Der Einfluß Bramantes war ein bedeutender und erstreckte sich auf alle jüngeren Künstler, berührte aber auch die älteren, wie Giuliano da Sangallo. In seinem Kreise finden wir Namen wie Peruzzi, Antonio da Sangallo, Giulio Romano, Sansovino und Sanmicheli. Von den beiden größten Künstlern der Renaissance, Rafael und Michelangelo, ist der erstere, soweit seine Thätigkeit als Baukünstler in Frage kommt, ein unmittelbarer Schüler Bramantes und der andere wandelte ebenfalls in dessen Bahnen, um schließlich die Formensprache des Meisters in das Uebergewaltige zu steigern.
Von weniger bekannten Meistern ist Cola di Mattuccio zu nennen, der in seiner Kirche Madonna della Consolazione in Todi - vielleicht nach Bramantes Plänen - die Formensprache des Meisters am reinsten wiederholt.
Raphael Santi. Raphael war von Bramante selbst als sein «Erbe» bezeichnet worden, und in der That hat er mit bewundernswertem Feingefühl die Kunstweise des Meisters erfaßt und sie in selbständigem Geiste durchaus eigenartig weitergebildet. Als selbständiger Baumeister trat Rafael zuerst mit der Kirche S. Eligio degli Orefici hervor, bei welcher er einen Gedanken Bramantes aus dessen Plänen zur Peterskirche ausführt. Einen vollständig eigenen Entwurf legte er dem Bau der Kapelle Chigi in S. Maria del Popolo zu Grunde, deren bildnerische und malerische Ausschmückung ebenfalls er übernehmen sollte, was jedoch nur in sehr beschränktem Maße geschah.
Die römischen Palastbauten, zu welchen Rafael Entwürfe schuf, sind fast sämtlich zerstört oder durch Umbauten entstellt, so die Palazzi Branconio del Aquila, Palazzo Vidoni (Caffarelli) und die Villa Madama. Für Florenz lieferte Rafael die Entwürfe zum Palazzo Pandolfini, die Ausführung übernahm jedoch Giovanni Francesco da Sangallo. Für den zerstörten Palazzo Branconio del Aquila bietet eine Wiederholung desselben der Palazzo Spada, den ich wegen einer Eigenart hier erwähne, einigen Ersatz. An dem Aeußeren dieses Palastes ist der Versuch gemacht worden, die sonst vorkommende Bemalung durch bildnerischen Schmuck zu ersetzen. Nicht nur die Nischen enthalten Standbilder, sondern auch die Flächen zwischen den Fenstern und die Friese sind mit flachbildnerischen Darstellungen geschmückt. Vom Jahre 1514 an bis zu seinem Tode war Rafael auch der Leiter des Baues der Peterskirche. - Ein berühmtes römisches Bauwerk, die Villa Farnesina, ist nicht ganz sicher als Werk Rafaels anzusehen; für diese kommt vielleicht Baldassare Peruzzi als Hauptmitarbeiter in Betracht, jedenfalls ist sie aber im Geiste Rafaels erdacht. Von schlichter Einfachheit in allen Einzelheiten erscheint sie als Ganzes in so vornehmer und abgeklärter Schönheit, daß sie geradezu vorbildlich genannt werden muß (Fig. 421).
^[Abb.: Fig. 436. Donatello: Johannes Evangelist.
Florenz. Dom.] ¶
Seine baukünstlerischen Gedanken brachte Rafael übrigens auch auf seinen Gemälden zum Ausdruck, wie denn überhaupt für die Beurteilung der Ziele und Pläne der Renaissance-Baukunst außer den Entwürfen der Baumeister auch die zeitgenössischen Gemälde in Betracht zu ziehen sind. Bei den auf letzteren dargestellten Gebäuden haben auch Künstler, die selbst nie als Baumeister thätig waren, einen Gedankenreichtum und Erfindungsgabe in baukünstlerischer Hinsicht entfaltet, welche dafür zeugen, wie einheitlich der Kunstgeist dieser Zeit war und wie diese Renaissance-Menschen die Kraft besaßen, alle Gebiete der Kunst zu beherrschen. Dasselbe gilt - freilich im beschränkteren Maße - auch von den Werken der Bildnerei, besonders der Flachbildnerei.
