ausgesetzt haben, wählen auch die Gemeinen anderer Städte zur Zeit von Kriegen allgemein einen von ihnen zum Feldhauptmann. So waren Herr Heinrich Besserer und Herr Konrad Besserer nach einander Hauptleute der Gemeinen Städte, (pag. 86) und beide erlitten für das Gemeinwesen einen ruhmvollen Tod in der Schlacht. Aber auch heute wurde der ausgezeichnete Mann, Herr Wilhelm Besserer, wirklicher Bürgermeister von Ulm, in jenem großen Jahr vor allen vom Kaiser Friedrich III, von den Fürsten, Grafen und Gemeinen der Städte zum Hauptmann des großen Bundes von ganz Schwaben gewählt, in welchem der Adel und die Bürger im Jahr des Herrn 1488 vereinigt worden sind.
Denn allen ist bekannt die Treue, Redlichkeit und Festigkeit, die Kraft und Kühnheit dieser Familie, Eigenschaften, die alle das Glück begleitet. Und weil die Besserer ihren Namen von gut haben und das Gute seiner Natur nach sich selbst auszubreiten sucht, deshalb findet sich auch die Familie selbst von Ulm ausgebreitet über viele Städte Schwabens, die sie durch ihre Anwesenheit zieren, z. B. Memmingen, Ravensburg u. s. w. Aber auch in Basel gibt es ehrbare Bürger dieses Namens; ob sie aber von dem Blut unserer Besserer sind, ist nicht bekannt. Das aber können wir durch Briefe nachweisen, daß die Besserer von Ulm an Alter alle andern übertreffen. Von diesen Besserer haben wir in Ulm und anderwärts Bürgermeister, Richter, Leiter und Vögte, Senatoren und Ratsherren gesehen.
Roten.
Die Familie der Rubiani, die wir gewöhnlich Rot nennen, wird von allen edel, bedeutend und sehr alt genannt und als in der Stadt Ulm einst sehr mächtig gepriesen, indem sie die Brücken-, Weg- und Torzölle einnahm und nach dem Erbrecht für sich zurückbehielt. Aber sie nahmen auch die Abgaben von den Leinwand- und Barchetstücken ein und vieles andere, was jetzt in den allgemeinen Nutzen der Stadt übergegangen ist. Es war nämlich ihr Haus, in dem heute Konrad Rot wohnt, der Ort für die Leinwandschau.
Dieses Haus ist so alt, daß es in ganz Ulm keine Glockenuhr gab, die die Stunden angibt, außer der in diesem Hause von einem der Rote besorgten. Von dieser adeligen Familie glaubt man auch, daß sie immer in der Stadt Ulm gewesen sei; aber woher sie ursprünglich komme und woher sie ihren Namen bekommen habe, ist nicht recht bekannt, da ihr Alter die Kenntnis verdunkelt. Auch können wir nicht aus dem Namen irgend eine Vermutung entnehmen, da Stammbäume sowohl Adeliger als Nichtadeliger dieses Namens (pag. 87) sich finden.
Denn es gibt adelige Rote jenseits der Donau, die ihre Besitzungen am Ufer des Flusses Rot haben, und von diesem Fluß haben sie ihren Namen. Es gibt auch in Basel Kriegsleute dieses Namens, die von der Burg Rot bei Basel so genannt sind; es gibt auch in Florenz mächtige Rot (Rubiani), die. eine große Familie bilden. Unter allen diesen sind unsere Rot durch ein besonderes Wappen ausgezeichnet, das sie außer mit dem Einhorn mit besonderen Farben, Gold und Schwarz, oder Weiß und Schwarz geziert haben. So sehr aber nahmen sie zu an Zahl und Reichtum, daß sie außerhalb Ulm Wohnsitze suchten, die ihrem Adel entsprachen; daher ist bekannt, daß sie auf den Burgen Bemikyrch 1) und Schreckastein 2) gewohnt haben. Und so waren unsere Rot von alters her gleichsam in zwei Familien geteilt, den Sakramenten des Leidens des Herrn geweiht.
1) Böhmenkirch im OA. Geislingen.
