Lampe zu rechtfertigen (Fig. 687). - Diese an Caravaggio sich anschließende Richtung hatte auch auf die Folgezeit insofern nachgewirkt, als auf sie die holländische Vorliebe für das Helldunkel zurückzuführen ist.
Bildnismalerei. Hals. Aus dem Banne der italienischen Vorbilder machten sich am ehesten die Bildnismaler frei, denn sie wurden schon durch die Art der Aufgabe auf den Weg des Naturstudiums gedrängt. Für Stoff und Form konnte man ja die Vorbilder nicht gebrauchen, höchstens nur für die Farbengebung, und auch da mußte der vorhandene Sinn für Wirklichkeitstreue zu einem Wandel führen. Wir sehen daher schon frühzeitig die Bildnismalerei auf einer erfreulichen Stufe der Entwicklung zur volklichen Selbständigkeit; die Arbeiten des Delfter Michiel Janszon Miereveldt (1567-1641) - seine Werkstatt soll angeblich 10000 Bildnisse geliefert haben - die Amsterdamer Meister Nicolas Eliasz, Thomas de Keyser und Bartholomäus van der Helft - ein Schüler des Erstgenannten - sind nicht nur tüchtig, sondern zum Teil sogar hervorragend durch die bestimmte Naturwahrheit und Klarheit, wenn auch meist in der Farbe etwas kalt und trocken.
Der bedeutendste Meister dieser Gruppe ist jedoch Frans Hals (1560-1666), der seine Fachgenossen an Begabung und künstlerischer Kraft weit überragt. Die lebensvolle, heitere Natürlichkeit der Gestalten mit ihren freien Bewegungen und den scharf gezeichneten, die ganze innere Eigenart der Persönlichkeit widerspiegelnden Köpfen, die ungekünstelte und bei aller Zwanglosigkeit künstlerisch wirkungsvolle Anordnung der Gruppen, und nicht zum wenigsten auch eine fein abgetönte, silberige Farbengebung verleihen seinen Werken den hohen Reiz vollendeter Schönheit (Fig. 688). Seine Einzelbildnisse sind in dieser Beziehung ebenso ausgezeichnet, wie die Regenten- und Doelenstücke, unter denen wohl jenes der Georgsgilde das bedeutendste ist und das Können des Meisters auf seiner Höhe zeigt. Auch
^[Abb.: Fig. 690. Rembrandt: Die Nachtwache.
Amsterdam. Reichsmuseum.] ¶
im Sittenbilde leistete er gleich Vorzügliches, hier kommt noch der lebensfrohe Humor dazu, mit dem der sonst vom Glück wenig begünstigte Künstler den Gegenstand auffaßt. Als bezeichnend für seine Malweise ist noch zu erwähnen die Feinheit der Ausarbeitung, die Pinselstriche erscheinen wie mit dem Zeichenstift oder der Radiernadel ausgeführt. Seine Zeit würdigte diese vornehme Kunst nicht in verdientem Maße und der obengenannte van der Helft fand mit seiner mehr nüchternen Wirklichkeitstreue mehr Anklang, als Hals mit seiner künstlerisch freien und daher malerischen Naturauffassung.
Rembrandt. An künstlerischem Vermögen wurde Hals nur von einem Zeitgenossen übertroffen, der an Vielseitigkeit einem Rubens nicht nachstehend, gleich diesem vor Allem «Farbenkünstler» ist: Rembrandt Harmensz van Ryn (1606-1669). Er ist der «größte» Kunstgeist, den Holland hervorbrachte, und einer der größten der Welt überhaupt. Er wurzelt mit seinem ganzen Wesen im heimatlichen Volkstum und seine künstlerische Eigenart ist eine völlig persönliche, von allen Schuleinflüssen freie. In Leiden geboren, hatte er dort, dann in Amsterdam kurzen Unterricht genossen, bei dem er aber kaum mehr als die Anfangsgründe der Handfertigkeit erlernte, denn schon als Knabe ging er seine eigenen Wege und bildete sich durch eifrige Studien nach der Natur selbst aus.
