«Klassizismus» in Deutschland wurde. Seine Schüler huldigten jedoch im Wesentlichen einer ekklektischen Richtung, erst Jakob Asmus Carstens (1754-98) brach rücksichtslos mit allen Ueberlieferungen und vertrat die «rein klassische» Richtung, welche in der Antike das allein giltige Vorbild sah. Dies konnte aber doch nur für die Formensprache, also die Zeichnung, der Fall sein, nicht aber für die «Farbenkunst», und deshalb konnte auch diese streng-klassische Richtung keinen Bestand haben.
Die Kunstweise von Carstens fand daher auch nur einen einzigen bedeutenden Fortsetzer in Bonaventura Genelli (1798-1868); dagegen wandten sich die anderen deutschen Klassizisten der französischen Richtung Davids zu, so Eberhard v. Wächter (1762-1852) und Gottlieb Schick (1779-1812). Auf denselben Anschauungen wie Carstens fußte auch Jos. Anton Koch (1768-1839), der die «heroische» Landschaftsmalerei Deutschlands begründete, welche auch mehr bildnerisch als malerisch empfand und erfand.
Ihr letzter bedeutsamer Vertreter war Albert Zimmermann (1809-1888). Der Rückschlag gegen den Klassizismus ging eigentlich von Männern des Schriftthums aus; Wackenroder und Schlegel sind die geistigen Urheber der «romantischen Schule». Der erstere betonte das Christliche und Religiöse und wies auf die Meister des Quattrocento als Vorbilder hin, Schlegel lenkte die Aufmerksamkeit auf das Volkliche und Weltliche, auf Geschichte und Sagenwelt. Es bildeten sich denn auch unter den Romantikern zwei Gruppen, eine religiös-romantische, an deren Spitze Friedrich Overbeck (1789-1869) stand, und eine weltliche, deren Großmeister Peter Cornelius (1783-1867) wurde.
Von der ersten Gruppe der sogen. «Nazarener» oder Präraphaeliten, welche auch in der Darstellungsweise an das Mittelalter anknüpfte, sind besonders hervorzuheben Julius und Philipp Veit, Heinrich Heß, Schraudolph, Leopold Kupelwieser, Josef Führich und Eduard Steinle, während aus dem Kreise des Cornelius namentlich Julius Schnorr (1794-1872), Wilhelm Kaulbach (1805-74) und Wilhelm Schadow (1789-1862) zu einer hervorragenden Bedeutung gelangten. Letzterer erscheint als Begründer der Düsseldorfer Schule, welche zuerst - unter der Führung von Theodor Hildebrandt (1804-74) und Carl Friedrich Lessing (1808-80) - aus der romantischen Bahn in jene des Realismus einlenkte und mehr Wert auf die Farbengebung legte, als die Nazarener und die sonstigen Cornelius-Schüler. Außerhalb der Gruppe der letzteren steht Moriz Schwind (1604-71), der in eigenartig selbständiger Weise die romantische Richtung pflegte. Die Landschaftsmalerei im Sinne der letzteren fand in Carl Rottmann (1798-1850) und Friedrich Preller (1804-78) ihre hauptsächlichsten Vertreter. Als eine besondere künstlerische Erscheinung ist Alfred Rethel (1816-59) zu nennen, dessen Formengebung von eindrucksvoller Großartigkeit ist.
Der nach 1840 eingetretene Umschwung zum «Realismus» (Wirklichkeitstreue) und «Kolorismus» (Farbenkunst) trat zunächst bei den Düsseldorfern deutlich zu Tage, unter denen namentlich Ludwig Knaus, Benjamin Vautier und Andreas Achenbach zu erwähnen sind. Zu nachhaltigem Einflusse gelangte dann Carl Theodor Piloty (1826-86), das Haupt der Münchener «koloristischen» Schule, aus welcher Hans Makart (1840-84) und Franz Defregger (geb. 1835) hervorgingen. Der erstere brachte die farbenkünstlerische Seite der Pilotyschen Richtung zur glänzenden Vollendung, während der letztere die realistische zur vollen Lebenswahrheit ausbildete.
Entscheidend für den Aufschwung der deutschen Malerei und für ihre maßgebende Rolle innerhalb der Gesamtkunst war jedoch das Auftreten einiger Meister von überlegenem und überragendem Kunstgeiste. Es sind dies Adolf Menzel (geb. 1815), Arnold Böcklin (1827-1901), Anselm Feuerbach (1829-80), Franz Lenbach (geb. 1836), Haus Thoma (geb. 1839) und Wilhelm Leibl (1844-1901). In Menzel sehen wir den vollendeten Meister in der Schilderung des neuzeitlichen Lebens, das er mit unbedingter Wirklichkeitstreue und in «natürlichem Licht» wiedergiebt; wie dies am schärfsten in dem Gemälde «Das Eisenwalzwerk» ausgeprägt erscheint. (Siehe Tafel). Im Gegensatz zu ihm ist Böcklin der «Maler-Dichter», welcher die Welt der Einbildungskraft mit überzeugender Wahrheit «erschafft» und die ganze Natur als beseelte Einheit darstellt. ¶
^[Abb.: Das Eisenwalzwerk, von Adolf von Menzel.
