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H.
H.
(frz. cheveux, engl. hair). Die H. verschiedner Tierarten, welche für sich als Ware in Betracht kommen, wie vom Biber, Hasen, Kaninchen, Roß, Ziegen etc. sind an den betreffenden Stellen zur Sprache gebracht, sodaß hier nur von dem Artikel Menschenhaare oder vielmehr Frauenhaare die Rede ist. Es werden aus solchen H. bekanntlich allerhand hübsche Flechtarbeiten gefertigt, doch ist der Stoffverbrauch hierzu im Verhältnis zum Ganzen unbedeutend. Die meisten H. dienen dazu, auf andre Köpfe verpflanzt zu werden, und es ist das Tragen fremder H. ein uralter Gebrauch, sei es um dadurch wirkliche Blößen zu bedecken oder nur eine größere Fülle zur Schau zu tragen, als die Natur sie gab.
Zum Verkauf der eignen H. vom Kopfe weg entschließen sich erklärlich nur arme junge Mädchen und Frauen, zumal von der Landbevölkerung. Jüdische und andre Landgänger und Hausierer machen es sich zum Geschäft, die Ware aus erster Hand beizutreiben und weiter zu verhandeln. In Deutschland ist dieses Einkaufsgeschäft besonders in Schwaben, den Rheingegenden, in Thüringen, Hessen, Westfalen, der Altmark etc. etwas Gewöhnliches. Dänemark, Schweden und Norwegen liefern schönes blondes H.; starke Sendungen geringerer Ware kommen aus Rußland und den nördlichen preußischen Häfen. In Frankreich liefert das beste H. die Normandie.
Auch Brabant liefert schönes H. von besondrer Länge. Im allgemeinen liefern die nördlichen Länder die meiste und beste Ware, vorzüglich blonde. Für die Wertstufe der H. sind die Farbe und Länge entscheidend. Man unterscheidet im Handel vier Hauptsorten, deren jede wieder Untersorten hat: blond, braun, schwarz und rot. Das blonde H. wird im allgemeinen am höchsten, und zwar das goldgelbe höher als das milchblonde taxiert. Das schwarze H., das Erzeugnis des Südens, wird sehr gut bezahlt, wenn es glänzend pechschwarz ist; meistens fehlt ihm aber eine ansehnliche Länge.
Wegen der Seltenheit dieser Sorte wird viel andre, besonders braune Ware schwarz gefärbt, was natürlich der Kenner sofort sieht. Dieses Kunstprodukt ist im Werte geringer, weil es mit der Zeit verschießt und verdirbt. Braun ist das gewöhnlichste Vorkommnis, und wird wieder in dunklere und hellere Nüancen sortiert. Am wenigsten wert ist das rote. Die Wertskala bestimmt sich wie gesagt außer nach der Farbe auch nach der Länge, die in seltenen Fällen bis zu 1,2 und 1,4 m geht, sowie nach der Stärke.
Weder zu dickes noch zu schwaches H. nimmt eine gute Kräuselung an, und ist also in dieser Hinsicht das mittlere Kaliber mehr wert. Bei den sehr teuer bezahlten natürlichen Kräuselhaaren, die also nicht lang sein können, findet überhaupt eine besondre Taxierung statt. Alles H. soll nur von lebenden Menschen genommen werden; totes, d. h. von Leichen genommenes ist sehr brüchig und geringwertig, daher es für Händler wesentlich ist, dasselbe durchs Gefühl zu erkennen, wo es untergeschoben mit vorkommt.
Die aus den ersten Quellen kommende Rohware muß, um verarbeitet werden zu können, erst sorgfältig sortiert und präpariert werden. Das Sortieren wird schon von den Zwischenhändlern besorgt. Behufs der Reinigung muß die Ware mehrfach ausgekocht und mit Seife, Kleie etc. gewaschen werden. Damit sie sich ringeln, werden die H. auf Stäbe gewunden und längere Zeit der Sonne oder künstlicher Wärme ausgesetzt. Solche H. werden im Handel mit dem Namen reparierte H. belegt. In Deutschland sind Handelsplätze für H. Frankfurt a. M., Fulda, Heilbronn, Leipzig etc. Die meisten H. werden jedenfalls in Paris verarbeitet, Paris besitzt einen alljährlich wiederkehrenden großen Haarmarkt, zu dem die Händler aus den verschiedensten Ländern reisen.
