nachgebend, mehr der klassizistischen Richtung sich zuwandte, ohne sich jedoch in der königlichen Gunst erhalten zu können. Friedrich der Große war auch in dem Punkte dem Beispiele Frankreichs gefolgt, daß er die dort zur Herrschaft gelangte Richtung, welche in Palladio ihr Vorbild sah, begünstigte. Die Antike wurde wieder «mustergiltig», und schon Boumanns hatte antike Bauten nachahmen müssen. So sind beispielsweise die Hedwigskirche und die französische Kirche Nachbildungen des Pantheons (Fig. 628).
Diese neufranzösische «klassische» Bauweise, die eigentlich unter englischem Einflusse sich herausgebildet hatte, fand in Georg von Knobelsdorff (1699-1753) einen Vertreter, der dem Geschmack des Königs völlig zu entsprechen verstand. Er hatte in Paris seine Studien gemacht und brachte nun die dortigen Anschauungen und Formen nach der Heimat zurück.
Seine Bauten in Rheinsberg, das neue Schloß in Charlottenburg, namentlich aber Sanssouci sind ganz in französischem Geiste gehalten. Beachtenswert dabei ist, daß zwar im Baulichen die strenge und einfache Formensprache der Antike beziehungsweise Palladios herrscht, im Zierwerk jedoch die bereits gekennzeichnete Art des «Rokoko» mit ihren krausen Schnörkeln und willkürlich launenhaften Umbildungen von Naturformen fast ausschweifend waltet. Die innere Ausgestaltung von Sanssouci giebt hierfür das eindringlichste Zeugniß. Hier ist das «Rokoko» mit einer anmutigen Feinheit und in einem Reichtum ausgebildet, wie man es in Deutschland kaum noch wiederfindet.
Die für die baukünstlerische Auffassung Knobelsdorffs und somit für die ganze Richtung am meisten bezeichnende Schöpfung ist das Opernhaus in Berlin, dem der Gedanke eines Apollotempels, dessen Cella die Bühne ist, zu Grunde liegt (Fig. 629). Das war nun freilich «geistreich» im Sinne jener Zeit, in der man sich allerlei philosophischen Schwärmereien hingab und auch die Natur nur durch die Brille der antik-klassischen Gelehrsamkeit ansah. Dem inneren Wesen der Baukunst widerspricht es aber, wenn auf bedeutungsvolle Beziehungen das Hauptgewicht gelegt wird, anstatt auf den Zweckgedanken, und in der Regel ist damit auch der Mangel an Formgefühl verbunden. Für erkünstelte Gedanken lassen sich eben keine wahrhaft künstlerischen Formen finden.
Mit Knobelsdorff hatte die «klassische» Richtung in Berlin den vollen Sieg errungen; ihr huldigte auch Carl von Gontard (1738-1802), der, gleichfalls aus der französischen Schule hervorgegangen, bis zu Ende des Jahrhunderts der tonangebende Meister blieb. Als eine auffällige Ausnahme erscheint nur die Bibliothek in Berlin, für welche Fischers Wiener Hofburg das Vorbild abgab.
Die Franzosen in Süddeutschland. In Norddeutschland hatten die Franzosen die deutsche Eigen-Kunst überwältigt und verderbt; länger widerstand ihnen Süddeutschland, doch auch hier kamen sie schließlich obenauf, dank - oder richtiger zu Undank - der Fürstengunst, welche sich den Fremden zuwandte. Die «Pariser» Baukünstler durften an den Höfen nicht fehlen, welche in allem und jedem dem glänzenden Vorbilde des französischen Königtums nacheiferten.
