daß die Säulen die Stockwerke durchschneiden. Als Beispiel für diesen Palaststil gebe ich hier eine Ansicht des Palazzo communale (Fig. 431) in Vicenza. Von kleineren Bauten ist die Villa Rotonda bei Vicenza der berühmteste.
In Venedig, wohin Palladio gegen 1565 kam, baute er keine Paläste oder Staatsgebäude, hier finden wir nur zwei Kirchenbauten, welche von ihm herrühren: jene von S. Giorgio Maggiore (Fig. 433) und del Redentore (Fig. 434). Die letztere ist wohl die schönste Kirche Palladios und erscheint als Versuch, auch das christliche Gotteshaus im antiken Geist zu bilden. Die Vorderseite stellt sich als Giebelbau dar, welcher von zwei Säulen und zwei Pilastern getragen wird; an diesen schließen sich an den vorderen Wänden der Seitenschiffe Halbgiebel mit Pfeilern an. In der inneren Anlage ging Palladio hier auf die Kirche del Gesu in Rom zurück, also auf die Form des einschiffigen Langhauses mit Tonnengewölbe. Nach Palladios Tode wurden noch zwei kleinere Kirchen teilweise nach seinen Entwürfen gebaut, sonst fand in Venedig seine Bauweise keine Nachahmer. In Vicenza und Verona blieb sein Einfluß längere Zeit bestehen und äußerte sich in Nachbildung seiner Formen, die meist ohne viel Rücksicht auf den Zusammenhang verwendet wurden.
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Die Bildnerei. Durch die Vorherrschaft in der Baukunst war Florenz zur Zeit der Frührenaissance die Führerin auf dem ganzen Gebiete der Kunst geworden und wenn
^[Abb.: Fig. 452. Verrocchio: Standbild des Colleoni.
Venedig.] ¶
auch nun die anderen Zweige, Bildnerei und Malerei, vollständig unabhängig von der ersteren geworden sind, so bleiben sie doch stets im Zusammenhange mit ihr und entwickelten sich nur dort zur vollen Blüte, wo auch rege Bauthätigkeit herrscht. Dazu kam, daß gerade die bedeutendsten Baumeister auch zugleich Bildhauer und Erzgießer oder Maler waren und also auch diese Künste an die Orte ihrer Thätigkeit mitbrachten.
Die früher allgemein giltige Abhängigkeit hat jedoch gänzlich aufgehört und die Werke der Bildnerei und Malerei «mit Selbstzweck» treten in den Vordergrund. Das ist so zu verstehen, daß sie zwar auch jetzt noch vorwiegend zur Ausschmückung von Bauten bestimmt sind, aber nicht mehr als sozusagen eingegliederte Teile derselben sich ganz dem baulichen Gedanken anschmiegen müssen, sondern ohne Rücksicht auf diesen gebildet werden und «an und für sich» wirken sollen. Im Gegenteil muß eher der Baukünstler darauf Bedacht nehmen, daß er dem Bildner einen diesem zusagenden Hintergrund schafft.
Florenz. So bildete denn Florenz auch für die Entwicklung der Bildnerei den Mittelpunkt und zwar tritt diese gleichzeitig mit der neuen Baukunst ein, ja sogar etwas früher, da zu der Zeit als Brunellesco die Domkuppel begann, schon einige Werke entstanden waren, welche bereits aus dem neuen Geiste heraus erzeugt wurden. Die Form war aber nicht so rasch gefolgt, diese entwickelte sich langsamer, so daß ein ungeübtes Auge in vielen Gebilden noch nicht Werke der Renaissance erblicken wird.
Brunellesco und Ghiberti. Derselbe Name, mit dem die Entwicklung der Baukunst verknüpft ist, begegnet uns auch hier: Brunellesco. Es ist bezeichnend für die Ueberfülle von Kraft und für die Schaffensfreudigkeit dieser Zeit, daß ihre Künstler sich nicht begnügten, auf einem Gebiete thätig zu sein, sondern auch die Schwesterkünste pflegten und zwar in der Regel ebenfalls meisterhaft. Dabei wurde freilich stets einer der Zweige bevorzugt und als Hauptberuf ausgebildet. Nur Einem blieb es vorbehalten in allen drei Künsten ein «großer Meister» zu werden: Michelangelo.
Brunellescos Thätigkeit als Bildhauer erlischt auch bald nach den ersten Proben, da er im Wettkampf um die Ausführung einer Thür des Baptisteriums, welche ein Gegenstück zu der des Andrea Pisano bilden sollte, unterlag. Sein Besieger war Lorenzo Ghiberti, welcher nun, wie bald darauf Brunellesco in der Baukunst, in der Bildnerei die Führung übernahm. Die Probestücke beider Meister sind noch vorhanden, und lassen uns selbst urteilen, ob der Spruch gerecht war. Ich gebe sie beide auf S. 437 wieder.
