zu schaffen. Wie Raphael durch den Papst von dem eigentlichen Felde seiner Kunst durch allerlei Aufträge abgezogen wurde, so erging es Dürer, als im Jahre 1512 er mit Kaiser Maximilian in Verbindung trat. Der Herrscher des «heiligen römischen Reiches deutscher Nation» war zwar kunstsinnig, aber nicht in der glücklichen Lage wie der Papst, über reiche Mittel zu verfügen. Er konnte dem «deutschen Raphael» nicht große Gemälde in Auftrag geben, sondern nur Holzschnitte. So mußte Dürer wieder zum Zeichenstift greifen, und dazu kam noch, daß er bei diesen Arbeiten für den Kaiser nicht seinen eigenen Gedanken frei folgen durfte, sondern die Vorwürfe ausführen sollte, welche ihm angegeben wurden. Es sind drei Werke, welche Dürer für Maximilian in der Zeit von 1512-19 zu liefern hatte: des «Kaisers Ehrenpforte» (92 Holzschnittblätter),
des «Kaisers Triumphwagen» (unvollendet) und den «Buchschmuck zu einem Gebetbuche», letzteren gemeinschaftlich mit einer Anzahl anderer Meister.
In diesen Holzschnitten vermochte Dürer nur seine vollendete zeichnerische Kunstfertigkeit, nicht aber seinen eigenen künstlerischen Geist zu bethätigen, und so liegt der Wert dieser Arbeit nur in der meisterhaft behandelten schönen Formgestaltung sowie in dem nie versiegenden Quell der Einbildungskraft, welche immer neue Formenspiele erfand. Nur ab und zu fand der Künstler noch Muße zu Gemäldearbeiten; es sind meist Ebenbildnisse, die aus dieser Zeit stammen.
Daß Dürer aber auch das Bedürfnis fühlte, einmal etwas «anderes» zu malen, bezeugt die «Lucretia» (1518),
mit welcher er wohl seine italienischen Erinnerungen auffrischen wollte. Das Bild ist allerdings mehr als eine «Studie» zu betrachten, erscheint jedoch deshalb bemerkenswert, weil es zeigt, wie Dürer sich mit derartigen weltlichen Stoffen abfand. Dem unermüdlich strebenden Künstlergeiste Dürers waren die Verhältnisse zu enge geworden, er mochte befürchten, daß er unter dem Zwange der «Arbeiten», mit denen er
^[Abb.: Fig. 572. Burgkmair: Esther.
München. Pinakothek (Photographie Bruckmann).] ¶
^[Abb.: Selbstbildnis Albrecht Dürers aus dem Jahre 1500.
München, Pinakothek.] ¶
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^[Abb.: Holbein d. J.: Madonna.
Darmstadt.] ¶
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sich beschäftigen mußte, verkümmern würde. Ihn drängte es, wieder Neues zu sehen in Natur und Kunst, wieder zu lernen und dabei seinen Geist zu erfrischen, stärkere Anregungen zu empfangen, als sie ihm das gleichförmige Leben innerhalb der Mauern Nürnbergs bieten konnte. Im Jahre 1512 entschloß er sich, mit seiner ganzen Familie nach den Niederlanden zu reisen. Die Fahrt ging den Rhein entlang über Köln nach Antwerpen, Brüssel, Gent u. a. O. Die Reise war für Dürer ungemein fruchtbar; eine Fülle von Zeichnungen, Skizzen und Studien brachte er heim.
Denn wie seinerzeit der wandernde Geselle, war der gereifte Meister unermüdlich bestrebt, alles was sich ihm darbot, mit dem Stifte festzuhalten. Auch einige Gemälde entstanden während dieser Reisezeit. Außer dem Gewinn an neuen Eindrücken und an Kenntnissen von Kunstwerken anderer Meister vermittelte diese Fahrt auch neue Beziehungen zu Kunstgenossen, so zu dem damaligen Hauptmeister der Niederlande, Quentin Massys, und auf solche legte Dürer hohen Wert, wie er ja auch daheim mit allen geistig bedeutenden Persönlichkeiten in regstem Verkehr stand.
Mit gekräftigtem und gehobenem Geiste, leider aber körperlich krank, kehrte Dürer 1522 in die Heimat zurück, wo inzwischen die Bewegung der Reformation die Gemüter tief erregt hatte. Auch auf Dürer übte sie großen Einfluß, wie dies bei seiner tiefen innerlichen Religiosität nicht anders zu erwarten war. Die Erneuerung des religiösen Lebens, die Wiederkehr der wahren Herzensfrömmigkeit war ihm dabei die Hauptsache und diese erhoffte er von der Bewegung, um den Streit der Lehrmeinungen kümmerte er sich wenig. Nicht eine Scheidung sondern eine Vereinigung aller Gläubigen auf dem Boden einer von allen weltlichen Auswüchsen gereinigten Kirche glaubte er erwarten zu dürfen. In dieser gehobenen frommen Stimmung schuf er noch ein Hauptwerk von großer Kraft des Ausdrucks und gewaltiger Wirkung: die «Apostel», welches er 1526 der Stadt Nürnberg als Geschenk widmete (Fig. 571).
Erinnert das Dreifaltigkeitsbild an Raphael, so lassen sich die Apostel mit den Gestalten Michelangelos vergleichen. Lebenswahr bis in die kleinsten Züge und doch in das Ueberirdische erhoben erscheinen diese vier Männer zugleich als Vertreter der verschiedenen menschlichen Eigenart und als Träger der christlichen Gedanken. Petrus, der sinnende, gedankentiefe, grübelnde und zweifelnde Verstandesmensch, und Johannes, milden und innigen Gemütes, sind auf der einen Tafel zusammengestellt; auf der anderen sehen wir Paulus, den willensstarken Mann der That und des Wortes, und Markus den leidenschaftlich erregten, begeisterten Schilderer des Lebens des Erlösers.
Jene verkörpern die hohen Lehrgedanken und die Herzensfrömmigkeit des Christentums, diese die Aufgabe, das Evangelium der ganzen Welt mit Wort und Schrift zu verkünden. Dem gedanklichen Gehalt entspricht auch die Formbehandlung. Die Haltung ist feierlich, von eindrucksvoller Würde, das ganze innere Leben, die seelische Bewegung und Erregung prägt sich in den Gesichtern aus. Nicht minder meisterhaft ist die Farbengebung, welche die Wirkung zur Vollendung steigert. Die einfachen, kraftvollen Farben sind schön zusammengestimmt und von ebenmäßiger Ruhe. Das Werk ist in Wahrheit eines der größten Schöpfungen nicht nur der deutschen, sondern
^[Abb.: Fig. 573. Holbein d. J.: Bildnis des John Chambers.
Wien. Kaiserl. Gemäldesammlung.] ¶