In München, wo man doch so bedeutende Kräfte, wie Effner und Gunezrhainer besaß, tauchte schon 1723 der Franzose François Cuvilliés (1698-1768) auf, der auch kurz vor seinem Tode die oberste Leitung des Bauwesens erhielt, welche Stelle dann an seinen gleichnamigen Sohn (+ 1770) überging. Von den Bauten Cuvilliés' (des Aelteren) sind hauptsächlich zu nennen das Residenztheater und die Amalienburg im Nymphenburger Parke, bei denen die innere Ausgestaltung das wichtigste ist. In derselben erweist sich Cuvilliés allerdings als ein Meister in der Behandlung des Schmuckwerkes, das mit vornehmer Feinheit, aber auch mit einer bemerkenswerten sicheren Kraft gebildet ist. Unverkennbar zeigt sich dabei, daß der Franzose sich dem Einflusse der deutschen Genossen nicht zu entziehen vermochte und sich deren malerischer Auffassung anzuschließen bestrebt war. Die deutsche Kunst erwies sich noch stark genug, um den Fremden zu einer Wandlung seiner Eigenart zu bestimmen, so daß ihn seine Landsleute nicht mehr als vollgiltigen Pariser, sondern als «Provinzler» betrachteten. ¶
In Schwaben hatte schon ein Einheimischer, Leopold Retti, der in Paris studiert, die französische Richtung eingebürgert, wie das Residenzschloß in Stuttgart zeigt, für welches er die Pläne entworfen hatte, und dessen Bau er bis 1752 leitete, worauf dann der Franzose de la Guepiére an seine Stelle trat. Das Schloß ist vollständig in den Formen der Pariser Bauten gehalten und zeigt nicht im geringsten mehr etwas von deutscher Art. Von Guepiére stammen auch die beiden Schlößchen Monrepos (Fig. 630) und Solitude bei Ludwigsburg, deren Grundanlage und Ausschmückung allerdings mustergiltig ist, was vornehme Behaglichkeit und feinen Reiz anbelangt.
In der Kurpfalz und am Rhein kam Nicolaus de Pigage zu Einfluß und bürgerte auch hier den französischen Geschmack ein. Am zähesten hielt Oesterreich an seiner heimischen Richtung fest. Die große Kaiserin Maria Theresia empfand in dieser Hinsicht wahrhaft «deutsch» und ließ sich von der «französischen Mode» nicht beeinflussen, obwohl ihr Gemahl Franz von Lothringen dieser nicht unzugänglich war. Das kräftige Barock Fischer von Erlachs machte allerdings auch hier einem Rokoko Platz, das aber doch eigenartig sich ausbildete.
Erst in den letzten Jahren, als Josef II. schon Mitregent war, treten französische Einflüsse stärker hervor, und der Hauptmeister jener Zeit, der Wiener Johann Ferdinand Hohenberg von Hetzendorf (1732-1790), wandte sich der klassischen Richtung zu. Die sogenannte Gloriette im Schönbrunner Parke (Fig. 631), ein reines Schaustück, das keinen anderen Zweck hat, als malerisch zu wirken, ist ein reizvolles Werk dieser Art, welches übrigens für das Können des Meisters ein treffliches Zeugnis abgiebt.
^[Abb.: Fig. 633. Galerie d'Apollon im Louvre.
Paris.] ¶
Frankreich.
Eigenart der französischen Baukunst. Die Religionskriege, welche im 16. Jahrhundert Frankreich zerrüttet hatten, waren 1598 durch das Edikt von Nantes beendet worden, und die Zeit des neuen Aufschwunges brach an. Die Staatsgewalt, oder richtiger gesagt, das selbstherrliche Königtum, war aus diesen Kämpfen gestärkt hervorgegangen, nicht nur gegenüber dem Volke, sondern, was sehr wichtig ist, auch gegenüber der Kirche. Während in Deutschland, soweit katholische Fürsten in Betracht kamen, diese ihre Macht der Kirche dienstbar machten, hatte Rom dem französischen Könige Zugeständnisse gewähren müssen, welche es einem Ludwig XIV. gestatteten, auch auf kirchlichem Gebiete selbstherrlich aufzutreten.
Wenn auf deutschem Boden die Baukunst durch die religiösen Bekenntnisse beeinflußt erscheint, so daß man von einem katholischen und einem protestantischen Stil sprechen kann, konnte sich in Frankreich ein volklicher und einheitlicher entwickeln. Die kirchliche Unabhängigkeit von Rom brachte auch die künstlerische von Italien mit sich; das französische Selbstbewußtsein war mit voller Berechtigung stark entwickelt und konnte auf eine Sonderstellung auch in der Kunst hinarbeiten. Schon Philibert Delorme durfte daran denken, eine eigene «französische Säulenordnung» zu schaffen, und dieser Gedanke taucht in der Folgezeit immer wieder auf. Man studiert zwar auch die Antike, aber faßt sie stets im französischen Geiste auf und legt sie nach diesem sich für die Anwendung zurecht.