Eine Vorstellung von der Bedeutung dieses Marktes kann man sich machen, wenn man liest, daß auf dem Markte 1877 infolge der schlechten Zeiten allein 5-6000 kg der schönsten Bretagner H. I. Qualität von 45-80 cm Länge unverkauft blieben. Je nach Qualität und danach, ob die Ware roh oder präpariert ist, herrscht eine ungemeine Verschiedenheit in den Preisen, die von 12-360 Mk. pro kg gehen können. Für unbemittelte Modesüchtige werden künstliche H. aus präpariertem Bast, Jutehanf u. dgl. gefertigt. - Einfuhrzoll: Menschenhaare s. Tarif im Anh. Nr. 11 c. Imitierte H. sind zollfrei. Perückenmacherarbeiten aus Menschenhaar und Haarimitationen s. Tarif Nr. 11 d.
Hierzu gehören sowohl gröbere als feinere Fabrikate. Die ersteren, unter dem Namen Haardecken, -ziechen, -tuch, bestehen aus kürzern Haaren von Pferden, Rindern und andern in Gerbereien abfallenden, welche man nach vorheriger Reinigung durch Waschen wie Wolle kardätscht oder krempelt, spinnt, dubliert und nach Leinwandart webt. Solche Ziechen dienen als Packtuch, zu ordinären Fußteppichen, Pferde- und Schiffsdecken, zu Preßtüchern beim Ölschlagen, zu Regenmänteln u. dgl. Eine andre Klasse bilden die Roßhaarstoffe aus den langen Haaren der Pferdeschweife, welche an sich schon Fäden darstellen und als solche unmittelbar verwoben werden, teils für sich, teils in Gemisch mit andern Spinnstoffen.
Ein ständiger und der Mode nicht unterworfener derartiger Artikel ist der Siebboden, aus lauter Haaren gewebt und in verschiednen Abstufungen engmaschig. Man hat für verschiedne Nummern besondre Namen, als Pfefferböden, Safranböden, Pulver-, Müllerböden etc. Sie dienen zum Absieben verschiedner Sorten von Mehl, Gries, Gips, Schießpulver, feinen Gewürzen, Apothekerwaren. Für andre Zwecke sind die Roßhaargewebe gewöhnlich gemischte Stoffe (Haartuch), mit baumwollener Kette und Einschuß von Haaren, zur Verwendung in Damenhüte in Verbindung mit Stroh oder Manillahanf. Man verwendet sie als Einlage in Halsbinden, als bauschende ¶
