wandten sie die gleichen Hilfsmittel an wie die Aegypter. Die den Letzteren eigentümliche mehrfache Verdrehung der Körper wurde jedoch vermieden; die reine Seitenansicht wurde immer bevorzugt, doch sind auch Gestalten in voller Vorderansicht nicht selten; bei diesen sind dann nur die Füße in Seitenstellung dargestellt.
Wandgemälde. Ich habe vorhin bereits auf die Bemalung der Flachbildwerke hingewiesen und auch die geringere Dauerhaftigkeit der Farbe angedeutet, die einerseits durch die klimatischen Verhältnisse, andererseits durch den verwendeten Stoff (Alabaster) bedingt war. Die chaldäische Malerei läßt sich jedoch besser beurteilen aus den Wandgemälden, welche auf gebrannten Thonplatten ausgeführt sind. Diese machen einen vortrefflichen Eindruck, sowohl durch die gelungene Zeichnung, wie auch durch die verständige Farbengebung.
Die Vorwürfe sind die gleichen wie bei der Flachbildnerei, im ganzen jedoch einfacher gehalten, nicht so figurenreich und übersichtlicher angeordnet. Der Sinn für Farbeneinklang giebt sich auch in den bloßen Verzierungsgebilden kund, die sich auch durch Gefälligkeit der Muster auszeichnen. Besonders häufig wurden hierbei Rosetten verwendet, dann Nachbildungen von Pflanzenformen, Palmblätter und Lotosblumen, letztere sowohl geschlossen wie entfaltet. Diese Formen erscheinen «stilisiert», das heißt nicht naturgetreu, sondern umgeformt, wobei nur die wesentlichen Grundzüge beibehalten, aber stärker hervorgehoben werden. Auch (geflügelte) Tiergestalten finden sich in den Zierleisten, diese sind aber natürlich aufgefaßt.
Kleinkunst. In der Kleinkunst stehen die Chaldäer etwas hinter den Aegyptern zurück; der Reichtum an Formen ist nicht so groß, auch sind diese nicht so gefällig. Der Hausrat erscheint oft verkünstelt und die Zweckmäßigkeit nicht berücksichtigend. Aus den auf der Tafel: «Kunstgewerbe des Altertums» gegebenen Proben läßt sich die Eigenart des chaldäischen Kunstgewerbes einigermaßen erkennen. Auch bei den Chaldäern sind im Grunde die älteren Werke bedeutsamer, sie erscheinen einfacher, aber kraftvoller und großzügig, während später zwar eine feinere Ausarbeitung stattfindet, womit jedoch nur eine große Weichlichkeit erzielt wird, ohne daß es zu einer wesentlichen Um- und Neugestaltung der überkommenen Formen kam.
^[Abb.: Fig. 43. Geflügelte Gottheit.
Flachbild aus Nimrud. Berliner Museum. (Nach Photographie von Mertens.)]
^[Abb.: Fig. 44. Kopf eines assyrischen Offiziers.
Flachbild aus Khorsabad. Paris, Louvre.]
Besprechung der Abbildungen. In den Trümmern, welche jetzt die alte Stätte Babylons bedecken, ist nichts gefunden worden, was zu einer Veranschaulichung der babylonischen Baukunst dienen könnte. Der Baustoff war zu vergänglich, um wie in Aegypten, seine Formen bis auf unsere Zeit behalten zu können. Etwas besser steht es mit der babylonischen Bildnereikunst, doch sind die Funde nur spärlich und aus demselben Grunde sehr selten so erhalten, daß ich damit ein klares Bild der Entwicklung geben könnte. Ich begnüge mich daher damit, in der Abbildung eines Kopfes, welcher in Tello gefunden wurde (Fig. 38), und in dem sitzenden Steinbilde des Königs Gudea (Fig. 39) eine Probe der Nachbildung des Menschen zu geben.
Besser erhalten sind die Trümmer der assyrischen Baukunst, so daß es den Forschern möglich wurde, wenigstens die Grundrisse ziemlich getreu aufzuzeichnen. Dazu kommt, daß unter den zahlreichen Flachbildern, welche die Wände bedecken, Abbildungen von Bauten gefunden wurden, so daß wir wenigstens annähernd ein Bild der entschwundenen Riesenbauten haben.
Ich gebe hier den Grundriß eines der größten aufgedeckten Paläste, des von Khorsabad, nebst einigen Größenangaben.
Auf einer künstlichen Terrasse a von 14 m Höhe, 314 m Breite, 344 m Länge stand das Gebäude nordwestlich von einer etwa 3 m starken Mauer d umgeben. Etwa 210 Säle und Gemächer umgaben die 30 Höfe. Durch das Hauptportal A gelangt man in einen großen Hof B, welchen links der Harem C, rechts die Wirtschaftsgebäude D begrenzen. Die Rückseite bildete der eigentliche Palast G, zu welchem der Haupteingang durch das Portal E über den Hof F führte. Die Zugänge waren mit jenen oben beschriebenen Riesentiergestalten geschmückt.
Ueber H erhob sich einst in sieben Absätzen eine Stufenpyramide; das abseits liegende Gebäude I wird als der Thronsaal aufgefaßt, c ist eine Freitreppe, d eine Rampe für Reiter und Wagen. Ich sehe davon ab, eine jener «Rekonstruktionen» abzubilden, wie sie von verschiedenen Forschern versucht wurden, und gebe zur Vervollständigung in den Erläuterungen unter «Stilvergleichung» nur ein Abbild der Palastformen, wie sie uns von den Assyrern selbst in Flachbildern hinterlassen wurden.
