Kirche S. Andrea zu Mantua, welches er in Anlehnung an einen antiken Tempel bildete. Vier mächtige, über die ganze Höhe gehende Pilaster stützen den dreieckigen Giebel. (Fig. 406.) Im Zusammenhange mit dem Kirchenkörper steht weder dieses Aeußere, noch dasjenige von S. Maria Novella zu Florenz, an welchem zum erstenmale die später häufig vorkommenden Giebelvoluten angewendet werden. Albertis Anteil an dieser Kirche ist nicht genau begrenzt; sicher kann ihm nur das Portal zugeschrieben werden, welches ich als schönes Beispiel seiner Formensprache im einzelnen hier abbilde. (Fig. 407.)
Rossellino. Nach einigen Nachrichten war Alberti Bauleiter am Palazzo Rucellai, der Baumeister und Bildhauer Bernardo Rossellino; jedenfalls zeigt der von ihm erbaute Palazzo Piccolomini (Fig. 408), mit welchem Rossellino die Florentiner Bauformen nach der Provinz Siena versetzt, den stärksten Einfluß Albertis, so daß wohl auf eine engere Beziehung zwischen beiden geschlossen werden darf.
Cronaca. Palazzo Strozzi und Guadagni. In Florenz gelangt noch einmal am Palazzo Strozzi (begonnen 1489) der Rustikapalast zur schönsten Ausführung. (Fig. 409.) Wahrscheinlich rührt der Plan von Giuliano da Sangallo her, während der ausführende Baumeister Benedetto da Majano war. Nach dessen Tode vollendete Simone Pollajolo ^[Pollajuolo], gen. Cronaca, den Bau durch Aufsetzen des wunderschönen, gewaltigen Kranzgesimses - es hat nebst dem zugehörigen Fries 1/8 der Gesamthöhe - welches er getreu nach einem römischen Gesimsstück bedeutend vergrößert bildete.
Stellt der Palazzo Pitti das gewaltigste dar, was durch bloße richtige Wahl der Verhältnisse gewonnen werden konnte, so geben dieselben Mittel beim Palazzo Strozzi ein Musterbild des wahrhaft vornehmen, abgeschlossenen Herrenhauses. Der schöne Hof rührt ebenfalls von Cronaca her. Ueber einem mit Tonnengewölben gedeckten Bogengang erhebt sich ein durch Wandpfeiler geteiltes Fensterstockwerk und über diesem eine Bogen-Laube (Loggia) mit korinthischen Säulen.
Als selbständiger Baumeister schuf Cronaca den Palazzo Guadagni, an welchem er die obere Säulenhalle des Hofes auch an der Vorderseite fortsetzt. Der Palast wird da-
^[Abb.: Fig. 425. Kuppel von St. Peter in Rom.] ¶
durch vierstöckig und zeigt am unteren Geschoß die vollständige Rustika nur an den Kanten; im übrigen die Abart ohne senkrechte Fugen. An den oberen Stockwerken sind ebenfalls nur die Ecken kräftiger betont, die Mauerflächen dagegen glatt und mit Malereien verziert. (Fig. 416).
Giuliano und Antonio da Sangallo. Die Brüder Giuliano und Antonio da Sangallo - unter Albertis Einfluß - suchten besonders den Kirchenbau mit zentraler Anlage weiter zu bilden. Beispiele sind die achteckige Sakristei von S. Spirito in Florenz, die Kirche Madonna delle Carceri in Prato von Giuliano (Fig. 411), die Kirche Madonna di S. Biagio in Montepulciano von Antonio. Die letztere - wie die Carceri über dem griechischen Kreuz errichtet - leitet schon in die Hochrenaissance über und ist besonders durch die geplante Anlage zweier Türme beachtenswert. Nur ein Turm wurde vollendet und zeigt wie die Renaissancekünstler ihn nicht als Beherrscher des Ganzen - dies war und blieb jetzt die Kuppel - sondern als mehr untergeordneten Nebenteil betrachteten. Dies spricht sich an diesem Beispiel außer in der zierlichen Gliederung durch die geringere Höhe als die Kuppel aus, auch deutet die Trennung vom eigentlichen Kirchenkörper auf die nebensächliche Stellung hin.