Unterfutter, zu Mützen, Beuteltuch etc. -
S. Zolltarif im Anh. Nr. 11 a u. b.
ist die gebräuchlichste, passendste und auch älteste Benennung abgenutzter und für den menschlichen Gebrauch nicht mehr dienlicher, formloser Gewebestücke. Ursprünglich nannte man H. jedes Leinentuch (den Fetzhadern das Schnupftuch, den Handhadern das Handtuch, die Pranghadern den Halskragen und die Manchette) bis späterhin das nicht mehr brauchbare Zeug, gleichviel ob Leinen, Baumwollen, Wollen oder Seiden darunter verstanden wurde. Die Namen Lumpen, Lappen, Fetzen, Strazzen sind weniger zutreffend, weil darunter eigentlich nur Gewebeabfälle, unter H. aber auch die Abfälle andrer faserhaltiger Produkte, wie Gurten, Netze, selbst Taue, Stricke, Seile etc. verstanden werden. Mit Lump benannte man einst nur den Sammler weggeworfener Dinge, daher Haderlump für Hadernsammler, übertrug aber später den Namen auf die weggeworfenen Lappen der Gewebe selbst und alles Nichtsnutzige (Lumpenpack). -
Bis gegen Mitte dieses Jahrhunderts waren die H. das fast ausschließliche Rohmaterial der Papierfabrikation, da keine Rohfaserpflanze auch nicht annähernd so billige und für den Zweck der Papierbereitung so geeignete Fasern lieferte, als jene; seitdem hat jedoch die Technik verschiedenartige Ersatzmittel (s. Hadernsurrogate) aufgefunden, so daß die Alleinherrschaft der Hadern verloren gegangen ist. -
Weil aus allen möglichen unbrauchbar gewordenen Gewebeabfällen die H. gesammelt werden, so ist das Quantum derselben ein durch die Bevölkerung bedingtes und vom Süden nach dem Norden zu pro Kopf der Bevölkerung zunehmendes, so daß auf den Kopf der Bevölkerung im Süden 2 kg, auf den Kopf im Norden bis 8 kg zu rechnen sind. In runder Zahl produziert Europa jährlich 5 kg pro Kopf im Durchschnitt, was bei 320 Mill. Einwohnern 1600 Mill. kg beträgt, wovon 1000 Mill. auf vegetabilische, 600 Mill. auf animalische Gewebe zu verteilen sind, welche die Bevölkerung mit 8 Milliarden Mk. bezahlt hat, wofür sie aber nur 160 Mill. Mk. als H. wiedererhält. -
Die H. bestehen, infolge der Sammlungsweise, aus sehr verschiedenartig gemischten Stoffen vom feinsten Batistleinen und Baumwollspitzen bis zum geringsten Packleinen und allerlei groben Wollzeugen. Darum scheidet der Hadernhändler für den Großverkauf die Leinen-, Baumwollen-, Halbwollen-, Seiden- und Wollen-Hadern von einander und erhält von vegetabilischer Faser mindestens 8 Hauptsorten, die aus weißen Leinen, halbweißen, grauen, braunen, bunten Leinen, aus weißen, grauen und bunten Kattunen bestehen.
Stricke, Netze, Säcke, Gurten, Watte etc. fallen besonders aus. Die wollenen H. wurden ehedem für Löschpapier und Pappen, zumeist aber zu Dünger verbraucht und hatten daher einen sehr geringen Preis, etwa 5 Mk. pro 100 kg. Seit 1860 aber, wo die Shoddy- (Kunstwoll-) Fabrikation ins Leben trat und aus den wollenen H. neue Gespinste und daraus die sog. Doppelstoffe und andre gemacht werden, sind die Preise der alten Tuche, umgewalkten Gewebe, der gewirkten und gestrickten Wollartikel auf 25-100 Mk. pro 100 kg gestiegen. -
Die Leinen-, Baumwollen- und andern vegetabilischen H. haben einen Preis von 12-50 Mk., deren Wert aus der Sortierung der Gewebe nach Weiße, Reinheit und Feinheit der Faden sich ergibt. Der Papierfabrikant teilt diese 8 Sorten des Hadernhändlers wieder in mindestens 30 Sorten, um die für die Fabrikation erforderlichen Qualitäten getrennt verwenden zu können. Auf den Hauptstapelplätzen Europas haben die H. des Großhandels gewisse Bezeichnungen oder Nummern oder Buchstaben. Wir haben oben bereits die Bezeichnungen angeführt; die Nummern nach Qualitäten sind I-VIII oder S.P.F.E.F., S.P.F.F., S.P.F., F.E., C.S.P.E.F., C.S.P.F., C.B.F., C.F.X. u. a. Die in den Papierfabriken sortierten Arten steigen dann noch höher im Preise, sodaß die gereinigten H. 20-60 Mk. wert sind. -
Schon in älteren Zeiten reichten die gesammelten H. für die Darstellung des in den Kulturstaaten benötigten Papiers nicht aus und es wurden darum den größeren Papiermachern von den Fürsten Sammlungs-Privilegien erteilt, wonach in einem gewissen (3-5meiligen) Umkreise „von der Mühle an gerechnet“ die gesammelten H. nur dem Privilegien-Inhaber (bei hoher Strafe der Übertretung) abgeliefert werden durften. Aus diesem Grunde war zugleich in allen Kulturstaaten das Hadern-Ausfuhrverbot von selbst gegeben.