Ohne Zweifel ist die Darstellung bei Brunellesco bewegter, leidenschaftlicher; der Engel aus den Wolken greift thätlich ein, indem er den Arm Abrahams zurückreißt, auch sind die Gestalten der Natur entsprechender, aber Ghiberti übertrifft ihn, abgesehen von
^[Abb.: Fig. 453. Desiderio da Settignano: Grabmal des Carlo Marsuppini.
Florenz. St. Croce.] ¶
feinerer Durcharbeitung der Einzelheiten, in einem Punkte, und das gab wohl den Ausschlag: in der schöneren Anordnung und Raumfüllung. Ghiberti erhielt den Preis zugesprochen und übernahm die Ausführung.
Die Erzthüren des Baptisteriums in Florenz. Die Nordthür - entstanden 1403-24 - zeigt in zwanzig Feldern Schilderungen aus dem Leben Christi und die Bilder der Evangelisten und Kirchenväter. Die Darstellungsart ist die des hocherhabenen Flachbildes. Ghiberti beschränkte sich hierbei auf wenige Gestalten und erfüllte damit die Bedingung des klassischen Flachbildes, welche verlangte: «knappe aber treffende Darstellung mit den allernotwendigsten Mitteln», und so steht die Nordthür für denjenigen, welcher die Stellung eines Flachbildes nach dieser Vorschrift abmißt, höher als die figurenreichen Schilderungen der später zu erwähnenden Ostthür. In diesen Darstellungen ist der neue Geist schon deutlich kennbar und giebt sich das eigentliche Wesen der Renaissance kund, welches ja nicht, wie so oft fälschlich geglaubt wird, eine «Wiedergeburt der Antike» in dem Sinne einer bloßen Wiederholung ihrer Werke ist, sondern eine Rückkehr zu den Grundlagen, auf welchen die Antike sich entwickelt hatte: Auffassen und geistiges Durchdringen der Natur und ihrer Formen.
Mußte sich der Künstler bei der Nordthür an den vorgeschriebenen Raum, eine Art Vierpaß, halten, so hatte er volle Freiheit bei der ihm bald darauf übertragenen Ausschmückung der dritten Thür desselben Bauwerks. Durch keine künstliche Umrahmung gehindert konnte Ghiberti in den zehn Darstellungen aus dem alten Testament seine Eigenart voll entfalten. Ich gebe hier als Beispiel das erste obere Feld, die Erschaffung Adam und Evas und die Vertreibung aus dem Paradiese. Es sind hier mehrere in der Zeit verschiedene Ereignisse zusammen dargestellt, ein Verfahren, welches hauptsächlich bei Schilderungen aus der Bibel oder aus der Heiligenlegende häufig geübt wird. Vorn links die Erschaffung Adams, dahinter der Sündenfall, in der Mitte die Erschaffung Evas und rechts die Vertreibung (Fig. 435).
Das Wesentliche dieser Darstellungen ist die malerische Behandlung des Flachbildes mit einer Fülle von Gestalten. Die Gesetze des Räumlichsehens kommen bewußt zur Anwendung, wie dem Natürlichen auch im landschaftlichen u. s. w. Beiwerk näher zu kommen getrachtet wird. Die Freude an der Wiedergabe von Naturformen zeigt auch die Umrahmung der Thür mit ihrem Blumen- und Blätterschmuck. Es sind nur bescheidene Pflanzen, doch nahm Ghiberti alles, was auf Feld und Wiese wächst, läßt Vögel an den Früchten naschen, so daß das Ganze ein schönes Zeugnis für seine hohe Naturfreudigkeit ist. Gegenüber der frischen Natürlichkeit dieser Flachbilder zeigen die erhaltenen größeren figürlichen Werke eine stärkere Befangenheit in der herkömmlichen Darstellungsart. Der Fortschritt in der Gewandbehandlung ist jedoch auch hier trotz der Abhängigkeit von antiken Vorbildern unverkennbar.
Donatello. Ganz überwunden und zwar ohne jeden Rest ist «das Alte» bei Ghibertis Zeitgenossen, Donati di Betto Bardi, gen. Donatello (1386-1466), in welchem
^[Abb.: Fig. 454. Benedetto da Majano: Ziborium.