Verbreitung der Florentiner Bauweise. Die rege Bauthätigkeit von Florenz eiferte auch die Nachbarstädte an und pflanzte sich von einer zur anderen Landschaft fort, bis schließlich ganz Oberitalien von diesem Eifer ergriffen wurde. Die Florentiner Bauweise mußte sich dabei häufig den örtlichen Eigenheiten anpassen, auch die Fortdauer der alten Stile lange Zeit neben sich dulden und zeigt deshalb fast überall Abweichungen von den ursprünglichen Formen.
Bramante. In Mailand machen sich Florentiner Einflüsse schon um das Jahr 1450 bemerkbar, doch kommen sie erst mit Donato d'Angeli Lazzari, gen. Bramante, zum vollen Durchbruch. Bramante erfüllt hier dieselbe Aufgabe wie später in Rom, dessen Baukunst seinem Genie das Erwachen zu neuem künstlerischen Leben zu danken hat. Durch unaufhörliches Lernen an den Werken der Florentiner, mit deren Urhebern er in lebhaftem Verkehr stand, wie durch stetes Anpassen des Gelernten an seine Eigenart ringt er sich schließlich zu einem eigenen Stil - von seinen Landsleuten geradezu Bramantestil genannt -
^[Abb.: Fig. 426. Vignola: Schloß Caprarola.
Bei Viterbo (Provinz Rom).] ¶
durch. Bramantes Hauptziel ist die strenge Durchführung der Schönheit der Verhältnisse, im Schmuckwerk beschränkt er sich in seiner vollen Entwicklung nur auf das Allernotwendigste.
Bramantes oberitalienische Bauten. In seiner Frühzeit ist er jedoch von diesem Verzicht auf Schmuckwerk noch weit entfernt, und eines seiner ersten nachweisbaren Werke, der Chorbau von S. Maria delle Grazie zu Mailand ist durchaus im schmuckhaften Stil erbaut. Es ist ein Backsteinbau, welcher die Gabe Bramantes, die neuen Formen dem Baustoff und der Ueberlieferung anzupassen, zeigt. Die innen gewölbte, außen senkrecht emporsteigende vielseitige Kuppel erhielt unter dem schrägen Schutzdache einen Säulenumgang. Die Aehnlichkeit mit den mittelalterlichen Taufkapellen, z. B. mit dem Baptisterium zu Florenz, ist unverkennbar (Fig. 412).
Ein weiteres Bauwerk, an welchem Bramante einen Lieblingsplan, die Ausgestaltung des Kuppelbaues, weiterführen wollte, der Dom zu Pavia, blieb unvollendet. Das Schwergewicht der Thätigkeit Bramantes ruht in Rom und wird bei der Schilderung der römischen Baukunst gewürdigt werden. Vorerst muß ich noch die Gebiete Oberitaliens erwähnen, welche weniger von Florenz abhängig waren und mehr Eigenart aufwiesen.
Bassagli. Gleichzeitig mit Bramante suchten auch andere Künstler Oberitaliens die Eigenheiten der landläufigen Bauformen, bei denen Säulenumgänge an den oberen Stockwerken am augenfälligsten waren, mit denen der Renaissance zu verbinden, so Battista Bassagli in seiner Kirche der Madonna della Croce bei Crema, ebenfalls ein Backsteinbau. Die außen runde Kuppel ist nur im Innern gewölbt und zwar achtfächrig über einem achteckigen Unterbau. Die kleinen Seitenkuppeln über den Kreuzarmen sind ohne Fächer; die zahlreichen Wandpfeiler-Pilaster in strenger, dorischer Einfachheit (Fig. 413).
Certosa bei Pavia. (Fig. 414.) Das rein Schmuckhafte der Renaissance kommt bei der Vollendung der Certosa bei Pavia am merklichsten zum Ausdruck. Das Aeußere ist eine
^[Abb.: Fig. 427. Vignola: Kirche del Gesu.