2) Schreckenstein, Lage unbekannt. ¶
Daher tragen Männer aus dieser Familie am Fest des Leibes Christi (Fronleichnam) allein vor dem Sakrament des Abendmahls die Zeichen des Leidens des Herrn her, ohne andere Zeichen mit großem Ernst und lassen keine Spiele oder andere Schaustellungen stattfinden, sondern führen die ganze Prozession selbst, wie wenn sie ihnen nach altem Recht anvertraut wäre.
Strölin.
Die sehr alte Familie der adeligen Ulmer Bürger Strölin hat zwar einen Namen, der eine Verkleinerung ausdrückt, bezeichnet aber etwas Großes und eine bedeutende Familie. Denn nach dem Bericht aller Alten, nach der Bemerkung der schriftlichen Aufzeichnungen und nach dem Beweis der Wohnung wird unter den eingewanderten adeligen Familien der Ulmer diese als älter, mächtiger und reicher und in Folge davon adeliger (als andere) anerkannt. Denn das Alter eines Geschlechts bietet den sicheren Beweis seines Adels (fac. l. stemmata cum ibi notata [digest. lib. 38 tit. 10] de gradu affinitatis). Es kam aber diese Familie nach Schwaben (pag. 88) aus den Rhätischen Alpen, in die sie nach der gewöhnlichen Meinung zuerst mit andern Adeligen von Rom aus übergesiedelt sei.
Denn die Adeligen von ganz Schwaben sollen von da hergekommen sein. Als sich nun die Stramulenser 1) in den Bergen vermehrten, verlegte einer seinen Wohnsitz in die Stadt des heiligen Gallus (St. Gallen), und von da verbreiteten sie sich weiter und kamen nach Ulm lange vor der Erweiterung der Stadt und vor der Aufstellung der Bürgerordnung, als die Stadt noch klein war. In Ulm aber befindlich bauten sie an einer Ecke der Stadt über der Blau nicht ein Haus, sondern nach der Sitte des Adels eine Burg und Feste, indem sie mit dicken Mauern einen großen Raum einschlossen.
Diese Burg hat noch heute von ihnen den Namen und wird von ihnen bewohnt, daher wohnten einst die Römischen Könige und Kaiser, wenn sie in Ulm verweilten, in diesem Hof. Deshalb wird noch heute ein Teil dieses Hofes der Königshof genannt. Denn ein großer Teil ist jetzt von dem Hof abgetrennt und durch Mauern geschieden. Die Abzeichen und Wappen dieser Familie sind, abgesehen von der Ausrüstung der Figur mit vornehmeren Farben geziert, nämlich mit Weiß und Schwarz, obgleich sie auch mit Gold und Schwarz gemalt sich finden, nicht als ob die Familie geteilt wäre, sondern sie geht von einem und demselben Stamm aus, in welchem einer von hervorragender Bedeutung, von einem Fürsten geehrt, statt des Weiß das Gold eintauschte. Endlich in Ulm vermehrt suchten sie sich außerhalb einen Wohnsitz in der Burg Nühusen, 2) welche jetzt die Ehinger besitzen, und in dieser hatten sie ihre Schätze und Urkunden eingeschlossen.
3) Es ereignete sich aber eines Tages, daß die Stadt Ulm durch Kriege beunruhigt wurde; daher fürchteten die Bürger, es möchte die Burg Nühusen einen Schutz für die Feinde der Ulmer bilden, und baten den Herrn Strölin, daß die Mauern zerstört und die Befestigungen eingerissen werden. Aber als er sich weigerte, dies zu tun, sammelten die Ulmer ihre Hörigen, zogen aus und plötzlich herandringend verbrannten sie Neuhausen (Domum Novam), die Burg der Strölin mit all ihren Schätzen und Urkunden (pag. 89). Und durch diese Tat wurde ihre hohe Stellung und ihr Wohlstand in nicht geringem Maße gemindert. Von dieser Familie hatte Ulm herrliche
1) Stramuienses, Cod. Wibl. Strölenses, = die Strölin.
2) Veesenm.: Neuhausen im k. bayrischen Landgericht Neu-Ulm, gegenüber Holzheim an der Leibi.