Die Flachbilder enthalten auch das Hauptsächlichste der auf uns gekommenen Reste assyrischer Bildhauerkunst, und zwar in so reichlicher Menge, daß wir über die Höhe der Kunstentwicklung vollkommen unterrichtet sind.
^[Abb.: Fig. 45. Bogenschützen in Streitwagen.
Darunter eine Darstellung aus dem Feldlager. Flachbild aus Ninive. Paris, Louvre.]
Zu den übrigen Abbildungen ist nichts zu bemerken, da auf S. 40 unter «Eigentümlichkeit der Darstellungsweise» schon alles Nähere gesagt wurde. Dagegen möchte ich es nicht unterlassen, auf die wunderbar naturgetreue Nachbildung der Löwenkörper hinzuweisen. Der Todesschmerz der sterbenden Tiere ist mit einfachen Mitteln zu gewaltigem Ausdruck gebracht; die «Stilisierung» erstreckt sich nur auf die Mähne und das Schweifbüschel.
Perser.
Durch die stammverwandten Phöniker wurde die chaldäische Kultur und Kunst auch nach Westen verbreitet, ohne jedoch im Wettbewerb mit der ägyptischen und der frühhellenischen einen maßgebenden Einfluß zu erlangen. Dagegen wurde sie bestimmend für die stammfremden Völker im Osten, die Indogermanen des iranischen Hochlandes, von denen zuerst die Meder, dann die Perser zur Vorherrschaft gelangten.
Kultur der Meder. Aus den Berichten der alten Schriftsteller über die Meder - unzweifelhafte Denkmale ihrer Thätigkeit sind nicht vorhanden - kann ich nur entnehmen, daß ihre Kultur vollständig im Banne der chaldäischen war; sie im Bauwesen wie in sonstigen Kunstdingen einfach ihre westlichen Nachbarn nachahmten, oder - was noch zutreffender sein dürfte - Werkmeister und Künstler von ihnen bezogen.
Die Pracht der medischen Hauptstadt Ekbatana wird von den griechischen Schriftstellern als außerordentlich gerühmt; gerade diese Erzählungen weisen jedoch auf chaldäische Vorbilder hin.
Die Perser. Die Perser sind wie wohl begreiflich auch in der Kultur von den Chaldäern so lange abhängig gewesen, als sie es in politischer Hinsicht waren. Der Sieg des Königs Cyrus über die Meder (559 v. Chr.) machte die Perser zu Herren Mittelasiens, und in der Folgezeit geriet auch ganz Vorderasien, ja selbst Aegypten unter ihre Oberhoheit. Drei selbständige, hochentwickelte Kulturgebiete umfaßte ihr Reich: das chaldäische, ägyptische und das hellenische der vorderasiatischen Küste. Damit war der Entwicklungsgang der persischen Kultur und Kunst mit einer gewissen Naturnotwendigkeit bestimmt.
^[Abb.: Fig. 46. Sterbender Löwe.
Flachbild aus Kujundschik. London, Brit. Museum. (Nach Photographie von Mansell.)]
Herodots Schilderung der alten Perser erinnert in manchen Zügen an jene, welche Tacitus von den Germanen giebt. Jene erscheinen nach den Berichten als ein gesund-kräftiges Volk von einfachen Sitten und natürlicher Wohlanständigkeit; stolz, ehrenhaft und treu, der Lüge abhold und daher auch ohne Handelsgeist; nur der Landwirtschaft ergeben, somit auch jagdlustig und kriegerisch.
Dieses Volk wurde nun Herr der Länder, in welchen eine hohe verfeinerte Kultur mit ihren Licht- und Schattenseiten, Reichtum und üppiger Lebensgenuß herrschten. Wie die ersten Germanenstämme, welche das Römerreich überfluteten, zunächst durch die Kultur nur sittlich verdorben wurden, ohne diese weiter bilden zu können, was erst später dem germanischen Geist gelang, so erging es auch den Persern. Die alte chaldäische Kultur unterjochte vorerst das politisch siegreiche Volk, das viel von seiner Eigenart verlor. Immerhin blieb der persische Geist stark genug, um nicht ganz in den chaldäischen aufzugehen, sondern auch andere Kultureinflüsse aufzunehmen und zu verarbeiten.
Die Kunst. Für die persische Kunst ergab sich daher folgendes: Die urpersische Eigenart tritt ganz in den Hintergrund;
aus der chaldäischen, ägyptischen und hellenischen Kunstübung wird eine Auswahl getroffen und durch Verbindung verschiedener Grundzüge ein neuer Mischstil - man nennt dies «eklektisch» - geschaffen. Am wenigsten beeinflußt durch das Fremde erhielt sich nur die persische Dichtkunst.
Es ist daher gar nicht wunderbar, daß die ältesten persischen Denkmale schon eine gewisse Vollendung zeigen. Von der alten Königsstadt Pasargadae - unweit des jetzigen Murghab - sind noch einige Reste erhalten; namentlich das sogenannte Grab des Cyrus. Es ist aus geglättetem Marmor in sieben Absätzen aufgebaut und trägt oben ein Giebelhaus, in welchem der König bestattet war. Man wird unschwer erkennen, daß der Stufenbau auf chaldäischem Vorbild beruht, während das Giebelhaus, sowie die Behandlung des Steins schon hellenischen (vorderasiatischen) Stil aufweist. Unter den Trümmern des Königspalastes fand man ferner einen Pfeiler mit einem Flachbildwerk, welches laut der Keilinschrift den König Cyrus darstellt. Die Gestalt zeigt ägyptischen Kopfschmuck und die chaldäischen Flügel (s. Fig. 50).
