebiet mit demjenigen der Franche-Comté zur sequanischen Provinz, Provincia maxima Sequanorum, einem Teil der Präfectur Gallien, mit der Hauptstadt Vesontio (Besançon). Dies erklärt den Umstand, warum der ums Jahr 375 lebende Eutropius schreiben konnte, dass die Helvetier seiner Zeit Sequaner genannt worden seien.
Der zweite und furchtbarste Einfall der Alemannen ereignete sich um die Mitte des 4. Jahrhunderts. Jetzt wurde Aventicum von Grund aus zerstört, so dass schon Ammianus Marcellinus ums Jahr 360 den Ort eine zwar in Trümmern liegende, aber einst glorreiche Stätte nennen konnte, wie dies noch seine zur Hälfte zu Boden liegenden Denkmäler bewiesen (Ammianus Marcellinus. XV, 11).
Eine letzte Gnadenfrist räumte der Stadt die Regierung von Valentinian I. und seiner Nachfolger ein; zu dieser Zeit ging aber das einzige Bestreben der Römer blos dahin, die Rheinlinie zu halten, d. h. die festen Plätze Basilea (Basel) und Castrum Rauracense (Kaiser-Augst) anzulegen. Um weiteres sich zu kümmern, lag ihnen ferne. Als dann endlich in den ersten Jahren des 5. Jahrhunderts die Verteidigungslinie des Rheines endgültig durchbrochen wurde, wälzten sich die Barbaren zum dritten Male auf Aventicum und machten dem Erdboden gleich, was davon etwa noch vorhanden war. ¶
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Christliche und feudale Zeit.
Das Christentum fand bei den Helvetiern Eingang durch römische Soldaten, Kaufleute oder ihres Glaubens wegen Verfolgte, die das Rhonethal aufwärts oder über die Alpenpässe nach Aventicum und andern Städten kamen. Gewisse Anzeichen lassen vermuten, dass der neue Glaube hier schon vor dem 4. Jahrhundert Wurzel gefasst hatte, da um diese Zeit in Genf und Octodurum (Martigny) bereits Bischöfe residierten. Auf jeden Fall aber gab es in Aventicum zu Ende des 6. Jahrhunderts einen Bischof Marius, der als solcher die Acten des Conciles von Mâcon mit unterschrieb.
Infolge der Besiedelung des Landes durch alemannische Stämme erhielt das Avenches benachbarte Gebiet den Namen Uechtland (ödes Land), und noch später (zwischen 700 und 900) ersetzten die deutschsprechenden neuen Bewohner des Landes den Namen Aventicum durch die Bezeichnung Wiflisburg. Aus dem Pagus Aventicensis wurde ein Pagus Williacensis. Diese Neubenennungen sollen, wie aus einer etwas unklaren Stelle bei Fredegar hervorzugehen scheint, auf einen Alemannenhäuptling Wibilus oder Wifilus sich zurückzuführen, wie auch das französische Wort Vully, mit dem heute noch die Gegend von Avenches etwa bezeichnet wird, aus Vuibilus oder Vuibili entstanden sein soll. Der Grund der Umtaufe ist uns nicht bekannt, muss aber jedenfalls ein solcher von zwingender Notwendigkeit gewesen sein. Im Uebrigen behielten die Römer den alten Namen in der Form Adventica bei.
Im 10. Jahrhundert machten auch die Sarazenen der Gegend von Aventicum ihre Aufwartung. Das Andenken daran hat sich im Volke derart lebendig erhalten, dass heute noch eine der am Fusse der jetzigen Stadt verlaufenden Strasse parallel ziehende Mauer die Sarazenenmauer heisst. Auch der das Wappen von Avenches zierende Maurenkopf wird eine Reminiszenz an diesen Sarazeneneinfall sein. Vom 15. Jahrhundert an beginnt dieses Wappen auf dem Siegel der Stadt zu erscheinen; es ziert ausserdem noch eines der alten Kirchenfenster und findet sich auch auf zwei Steinblöcken eingehauen, von denen der eine dem Giebel des Rathauses eingefügt ist, während der andere im Museum aufbewahrt wird. Es zeigt im roten Felde einen schwarzen Mohrenkopf von vorn, die Stirne mit weisser Binde umwickelt.
Die Form Avenches erscheint im Mittelalter zum ersten Male 1076. Burkhard von Oltingen, Bischof von Lausanne und Günstling des Kaisers Heinrich IV., liess mit Beihülfe dieses letztern die auf dem Hügel entstandene neue Niederlassung mit einer Festungsmauer umziehen. 1250 erwarb Graf Peter von Savoyen von der Burgerschaft von Freiburg den Zehnten über Avenches, liess ihn dieser aber als Lehen bestehen.