Noch bis zum Beginn des Zollvereins (1818) waren die deutschen Länderteile gänzlich gegen einander abgeschlossen, sodaß ein sächsischer Papiermacher von Preußen, Österreich, Bayern, Reuß oder Altenburg keine H. beziehen konnte, ja sogar 3-5 Meilen von der nächsten Papier- oder richtiger Hadernmühle entfernt keine H. einkaufen durfte. Während Rußland, Skandinavien, Finnland, die Türkei, Griechenland und teilweise die Küstenländer Italiens damals keinen eigentlichen Ausgangszoll, die andern Länder dagegen Hadern-Ausfuhrverbot hatten, wurde zuerst im Deutschen Zollverein ein Ausgangszoll von 9 Mk. pro Zollztr. (50 kg) erhoben und dieser Zoll 1854 auf 5 Mk. herabgesetzt, während Österreich, Frankreich, England noch Ausfuhrverbote behielten und die andern Länder den Zoll auf 3-6 Mk. für 50 kg stellten. Jetzt ist in Deutschland, Frankreich, England, Belgien die Ausfuhr ganz frei gegeben und in den andern Ländern beträgt der Zoll dafür noch 3-10 Mk. für 100 kg. -
Außer Gewebeabfällen gehören altes Tauwerk, Stricke, Seile, Bindfaden, Fischernetze, Gurten, Jutesäcke, Bast, Watte und Flachs- und Baumwoll-Spinnerei-Abfall unter die H. - Einfuhr zollfrei.
werden diejenigen Substanzen aus dem Pflanzen- und Steinreiche genannt, welche teils als Ersatzmittel der Hadernfaser, teils zur Beschwerung des Papiers (mithin das Fasergewicht zu vermehren) in der Papierfabrikation verwendet werden. Vor Ende des 16. Jahrhunderts machte man in Italien und dann auch in Österreich (Lombardei) Versuche, die fehlenden Hadern durch die Fasern in den Halmen der Getreidegräser zum Teil zu ersetzen, doch zeigte sich diese Fabrikation nicht als lohnend, weshalb man sie wieder aufgab. In Mitte des ¶
vorigen Jahrhunderts versuchte man wiederum mit verbesserten Maschinen das Stroh zu benutzen, doch blieb das Produkt, wegen Unkenntnis der chemischen Hilfsmittel, sehr mangelhaft. In den Jahren 1765-71 war der gelehrte Superintendent Dr. Schaeffer in Regensburg bemüht, für die Papiermacherei neue Faserstoffe zu suchen und leistete darin für einen Laien alles Mögliche. Seine Versuche gab er in 3 Bändchen und in 2 Auflagen heraus, so weit seine gemachten Proben eben reichten.