Siena. S. Domenico.] ¶
die volle Wirklichkeitstreue also die Darstellung ohne Stilisierung - der sog. Naturalismus - in aller Schärfe zum Ausdruck kommt. Schön war für Donatello nur das Natürliche, das in der Wirklichkeit Vorhandene, und so müssen wir die Schönheit seiner Werke auch nicht im «Idealen» suchen, sondern in der Wahrhaftigkeit der Darstellung und in dem malerischen Reiz, welchen er ihnen durch die vollendete Behandlung des Bildstoffs verleiht.
Seinen Zoll an den Kunstgeist des Trecento zahlt Donatello in dem sitzenden Johannes, welcher das einzige Werk ist, das noch etwas an die Darstellungsweise der Vorgänger erinnert (Fig. 436). Die Größe Donatellos kommt jedoch schon in dem kraftvollen Kopf zum Ausdruck, aus dessen strengen, ernsten Zügen die volle Naturwahrheit spricht. In der Haltung, obwohl diese mit Rücksicht auf die vorhandenen Gegenstücke nicht frei gewählt werden konnte, sowie in der ganzen Auffassung deutet der Johannes schon auf ein noch fernes Werk hin: auf Michelangelos Moses. Hinter dem Kopf des Johannes muß jener des Standbildes des Petrus zurückstehen, doch ist hier die Gewandbehandlung schöner.
Das erste vollkommen eigenartige Werk ist der heilige Georg (Fig. 437), bei welchem nun nicht mehr der Kopf allein, sondern die ganze Haltung, die Geberden der Hände, die Fußstellung, Träger des Ausdrucks sind. Das Gewand verhüllt nicht mehr den Körper, um der Darstellung des letzteren überhoben zu sein, sondern läßt durch knappes Anliegen die Formen deutlich sichtbar werden. Die Fähigkeit, das Nackte darzustellen, bewies Donatello später in dem Bronzebilde des David, welches zugleich von seiner glänzenden Bildstoffbehandlung Zeugnis ablegt.
Die Zeit von 1416-26 wurde wieder von Arbeiten für den Dom in Anspruch genommen. Es entstanden Werke, welche die Wirklichkeit mit aller Schärfe wiedergaben und besonders in den Köpfen den Ausdruck vollster Lebenswahrheit tragen: es sind dies die Standbilder am Glockenturm, Johannes der Täufer, Ezechias, David (der Prophet Abdias ist von Nanni di Bartolo). Ohne Rücksicht auf die Heiligkeit der Dargestellten und die deshalb sonst übliche «Idealisierung» nahm er als Vorbilder Gestalten aus dem Volke und gab sie ohne Verschönung wieder (Fig. 438). Es sind also nach jetzigem Sprachgebrauch «naturalistische Porträts.»
Bald wurde Donatello denn auch als Bildniskünstler geschätzt; er erhielt zahlreiche Aufträge und schuf in diesen wohl das Schönste, was die Renaissance hinterlassen hat. Zu den besten Arbeiten zählen die Terrakotta-Büste der Ginevra Cavalcanti, bei welcher er durch lebhafte Bemalung den Ausdruck der Lebenswahrheit noch zu steigern suchte, sowie jene des Niccolo da Uzzano (Fig. 440).
^[Abb.: Fig. 455. Mazzoni: Beweinung Christi.
Modena. S. Giovanni.] ¶
Im Jahre 1420 trat er mit dem Baukünstler Michelozzo in Verbindung, und derselben verdankt eine Reihe von Werken ihre Entstehung, welche in glücklicher Verschmelzung bildnerischer und Bauformen auch auf dem Gebiete schmuckhafter Kunst Neues und Vorbildliches darstellen. Vornehmlich sind es Grabmäler, welche zu dieser Zeit entstanden, - so das Grabmal Johannes XXIII. im Baptisterium zu Florenz - ferner Altäre, Kanzeln und Tabernakel.
Mit diesen Werken trat eine neue Aufgabe an Donatello heran, die Darstellung im Flachbild. Auch hier bildete er sich seinen eigenen Stil. Das Malerische, das schon Ghiberti so vollkommen erreicht hatte, steigerte er noch und vermochte z. B. in den Bronzetafeln am Altar des heiligen Antonius zu Padua (mit Darstellungen aus dem Leben des Heiligen), trotz des Ueberreichtums an Gestalten und trotz aller Bewegtheit volle Klarheit und Uebersichtlichkeit der Handlung zu wahren.