Es fehlt zwar nicht an Einwirkungen von der Fremde her. Nach dem Tode Heinrichs IV. hatte Maria von Medici die Regentschaft für den minderjährigen Ludwig XIII. geführt; sie war in italienischen Anschauungen aufgewachsen und blieb diesen stets getreu. In der Kunst huldigte sie der Richtung der Schule Michelangelos; das heimatliche Florenz blieb ihr vorbildlich. Als sie das Palais Luxembourg erbauen ließ, wies sie den Baumeister Salomon Debrosse an, den Palazzo Pitti, und zwar die von Ammanati ausgeführte Hofseite, nachzubilden.
Debrosse suchte zwar diesem Befehle nachzukommen; dennoch entstand unter seinen Händen etwas ganz anderes, das mehr französischen Geist atmet, als es Verwandtschaft mit der italienischen Art besitzt. Für die geschlossene Einheitlichkeit des italienischen Palastbaues hat der Franzose kein Verständnis; er gewährt den Teilen eine selbständige Bedeutung, anstatt sie völlig dem Ganzen unterzuordnen, so daß jene Vielgestaltigkeit entsteht, wie sie für die deutsche Weise bezeichnend ist.
^[Abb.: Fig. 634. Säulenhalle des Louvre.
Paris.] ¶
Dort, wo der Künstler frei seinen eigenen Anschauungen folgen kann, tritt die französische Eigenart vollständig zu Tage, wie in der Kirche St. Gervais, die ebenfalls Debrosse erbaute. Die kühle Verständigkeit waltet hier, welche auf die Gesetzmäßigkeit in den Einzelheiten, auf Klarheit und Richtigkeit der Formen achtet; nicht nach dem künstlerischen Gefühl, sondern nach Regeln bildet.
Lemercier. Diese verstandesmäßige Richtung finden wir auch bei Jaques Lemercier (1585-1654), der in Italien die dortigen Kunstverhältnisse und die Antike studiert hatte, jedoch nicht um den geltenden Stil nachzuahmen, sondern um die Grundlagen - die Gesetze - zu finden, auf denen er sich entwickelt hatte. Lemercier benutzt zwar verschiedene Grundzüge der italienischen Vorbilder, übernimmt auch Einzelheiten, die ihm gut erscheinen, aber führt sie doch in französischer Eigenart aus. So ist die Hälfte des Seitenflügels im Louvre, den er baute, wohl in der Art römischer Paläste gehalten, aber in den Pavillonbauten, in der zierlichen Durchbildung des Schmuckwerkes kommt der französische Geist zum Ausdruck.
Die am meisten bemerkenswerte That Lemerciers ist die Einführung der Kuppel in die französische Baukunst, indem er die große Kirche der Sorbonne mit einer solchen ausstattete. Diese stellt zugleich eine eigenartige Verbindung von Centralbau und Langhausanlage dar. Der Mittelteil ist in der Form des gleicharmigen griechischen Kreuzes angelegt und bildet gewissermaßen eine Vierung, über welche sich die Kuppel erhebt. Diesem Mittelbau sind auf zwei Seiten Flügel mit Tonnengewölben vorgelegt, deren einer den halbkreisförmigen Chor enthält; diese Flügel haben rechts und links anstatt der Seitenschiffe niedriger gehaltene Kapellenanbauten, so daß der ganze Grundriß ein vollkommenes längliches Viereck aufweist.
Auf den Grundgedanken des Kuppelbaues war Lemercier nicht eingegangen; für ihn ist die Kuppel nur ein wirksames Schmuckstück, und mit verständiger Ueberlegung sucht er sie so einzugliedern, daß sie der französischen Bauweise entspricht. Die «Ordnungsliebe» des Franzosen spricht sich auch darin aus, daß er alle Seiten gleichmäßig künstlerisch ausstattet und sich nicht, wie die Italiener, damit begnügt, die Hauptschauseite wirkungsvoll zu gestalten und dieser alles andere unterzuordnen.
Zur Ausschmückung der Festgalerie des Luxembourg-Palastes hatte Maria von Medici den Großmeister der damaligen Malkunst, Peter Paul Rubens, berufen, und dieser vermittelte begreiflicherweise auch der Baukunst niederländische Anschauungen, die zwar nicht unbeachtet blieben, aber ebenso wenig zur durchgreifenden Geltung kamen, als jene der Baumeister des Jesuitenordens, welche dessen Stil einzubürgern suchten.