Mit 17 Jahren tritt er daheim schon als selbständiger Künstler auf, freilich ohne noch lohnende Aufträge zu finden. Um so mehr konnte er sich seinen Studien hingeben, welche vor allem das «Licht» betrafen; die Form beherrschte er bereits mit der vollen Sicherheit eines «Genies». Wie nun das Körperliche unter verschiedener Beleuchtung zur Erscheinung kommt, dieselbe sich auch in dem ganzen Raum, in dem der Gegenstand dargestellt ist, zur Geltung bringt, darauf richtete sich seine ganze Aufmerksamkeit.
Wohl keiner seiner Vorgänger hat sich so gründlich mit den Beobachtungen der Lichtwirkung, mit den vielfältigen Rätsel-Aufgaben der Beleuchtung beschäftigt, wie Rembrandt. Er studierte sie aber in der Arbeitsstube, nicht im Freien; nicht das volle freie Licht in der Natur, sondern dessen Spiel im geschlossenen Raum fesselte ihn. Rembrandt wurde daher der Meister des «Helldunkels», der gegensätzlichen Wirkung scharfer Lichtstrahlen im dämmerigen Raum. In dieser Hinsicht ist seine Kunstweise einseitig, er giebt auch Vorgänge, deren Schauplatz die freie Landschaft ist, in einer Beleuchtung, die nur in geschlossenem Raum denkbar oder natürlich ist. Seine Art hat für eine lange Zeit die ganze Kunst dahin beeinflußt, daß dieses «Werkstattlicht» das
^[Abb.: Fig. 691. Rembrandt: Die Vorsteher der Tuchhändler-Gilde.
Amsterdam. Reichsmuseum.] ¶
natürliche freie verdrängte, es gewissermaßen eine «Regel» wurde, daß in einem Bilde die Beleuchtung eine künstliche sein müsse.
In der Vaterstadt fand der junge Künstler nicht das entsprechende Verständnis für sein Streben, und so entschloß er sich 1631 nach Amsterdam zu übersiedeln, wo er auch eher Aufträge zu erhalten hoffen durfte. In der That bekam er bald nach seiner Ankunft einen solchen; es handelte sich um eine Bildnisgruppe von Aerzten, die Leiter der ärztlichen Gilde. Das Gemälde, das als «Anatomische Vorlesung des Professors Tulp» bezeichnet wird, ist ein Meisterstück in der Anordnung (Fig. 689). Rembrandt giebt einen lebendigen Vorgang, die dargestellten Persönlichkeiten sind um den Tisch versammelt, auf welchem eine Leiche liegt; die Hauptpersönlichkeit erläutert an derselben irgend etwas, die übrigen sehen mit gespannter Aufmerksamkeit auf die bezeichnete Stelle.
Das Alles ist so lebensvoll und wahr geschildert, die einzelnen Persönlichkeiten sind so treffend gekennzeichnet, auch hinsichtlich der Farbe herrscht eine derart feine Tönung, daß man den glänzenden Erfolg begreift, den Rembrandt mit diesem Werke erzielte. Weitere Bestellungen auf Bildnisse folgten; zu dem Glücke des Künstlers trug ferner nicht wenig seine Vermählung mit der schönen und auch reichen Saskia van Uylenburgh bei, 1633, so daß er nicht gezwungen war, ausschließlich auf den Erwerb hin zu arbeiten, sondern seinen Neigungen folgen konnte.