Donatellos Kunst ging vielfach über die bisherigen Grenzen hinaus. Er war nur Bildhauer, beherrschte aber sein Gebiet vollständig, sowohl hinsichtlich Handfertigkeit - er schuf in Holz, Bronze, Marmor, Terrakotta - wie in der Darstellungsweise. Den Hauptstoff bildeten seinen Aufträgen entsprechend biblische Darstellungen und unter diesen befand sich auch ein Werk, welches wieder ein Herkommen über den Haufen warf, indem es die an strenge Ueberlieferung gebundene Madonnen-Darstellung völlig veränderte. Um sich darüber klar zu werden, vergleiche man die Verkündigung Fig. 441 mit früheren; das «menschliche» Erschrecken und die Befangenheit Marias ist nie so wahr dargestellt worden. Die heilige Jungfrau ist hier nicht Himmelskönigin, sondern ein einfaches, edles Weib, und diese Auffassung wird nun maßgebend für viele folgende Darstellungen dieser Art, auch in der Malerei.
^[Abb.: Fig. 456. A. da Fossano: Flachbildschmuck am Hauptthore der Certosa.] ¶
Das größte Werk seines Lebens schuf Donatello während seines Aufenthaltes in Padua in dem Reiterstandbilde des Gattamelata, womit er wieder etwas durchaus neues brachte; denn an eine Nachahmung römischer Reiterbilder wird man nicht denken können, wenn man sieht, wie er jene an Naturwahrheit und Gefallsamkeit übertroffen hat (Fig. 442).
Das Liebliche und Zarte fand in Donatello keinen Schilderer; selbst nicht in seinen Kinderdarstellungen (z. B. in seinem berühmten Kinderfries) (Fig. 443), vielleicht mit Ausnahme des reizenden kleinen Bronze-Amors in Florenz.
Bezeichnend überhaupt ist für Donatello, daß er das Hauptgewicht auf die Ausbildung der körperlichen Erscheinung legt, und darum gelingt ihm der Ausdruck solcher innerer Vorgänge am besten, welche sich im Aeußeren kräftig kund geben. (So drückt er das Schwärmerische der Büßer durch skelettartige Magerkeit aus.) Das Seelische, feinere Gefühle und Stimmungen, vermag seine Formensprache noch nicht klar wiederzugeben.
Die Robbia. Die Kunst nach dieser Seite zu ergänzen fiel den Robbia zu. Der Ruhm dieser Künstlerfamilie wurde hauptsächlich durch eine besondere Gattung von Werken, nämlich die farbig glasierten Flachbilder aus gebranntem Thon verbreitet. Luca della Robbia hatte die Anwendung der farbigen Glasur (anstatt der Bemalung) erfunden, deren Feinheit die Durchbildung auch der zartesten Formen gestattete, während ihre Unverwüstlichkeit ein weiterer, nicht geringer Vorzug war.
Den Hauptinhalt der Darstellungen bildete die Madonna, das Kind im Arm haltend oder es anbetend. Diese Werke erscheinen zumeist anspruchslos und dienten vornehmlich schmuckhaften Zwecken; aber gerade diese maßvolle Einfachheit, das Gefühl für den rein-bildnerischen Stil erhöht ihren Wert; auf malerische «Wirkung» wird ebenso verzichtet, wie auf Gestalten-Fülle und reiche Bewegung. Aus innigem Naturgefühl auch eine innige religiöse Stimmung zu entwickeln, darin lag ihre Aufgabe und ihr Reiz.
Der Begründer dieser Schule war Luca della Robbia, welcher zwar Donatellos alles bezwingende Kraft nicht besaß, dafür aber mit seinem Sinn seine Fähigkeiten nach der vorhin gekennzeichneten Seite auszubilden verstand. Ich gebe hier als Proben ein Gegenstück zu Donatellos Kinderfries, ein Flachbild von der Sängertribüne (für den Dom zu Florenz bestimmt, jetzt im Museum dell' Opera), und eine Madonna mit Kind (Fig. 444 u. 445).
Der feinsinnigste Vertreter der Robbia-Schule ist Andrea, der Neffe Luccas, welcher über die ausgereifte, von edelstem Schönheitsgefühl durchdrungene Formgebung des Cinquecento bereits verfügt. Obwohl dieser mit größerer Vervollkommnung in der Stoffbehandlung sich auch an größere Aufgaben wagt, sind doch seine kleineren Werke die besten. Dazu gehören z. B. die Wickelkinder von der Halle des Findelhauses in Florenz (Fig. 446), ein Werk, welches wohl an Anmut nicht zu übertreffen ist. Von seinen größeren Arbeiten gebe ich hier noch die Heimsuchung als Gegenstück zu Donatellos Verkündigung, welche die Verschiedenheit und doch auch vorhandene Aehnlichkeit beider Meister zeigen soll (Fig. 447).
^[Abb.: Fig. 457. Rustici: Predigt des hl. Johannes.
Florenz. Taufkapelle.] ¶