3) reclusas aufgeschlossen gibt keinen Sinn. ¶
Bürgermeister, verständige Richter und angesehene Ratsherren. Es gibt noch bei Feldkyrch in den Alpen adelige Strölin, von denen ich einige kenne. Ob sie von unsern Ulmern stammen, darüber vernahm ich keine Kunde. Ich wollte, daß von diesem herrlichen Geschlecht noch einige vorhanden wären, denn dieses ganze große Geschlecht ist bis auf einen Nachkömmling, der ohne Frau und Kinder ist, herabgekommen.
Geßler.
Die höchst angesehene und adelige Familie der Geßler, einst marktberechtigt in der Markgrafschaft Burgau, leistete unter den Herzögen von Österreich Kriegsdienste und hatte daselbst ihre Wohnsitze. Von Alters her aber war diese Markgrafschaft, deren Vogtei die auf der Risenspurg 1) sitzenden Geßler inne hatten, reich an sehr berühmten Adeligen. Als aber Kriege ausbrachen, verließen sie das Land, kanten nach Ulm als einem sicheren Zufluchtsort, wurden, nachdem sie dort eine Wohnung gekauft, Bürger und förderten durch ihre mitgebrachten Güter sehr das dortige Gemeinwesen.
Und da sie in der vorgenannten Markgrafschaft noch mehr Güter und Lehen vom Herzog von Österreich hatten, so erbauten sie in dem Dorf Büchel 2) eine Burg nicht sowohl als Feste als vielmehr zur Wohnung, welche nach Beendigung der letzten Kriege noch jetzt infolge der Brandlegung öde liegt und dem Verfall entgegengeht. Diese Familie brachte lange Zeit in der Ulmer Gemeine zu, erhielt die Ader ihres Adels rein von plebejischem Blut und nahm zu, mit Adeligen durch Ehebündnisse verschwägert. So hat heute Johannes Geßler als Gattin aus der hochberühmten Familie der Clamar, Frau Felicitas, die, wie durch ihr Blut, so auch durch ihre Sitten und die Ehrbarkeit ihres Lebens viel geltend, diese Familie, soweit es an ihr liegt, noch berühmter macht. Auf die Familie der Clamar kommt die Rede, wenn von der Familie der Lewen wird gesprochen werden.
3) Ferner gibt es außer der schon berührten Familie noch eine andere in Ulm wohnende angesehene Familie von altem Geschlecht, die denselben Namen, aber ein anderes Wappen führt und einst in Güntzburg (pag. 90) ihren Wohnsitz hatte. Diese zwei Familien der Geßler haben bei den Predigern ihre abgesonderten Begräbnisstätten. Ich habe auch in noch mehr Städten und Dörfern Schwabens Familien dieses Namens selbst von den jüngsten Plebejern gesehen. Denn vielen ist dieser Name Geßler gemeinsam, was aus dem folgenden herrühren soll. Im Jahr des Herrn 1348 wütete eine ganz schreckliche Pest, von welcher die ganze Welt angesteckt war, von Indien bis nach Britannien, sodaß kaum der Zehnte von je tausend Menschen übrig blieb; dieser Pest ist auch oben Erwähnung getan.
Von dieser Trübsal bedrängt eilten viele Männer und Frauen, Adelige und Nichtadelige, zusammen und, um Gott zu versöhnen, zogen sie mit entblößten Rücken in Prozession einher mit Geschrei und Wehklagen, zerfleischten sich unmenschlich mit Geißeln und boten allen ein wunderbares und staunenswertes Schauspiel. Nachher als diese Pest aufhörte, behielten den Namen viele, die mit diesen Züchtigern herumzogen und wurden von den Geißeln Geißler genannt, hierauf aber nannten sie sich mit Änderung des Namens Geßler, andere aber nannten sich Gaiser. Aber die Ulmer Bürger Geßler wurden lange vor der Sekte der Geißler so genannt, aus welcher Veranlassung, weiß ich nicht.
1) Jetzt Reisensburg, ganz nahe bei Günzburg.
2) Veesenm.: jetzt Bühl, an der Biber, k. bayerischen Landgericht Neu-Ulm.