Rom.] ¶
wahre Musterkarte der Verzierungskunst dieser Zeit. Diese Ueberladung gab der Certosa hauptsächlich ihre Berühmtheit, doch liegt ihr kunstgeschichtlicher Wert, welcher durch den Ueberreichtum an Schmuck eher geschädigt wird, nicht darin, sondern in dem Aufbau des Aeußeren. Dieser ist von großer Schönheit und zeigt wieder eine glückliche Mischung der romanisch-lombardischen Ueberlieferungen mit den neuen Gedanken, jedoch nicht Formen, denn antike Bildungen finden sich fast gar nicht vor. Von den an der Certosa thätigen Künstlern sind zu nennen Ambrogio Borgognone, von dem der Entwurf der Stirnseite stammt, dann die Brüder Montegazza, Antonio Amadeo und Christoforo Solari, die bei der Ausführung des Schmuckes nebst vielen Anderen betheiligt waren.
Venedig. Eine völlige Sonderstellung nimmt Venedig ein. Diese zäh an ihrer Eigenart festhaltende Stadt verschloß sich dem Eindringen der Renaissance bis in die Zeit nach 1470; solange behauptete das «Gotische» - hier nach der zierhaften Seite, soweit es nur irgend gehen wollte, ausgebildet - bei allen Neu- und Umbauten das Feld. Erst als man sich dessen bewußt wurde, daß gerade das Aeußerliche der Renaissance, in seiner Zusammenhangslosigkeit zwischen Aeußerem und Innerem, alle Bedingungen für Bethätigung des lebhaftesten Schmuckbedürfnisses in sich barg, ergriff man den neuen Stil.
Dies geschah zu der Zeit, in welcher der Reichtum der Stadt zur höchsten Blüte gelangt war, so daß Beschränkungen aus Geldmangel nicht notwendig waren. Bei der Enge der meisten als Verkehrswege dienenden Kanäle mußte von vornherein auf eine Wirkung durch großartige Verhältnisse verzichtet werden. Es widersprach auch dem farbenfrohen Sinne der Venezianer, nur in schönen Formen Genüge zu finden. Deshalb verknüpft sich mit der Baukunst Venedigs - wie das Bossenwerk mit der von Toskana - eine eigene Verzierungsart: die Bekleidung der Mauerflächen mit schönfarbigen und kostbaren Gesteinen, die sogenannte «Inkrustation». Bildnerischer Schmuck wurde mit Vorliebe zur ziervollen Ausgestaltung der Einzelheiten verwendet. Dabei wurde der herrschende Mangel an tüchtigen Baumeistern nicht so sehr empfunden, da mehr eine malerische, auf das Schmuckhafte gerichtete Begabung verlangt wurde.
S. Maria de' Miracoli. (Fig. 415.) Die kleine Kirche S. Maria de' Miracoli (1481) bietet die schönste Wirkung, welche durch eingelegte farbige Flächen erzielt werden kann, doch zeigt sie zugleich eine Schwäche der venezianischen Baukunst dieser Zeit, den Mangel an Sinn für richtige Verhältnisse. Die oberen Stockwerke sind höher als das untere, sie drücken deshalb für unser Empfinden auf dasselbe, während der Unterstock als Träger des Ganzen doch gerade den Eindruck des Kräftigen, Tragfähigen machen soll. Der Giebel lastet am schwersten, da die runden Oeffnungen durchaus nicht auflösend wirken. Sieht man aber von diesen Mängeln ab, so hat man genug, was das Auge erfreuen kann; man
^[Abb.: Fig. 428. Palazzo Bevilacqua.
Bologna.] ¶
darf ja die venezianische Baukunst, und besonders jene der Frührenaissance, nicht mit denselben Maßen messen wie die florentinische. Nur wer auch an rein malerischer Baukunst Freude haben kann, wer sich die malerischen Schönheiten nicht durch die oft groben Verstöße in der Baufügung verdecken läßt, kann auch in Venedig Baukunst genießen.
Die Lombardi. Die Kirche S. Maria de' Miracoli ist ein Werk der Künstlerfamilie Lombardi, deren Haupt Pietro Solari gen. Lombardo war. Die Lombardi beherrschen die Kunst Venedigs, sowohl als Baukünstler wie als Bildhauer, obwohl sie nicht gebürtige Venezianer waren, so daß fast alle bedeutenderen Bauten der Frührenaissance auf sie zurückgeführt werden. Ob zu diesen Bauten das Aeußere der Kirche S. Zaccaria zu rechnen ist, bleibt zweifelhaft.