Diese Muster umfassen alle in Deutschland zu findenden fasergebenden Pflanzen, auch Wespanest und Asbest. Diese mühsamen Versuche fanden jedoch keine Beachtung, sondern sogar Verhöhnung unter den Papiermachern und erst zu Anfang dieses Jahrhunderts trieb die Not wieder zu neuer Anstrengung unter Beihülfe von Aschenlauge oder Pottasche, indem man Nesseln, Stroh, Ginster, Baumblätter etc. für die Papierfabrikation geeignet machen wollte. Der erste, welcher mit Verständnis Surrogate aufsuchte, war Louis Piette in Dillingen bei Saarbrück, der die Versuche noch weiter ausdehnte und auf der Papiermaschine namentlich Strohpapiere verschiedenster Art fabrizierte. Beschreibung seiner Versuche nebst Mustern erschien 1838 im Verlage von Du Mont-Schauberg in Köln. -
Das Getreidestroh blieb das vornehmlichste Surrogat, deshalb waren auch die Versuche des Direktors der k. k. Staatsdruckerei in Wien, Hofrat Dr. v. Auer, darauf gerichtet, in der damaligen Staatspapierfabrik zu Schlöglmühl Papier aus Maisstroh, dann aber nur aus Maislischen herzustellen. Die damit hergestellten Papiere lassen nichts zu wünschen übrig, aber der Kostenpreis überstieg weit die Grenzen der nutzbaren Verwertung. Diese Versuche fallen in die Jahre 1856-63. -
Es begannen von da an wieder neue Bestrebungen, das Stroh für die Papierfabrikation nutzbar zu machen. In Deutschland, Österreich, Belgien, Frankreich, England wurde unausgesetzt nach Auffindung zweckmäßiger Methoden geforscht, bis wirklich solche von mehreren Seiten gefunden wurden, welche seit 1865 als abschließend anerkannt sind und das Stroh zu einem notwendigen Papiermaterial gemacht haben. Die Hadernnot ließ jedoch nicht ruhen und ganz besonders traf der Mangel England. Da versuchte Routledge in London den zu Fußteppichen seit mehr als 100 Jahren in England benutzten Esparto aus Spanien und brachte die ersten Proben auf die Welt-Ausstellung in London 1862, die zwar mit Achselzucken betrachtet wurden, jetzt aber einen Konsum von 20 Mill. kg Faserstoff repräsentieren. -
Als das Esparto (Hipa oder Macrochloa tenacissima), das in den verwüsteten Gegenden Almerias und Murcias wachsende Pfriemengras, durch den massenhaften Verbrauch ziemlich ausgerodet war, wandte man sich nach Algier und endlich nach Tunis, wo eine ähnliche Binse, das Halfa oder Diss (Lygeum spartum), auf den ungeheuern wüsten Steppen in wasserloser Öde wuchert (vgl. Alfa). -
Ein Fasernsurrogat der Hadern, welches, wie kein andres, seit 1865 in kolossalen Massen für die mittleren und geringen, namentlich für die Zeitungsdruckpapiere (bis 85%), Verwendung findet, ist der von Gottfried Keller erdachte, von H. Voelter 1850 und später von Rudel und Siebrecht 1861 durch Konstruktion geeigneter Schleifmaschinen zu großartiger Fabrikation gebrachte Holzstoff. Die direkte Umwandlung des Holzes durch Schleifen quer seines Wuchses auf einem großen, mit Zuführung unter Druck schnell laufender Sandsteine ist eine so einfache, daher so wenig kostende, daß kein Material, auch nicht die geringste Hader, so billig hergestellt werden kann. Die Klagen, welche über die Holzstoffpapiere geführt werden, gehen nur die gedrückten Papierpreise an, denn man kann Holzstoff bei richtigem Verständnis der Anfertigung so schön darstellen, daß er allen Anforderungen einer Papierfaser entspricht. Die vornehmlich in Gebrauch kommenden Hölzer sind Pappel, Fichte, Kiefer, Tanne, Birke, Ulme, Weide, Linde, Lärche, je nach dem vorwiegenden Vorhandensein der einen oder andern Holzart. -