1363 verlieh der Bischof Aymon von Cossonay der Stadt verschiedene Freiheiten und baute ihre Festungsmauer wieder auf. Von da an war Avenches bis zur Zeit seiner Eroberung durch die Berner bischöfliches Eigentum. Die dem h. Martin geweihte Pfarrkirche lag ausserhalb der Stadt an der Stelle des heutigen Friedhofes, war aber schon im 15. Jahrhundert nur noch ein Trümmerhaufen. Wahrscheinlich befand sich auch an derselben Stelle die älteste Kapelle, die des h. Symphorion, deren Andenken noch heute in der Sage fortlebt.
Bernische Zeit.
Im Frühjahr 1536 erschien die vom Schlosse Chillon unter Hans Franz Naegeli zurückkehrende Armee der Berner vor Avenches, das ihr seine Tore öffnete und dessen Bürger Bern den Treuschwur leisteten. Von jetzt an fand auch die Reformation offenen Eingang; erster reformierter Pfarrer war Georg Grivat von Orbe.
Das an der N.-Ecke des heutigen Avenches gelegene Schloss, von den Bischöfen an Stelle eines alten zur Verteidigung dieses schwächsten Punktes der Stadt errichteten Bollwerkes erbaut, wurde von den Bernern zum Sitze ihrer Landvögte eingerichtet und umgebaut. Die Türmchen der Hofseite tragen die Jahreszahl 1567; dasjenige mit der Wendeltreppe ist mit Reliefdarstellungen und zwei Büsten in natürlicher Grösse geziert. Die in reinem Renaissancestyl durchgeführte Architektur des Schlosses und seine den feinsten Geschmack verratenden Skulpturen gestalten es zu einem wahren Schmuckkästchen. Es hat denn auch die waadtländische Kommission zur Erhaltung historischer Denkmale des Schlosses sich angenommen und dessen Restauration beschlossen.
Der Genfer Archäologe J. Mayor unternahm eine eingehende Beschreibung desselben, die mit zahlreichen Tafeln in Phototypie 1901 erscheinen wird. Auch die heutige Pfarrkirche von Avenches stammt aus dem Mittelalter, wurde aber 1711 frisch aufgebaut. Aus der romanischen Zeit verblieb blos noch der n. Teil des Chors, der die Gestalt einer rechteckigen und im W. von einer halbkreisförmigen Apsis geschlossenen Kapelle hat. Die 1898/99 vorgenommene Restaurierung der Kirche hat zur Auffindung einer bemerkenswerten Freske und verschiedener anderer interessanten Détails geführt.
Unter der helvetischen Republik bildete der Bezirk Avenches einen Teil des Kantons Freiburg (1798-1803), kam dann aber mit der Mediationsakte vom Februar 1803 an den Kanton Waadt.
Bibliographie:
Bulletins de l'Association pro Aventico. I-VII. Lausanne, Bridel 1887 ff. -
Secretan, Eug. Aventicum, son passé et ses ruines. (I: Coup d'œil historique; II: Guide sur le terrain). Lausanne, Bridel 1896. - Dunant, Emile. Guide illustré du Musée d'Avenches. (I: Collections archéologiques; II: Monuments épigraphiques). Genève, Georg; Lausanne, Bridel 1900. (Die Bulletins und die zwei eben genannten Werke sind auch im Museum zu Avenches erhältlich). - Bursian, C. Aventicum Helvetiorum. Mit Tafeln. (Mitteilungen der antiquarischen Gesellschaft in Zürich. 16). Zürich 1867-70. 4°. - Morel, Ch., Notes sur les Helvètes et Aventicum sous la domination romaine. (Jahrbuch für schweizerische Geschichte. VIII). - Mommsen, Th. Inscriptiones Confœderationis Helvet. Lat. (Mitteilungen der antiquar. Gesellschaft in Zürich. X). Zürich 1854. 4°. (Enthält die Inschriften von Aventicum). - Mommsen, Th. Schweizeriche Nachstudien. (Hermes. 1881). - Hagen, H. Prodromus novae inscriptionum Lat. Helv. sylloges, titulos Aventicenses et vicinos continens. Bern 1878. (Neue Inschriftensammlung). - Burckhardt, Th. Helvetien unter den Römern. (Neujahrsblatt Basel. 1867). - Daguet, A. Aventicum, ses ruines et son histoire. (Musée neuchâtelois. 1880). Populär. - Doblhoff, J. v. Auf dem Trümmerfelde Aventicums. Wien 1883. - Major, J. Aventicensia. 1899. (Im Erscheinen begriffen; enthält die Berichte über die Nachgrabungen am Osttor etc.).
[Emil Dunant.]