Dareios (521-485 v. Chr.) verlegte seinen Sitz nach der Stadt, welche die Griechen Persepolis nannten, und errichtete hier - sowie in Susa - großartige Prachtbauten.
^[Abb.: Fig. 47. Verwundete Löwin.
Flachbild aus Kujundschik. London, Brit. Museum. (Nach Photographie von Mansell)]
Seinem Beispiele folgte sein Sohn Xerxes (bis 465 v. Chr.), und aus der Zeit dieser beiden Könige stammen die besten Werke, welche für die persische Kunst bezeichnend sind. Die späteren Nachfolger hatten mit inneren und äußeren Wirren zu kämpfen, welche einer gedeihlichen Kunstpflege nicht förderlich waren, und überdies gewann der hellenische Einfluß immer mehr das Uebergewicht, so daß er schon vor der Eroberung des Reiches durch Alexander den Großen (330 v. Chr.) für die Kunstübung maßgebend war und in der Folgezeit natürlich zur vollen Herrschaft gelangte.
Das griechische (makedonische) Königsgeschlecht der Seleuciden wurde 240 v. Chr. von den Parthern aus Persien verdrängt und auf Syrien beschränkt. Unter der parthischen Herrschaft geriet das Kunstwesen immer mehr in Verfall, an eine selbständige Fortentwicklung war natürlich gar nicht zu denken. Aus dieser Zeit ist auch sehr wenig erhalten geblieben. Um 226 n. Chr. wurden die Parther vertrieben und ein persisches Königsgeschlecht (die Sassaniden) begründete ein neues Reich. So weit bei den fortwährenden Kämpfen noch eine Kunstpflege möglich war, geriet sie unter spätgriechischen (byzantinischen) Einfluß, welcher dann unter der Herrschaft der arabischen Khalifen (seit 642) von dem islamitischen gänzlich verdrängt wurde.
Ich werde von der späteren Kunst auf persischem Boden daher an anderer Stelle sprechen, da sie nur als Ableger fremder Richtungen erscheint. Die eigen-persische Kunst stirbt mit dem altpersischen Reiche ab. Auch hinsichtlich derselben kann ich mich nach dem vorher Gesagten auf wenige kurze Bemerkungen beschränken.
Bauformen. Die persischen Bauten waren in der Hauptsache aus Backsteinen aufgemauert, hatten wahrscheinlich nur hölzerne Decken, wurden aber mit großartigen Säulenhallen ausgestattet, welche den baulichen Schmuck bildeten. (Die großen Abstände zwischen den hohen und schlanken Säulen weisen darauf hin, daß auch diese Hallen nur Holzdecken haben konnten.) In der Einführung der Marmorsäulen bekundet sich der hellenische Einfluß. - Wie ich schon erwähnte, sind bei den Chaldäern Säulen in geringem Maße verwendet worden
^[Abb.: Fig. 48. Trankopfer des Königs Assurnasirabal.
Flachbild aus Nimrud. London, Brit. Museum. (Nach Photographie von Mansell.)]
- auch die Form der Schäfte weist deutlich auf Vorbilder aus den griechischen (jonischen) Städten Vorderasiens hin. Eine eigentümliche Ausgestaltung erfuhren die Kapitäle, hier macht sich eine Neigung zum Prunkhaften geltend, die durch Häufung seltsamer Formen Wirkung erzielen will. Zwei Hauptarten lassen sich namentlich unterscheiden. Bei der einen wird das Kapitäl aus den Vorderleibern von zwei Einhörnern oder Stieren gebildet; bei der andern aus zwei Blumenkelchen, von welchen der untere umgekehrt, mit herabfallenden Blättern, der obere kleinere mit aufrechtstehenden Blättern dargestellt ist; eine Kugelschnur läuft an der Verbindungsstelle herum.
Auf dem oberen Kelch sind dann noch senkrecht aufgestellte Schneckenglieder (Voluten) angebracht. In Susa fand man Säulen, welche beide Arten Kapitäle gleichzeitig - übereinander getürmt - tragen; eine Uebertreibung, welche auf Entartung des Geschmackes deutet. Bei den Thoren findet sich häufig ein Kranzgesimse mit drei Reihen aufrechtstehender Blätter, während das von den Säulen getragene Gebälk meist mit Zahnschnitt versehen ist. Abbildungen der Bauformen findet man in den Erläuterungen unter «Stilvergleichung.»
Erwähnt muß noch werden, daß die Perser auch Felsengräber hatten, bei denen die Außenseite dann ähnlich den Freibauten gestaltet wurde, indem an der Felswand Säulen, Gebälk und Bilder in Flachbildart ausgemeißelt wurden.
Flachbildnerei. In der Flachbildnerei folgten die Perser ganz den chaldäischen Vorbildern, nur ist ihre Darstellungsweise etwas geglätteter und weicher, und die Gestalten zeigen fast durchwegs eine würdige Ruhe und feierliche Haltung. Dieser Mangel an Bewegung und an Kraft im Ausdruck der Formen einerseits, ein Zug nach ziermäßiger Ausgestaltung andrerseits ist für die persische Kunst bezeichnend, welche ja fast ausschließlich zur Verherrlichung der Königsmacht dienen mußte. Während bei den Aegyptern und Altchaldäern die Darstellung geschichtlicher Ereignisse, zum Teil auch des Volkslebens, überwiegt, ist bei den Persern das Hofleben der Hauptgegenstand. Die feierliche Gemessenheit erinnert dabei an die Steifheit der spanischen Hofsitten.