Die Bildnismalerei zog ihn wenig an, weil er dabei zu abhängig war von gegebenen Verhältnissen, weder seine Einbildungskraft noch seine malerischen Grundsätze frei walten lassen durfte. Groß ist nur die Zahl seiner Selbstbildnisse, fast jedes Jahr entstand ein solches; dies erklärt sich jedoch daraus, daß Rembrandt an dem eigenen Spiegelbilde seine Versuchsstudien zu machen pflegte. Diese Selbstbildnisse sind deshalb besonders lehrreich, weil sie die künstlerische Entwicklung Rembrandts am besten zeitlich verfolgen lassen. Am meisten sagten ihm Stoffe aus der biblischen Geschichte des alten Testamentes zu, die ihm Gelegenheit boten, seine künstlerischen Absichten ungehindert zu verfolgen; etwas seltener sind Darstellungen aus dem Leben des Heilands, sowie solche aus der antiken Sagenwelt.
Der Gegenstand war ihm eigentlich ziemlich gleichgiltig, nicht um den im letzteren liegenden Inhalt handelte es sich für Rembrandt, sondern oft mehr nur darum, daß der Gedanke eine handsame, auch der Menge geläufige und verständliche Beziehung erhalten könne. Ebenso frei wie mit dem Vorwurf des Bildes verfuhr Rembrandt mit der Form. Auf Bestimmtheit und deutliche Klarheit der Umrisse, die sonst bei den Holländern eine Hauptsache waren, legte er kein Gewicht, er hatte dies auch umso weniger notwendig, als er mit unübertrefflicher Sicherheit das Ganze einer körperlichen Erscheinung völlig genau und richtig wiederzugeben verstand. Dies geschah aber nur mit dem rein malerischen Mittel der Licht- und Farbenwirkung. In den biblischen und sagenhaften Stücken versucht auch Rembrandt gar nicht, geschichtlich treu zu sein, oder den klassischen Vorstellungen zu entsprechen; er entnimmt seine Gestalten, die Gewandung und das Beiwerk der damaligen Wirklichkeit.
Die in den Jahren 1633-42 entstandenen Werke hatten den Ruf des Meisters gesichert und weithin verbreitet; auch sonst lebte er in den glücklichsten Verhältnissen, da trat ein jäher Rückschlag ein. Der Tod Saskias vernichtete sein häusliches Glück, und sein künstlerisches Ansehen verlor er durch sein - bestes Bild. Er hatte den Auftrag
^[Abb.: Fig. 692. Brouwer: Lustige Gesellschaft.
München. Pinakothek.] ¶
für ein Doelenstück erhalten, der Auszug einer Schützengilde sollte gemalt werden. Rembrandt löste die Aufgabe nicht in der herkömmlichen Weise, sondern ganz unter dem malerischen Gesichtspunkte, ähnlich wie in dem Anatomiebilde. Anstatt die Schützen bei einem Festmahle oder in gesonderter Aufstellung abzubilden, wählte er den Augenblick, in dem sie das Schützenhaus verlassen, um sich zu ordnen (Fig. 690). Der Hauptmann und sein Leutnant schreiten voran, die anderen drängen sich durcheinander, auch Kinder laufen dazwischen.
Der Vorgang spielt sich ebenfalls im dämmerigen Halbdunkel ab, doch ein wundervoll zauberisches Licht fällt auf die Hauptfiguren, und was die Beleuchtungs-Wirkung anbelangt, ist dieses Bild die vollendetste Leistung Rembrandts, der sich nur das Regentenstück, die «Staalmeesters» (Vorsteher der Tuchmacher-Gilde), zur Seite stellen läßt (Fig. 690). In letzterem sind die sechs Personen um einen Tisch versammelt, zwar auch in lebendig bewegter, aber doch in schlichter Anordnung dargestellt; in der malerischen Gruppierung liegt der Vorzug des ersteren Bildes, während in letzterem die Ebenbildnisse getreuer sein mögen. Der Schützenauszug gefiel den Bestellern keineswegs, vor allem fanden sie, daß die Ebenbildnisse zu wenig deutlich seien. Ferner fand man die Anordnung ungehörig und die Lichtbehandlung auch wider alles Herkommen. Es scheint, daß schon damals das Bild den Spottnamen «Nachtwache» oder «Scharwache» erhielt, unter welcher Bezeichnung es heute bekannt ist.