Weltlichkeit der französischen Baukunst. So sehr auch der leitende Staatsmann, Kardinal Richelieu, den Katholizismus begünstigte, so hielt er doch daran fest, daß die volkliche Eigenart bewahrt bleibe, wie in allen Dingen, so auch in der Kunst. Die allgemeine Wandlung, die sich auf deren Gebiete vollzog, sollte zwar mitgemacht werden, aber auf dem Boden der heimischen Kunstweise. Wie man die Sprache zu vervollkommnen und zur «klassischen» Ausbildung zu bringen suchte, zu welchem Zwecke die Akademie gegründet wurde (1635),
so sollte auch die französische Kunst «klassisch» werden, indem man auf der Grundlage der Antike sie in eigener volklicher Auffassung fortbildete. Zu einem solchen selbstbewußten Vorgehen konnte man sich um so mehr berechtigt fühlen, als ja die bisherige europäische Vormacht, Spanien, aus ihrer Stellung verdrängt worden war und Frankreich in allen staatlichen Fragen den Ton angab. Entsprechend dieser Führerrolle in weltlichen Dingen erscheint daher auch die französische Kunst in erster Linie weltlich; für das Bauwesen sind nicht Kirchen maßgebend, sondern die Entwicklung des Stiles vollzieht sich an den Palästen des Königs, den Schlössern und «Hotels» des Hochadels und der vornehmen Bürgerschaft.
Hotels und Schlösser. Diese «Hotels», die Stadthäuser der Großen, die nunmehr im Schatten des Hofes zu weilen genötigt waren, sind ungemein bezeichnend für die Eigenart der französischen Bauweise. Der Unterschied zwischen dem «Hotel» und dem italienischen «Palazzo» ist ebenso gründlich, wie tief begründet; seine Ursache liegt in der Forderung der «Zweckmäßigkeit», welche zu vergessen gerade der französische Kunstgeist ¶
am allerwenigsten geeignet war. Die klimatischen Verhältnisse und die Art des gesellschaftlichen Lebens waren in Paris ganz andere als in Italien. Hier war - und ist - man gewohnt, im Freien zu leben; der Begriff des «behaglichen Wohnens» ist auch heute noch dem Italiener fremd. Er flüchtet nur in die geschlossenen Räume, um Schutz vor der Mittagssonnenglut oder Unbill des Wetters zu suchen, benutzt sie zum Schlafen und zu jenen Verrichtungen, die sich nicht unter offenem Himmel abthun lassen.
Die Gemächer des Palazzo blieben in erster Linie Schauräume, um den Prunk auszustellen; sie mußten also durch Größe und reichen Schmuck Eindruck machen. Sie mit Wohngeräten auszustatten, war nicht üblich, weil gar nicht notwendig; für die eigentlichen Wohnzwecke begnügte man sich mit einfachen Kammern. Auch das «gesellige» Leben spielte sich mehr in den Gärten ab, als in den Palästen; diese blieben nur für Empfangs- und Festgepränge bestimmt. Die innere Anlage des italienischen Palazzo ist diesem Erfordernis angepaßt: Weiträumigkeit war die Hauptsache.
Anders lagen die Verhältnisse in Paris. Hier konnte sich nicht das ganze Leben im Freien abspielen, und auch die Geselligkeit war von anderer Art; nicht in großen Festveranstaltungen mit einer Unzahl von Gästen, sondern in den Zusammenkünften der kleineren Freundeskreise lag ihr Schwerpunkt. Dann wollte man auch wirklich «wohnen», und die Räume mußten daher behaglich sein und auch bequem angeordnet für die Bewirtschaftung, indem sie ineinandergriffen und die Nebengelasse für Dienerschaft u. s. w. in der Nähe lagen. Die Gemächer dienten auch wirklich zur Benutzung für den Besitzer, nicht blos zum Beschauen; sie bedurften dazu der Einrichtung, und darauf mußte bei der Ausschmückung Bedacht genommen werden. Beides sollte zusammenstimmen, und darin konnte sich auch der persönliche Geschmack des Hausherrn freier äußern.
Es wird erzählt, daß eine geistvolle Frau, welche die französische Art der Geselligkeit in engerem Freundeskreise pflegte, die Marquise von Rambouillet, die zweckmäßige An-
^[Abb.: Fig. 635. Porte St. Denise.