3) Siehe Seite 63. ¶
Die herrliche und alte Familie der Löwen in der Stadt Ulm kam mit andern Adeligen nach Ulm. Denn vorher, als die Familie zahlreich war, hatte sie ihre Wohnsitze in den äußersten Teilen der Alpen in den Gegenden von Cadubrium 1) und Goricia; und von hier aus dienten die adeligen Löw, in den Waffen geschickt, unter den Grafen der vorgenannten Gegenden; und es ist nicht anzunehmen, daß ihr Name so edel und ihr Wappen so ausgezeichnet wäre, wenn es nicht durch wackere Taten dieser Familie erworben worden wäre.
Einer von diesen Löw verließ die Alpen und suchte den Hof der Herren von Helfastein im Schwäbischen auf, ihnen in den Waffen dienend; es war nämlich zur damaligen Zeit der Hof der Grafen von Helfastein wie der von Fürsten, und auch Vornehme dienten ihnen. Dieser Löw aber leistete seinem Herrn gute Dienste und verdiente, die Vogtei der Burg Giengen zu erhalten, welche noch nicht eine Reichsstadt war, wie heute, sondern nur eine Burg der genannten Grafen. Auf dieser Burg also hatte dieser Löw (pag. 91) mit seiner Frau mehrere Söhne und nahm also an Kindern und Reichtum sehr zu. Von seinen Söhnen aber wohnten einige in Ulm, andere blieben in Giengen; diese verließen aber endlich auch ihren Platz und zogen nach Ulm; und so führte dieses Doppelgeschlecht den Ulmern doppelte Löw zu, gleichsam zwei gesonderte Stämme, doch mit einem Wappen und Namen bis auf den heutigen Tag.
Diese Löw gingen mit Adeligen Ehen ein und behaupteten ihren Stamm lange Zeit adelig, und von ihnen wurden auch andere Bürgerfamilien gebessert und erfreuen sich heute noch eines vornehmeren Adels. Denn in unserer Zeit erhielt der edle, wehrhafte Johannes von Clam, als er nach Ulm kam, die Frau Elisabeth, Tochter des bedeutenden Herrn Georius Lew, zur Gattin; mit dieser hatte er vier Töchter, Ursula, Magdalena, Felicitas und Susanna, welche an Bürger verheiratet deren Familien adelten.
Die erste nämlich machte die Kraft und Ehinger, die zweite die Ungelter, die dritte die Geßler und die vierte die Rot besser: denn die erste hatte zwei Männer und ist mit dem zweiten noch heute auf Erden, die zweite aber hat mit ihrem Mann durch den Tod den schuldigen Tribut der Natur bezahlt, die dritte steht noch heute in ihrer Ehe;
aber die vierte, nämlich die Frau Susanna, in ihrer Jugend von ihrem Mann verlassen, hat die Frucht eines besseren Lebens erwählt, hat eine zweite Heirat verweigert, zum Witwenstand sich bekannt und dient heute im heiligsten Dienste Gott, und ist Jungfrauen, Verheirateten und Witwen durch ihr Leben und ihre Sitten ein Muster von Tugenden geworden.
Alle Familien der Ulmer adelnd hat diese Familie der adeligen Clamar ihren Ursprung in den Gebirgen, welche die Talschlucht von Trient einschließen, wo heute auf einem Berge die Ruinen einer sehr alten Clam genannten Burg über der Etsch ragen, die nach unserer Ansicht zu der Zeit erbaut wurde, als Trient, wie oben erklärt worden, von den Trojanern gegründet und von den trojanischen Clamar in Besitz genommen war. Von dieser Familie hatte Ulm einen ausgezeichneten Mann, den Herrn Leutpriester Jodocus Clamer, einen ganz vortrefflichen Theologen und Doktor beider Rechte, der aufs vorteilhafteste das Volk in Ulm im Jahr des Herrn 1460 leitete, wo er auch starb. Die Familie der Löw also, von der jetzt die Rede ist, lieferte den Ulmern (pag. 92) lange Zeit ausgezeichnete Bürgermeister, wackere Richter, Ratsherren und Inhaber hoher Ämter.