Peruzzi. Der eben erwähnte Sienese Peruzzi hatte, wenn wir von der Villa Farnesina absehen, keine Gelegenheit, durch Umfang bedeutende Werke zu schaffen, für welche er, wie seine geistreichen Handzeichnungen beweisen, ausgezeichnete Begabung besessen hatte. Diese tritt aber auch in den bescheideneren Bauten hervor, die von ihm in Siena und Rom herrühren, z. B. dem reizend zierlichen Säulenhofe San Caterina oder in dem Palazzo Massimi alle Colonne, bei welchem er sich als Meister in der Anpassung an ungünstige Lage und Raumverhältnisse erwies, da der Bau in einer engen Gasse gerade an einer Biegungsstelle liegt.
Sangallo. Von Antonio da Sangallo dem Jüngeren ist das berühmteste Werk der nach seinem Tode von Michelangelo vollendete Palazzo Farnese in Rom (Fig. 422). Zur schönen Gesamtwirkung hat Michelangelo mit dem prächtigen Kranzgesimse viel beigetragen. Im Einzelnen weist der Palast manche Verstöße gegen den guten Stil auf, so sind die Fenster zu klein und zu zahlreich, auch wirkt die Wiederholung der Konsolen des Gesimses der unteren Fenster am oberen Abschluß derselben ungünstig. Im Ganzen aber giebt sich der Ausdruck stolzer Kraft und das Streben nach dem Eindruck des Großartigen und Ueberwältigenden kund.
Giulio Romano. Der Hauptschüler Rafaels, Giulio Romano, war vornehmlich als Erbauer von Palästen thätig. Sein bestes Werk ist das eigene Wohnhaus des Künstlers zu Mantua, sein umfänglichstes der Palazzo del Te (Tajesso) ebendort (Fig. 423). Dieser zeigt, welche Entwicklung der Stil Bramantes bei den späteren Nachfolgern zu nehmen beginnt. Die Willkürlichkeit siegt über die Gesetzmäßigkeit; der äußeren Wirkung zuliebe wird der künstlerische Adel, der in Einfachheit liegt, geopfert. Alles zielt auf Augentäuschung ab, und dem entspricht es nur, wenn jetzt auch beim Bossenwerk der echte Stein durch Mörtelbewurf - die sogen. Putz-Rustika - ersetzt wird. Der hervorragendste Teil ist die Gartenhalle;
am erfreulichsten wirkt der bildnerische Schmuck und das Zierwerk, das vornehme Formen aufweist;
die Wandmalereien dagegen zählen zu den Kunststücken, in welchen sich der Hang zum Ausschweifenden und Abenteuerlichen kundgiebt. - Giulio Romano erscheint manchmal beinahe schon «barock»;
ebenso wenig wie Michelangelo hielt er sich strenge an die Antike, wenn er auch nicht in dem Maße, wie dieser, seine eigene Freiheit behauptete.
Die Anordnung behandelt er vom malerisch-ziervollen Standpunkt aus.
Bemerkt mag noch werden, daß die römische Schule Raphaels das Hervorragendste in Villenbauten leistete, die
^[Abb.: Fig. 437. Donatello: S. Georg.
Florenz. Nationalmuseum.] ¶
mit großen Gartenanlagen verbunden wurden. Diese treten nunmehr in so enge Beziehung zur Baukunst, daß die Gartenkunst als ein Zweig der letzteren erscheint.
Die anderen oben genannten Meister aus Bramantes Kreise waren in Rom nicht in erheblicher Weise thätig. Sie trugen den Geist der Hochrenaissance in die Weite hinaus, indem sie in ihre Heimat zurückkehrten oder nach anderen Orten berufen wurden. Von ihnen wird daher an anderer Stelle zu sprechen sein.