Malerei und Kleinkunst. Für die Malerei scheinen die Perser keine besondere Vorliebe gehabt zu haben, und auf dem Gebiete der Kleinkunst zeichneten sie sich nur in einem Zweige, in der Steinschneidekunst, aus. Von letzterer sind einige vorzügliche Arbeiten (Siegel) erhalten. Diese Steinschneidekunst bildete eine Besonderheit der Perser und erhielt sich auch auf ihrer Höhe bis in die Zeit des VII. Jahrhunderts n. Chr. Daß die Perser im übrigen Kunstgewerbe wenig Selbständiges leisteten, ist begreiflich. Sie, als das kriegerische herrschende Volk, überließen dies Gebiet den Unterworfenen, welche ja bereits heimisch auf demselben waren.
^[Abb.: Fig. 49. Der König auf der Löwenjagd.
Flachbild aus Nimrud. London, Brit. Museum. (Nach Photographie von Mansell.)]
Das «Wunderland» und seine Völker. Es giebt wohl keine größere Schrift über Indien, in welcher nicht mindestens einmal der Ausdruck «Wunderland» vorkäme. Daß ein Gebiet, welches siebenmal so groß ist wie das Deutsche Reich, in welchem es etwa 18 Schriftsprachen und 14 Alphabete giebt, abgesehen von den Naturerscheinungen auch hinsichtlich der Kultur des Merkwürdigen genug bieten muß, ist gar nicht wundersam. Von jeher hat auch Indien die Einbildungskraft der Europäer beschäftigt, was vielfach zu übertriebenen Vorstellungen führte.
Daß dort die Urheimat des ganzen Menschengeschlechtes zu suchen sei, glaubt im Ernste heute wohl niemand. Auch hinsichtlich des Alters der Kultur hegt man jetzt andere Ansichten. Mancherlei spricht für die Annahme, daß Indien vor den jetzt dort Ansässigen von einer Urrasse besiedelt war, deren Reste in einigen rätselhaften Stämmen der Berglandschaften zu finden wären. Dann wurde die Dravida-Rasse im ganzen Gebiete herrschend, die heute nur noch den Süden und Osten der ostindischen Halbinsel inne hat. Im dritten Jahrtausend v. Chr., vielleicht auch später - die Annahmen schwanken zwischen 4000 bis 1500 - brachen von Nordwesten her Indogermanen ein, die Aryas, d. h. «Herren», welche die Dravidas im Norden und Nordwesten unterwarfen, im Laufe der späteren Zeit aber sich vielfach mit den besiegten Stämmen vermischten, aus welcher Vermengung sich die verschiedenen Hinduvölker ergaben.
In der geschichtlichen Zeit kamen dann neue Volksteile hinzu; die Nachfolger Alexanders d. Gr., welche auf dem Hochlande Iran ein Reich begründet hatten, eroberten die Grenzländer; im 1. Jahrhundert v. Chr. gelangten turanische Fürsten, der hochasiatischen Rasse angehörig, in Nordindien zur Herrschaft, und 1526 gründete der Mongolenfürst Babar, ein Nachkomme Timur Leng's, das große Kaiserreich der Großmoguls.
Indische Kultur. Diese wenigen Andeutungen genügen, um erkennen zu lassen, daß die indische Kultur wiederholt verschiedenen Einflüssen unterlag und viel Fremdes in sich aufnahm. Dies zeigt sich natürlich besonders deutlich in den bildenden Künsten; das Eigen-Indische in denselben wird von dem Fremden überwuchert. Sie sind auch verhältnismäßig jung und für die allgemeine Entwicklung der Kunst ohne Bedeutung, da sie nur von Westen her Anregungen empfingen, aber keine gaben.
Schrifttum. Als Beweis für eine uralte hohe Kultur der Hindu wird das Schrifttum angeführt, in welchem eine in der That reichentwickelte Dichtkunst sich zeigt. Das
^[Abb.: Fig. 50. Flachbild des Cyrus.
Von einem Pfeiler aus Pasargadae.]
älteste Denkmal ist der Rigveda, eine Sammlung von Liedern, Erzählungen, Sagen, Rätseln u. s. w. Die Angaben über das Alter derselben - bis 4000 v. Chr. -
scheinen mir jedoch übertrieben zu sein, und wenn man die Thatsache erwägt, daß alle Veden spätere Einschübe und Umarbeitungen erfuhren, so sind wohl mannigfache Zweifel über die Entstehungszeit der einzelnen Bestandteile gestattet. Das Eine halte ich aber für sicher, daß die Schilderungen von Prachtbauten und dergleichen spätere Einfügungen sind. Für die indische Dichtkunst begann die Blütezeit auch erst im 6. Jahrhundert n. Chr.; sie ist also ebenfalls «jung». Auf das Schrifttum näher einzugehen, ist hier nicht der Ort und ich muß mich den andern Künsten zuwenden.
Bildende Künste. Kulturgebiete und Stile. Man muß in Indien zwei Kulturgebiete unterscheiden; das Dravidische und das Arische. Ersteres hat seine ursprüngliche Art länger bewahrt, aber auch weniger Fortschritte gezeigt, in letzterem machten sich persische und griechische Einflüsse in hohem Maße geltend, bis beide Gebiete unter die Herrschaft des islamitischen Geistes gelangten. Man kann die Sache so fassen, daß man in den bildenden Künsten vier Richtungen oder Stile unterscheiden darf: den eigen-indischen, den persisch-indischen, griechisch-indischen und den islamitischen. Der letztere gelangt seit dem 15. Jahrhundert zur unbedingten Herrschaft und ihm gehören all' die prächtigen Bauten - Paläste, Moscheen, Grabmäler - an, welche Indien berühmt gemacht haben.