1) Veesenm.: Cadore an der oberen Piave in Friaul; Goricia = Görz. ¶
Die hochberühmte, durch ihr Alter ihren Adel beweisende Familie der Ungelter stärkte, zierte und verwaltete in dieser Zeit und mehrere Jahre früher das Gemeinwesen der Ulmer. Den ersten Ursprung dieser Familie wie auch aller andern tilgte aus der Erinnerung ihr allzu hohes Alter. Auch ist nicht zu glauben, daß sie immer Umgelter oder Ungelter geheißen, sondern daß sie irgend einen anderen, ihrer edlen Geburt entsprechenden Namen gehabt haben, der durch den neu auftretenden Namen ganz verloren ging. So aber erlangte diese Familie den neuen Namen Ungelter oder Umgelter.
Zur Zeit Friedrichs I waren sowohl Reutlingen (Rütlingen) als Eßlingen (Eslingen) noch Bauerndörfer, genannter Kaiser aber umgab diese beiden Dörfer mit Mauern und bestimmte im Jahr des Herrn 1155, daß sie Reichsstädte seien. Über seine Hofleute aber setzte er in Reutlingen einen Vogt, der die dem Kaiser schuldigen Steuern sammelte und in seinen Staatsschatz schickte. Wegen dieser dem Volk ungewohnten Sammlung nun begann das Volk den adeligen Sammler Umgelter zu nennen, wie auch das gesammelte Geld Umgelt oder Ungelt genannt wird, denn beides findet sich in den Urkunden.
Denn Umgelt wird es genannt, weil es von allen eingetrieben und von allen zu bezahlen sein wird. Oder wird es Ungelt genannt, weil es eine verabscheuenswerte, verhaßte Steuer ist, wie wir von einem verhaßten Menschen zu sagen pflegen: der ist ein Unmensch. Die Reutlinger aber beschuldigten den genannten Adeligen, daß er eigentlich selbst die Auflage dieser Steuer für sie veranlaßt habe, und so legten sie aus einer gewissen Empörung den Namen seines ihnen verhaßten Amtes ihm bei.
Dieser Adelige nun herrschte lange Zeit in dieser Stadt und legte das Wappen seiner Vorfahren mit Abänderung einiger Farben dieser Stadt bei. Es ereignete sich aber, daß nach Verlauf vieler Jahre durch unruhige Leute ein Aufruhr in Reutlingen ausbrach; bei diesem drohte große Gefahr den Leitern der Stadt und besonders den Ungeltern. Daher verlegten sie, dem Zorn Raum gebend, ihren Wohnsitz nach Ulm, wo viele Adelige ihren Wohnsitz hatten; wurden so Mitbürger der Ulmer und führten oft kräftig (pag. 93) die Verwaltung ihres Gemeinwesens.
Während ich aber gerade die Beschreibung dieser Familie vornahm, fand ich einen weiter hinaufreichenden Anfang derselben, den ich zur Hand nehmen und dem bisher Gesagten anreihen will. Ehemals nämlich wurden die eben genannten Umgelter Herren von Huve 1) genannt; und eine Burg desselben Namens im Aargau besitzend leisteten sie auch unter den Grafen von Habsburg Kriegsdienste. Als aber die Schweizer gegen den Adel zu wüten anfingen, wurden die Herren von Huve vertrieben und suchten, nach Westrangia 2) auswandernd, daselbst Wohnsitze für sich.
Indessen fand eine große Versammlung der Adeligen bei Worms zu einem Turnier statt, zu dem auch die Herren von Huve kamen; unter diesen waren zwei uneinige Brüder, die beim Kampfspiel feindlich gegeneinander kämpften, so daß einer den andern niederstreckte. Hiedurch spaltete sich dieses Geschlecht in zwei Teile, von denen der eine nach Westrangia zurückkehrte, der andere den Hof Kaiser Friedrichs I aufsuchte, bis sie durch dessen Gnade an irgend einen Ort versorgt würden. Und so bekamen sie das zur Stadt gewordene Reutlingen und indem sie diese Stadt rühmlich regierten, verloren sie ihren Namen und begannen, wie gesagt, Umgelter genannt zu werden, und von da
1) Veesenm.: Vielleicht Au im Aargau.