Rembrandt fiel in Ungnade, weil er seinen künstlerischen Anschauungen folgte, anstatt der Eitelkeit und dem Geschmack der ehrsamen Schützenbrüder zu huldigen. Mit Bildnissen blieb er nun verschont, um so eifriger konnte er sich jetzt mit anderen, ihm mehr zusagenden Arbeiten beschäftigen, vor allem mit den Radierungen. Diese Kunstgattung hatte er von jeher mit Vorliebe gepflegt und es darin zu einer gleichen Meisterschaft wie in der Malerei gebracht; die von ihm hergestellten Blätter waren von den Sammlern sehr gesucht, sie brachten ihm ebensowohl Ruhm wie Gewinn.
Auch die Landschaft wurde jetzt von dem Meister in ausgedehntem Maße behandelt, sowohl in Gemälden wie in Radierungen. Auf diesem Felde zeigt sich Rembrandt nicht als Anhänger der Wirklichkeitstreue, er stellt vielmehr seine Landschaften nach den Einfällen seiner Einbildungskraft zusammen, indem er dabei seine eigenen Naturstudien mit solchen anderer Meister bereichert, in das heimische holländische Gelände Bergzüge oder italienische Ruinen einfügt. Immer aber sind die einzelnen Grundzüge vollkommen naturwahr, mit feinem Verständnis empfunden und mit hohem malerischen Reiz wiedergegeben.
Rembrandt hatte, wie erwähnt, sich in günstigen äußeren Verhältnissen befunden, so lange seine Frau lebte, obwohl er schon damals der Verschwendung beschuldigt wurde. Sein Sammeleifer, der sich insbesondere auf Kupferstiche erstreckte, verschlang jedoch nicht nur die eigenen Einnahmen, sondern auch das hinterlassene Vermögen Saskias, so daß er 1656 für zahlungsunfähig sich erklären mußte und sein Haus mit allen Kunstschätzen versteigert wurde. Trotzdem blieb auch in der Verarmung seine Schaffenskraft ungebrochen, und noch eine stattliche Reihe der prächtigsten Bilder, abgesehen von den Radierungen, entstand in dieser trüben Zeit, so das erwähnte Regentenstück die «Staalmeesters». Im Jahre 1661 sah er sich seiner geschwächten Augen wegen gezwungen, das Radieren auf-
^[Abb.: Fig. 639. ^[richtig: Fig. 693.] Dou: Die Häringsverkäuferin.
München. Pinakothek.] ¶
zugeben, er malte jedoch noch mit gleicher Kunstfertigkeit weiter und sein letztes Bild: «Christus an der Martersäule» zeigt noch alle Vorzüge seines Könnens, freilich aber auch die geistige Müdigkeit und seelische Verstimmung des schwergeprüften Mannes. Im Jahre 1669 beschloß er sein arbeitsreiches Leben, in welchem er etwa 350 Bilder und beinahe ebenso viele Kunstblätter geschaffen hatte.
Schule Rembrandts. Eine zahlreiche Schar unmittelbarer Schüler und Nachahmer schloß sich an Rembrandt an, darunter einige von großer Begabung, welche die Kunstweise des Meisters auch mit persönlicher Eigenart zu verbinden wußten; so Govaert Flink, Samuel van Hoogstraten und Ferdinand Bol (1616-80). Letzterer hatte sich am meisten in die Art Rembrandts eingelebt, so daß seine Werke manchmal diesem zugeschrieben wurden, wie auch umgekehrt. In neuester Zeit wird sogar der Versuch gemacht, die Behauptung zu erweisen, daß eigentlich Bol die meisten Gemälde geschaffen habe, die bisher für solche Rembrandts galten.
Thatsache ist, daß verschiedene «sichere» Bilder Bols an meisterlicher Vollkommenheit denen Rembrandts gleich stehen, ebenso aber auch, daß jene, die aus der letzten Zeit stammen (also nach Rembrandts Tode) eine auffällige Verflachung zeigen. Vielleicht liegt die einfache Lösung des Rätsels darin, daß vielfach ein gemeinschaftliches Arbeiten stattfand, wobei ja manchmal der Schüler wohl die Hauptarbeit geleistet, der Meister ihr aber die feine Vollendung gegeben haben mag.