Buddhistische Bauten. Reliquien-Behälter (Stûpa). Was aus der früheren Zeit stammt, ist wohl auch eigenartig und merkwürdig. Den Anstoß zur Entwicklung der Baukunst gab der Buddhismus, dessen Stifter Siddhattya im 6. Jahrhundert v. Chr. lebte. Diese Religion wurde um 250 v. Chr. durch den König Açoca zur herrschenden in Indien gemacht, und von dieser Zeit an begann auch eine rege Bauthätigkeit.
Eine besondere Eigentümlichkeit des Buddhismus war die Verehrung von Reliquien, der Ueberbleibsel Buddhas und besonders frommer Anhänger. Für diese wurden Grab-
^[Abb.: Fig. 51. Die große Stûpa von Santschi.
(Nach Schlagintweit «Indien».)]
Hügel errichtet, Kuppelbauten, die auf einer Plattform ruhen, außen mit behauenen Steinen verkleidet, im Innern eine kleine Kammer für die Reliquie bergend. Diese Reliquienbehälter hießen Stûpa (so viel wie Schopf), in der Volkssprache Topa, in Ceylon Dagopa. In der Regel waren sie mit einem Steingitter umgeben, das aus Steinpfeilern (bis 3 m hoch) bestand, die von drei steinernen Querbalken durchzogen waren, oben ruhte ein Gesimsbalken. Dieses Steingitter war durch große Thorbauten unterbrochen, die aus 2 bis 10 m hohen Pfeilern, mit drei durchgezogenen Querbalken in der Höhe bestanden. Diese Thorbauten, welche deutlich ihren Ursprung aus der Holzbaukunst erkennen lassen, sind ungemein reich mit Flachbildwerken und auch freistehenden Figuren (Elefanten) geziert.
Die einfache Kuppelform der Stûpa wurde später - als der Brahmaismus wieder die Oberhand gewann und nun auch seinerseits zu Tempelbauten schritt - reicher gegliedert und ausgestaltet durch vorspringende Wülste an den Seiten und Aufsätzen. Aus der Stûpa entwickelte sich schließlich der für die spätere indische Baukunst bezeichnende Turmbau (Pagode), indem man das Ganze noch höher aufführte, wagerecht und senkrecht reicher gliederte und üppig verzierte. In der Stûpa haben wir also jene eigen-indische Form, welche sich als Grundlage oder Bestandteil in der gesamten indischen Baukunst bei allen Stilrichtungen fort erhielt.
Grottenbauten. Eine andere buddhistische Einrichtung förderte ebenfalls das Bauwesen; das waren die Klöster. Das Mönchsleben gab nämlich Anlaß zu den Höhlenbauten. Zunächst wurden Wohnzellen (Vihâra) in den Grotten angelegt, dann auch eine Versammlungshalle (Tschaitya) hinzugefügt, welche endlich zu einem mehr oder minder großartigen Tempel
^[Abb.: Fig. 52. Grottentempel von Karli.
(Nach Schlagintweit «Indien».)]
ausgestaltet wurde. Ueber dem Eingang in die Tempelgrotte befindet sich gewöhnlich eine tiefe Nische. Das Schiff enthält meist zwei Säulenreihen, endet mit einem Halbrund, in welchem der Reliquienschrein - in der üblichen Stûpa- oder Dagopaform - steht. Die Decke ist tonnen- oder kuppelförmig gestaltet.
Bisweilen wurden die Tempel auch ganz aus dem Felsen herausgearbeitet, so daß sie frei in einem Hofe stehen, der in den Berg gebrochen ist, und der Tempel aus einem einzigen Riesenblock ausgemeißelt erscheint. Das berühmteste Beispiel dieser Art ist der Kailasa bei Ellora.
Tempelbauten. Die Freibauten von Tempeln zeigen in ihrer Grundanlage eine Verbindung der Stûpaform mit den Grottenhallen. Sie bestehen aus zwei Teilen, der Vorhalle (mandapa), in welcher sich die Gläubigen versammeln, und dem Heiligtum mit dem Götterbild, gewöhnlich nur den Priestern zugänglich. Ueber diese Götterzelle erhob sich der hohe Turmbau.
Baustile. Nach den verschiedenen Abweichungen in den Einzelheiten dieser Hauptgrundform kann man mehrere Stilunterarten aufstellen. In Nordindien ist die Götterzelle viereckig angelegt, der Turmbau ist einfach, kräftig, senkrecht gegliedert. Bisweilen wird das Dach der Vorhalle als Kuppel gestaltet, welche auf Säulen ruht (sogen. Dschaina-Stil); andererseits die Zelle sternförmig angelegt und mit einem pyramidenförmigen Dache versehen (Tschalukja-Stil). Im Süden herrscht der sogen. dravidische Stil, Zelle und Vorhalle sind im Rechteck angelegt, der Turmbau besteht aus einer Reihe sich verjüngender Stockwerke und ist oben mit einer Kuppel gekrönt. Die Tempel sind in der Regel von einem Hofe (manchmal 2-3) umgeben, in welchen pagodenförmige Thorbauten führen; auch finden sich große Säulenhallen in den Höfen angelegt.
^[Abb.: Fig. 53. Flachbilder aus dem Tempel von Karli.
(Nach Photographie.)]