Die mechanische Bereitung des Holzstoffs und die Unmöglichkeit seines Bleichens riefen die Versuche Payen's aus den dreißiger Jahren wieder in Erinnerung und es wurde eine Zeit lang, etwa von 1862-1868, aus dem Holze durch Behandlung mit Salpetersäure Lignose (Holzzellulose) gewonnen. Diese Zellulose war jedoch zu teuer und es stellten daher Jessap und Moore in Amerika die Holzzellulose durch Kochen mit Ätznatron bei hochgespannten Dämpfen dar, also geradezu auf entgegengesetzte Art. Dieses Verfahren fand seit 1865 immer mehr Verbreitung, nur Tessié du Motthay tauchte auf kurze Zeit mit der Empfehlung des längst bekannt gewesenen schwefelsaurem Kupferoxyd-Ammoniak auf, ging aber bald wieder unter. In den letzten Jahren haben die Gebrüder Mitscherlich ein neues Verfahren aufgebracht, d. i. mittels zweifach schwefligsaurem Kalk die inkrustierende Materie des Holzes zu zersetzen und dadurch die reine Zellulose zu gewinnen. Diese Methode hat viel Versprechendes, doch ist sie noch nicht zur vollen Vollendung gediehen. -
Als H. dienen auch mineralische Zusätze zu dem Papierstoffe. Dieselben sollen entweder das Gewicht des Papieres vermehren helfen (im Großhandel wird das Papier nur nach Gewicht verkauft) oder dem Papiere die Durchsichtigkeit nehmen und die Farbe verbessern. Als vornehmste Materialien sind nach historischer Reihenfolge zu nennen: Das Perlweiß (künstlich bereiteter schwefelsaurer Kalk), Permanentweiß oder Blanc fix (künstlich bereiteter schwefelsaurer Baryt), Mineralweiß (gemahlener Schwerspat), China-Clay (Pfeifenerde, kieselsaure Thonerde), Annaline (gemahlener Gips vom Harz). Außerdem finden die gewöhnlichen Thonerden und die Erdfarben in ähnlicher Weise in der Papierfabrikation Verwendung. - Zoll: Getreide- und Maisstroh, Espartogras auch gemahlen, sind zollfrei. Halbzeug aus Holz, Stroh, Esparto und andren Fasern sowie Cellulose gem. Tarif im Anh. Nr. 27 b. Perlweiß, Permanentweiß sowie die übrigen vorgenannten mineralischen Zusätze sind zollfrei.
(Haber, lat. Avena, frz. avoine, engl. oats) ist eine Pflanze der nördlichen Gegenden in Europa, Asien und Amerika, am vorzüglichsten gedeihend in Schottland, an der Ost- ¶
und Nordseeküste und in höheren Gebirgen Mitteleuropas; zur Ernährung der Menschen nur im Norden verwendet; die Körner sind Hauptfuttermittel für Pferde, aber auch für Geflügel und Rindvieh, Stroh und Spreu sehr wertvoll für Rinder, Schafe und Pferde. In südlicheren Gegenden baut man auch Winterhafer, im Norden nur die Sommerfrucht. Der H. kommt in mehreren Arten als wildwachsende Pflanze vor und gehört auch zu den besseren Wiesengräsern. Man unterscheidet: a) kurzen H. (Kurzhafer, Sperlingsschnabel), A. brevis, selten angebaut, oft verwildert auf Feldern; b) gemeinen H. (Ast-, Futter-, Gebirgs-, Ritzen-, Waldhafer), A. sativa, die Pflanze zum Anbau, mit den Hauptsorten dreifrüchtiger H. (Gäbeles-, Gabel-, Klumphafer), chinesischer H., selten kultiviert, blaßgelblicher, doppelfrüchtiger H., in zahlreichen Spielarten, goldgelber H. und dunkler H., ebenfalls mit Spielarten; c) Türkischer oder Fahnehafer, (Bartwisch-, Kamm-, Morgen-, Säbel-, Tannen-, Treibhafer), A. orientalis, Kulturpflanze in vielen Sorten; d) Rauh- oder Sandhafer (Eichel-, schwarzer Flug-, Getreide-, Grau-, Purhafer); e) Nackter H. (August-, Spinn-, Weiß-, Grütz-, tartarischer H.); f) Flug- oder Windhafer (lästiges Unkraut); g) Weichhaariger H.; h) Wiesenhafer; i) Gelblicher H., sämtlich wildwachsende Arten oder Wiesengräser.