Michelangelo. Auf Bramantes Kunstweise fußt auch Michelangelo, der nun mit seinem übergewaltigen Geiste derselben eine Richtung gab, welche zur höchsten Großartigkeit, aber auch darüber hinaus ins Maßlose führte. Sein Geist war freilich im Stande, auch ohne Gesetze zu schaffen, solche Ungebundenheit wurde aber den Nachfolgern gefährlich. Der Entwurf für die Schauseite von S. Lorenzo in Florenz kam nicht zur Ausführung, und die Grabkapelle der Mediceer daselbst kommt weniger in baulicher als vielmehr in bildnerischer Hinsicht in Betracht. Sie ist ein Kuppelbau, in den Verhältnissen und im Zierwerk schönes Maß haltend. Nach seinen Entwürfen wurden auch der Hof von S. Maria degli Angeli, Hof und Gesimse im Palazzo Farnese und die neue Anlage des
^[Abb.: Fig. 438. Donatello: David.
Florenz. Nationalmuseum.]
^[Abb.: Fig. 439. Verrocchio: David.
Florenz. Nationalmuseum.] ¶
Kapitols ausgeführt. - Das Hauptwert, in welchem sich Geist und künstlerische Ziele des Meisters vollständig offenbaren, ist jedoch die Peterskirche in Rom. Sie sollte wahrhaftig der «erste Dom» der katholischen Christenheit werden, als Bau alle anderen ebenso überragen, wie der Papst über allen Gläubigen steht.
Die Peterskirche. (Fig. 424 und 425.) Schon durch ihre Baugeschichte ist die Peterskirche eines der merkwürdigsten Bauwerke der Welt; nicht durch die lange Dauer bis zur Vollendung, denn darin wird sie von den meisten gotischen Kirchen übertroffen, sondern durch die vielen Umgestaltungen des ursprünglichen Planes und durch die Thatsache, daß die größten Baumeister zweier Jahrhunderte ihre beste Kraft dem Werke widmeten.
Schon 1452 ließ Papst Nicolaus IV. durch Bernardo Rossellino einen Plan zu einem Neubau an Stelle der alten Basilika ausarbeiten. Die Ausführung des Baues kam jedoch nicht viel weiter als über die Anlage der Grundmauern hinaus. Mit dem schon Vorhandenen mußte Bramante rechnen, als er im Jahre 1506 von Julius II. beauftragt wurde, einen neuen Entwurf anzufertigen und dessen Ausführung zu übernehmen. Dem Plane Bramantes, der trotz aller späteren Aenderungen in seinen Hauptzügen beibehalten wurde, liegt das griechische Kreuz zu Grunde über dessen Mitte sich die gewaltige Kuppel erheben sollte.
Die Nebenräume sollten sich diesem beherrschenden Mittelraum zwar unterordnen, aber doch bedeutsam hervortreten. Die Kreuzarme waren innen mit runden, außen mit geradlinigen Abschlüssen gedacht und über den Ecken des Quadrates die Anlage kleiner Kuppeltürme beabsichtigt. Das Ganze sollte also die endliche Verwirklichung des bisher nicht erreichten schönen Urbildes einer Kuppelkirche in sogen. Centralanlage werden. Bramante kam nicht viel über die Ausführung der vier Kuppelpfeiler hinaus.
Nach seinem Tode 1514 übernahm Rafael die Bauleitung, und damit begann ein Schwanken über die Art der Weiterführung des Baues. Die Form des griechischen Kreuzes erschien der Geistlichkeit für die Hauptkirche der Christenheit nicht geeignet; man wollte wieder auf die übliche Form des lateinischen Kreuzes zurückgehen und es sollte daher der eine (östliche) Kreuzarm zu einem Langhause erweitert werden. Unter Rafaels Leitung wurde der Bau des Langhauses und des südlichen Kreuzarmes weitergeführt. Als
^[Abb.: Fig. 440. Donatello: Büste Niccolo da Uzzano.
Florenz. Nationalmuseum.]
^[Abb.: Fig. 441. Donatello: Verkündigung.
Florenz. St. Croce.] ¶
Rafael 1520 starb, wurde Antonio da Sangallo, der schon unter Bramante und Rafael in Gemeinschaft mit Peruzzi als Gehilfe gewirkt hatte, als Bauleiter berufen. Nun trat eine Stockung ein, bis 1534 unter Papst Paul III. durch Sangallo der vordere Kreuzarm und das Viereck zwischen vorderem und südlichem (linkem) Kreuzarm ziemlich zu Ende geführt wurde.