Sittenbildmalerei. In der «Großmalerei», auf dem Felde der religiösen und mythologischen Darstellungen, wurde im 18. Jahrhundert die Schule Rembrandts durch die «klassische» Richtung verdrängt, die mit ihren akademischen Anschauungen von der Alleingiltigkeit der Antike auch in Holland durchdrang. Länger bewahrte die heimische Eigenart die holländische Kunst auf dem Gebiete des Sittenbildes, das sie ganz besonders pflegte. Hier kam der eigentliche Kunstgeist des Volkes am schärfsten zum Ausdruck und leistete daher auch sein Bestes.
Rembrandt war eine außerordentliche künstlerische Persönlichkeit, die zwar im Volkstum wurzelt, aber über dasselbe in die Höhe entwuchs. Die zahlreichen Meister der Kleinmalerei, bedeutend an Können und auch eigenartig verschieden, sind jedoch mehr gleichwertig. Keiner überragt wesentlich den anderen, alle zusammen vertreten nur den künstlerischen Sinn, Begabung und Verständnis des Volkstums, die sich hier auf einer Höhe zeigen, wie nirgends anders in der damaligen Zeit. Der Grund hierfür wurde bereits erörtert, er ist das Gefallen an Kunstschmuck im Hause, das in einer vornehm denkenden, in behaglichem Wohlstand lebenden Gesellschaft sich entwickelte und vererbte. Auf die einzelnen Künstler näher einzugehen, ist bei der riesigen Zahl derselben unmöglich, es genügt aber auch, auf einige Hauptvertreter der verschiedenen Gruppen hinzuweisen, da deren Art immerhin bezeichnend für die letzteren selbst ist.
Das bäuerliche Leben war auch in Holland ein beliebter Vorwurf für die malerische Darstellung. Die besten Leistungen auf diesem Felde hat Adriaen Brouwer (1606-38) aufzuweisen, neben welchen noch Adriaen van Ostade (1610-75) zu nennen ist. Brouwer giebt die Vorgänge mit einer packenden Unmittelbarkeit, seine Gestalten scheinen wahrhaftig zu «leben», so treffend und kennzeichnend ist der Ausdruck der jeweiligen Aeußerung oder Handlung. Das Gemeine ist niemals mit besserer künstlerischer Meisterschaft veranschaulicht
^[Abb.: Fig. 694. Terborch: Trompeter und Dame.
München. Pinakothek.] ¶
und «genießbar» gemacht worden. Auch die Farbengebung, ein gemäßigtes Helldunkel, ist ansprechend. Ein vorzügliches Stück ist die «Lustige Gesellschaft», die alle vorbenannten Vorzüge erkennen läßt (Fig. 692).
Noch häufiger wurde das städtische und bürgerliche Volksleben zum Gegenstande der Schilderung gewählt; die vortrefflichsten Meister dieses Faches sind: Gerard Dou (1613 bis 75), Gabriel Metsu (1629-67) und Frans Mieris der Aeltere (1635-81);
auch Pieter Slingelandt und Gottfried Schalcken haben Bemerkenswertes geleistet.
Dou zeichnet sich durch eine ungemein sorgfältige, fast tüftelnde Durcharbeitung aller Einzelheiten aus, er ist auch nicht streng wirklichkeitstreu, sondern stellt den Inhalt seiner Bilder nach malerischen Gesichtspunkten zusammen; seine Gestalten zeigen stets eine ruhige Stimmung, sie geben sich mit stillem Ernst ihrer Beschäftigung hin, wie dies der gemessenen holländischen Volksart entspricht (Fig. 693). Auch bei ihm ist alles in ein fein abgetöntes Helldunkel getaucht. Mehr lebendige Bewegung verleiht den dargestellten Vorgängen Metsu, dessen Bilder dagegen in der Farbe klarer und kälter sind.