2) Veesenm.: Wohl = Westrich, Westerreich, zwischen Lothringen, Luxemburg, Limburg und der Pfalz. ¶
nach Ulm auswandernd nützten sie dem dortigen Gemeinwesen sehr durch ihre Güter und die Personen, die sie dahin brachten: unter ihnen waren sehr tüchtige Kriegsleute, von denen einige in Reutlingen, einige in Ulm bei den Predigern, einige in der Pfarrkirche begraben wurden. Von dieser Familie haben wir in Ulm würdige und verständige Männer, Bürgermeister, Richter, Ratsherren und Inhaber hoher Ämter gesehen.
Neithart.
Die adelige Familie der ansehnlichen Herren Nithart in der Stadt Ulm hat, soweit man durch menschliches Studium wissen kann, ihren Ursprung bei den Norikern, einem einst von Armenien herkommenden sehr alten Volk der Bayern; Nithart wurde sie, wie wir glauben, genannt, nicht nach den Fehlern des Zorns, Hasses und Neides, da es friedliebende, von Natur gesellige, menschenfreundliche und mitteilsame Menschen sind, sondern vielleicht nach einem besonderen Schicksal oder nach einer hervorragenden Tätigkeit oder wenigstens glühendem Eifer um die Gerechtigkeit. Denn wer immer von den übrigen vom Glück begünstigt oder vor anderen tätig oder eifrig (pag. 94) ist, wird bald nicht wenige Feinde haben, die einen solchen Mann jähzornig, von Haß erfüllt und blaß vor Neid nennen werden; und dies, glaube ich, ist dieser Familie geschehen.
Als nun diese Familie unter den Norikern sich vermehrte und in verschiedenen Gegenden verbreitete, kam einer von ihr mit seiner kleinen Familie nach Bibrach; hier kam er empor, verlegte seinen Wohnsitz nach Ulm und wuchs dort zu einer bedeutenden Familie heran. Diese Familie aber kommt zwar den vorangehenden und folgenden gleich an Adel des Geschlechts und des Blutes, übertrifft aber alle unendlich an Adel des Geistes, der hervorgeht aus Anlagen zur Wissenschaft und sicherer Erfahrung; denn ich weiß nicht, von welchem Genius begünstigt diese Familie es erreicht hat, daß von ihr so viele und bedeutende Männer von den Wissenschaften erleuchtet von Alters her bis jetzt erglänzten, so daß es fast unglaublich scheint und wie ein staunenswertes Wunder berichtet wird.
Denn diese Familie hatte und hat noch heute mehrere ausgezeichnete Meister der Künste in Wissenschaften, Theologen, Kanoniker, Gesetzeskundige, Juristen, Geschichtschreiber, von denen wir im geistlichen Stande große Kanoniker von Kathedral- und Kollegiatkirchen, Vikare von Bischöfen, Propsteiverweser, Dekane, Kuratoren und Rektoren großer Parochien gesehen haben. Im weltlichen Stand aber haben wir von denselben manche Bürgermeister von Reichsstädten, Leiter von Gemeinwesen, Protonotare in geschäftsvollen Kanzleien von Fürsten und Städten gesehen, ferner siegelnde Amtmänner (consignatores a commentariis), Sekretäre, Richter und Senatoren.
Und um besonders von großmächtigen Sprößlingen dieser Familie zu reden und meinen Vorsatz kund zu tun, muß ich erwähnen, daß vor wenigen Jahren in Ulm der ausgezeichnete Herr Hainrich Nithart Protonotar der Stadt war. Dieser hatte viele Söhne, die fast alle zu so berühmten Männern heranwuchsen, daß sich alle verwunderten; und es war eine gemeine Rede in Schwaben, daß die Söhne dieses genannten Herrn Hainrich fähig wären mit ihrer Weisheit und ihrem Fleiß das Reich zu regieren, und man sagte, daß es in einem ganzen Königreich nicht so viele und so bedeutende Gelehrte gebe, als dieser eine Mann an seinen Söhnen gehabt hat. Denn der eine, Hainrich genannt, war Meister der Künste und Wissenschaften in Prag vor dem Fall Böhmens und Doktor beider Rechte, Leutpriester in Ulm ¶