Die indische Bauweise verbreitete sich nicht nur nordwärts nach den Staaten im Himalaya-Gebiete und nach China, sondern auch nach Hinterindien und die ostindischen Inseln. Sie wurde dabei örtlich zwar mehrfach verändert, so daß man auch von Stilabarten sprechen könnte, im wesentlichen sind es aber derselbe Geist und die gleichen Grundlagen, die uns begegnen. Die Entwicklung der geschilderten, für die indische Kunst bezeichnenden Hauptformen erstreckt sich - das muß ich nochmals betonen - auf einen sehr langen Zeitraum, vom 3. Jahrhundert v. Chr. bis zum 15. n. Chr. Der Buddhismus gab nur den Anstoß, die Fortbildung erfolgte unter der wiederhergestellten Herrschaft des Brahmaismus und dauerte bis in die Zeit der mohammedanischen Eroberer hinein.
Fremde Einflüsse auf die altindische Bauweise. Ich habe vorhin auch von einem persisch-indischen und griechisch-indischen Stile gesprochen. Dies ist so zu verstehen, daß die altindische Baukunst für Einzelheiten die Bauformen der Perser und Griechen übernahm. Am deutlichsten zeigt sich dies bei den Säulen. Die Bauten aus der Zeit von 500-300 v. Chr. weisen Säulen auf mit einem glockenförmigen Kapitäl, welchem noch ein Tierpaar aufgesetzt ist, und stufenförmigen Säulenfuß, also ganz die persische Form. Seit dem 2. Jahrhundert v. Chr. wurden dann namentlich im nordwestlichen Teile die griechischen Säulenformen mit Vorliebe verwendet. Auch sonst noch wurden manche Eigenheiten der griechischen Kunstweise übernommen, welche vor allem den guten Einfluß übte, daß der Hang zum Ungeheuerlichen und Ausschweifenden etwas gedämpft wurde.
^[Abb.: Fig. 54. Pfeiler aus dem sog. Pferdehofe der Pagode von Siringham.
Die Schäfte werden von Reitern und Tiergestalten gebildet. (Nach Photographie.)]
^[Abb.: Fig. 55. Indo-korinthisches Kapitäl.
Sog. Elefanten-Kapitäl.]
Das ist ja das Bezeichnende für die eigen-indische Kunst, daß sie Einfachheit und Ruhe sowie schön-verhältnismäßige Behandlung und Anordnung der Einzelteile nicht kennt. Ihre Werke sind daher mit Verzierungen überladen, deren krauses Durcheinander und unruhige Bewegtheit der Linien verwirrt. Diese Ueppigkeit im Bauschmuck behielt auch die islamitisch-indische Bauweise bei, von welcher ich später - im Zusammenhang mit der gesamten islamitischen Kunst - sprechen werde.
Indische Bildnerei. Die Bildnerei der Inder steht fast ausschließlich im Dienste der Religion. Da die weltlichen Prachtbauten aus der mohammedanischen Zeit stammen, und der Islam bilderfeindlich ist, so erklärt sich ohne weiteres die Seltenheit weltlicher Bildnerei. Für bildnerische Darstellungen aus der Geschichte hatten die Inder auch wenig Sinn, und so blieb eben dieser Kunstzweig auf die Ausschmückung der Tempel angewiesen.
Diese war in der buddhistischen Zeit auch beschränkt, da nur die Gestalt des Buddha - als Standbild oder als Flachbild in Felsnischen, letztere manchmal von ungeheurer Größe - dargestellt wurde. Der Brahmaismus mit seinen vielen und vielgestaltigen Göttern brachte dagegen die Bildnerei in Schwung, insbesondere die Tempelwände wurden mit zahlreichen Flachbildnerei-Arbeiten bedeckt.
Eigenart der indischen Bildnerei. Zu einer besonderen Vervollkommnung haben es die Inder jedoch trotz fleißiger Uebung und einer hohen Arbeitsfertigkeit nicht gebracht. Es sind zwar gewisse Fortschritte im Laufe der Zeit gemacht worden, die anfängliche Steifheit der Gestalten wird durch einen lebensvolleren Ausdruck der Bewegung ersetzt, der aber zuletzt auch wieder in Uebertreibung ausartet. Verworren ist auch die Anordnung bei Darstellung von Vorgängen; da drängt sich Alles willkürlich und launenhaft durcheinander. Volle Naturwahrheit anzustreben widersprach dem indischen Geiste, der seine Einbildungskraft und Träumerei walten ließ.
Wenn somit auch die Inder in der Darstellung des menschlichen Körpers der Natur ziemlich nahe kamen, so findet sich doch immer irgend ein abweichender und daher störender Zug. Ersichtlich ist die Vorliebe für Darstellung weiblicher Anmut, und in diesem Bemühen hat die indische Bildnerei noch die besten Erfolge aufzuweisen. Die Milde und Weichheit wurde aber auch auf die männlichen Gestalten übertragen. Kraft und Stärke vermißt man daher nicht nur im Ausdrucke und der Haltung der Figuren, sondern überhaupt in der ganzen Linienführung und Formbehandlung.
Kleinkunst. Weitaus erfreulicher als die Bildnerei an den Denkmalen ist jene in der Kleinkunst. Man findet da beispielsweise Thonfiguren, welche eine scharfe Auffassung
^[Abb.: Fig. 56. Buddha mit Gläubigen.
Flachbild aus Takht-i-Bahai. Berlin, Museum für Völkerkunde.]