Paris.] ¶
lage des Hotels «erfunden» habe, und daß selbst Maria v. Medici sich von ihr habe beraten lassen, wie man einen Palast wohnlich gestalte. Ob dies richtig ist, mag dahingestellt bleiben; sicher ist, daß im Laufe des 17. Jahrhunderts die Ausbildung der Hotelanlage erfolgte, deren wesentlichste Kennzeichen die Verlegung der Treppe von der Mitte an die Seite, das Ineinandergehen der Räume und die Verkleinerung derselben sind. Als Schöpfer dieses Hotelstiles sind hauptsächlich zwei Pariser Meister, François Mansart (1598 bis 1666) und Louis Levau (1612-70), zu betrachten, von denen der erstere auch als «Erfinder» jener eigentümlichen Dachform gilt, welche nach ihm Mansarden-Dach benannt wurde, und die darin besteht, daß die Dachfläche geknickt ist, der untere Teil unter steilem Winkel aufsteigt und der obere dann mit geringer Neigung zum First umbiegt.
Für die Baugeschichte Frankreichs sind die Hotels wichtig und bezeichnend; an ihnen entfalten sich das Können und die Erfindungsgabe vieler Meister am besten. Viele dieser Bauten sind freilich inzwischen verschwunden oder gänzlich umgestaltet worden, doch die damals aufgekommenen Grundzüge haben sich bis in unsere Zeit erhalten. Näher auf die einzelnen Bauten einzugehen, gestattet der Raum nicht; doch dürfte das Gesagte immerhin erkennen lassen, daß die französische Baukunst für ihre besonderen Aufgaben auch die entsprechende Lösung zu finden wußte und daher ihre eigenen Wege ging.
Von den obengenannten Meistern war Levau auch bei dem Ausbau des Louvre thätig, indem er den nördlichen, südlichen und östlichen Flügel vollendete; möglicherweise rührt auch der erste Entwurf zum Schlosse in Versailles von ihm her. Als der bedeutendere erscheint jedoch Mansart, der die heimische Auffassung und Bauweise am strengsten vertrat, sie jedoch im Sinne antiker Einfachheit und Formenreinheit auszubilden bestrebt war. Er vermeidet alles Prunkhafte; in der Klarheit der Anlage, in der genauen Abwägung aller Verhältnisse, in der Uebereinstimmung der einzelnen Glieder und in der feinen Durchbildung der stets maßvoll gehaltenen Schmuckformen sieht er die Hauptsache.
Verständige Folgerichtigkeit zeichnet seine Bauten aus, die in ihrer vornehmen Schlichtheit bedeutenden Eindruck machen und von feinsinnigem Geschmack zeugen, der die Baufügung nicht durch das Zierwerk überwuchern läßt. Sein berühmtestes Werk war das Landschloß Maisons sur Seine (jetzt Lafitte), welches ihm die begeisterten Lobsprüche seiner Zeitgenossen eintrug, und in der That auch am vollendetsten das Antik-Klassische in französischem Geiste umgebildet darstellt (Fig. 632).
Lebrun. Dieser bisher herrschenden, einerseits volklichen und andererseits auch das rein-Bauliche (die Baufügung) strenger betonenden Richtung erwuchs jedoch um die Mitte des Jahrhunderts eine mächtige Gegnerschaft, als deren Hauptführer der Maler Charles Lebrun erscheint, der in Italien von der dort bereits voll entwickelten Barockkunst sich hatte berücken lassen und, in die Heimat zurückgekehrt, mit Feuereifer für diese, die Sinne berauschende, die Grenzen zwischen den einzelnen Künsten kühn verachtende Richtung eintrat. Bauliches mit Malerischem und Bildnerischem zu vereinen, um die stärkste Wirkung zu erzielen, in den Formen das Spiel der Einbildungskraft frei walten zu lassen, dabei dem Zierwerk tiefsinnige Gedanken unterzulegen und dadurch selbständige Bedeutung zu verleihen, das erschien einem Lebrun und seinen Anhängern nun als das höchste Ziel der Kunst. - Die Gunst Ludwigs XIV. und dessen Ministers Colbert verschaffte Lebrun einen un-
^[Abb.: Fig. 636. Schloß Versailles.] ¶