Berlin, National-Gallerie. (Nach Photographie der Photographischen Gesellschaft.)] ¶
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Das junge Geschlecht, welches mit den Ueberlieferungen der Vergangenheit vollständig gebrochen hat und mit eben so viel Eifer wie Begabung an der Ausbildung der modernen Kunst arbeitet, besitzt unter der Fülle bedeutenderer Talente als hervorragende Führer namentlich: Leopold Graf Kalckreuth (geb. 1855), Franz Skarbina (1849), Franz v. Stuck (1863), Fritz v. Uhde (1848), Max Liebermann (1847), welcher die geheimsten Schönheiten der Natur mit feinstem Farbengefühl wiedergiebt, Max Klinger (1857), ein moderner «Renaissance-Mensch», der das ganze Gebiet der Kunst beherrscht und vielleicht am besten den Kunstgeist der Neuzeit vertritt, Ludwig v. Hofmann (1861),
der Meister des «modernen Idealismus», welcher den heiteren Märchenzauber mit vollendeter Farbenkunst wiedergiebt.
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Die Bildnerei. Auf dem Felde der Bildnerei war es der Venezianer Antonio Canova (1757-1822), welcher zuerst wieder auf die Antike zurückgriff, deren Formenreinheit und einfache Schönheit anstrebte, ohne jedoch noch sich ganz von der malerischen und verkünstelten Auffassung der Barockkunst befreien zu können. Damit war die «klassizistische» Bahn eröffnet, und einer der ersten, der ihr folgte, war der Deutsche Joh. Heinrich Dannecker (1758-1841). In Frankreich wirkten Antoine Denis Chaudet (1763-1810), in England John Flaxmann ^[richtig: Flaxman] (1755-1826) für die Wiederbelebung der Antike; der Hauptmeister der Richtung wurde jedoch der Däne Bertel Thorwaldsen (1770-1844), dessen Werke ganz im antiken Geiste gehalten, durch strenge Einfachheit und vollendete Formschönheit (vgl. die Tafel) sich auszeichnen.
Neben dieser antikklassischen Richtung, welche auf lange hinaus die herrschende wurde, machte sich aber in Deutschland noch eine andere geltend, welche die einfache Wahrheit der Natur, die Wirklichkeit des Lebens wiederzugeben anstrebte. Sie wurde begründet von Joh. Gottfried Schadow (1764-1850) und fand ihren Hauptmeister in Christian Rauch (1777-1857), bei dessen Bildnis-Standbildern die Lebenstreue durch Züge von antiker Schönheit gemildert erscheint.
Die naturalistische Schule Rauchs fand ihre weitere Fortsetzung und Ausbildung namentlich durch Ernst Rietschel (1804-1861) und Reinhold Begas (1831). Der aus dem Klassizismus hervorgegangenen idealisierenden Richtung gehören Ernst Hähnel (1811-91) und dessen Schüler, Johannes Schilling (1828) und Karl Kundmann (1838), sowie Ludwig Schwanthaler (1802-1848) an, welch' letzterer einen gewissen «romantischen Zug" in seinen Werken aufweist. Aus seiner Schule ging Ant. Dominik Fernkorn (1813-78) hervor, während eine österreichische Gruppe, Hans Gasser (1817-68), Caspar Zumbusch (1830) und Victor Tilgner, naturalistische, idealistische, romantische und malerische Grundzüge in ansprechender Weise vereinigt.
In Frankreich behauptete natürlich die klassische Richtung das Feld, nachdem der ursprünglich streng antiken eine idealisierte Naturauffassung gefolgt war, als deren Hauptvertreter François Rude (1785-1855) und François Duret (1804-65) erscheinen. Als Vorkämpfer eines rücksichtslosen Naturalismus trat Pierre Jean David aus Angers (1793-1856) auf, der in dem Tierbildner A. L. Barye (1795-1875) einen ebenbürtigen Genossen fand. Die moderne realistische Richtung besitzt in dem Belgier Constantin Meunier (1831) ihren unübertroffenen Hauptmeister und Führer, während der Pariser Auguste Rodin (1840) das jüngere Geschlecht vertritt, das mit allen Schulüberlieferungen gebrochen hat.