^[Abb.: Fig. 57. Buddhakopf mit indischen Zügen.]
der Natur und Sinn für einfachere, aber kräftige Formen, sowie in der Bemalung eine feine Farbenstimmung aufweisen.
Es zeigt sich überhaupt die merkwürdige Thatsache, daß der Inder im Kleinen all' jene Fehler vermeidet, die seinen Werken im Großen anhaften. Die reiche, fruchtbare Erfindungsgabe macht sich beispielsweise in den Verzierungsmustern im vollen Maße geltend, ohne jedoch in geschmacklose Uebertreibung zu verfallen. Das gilt auch von den Formen der Schmucksachen und Ziergeräte, die meistens - es giebt natürlich auch Ausnahmen - ein gefälliges Maß einhalten, so daß ich sagen möchte, der indische Geist giebt nur auf dem Felde der Kleinkunst Geschmack kund und hier leistet er sein Bestes. So sind auch die Kleinmalereien aus Elfenbein hinsichtlich der Ausführung manchmal vortrefflich gelungen, während die erhaltenen Wandmalereien in den Grottentempeln ziemlich roh erscheinen.
Bedeutung der indischen Kunst. Mangel an Thatkraft, Neigung zum Maßlosen und Ausschweifenden und Vorliebe für beschauliches Träumen sind jene Eigenschaften der indischen Volksmasse, welche es verhinderten, daß sie zu einer wesentlichen Bedeutung für die Weltkultur gelangte. So hat auch die indische Kunst die allgemeine Entwicklung nicht gefördert, war vielmehr stets mehr oder minder in Abhängigkeit vom Westen, und hat nur auf das hochasiatische Gebiet und die Naturvölker der ostindischen Inselwelt einen gewissen Einfluß geübt. Wenn auch Indien reich an fesselnden und anregenden Erscheinungen ist, so macht sich doch gerade hier am stärksten das Gefühl geltend, daß man es mit einer unserem Wesen und unserer Anschauung ganz fremden Eigenart zu thun hat. Man kann die indische Kunst bewundern, aber wird sie nie gefallsam finden.
^[Abb.: Fig. 58. Standbild des Buddha.
Aus Takht-i-Bahai. Berlin, Museum für Völkerkunde]
China und Japan.
Bedeutung und Eigenart der Hochasiaten. Die hochasiatische Rasse - diese Bezeichnung ist dem sonst üblichen Namen «mongolische» vorzuziehen, da letzterer zu Mißverständnissen führt - hat für die Kultur der Menschheit die größte Bedeutung, allerdings nicht wegen ihrer schöpferischen Thatkraft, sondern weil sie unbewußt und wider Willen - wie Mephistopheles von sich sagt - das Gute schuf, indem sie seit grauer Vorzeit den Anstoß zur Völkerbewegung und Rassenmischung gab.
Die Hochasiaten drängten die Indo-Germanen nach Westen und Süden der Landmasse der östlichen Halbkugel; die ältesten Wanderungen, welche die sogenannten Arier nach Indien und Vorderasien, die Pelasger nach Griechenland und Italien brachten, wurden ebenso wie die letzte große Völkerbewegung in den ersten Jahrhunderten n. Chr. von ihnen veranlaßt.
Dabei ist diese Rasse von schwerfällig ruhiger Gemütsart, mit allen Eigenheiten und Unarten der Kindlichkeit, ist unkriegerisch und unselbständig. Nur zeitweilig gelingt es, die Massen so zu erregen, daß sie kriegerisch auftreten, aber auch dann ist nicht der Einzelne tapfer, sondern eben die Masse muß durch ihre Wucht wirken.
Wo die Hochasiaten mit anderen thatkräftigeren Völkern zusammentreffen, unterliegen sie rasch der Kultur derselben. Sie vermochten daher auch auf europäischem Boden keine dauernden Reiche zu begründen, - Hunnen und Avaren verschwanden spurlos - dies gelang nur in der geschützten Mitte ihres Ansiedlungsgebietes. Von den Splittern dieser Rasse, welche im europäischen Kulturgebiet sich erhielten - Finnen, Magyaren, Osmanen - ist auch keine Anregung zum Kulturfortschritt ausgegangen, der Aneignung fremder Kultur verdanken sie überhaupt ihre Erhaltung.
Kultur und Kunst der Hochasiaten. Eine höhere Eigenkultur der Hochasiaten entwickelte sich nur in der Mitte, die Randvölker sind auch heute
^[Abb.: Fig 59. Stehender Buddha.
Aus Takht-i-Bahai. Berlin, Museum für Völkerkunde. (Nach Photographie.)]
noch nicht über die ersten Stufen der Halbkultur hinausgekommen. Selbst dort aber waren fremde Einflüsse bestimmend für die Fortschritte, so daß man getrost sagen kann, die hochasiatische Rasse ist unfähig, aus eigener Kraft eine selbständige, der indogermanischen ebenbürtige Vollkultur hervorzubringen. Man sieht daher, daß auch dort, wo die hochasiatische Rasse ihr Bestes leistete, sie nur auf eine Mittelstufe gelangte und dann in einen Beharrungszustand verfiel. Für das besondere Gebiet der Kunst ergiebt sich des Weiteren, daß die hochasiatische Kunst in ihrer Eigenart nur eine «Merkwürdigkeit» bleibt, aber keinen anregenden und fördernden Einfluß auf die allgemeine Fortentwicklung auszuüben vermag.