Mieris zog außer dem Leben der niedrigeren Kreise des Volkes auch jenes der vornehmen Gesellschaft in den Bereich seiner Darstellung und verwendet namentlich auf die Behandlung des Stoffes und der Gerätschaften vielen Fleiß. Uebertroffen wird er jedoch an Kunstfertigkeit in dieser Hinsicht und in der unvergleichlich feinen und abgewogenen Farbenstimmung von Gerard Terborch dem Jüngeren (1617-81), dessen Bilder auch durch die meisterhafte Wiedergabe der inneren Bewegung sich auszeichnen. Man fühlt sofort heraus, was in der Seele dieser Gestalten vorgeht (Fig. 694).
Landschaftsmalerei. In der Landschaftsmalerei lassen sich zwei Hauptgruppen unterscheiden. Die eine hatte sich der italienischen Richtung angeschlossen und holte sich auch ihre Vorwürfe aus Italien. Bemerkenswert ist, daß in Rom der Deutsche Elsheimer den meisten Einfluß auf die holländischen Kunstgenossen übte und diese von ihm, also sozusagen aus zweiter Hand, die italienische Kunstweise empfingen. Von den Malern dieser Gruppe wurde teilweise ganz Ansprechendes geleistet, z. B. von Jan Both und Claes Berchem, deren Landschaften sich durch eine sinnige Anordnung und schöne Farbentönung auszeichnen. In einer wirklichen und zwar auch hohen Bedeutung gelangte jedoch nur die zweite Gruppe, welche die heimische Natur zum Gegenstande ihrer Studien und Darstellung machte.
Das holländische Gelände bietet weder großartige Formen noch viel Abwechslung; eine Ebene, die höchstens von Sandhügeln unterbrochen wird, durchzogen von stillen Flüßchen und Kanälen, mit kleinen Wäldern zwischen den Dörfern, das sind die wesentlichen Grundzüge. Die Reize liegen hier in der «Stimmung» von Luft und Licht, und um diese herauszufinden, bedurfte es eines tieferen Naturgefühles und einer sorgfältigeren Beobachtung. Mit der Arbeit nach Vorbildern konnte man da nicht weit kommen, eigene Naturstudien waren unerläßlich.
Dadurch war die holländische Landschaftsmalerei auf den richtigen Weg zur künstlerischen Höhe gedrängt und gelangte zu einer Vollendung, welche nirgends anders im 17. Jahrhundert erreicht wurde. Die unmittelbare Natürlichkeit, die frische Auffassung, die wundervolle Durchsichtigkeit der Luft, die feine Tönung der Lichter und Schatten, kurz gesagt: «Stimmung» - diese Vorzüge finden sich in mehr oder minder hohem Maße bei den meisten Werken dieser Gruppe.
Aus derselben ragen insbesondere zwei Persönlichkeiten hervor, die als vollkommene Meister auf diesem Gebiete gelten können: Jacob van Ruysdael (1628-1682) und Meindert Hobbema (1638-1709), denen noch des ersteren Oheim, Salomon van Ruysdael (1600-70), Aelbert Cuyp (1620-91) und Jan van der Meer (1628-91) zur Seite sich stellen können. Ruysdael ist der Maler der Waldeinsamkeit, Hobbema jener der belebten, sonnbeglänzten Flur; der erstere giebt eine mehr traumhaft-dichterische, der andere eine genußfröhlichere Stimmung wieder. Ruysdael bildet alle Einzelheiten mit sorgfältiger Feinheit durch und arbeitet mit einem zarten Helldunkel; Hobbema wählt das vollere sonnige Licht, ist großzügiger und kräftiger. Es ist schwer zu sagen, welchem der beiden der Vorzug gebühre; von entzückendem Reiz sind die Landschaften des einen wie des andern, und ist bei Hobbema vielleicht die Naturwahrheit noch ¶