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Die Baukunst. In der Besprechung der Kunst des 17. und 18. Jahrhunderts wurde bereits eingehend der Einfluß der Antike auf die Baukunst erörtert. Dieser stieg natürlich noch in dem Zeitalter der französischen Revolution, in welchem der ernste und strenge dorische Stil vorbildlich wurde. Der Zug Napoleons nach Aegypten hatte auf letzteres Land die Aufmerksamkeit gelenkt, und man nahm auch im Bauwesen verschiedene ägyptische Züge auf; in der Hauptsache aber griff man in der Zeit des napoleonischen ¶
Kaiserreichs auf die römische Baukunst zurück. Der Hauptvertreter dieses zu Anfang des Jahrhunderts allenthalben in Europa herrschenden «Stiles des Kaiserreiches» war Charles Percier (1764-1838),
der Hofbaumeister Napoleons. Um das Jahr 1820 ungefähr wandte man wieder sich den griechischen Vorbildern zu, und kam der «Hellenismus» oder der «neugriechische Stil» auf, der hauptsächlich in Deutschland, dann auch in England Verbreitung fand. Die Hauptmeister dieser Richtung sind Karl Friedrich Schinkel (1781 bis 1841) und Leo v. Klenze (1784-1864). Unter dem Einflusse der «Romantiker» wandte man sich dann den mittelalterlichen Baustilen zu; in München pflegte Friedrich Gärtner (1792-1842) hauptsächlich den «neuromanischen» Stil, der jedoch bald durch die Gotik verdrängt wurde, die auch in England wieder zur Vorherrschaft kam.
Frankreich folgte ebenfalls dem allgemeinen Zuge; hier war es namentlich Viollet le Duc (1814-79),
welcher für die Belebung der mittelalterlichen Bauweisen eintrat. Im Allgemeinen huldigte man überall einem «Eklektizismus» und baute, da man einen eigenen neuzeitlichen Stil nicht zu erfinden vermochte, in allen möglichen Stilen der Vergangenheit, wobei bald der eine, bald der andere bevorzugt wurde. Am deutlichsten zeigt sich dies in Wien, dessen Neubauten eine wahre Mustersammlung von «Stilarten» bieten. Das Reichsratsgebäude von Theophil Hansen (1813 bis 91) ist im hellenischen, die Votivkirche von Heinrich Ferstel (1828-83) und das Rathaus von Friedrich Schmidt (1825-91) im gotischen, das Opernhaus, die Museen und das Burgtheater im Renaissancestil ausgeführt.
Für den letzteren trat insbesondere der geniale Meister Gottfried Semper (1803-79) ein, der aus demselben eine neuzeitliche «Raumkunst» oder «kosmopolitische Zukunftsarchitektur» zu entwickeln suchte. Sempers Ideen übten denn auch den stärksten Einfluß auf die deutsche Baukunst seit 1860. In Frankreich kam gleichfalls der Eklektizismus zur Geltung, der einen ungemein eindrucksvollen Mischstil erzeugte, dessen glänzendstes Beispiel die Große Oper von Charles Garnier (1825-98) ist.
In neuester Zeit zeigen sich die Ansätze zu einem wirklich eigen-neuzeitlichen Stil; namentlich in Wien und München versucht man für die den modernen Bedürfnissen angepaßten Bauten auch die entsprechenden Formen zu finden. Dem Eklektizismus verdanken die Baukünstler die sichere Beherrschung der bisherigen Stilformen, in deren freier Anwendung man es zu großer Vollkommenheit gebracht hat. Auch in der Baukunst giebt es aber einen «Realismus» oder «Naturalismus», der hier darin besteht, daß man von der Zweckmäßigkeit und den Gesetzen der Baufügung ausgeht und danach die Formensprache - die «Schönheit» - ausbildet. Dieser Weg ist nun betreten worden und hoffentlich führt er im 20. Jahrhundert zu dem lang gesuchten neuen «Stile» der modernen Raumkunst. ¶
Stil und Stilformen. Das lateinische Wort stilus, d. h. der Griffel, wurde im übertragenen Sinne für die Art der Schriftzüge des Einzelnen und schließlich für die demselben eigentümliche Ausdrucksweise gebraucht. Bei den Künsten bezeichnet Stil zunächst den Inbegriff der für die betreffende Kunstart hinsichtlich Auffassung und Behandlung geltenden Gesetze, welche letztere nicht zum geringsten Teile je nach Volk, Ort und Zeit verschieden sind. In den bildenden Künsten wird schon durch den Bildstoff eine gewisse Art der Behandlung bezw. Ausführung bedingt, bei einem Bauwerke ist letztere abhängig davon, ob jenes aus Stein, Ziegel oder Holz hergestellt wird; bei Bildnereiwerken, ob man Marmor, Erz, Thon oder Holz verwendet, bei Gemälden, ob es in Oelfarben oder in Wasserfarben, auf Tafeln oder an Wänden zu malen ist. In letzter Linie ist dann auch noch die Persönlichkeit des Künstlers maßgebend, welcher in den Werken seine Eigenart kundgiebt. Im Besonderen hat man nun für ganze Gruppen von Kunstwerken, welche gewisse gemeinsame Merkmale haben, «Stil-Arten» aufgestellt. Nach den Völkern unterscheidet man einen ägyptischen, assyrischen, griechischen u. s. w. Stil, der Zeit nach gliedert sich fast jeder derselben wieder in besondere Stilgattungen. Je nach der Vorherrschaft einer solchen Stilgattung pflegt man auch die verschiedenen Zeitabschnitte der Kunstgeschichte zu bezeichnen. Weder diese Zeiteinteilung noch die Bezeichnungen selbst sind im Allgemeinen
^[Abb.: Fig. 709. Aegyptische, assyrisch-babylonische und persische Säulen-Formen.] ¶