Zu dieser Art zählt auch die Scuola (Brüderschaftshaus) di S. Marco (Fig. 416), deren Aeußeres zu den prächtigsten Venedigs gehört. Freilich die Verhältnisse und Anordnung des Ganzen wie der Einzelheiten sind unschön und verstoßen wider alle Regel, aber als Schmuckstück betrachtet ist das Werk von reizvollster Wirkung, die jeden Unbefangenen in ihren Bann nimmt.
Der Hang zum Malerischen. Das Malerische gewinnt zuletzt gänzlich die Oberhand; durch Unregelmäßigkeit wird Abwechslung zu erreichen gesucht, doch rächt sich das an größeren Aufgaben, wie dem Hof des Dogenpalastes, welcher durch die Formenfülle verwirrend wirkt und durch unregelmäßige Gliederung den reinen Genuß stört. Wie die überquellende Erfindungsgabe sich hier im einzelnen offenbart, zeigen neben den reichgeschmückten zahllosen Wandpfeilern auch ganz untergeordnete Teile, wie die Stufen der sogenannten Riesentreppe, deren Vorderseiten mit unter sich jedesmal verschiedenen Rankenbändern aus eingelegtem schwarzem Marmor geschmückt wurden.
An Palästen sind aus dieser Zeit die Palazzi Vendramin (Fig. 417) - begonnen 1481 von Pietro Lombardo - und Corner Spinelli zu nennen, der erstere der schönste und größte. Auffällig ist vor allem die Verwendung der Säulen an Stelle der üblichen Pilaster. Die Verhältnisse sind etwas besser gewählt als sonst üblich, werden aber von denen des Palazzo Corner Spinelli übertroffen (Fig. 418).
^[Abb.: Fig. 429. Jacopo Sansovino: Bibliothek von S. Marco.
Venedig] ¶
Rom zur Zeit der Frührenaissance. Während in Oberitalien unter Führung von Florenz die Frührenaissance die Herrscherin wurde und allmählich zur Hochrenaissance heranreifte, blieb Rom in fast teilnahmsloser Ruhe. Zwar gelangten vornehmlich unter Papst Nicolaus V. toskanische Baumeister und Florentiner Einfluß auch hierher, doch entstand kein Werk, welches durch schöne Verhältnisse, Formen oder Eigenart Anspruch auf größere Bedeutung erheben konnte. Erst mit Bramantes Eintreffen in Rom (um 1499) ändert sich dieser Zustand, um dann sofort die Baukunst zur vollsten und herrlichsten Blüte gelangen zu lassen. Doch tritt dies erst in der Zeit der Hochrenaissance ein und muß füglich mit dieser behandelt werden. Auch in der Umgebung Roms gelangt man fürs erste nicht über Anläufe hinaus, welche alle auf Verwertung der Florentiner Vorbilder beruhen.
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Die Hochrenaissance. Der Uebergang von der sogen. Frührenaissance zur Hochrenaissance vollzog sich allmählich mit dem Wechsel des Jahrhunderts. An feste Jahreszahlen ist er nicht gebunden, ebenso wenig können bestimmte Künstler als Begründer der Hochrenaissance angesehen werden. Es entstand ja kein neuer Stil, und die Kunstentwicklung der neuen Zeit ist doch nur die Frucht der mühevollen Arbeit des fünfzehnten Jahrhunderts.
Der Kunstgeist der Frührenaissance strebte nach Naturwahrheit; er suchte aber damit auch Schönheit zu verbinden. Nicht eine blos äußerliche glatte Schönheit, sondern jene, die in der Wahrheit begründet ist. Jeder Künstler suchte auf seine Weise und nach seinem Können zur Erreichung dieses Zieles zu gelangen und je mehr er von der Erfahrung seiner Vorgänger und seiner Genossen für sich nutzbar machen konnte, desto leichter wurde es ihm, selbst wieder förderlich zu sein. Hatte er dabei nur äußerliche Gaben mitgebracht, so bildete er doch wenigstens die Arbeitsfertigkeit weiter. War er selbst Denker und Ringer, so wurde er auch ein geistiger Förderer und brachte die Kunst der Reife näher. Als wahre Künstler der Hochrenaissance
^[Abb.: Fig. 430. Jacopo Sansovino: Loggetta.
Venedig.]
^[Abb.: Fig. 431. Palladio: Palazzo Communale.
Vicenza.] ¶