Da übernahm nach Sangallos Tode 1547 der zweiundsiebzigjährige Michelangelo die Leitung und entwarf einen neuen Plan mit verschiedenen Aenderungen, der aber durchaus im Geiste Bramantes gehalten war. Wie Michelangelo seine Stellung zu diesem großen Meister auffaßte, geht daraus hervor, daß er sich selbst nur «Ausführer» des Baues nannte. Die Aenderungen bestanden im wesentlichen in einer Vereinfachung der Anlage und im kräftigeren Zusammenfassen der Einzelteile und Räume.
Das griechische Kreuz wurde beibehalten und nur die Seitenräume - in den Quadratecken - vermindert, auch wurden die tragenden Mauern verstärkt und die Höhe der Kuppel etwas gesteigert. Neu hinzugefügt wurde eine Vorhalle mit vierzehn Säulen, die aber durchaus dem Hauptbaue untergeordnet bleiben und nicht, wie in der späteren Ausführung durch Maderna, so vordringlich die Schauseite beherrschen sollte. Zur Durchführung dieser Aenderungen mußten bereits fertige Teile wieder abgetragen und auch sonst im Aeußern und Innern von Bramantes Entwurf abgewichen werden. Bis zum Tode Michelangelos wurde der Bau nun wenigstens soweit gefördert, daß wesentliche Aenderungen in der Anlage der Hauptteile nicht mehr vorgenommen werden konnten. Der Unterbau der Kuppel war bis zum Beginn der Wölbung fertig, die Wölbung selbst wurde erst 1588 begonnen und 1592 vollständig beendet.
^[Abb.: Fig. 442. Donatello: Standbild des Gattamelata.
Padua.] ¶
Nach Michelangelo waren Vignola und Giacomo della Porta die Bauleiter, die wohl ohne bedeutendere Abweichungen nach Michelangelos Plan weiter arbeiteten, bis 1605 Papst Paul IV. dem Drängen der Geistlichkeit nachgab und durch Carlo Maderna dem Langhaus die Verlängerung nach vorn geben ließ, wodurch die Umwandlung des Grundrisses aus dem griechischen Kreuz in das lateinische vollzogen wurde. Gleichzeitig wurde die noch heute bestehende prunkvolle Vorhalle aufgeführt und durch diese im Verein mit dem vorgelagerten Langhause, die Kuppel um die von Michelangelo und Bramante ihr zugedachte, das Ganze beherrschende Stellung gebracht, damit aber auch die großartige, einheitliche Wirkung vernichtet. 1614 war der Bau endlich soweit vorgeschritten, daß er durch Urban VIII. geweiht werden konnte.
Maderna starb 1629 und Lorenzo Bernini erhielt den Auftrag, den Bau zu beenden. Es handelte sich vor allem darum, der breiten, über das ganze Langhaus sich erstreckenden Schauseite, in welcher die wagerechten Linien überwogen, nun auch eine Höhenwirkung zu geben. Dies sollte durch Aufführung von Seitentürmen geschehen, aber die Senkung der Grundmauern zwang, den einen bereits errichteten abzutragen. Da fand Bernini eine glückliche Lösung, indem er beiderseits lange Säulengänge schief an die Ecken der Schauseite anschloß, wodurch diese einerseits höher, andererseits (infolge der Schrägstellung der Säulenhallen) verkürzt erschien. Dazu gab er noch dem Platze vor der Kirche eine ziemlich starke aufsteigende Neigung, so daß der Bau höher und ferner aussieht. Durch diese sinnreiche Verwertung der perspektivischen Gesetze wurden die begangenen Fehler so weit als möglich gut gemacht.
Sucht man nun den Anteil der beiden Hauptmeister heraus, so findet man Bedeutenderes von Bramante nur bei Einzelheiten im Innern an den Pfeilern der Kuppel.
^[Abb.: Fig. 443. Donatello: Kinder-Fries.
Florenz. Museum St. Maria del Fiore.]
^[Abb.: Fig. 444. Lucca della Robbia: Sänger-Fries.
Florenz. Museum St. Maria del Fiore.] ¶