China. Nur zwei Völker mit Eigenkultur hat die hochasiatische Rasse aufzuweisen: die Chinesen und Japaner. Die chinesische Kultur wird herkömmlich als «uralt» bezeichnet, was vielfach das Mißverständnis hervorruft, als hätten die Chinesen die verschiedenen, ihnen zugeschriebenen Erfindungen - Papier, Druck mit beweglichen Lettern, Schießpulver usw. - schon in grauer Vorzeit gemacht. In Wahrheit ist die chinesische Kultur und somit auch die Kunst weitaus jünger als die ägyptische, und jene berühmten Erfindungen fallen in die Zeit nach Chr. Geb. Ich bin der Ansicht, daß die europäische Stein- und Bronzezeit mit der chinesischen wahrscheinlich zusammenfällt, mit anderen Worten, daß die Urvölker Europas eben so früh auf jene Stufe der Kultur gelangt sind, welche die alten Chinesen einnahmen.
Chinesische Bronzegefäße. Porzellan. Die ältesten Zeugnisse chinesischer Kunst sind eben Bronzegefäße, die man in dem Lehmboden (Löß) der großen Stromgebiete Chinas gefunden hat. Sie zeigen in Form und Verzierung die Grundmerkmale, welche alle Erzeugnisse jener Kulturstufe kennzeichnet. Allerdings weisen viele chinesischen Funde wieder eine weit größere Vollendung auf, als sie bei den Bronzegeräten Europas anzutreffen ist, dies erklärt sich aber leicht dadurch, daß diese besseren Stücke aus späterer Zeit stammen, zu welcher in Europa die mittelmeerländische Kultur und Kunst auch
^[Abb.: Fig. 60. Alt javanisches Buddhabild.
Berlin, Museum für Völkerkunde. (Nach Photographie des Museums.)]
das Festland bereits beherrschte. Sicher ist ja, daß die chinesische Bronzebearbeitung ihre weitere Ausbildung unter dem Einflusse des Buddhismus (vgl. Indien) erlangte, welcher erst ungefähr um 50-60 nach Chr. in China Verbreitung fand.
Die zweite den Chinesen eigentümliche Kunst ist die Bearbeitung des Porzellans, das aber frühestens im 7. Jahrhundert nach Chr. - wahrscheinlicher erst im 9. - erfunden wurde. Daraus erhellt wohl zur Genüge, daß die eigen-chinesische Kunst nicht so «uralt» ist, wie man häufig glaubt.
Eigentümlichkeiten des chinesischen Kunstgewerbes. Die Eigenart der chinesischen Arbeiten in Bronze und Porzellan läßt sich in Kürze kennzeichnen. Die ältesten Bronzegeräte zeigen in der Verzierung geometrische Muster, dann wurden Formen von Bergen und Wolken und abenteuerlich gestalteten Tieren (Drachen) verwendet. Die Vorliebe für solche Ungetüme blieb bis heute. Mit dem Eindringen des Buddhismus kamen indische Einflüsse zur Geltung, erst jetzt wurden auch Pflanzenformen und menschliche Figuren in der Verzierung verwertet. Die ohnehin vorhandene Neigung der Chinesen zu seltsamer phantastischer Linienführung wurde durch die indischen Muster noch verstärkt; der Zug nach Naturtreue, welcher sonst bei anderen Völkem immer auftritt, blieb den Chinesen fremd. - Man kann es geradezu als das «Gesetz» der eigen-chinesischen Kunst bezeichnen, daß die Formen von der - oft ausschweifenden - Einbildungskraft launenhaft gestaltet werden müssen. Alle Vorbilder aus der Natur werden umgeformt (stilisiert). Vom 15. Jahrhundert nach Chr. an nahmen auch islamitische Muster - hauptsächlich persische - auf die Bronzearbeiten Einfluß, und in die Folgezeit fällt daher auch die größte Entwicklung dieses Zweiges der Kunst, besser gesagt: Kunstgewerbes.
Was die Porzellanarbeiten anbelangt, so ist die Art derselben durch echte Stücke und Nachahmungen bei uns hinlänglich bekannt, so daß ich nicht viel darüber zu sagen brauche. Nicht die künstlerische Behandlung, sondern die hochentwickelte Arbeitsfertigkeit ist es, was diese Erzeugnisse bemerkenswert macht. Die sorgfältige, peinlich genaue Ausführung, eine ausgetüftelte Sauberkeit einerseits, eine krause Mannigfaltigkeit von Einzelheiten und seltsame Verschnörkelung andererseits, kennzeichnet sowohl die Porzellansachen, als auch die anderen Erzeugnisse der Kleinkunst, die Schnitzereien aus Elfenbein, Bambus und Stein, die Schmucksachen u. dgl. (Siehe Tafel: «Kunstgewerbe des Altertums».)
Chinesische Malerei. Mehr als durch ihre Formen wirken die Porzellanarbeiten durch die Bemalung, und da schon die ältesten sich in dieser Beziehung auszeichnen, so deutet dies auf eine frühe Entwicklung der Malerei hin. Es wird berichtet, daß schon im 3. Jahrhundert v. Chr. auf Bambusplatten und Seidenstoffen gemalt wurde - auch Bildnisse von Personen -; in Schwung kam aber diese Kunst erst nach der Erfindung des Papiers (105 n. Chr.). Darstellungen aus dem gewöhnlichen Leben scheinen im Anfang bevorzugt worden zu sein, erst durch den Buddhismus wurden auch religiöse Vorwürfe eingeführt, und von dem 7. Jahrhundert n. Chr. trat die Landschaftsmalerei in den Vordergrund.
^[Abb.: Fig. 61. Chinesische Halle von den Minggräbern.
(Nach Photographie.)]