Als Getreide geht der H. bis zu 66° Br., in der Schweiz bis zu 1670 m Höhe. Reifzeit 110-150 Tage. Er ist am anspruchslosesten unter den Getreidearten, hat starke Wurzeln, gedeiht zwar noch da, wo andres Getreide versagt, gut und recht gut, aber nur auf den besseren Bodenarten in guter Düngkraft, nach Neubruch und in frischer Kultur überhaupt. Im ganzen lohnt unter zusagenden Bedingungen der H. bei den heutigen Preisen besser wie die Gerste, welche nur im vorzüglichsten Boden und Klima den H. übertrifft; mineralische Nährstoffe entzieht die mittlere Haferernte aber mehr wie die Gerstenernte, der H. findet solche dagegen leichter und gerät deshalb auch noch auf daran nicht sehr reichem Boden; Phosphatdüngung wird der H. fast stets lohnen.
Die Aussaat geschieht früher und später als die der Gerste (s. d.), je nach Klima, Lage und Boden; man verwendet breitwürfig 2,5 bis 4,3, bei Reihensaat 2-3 hl, à durchschn. 40 kg, zur Saat. Die Bestellung ist im ganzen einfach; tiefes und mehrmaliges Pflügen vor der Saat genügt. Diese selbst geht in 10-12 Tagen auf. Sie leidet von Unkraut (Flughafer), Flug- und Staubbrand, Rost (Kronenrost), Blattläusen, Feld- und Laubheuschrecken, Engerlingen, Drahtwurm, Saatschnellkäferlarven, Maden der Fritfliege etc. Bei gutem Wachstum bedeckt der H. bald den Boden und zwar vollständiger als andre Getreidearten. Als Ertrag nimmt man pro ha 25-32 hl Körner und 10-35 m-Ztr. Stroh an; 1 hl Körner wiegt 31-53 kg. Im großen wird H. besonders mit Wicken und zwar in großer Menge zu Grün- und Dürrfutter angebaut. -
Im ganzen erntete Deutschland 1878 auf 3743070 ha zu durchschn. 26,9 hl Körner und 21 m. Ztr. Stroh 100,8 Mill. hl. Die Gesamternte für Europa nimmt man zu 520 Mill. hl an; davon kommen auf Rußland etwa die Hälfte, Frankreich 70, Österreich-Ungarn 50, Schweden-Norwegen 18, Dänemark 7, Großbritannien und Irland 20 Mill. hl. In den Ver. Staaten von Nordamerika stieg das Erzeugnis von 1866 bis 1879 von 268,14 auf 363,76 Mill. Bushel à 14,5 kg, im Werte von 135,25 und 120,53 Mill. Doll. (geringer als 1866). Die Ausfuhr begann erst später und betrug 1879 an 5,45 Mill. Bushel zu 1,618 Mill. Doll. an Wert. -
Der H. kommt nur zu geringem Teil in den Großhandel (außer bei Krieg), weil die Hauptmenge lokal verbraucht wird. Im Jahre 1880 hatte Deutschland 2,22 m. Ztr. Einfuhr und 0,44 Ausfuhr, Gesamtbewegung also 2,66 m. Ztr. 1 m. Ztr. gilt auf den Märkten 13-17 Mk., durchschn. jetzt 15 Mk. Der Gesamtwert des Erzeugnisses in Europa ist also 6-8 Milliarden. - Zoll: Siehe Tarif im Anh. Nr. 9 a.
die geschrotnen, enthülsten Körner des Hafers, dient zu Suppen, Brei (mit Milch) in der Küche - Hauptnahrung z. B. der Schotten -, medizinisch zum erweichenden Umschlag und auch als Mittel gegen Durchfall (Haferschleim), als einhüllendes Mittel bei Vergiftungen, zu Klystieren etc. In Handel führt man das Hafermehl. In England wird die H. etwas im Ofen gebräunt und zur Darstellung eines angenehmen kühlenden Getränkes benutzt. - Zoll: s. Tarif im Anh.
Nr. 25 q 2.
Von diesem Seeräuber hat man viele verschiedne Arten, von ihnen wurde bis in neuere Zeit nichts weiter benutzt als die rauhe Haut (s. Fischhaut). In Asien allerdings, und zwar nur bei den Chinesen, galten als viel höheres Wertstück die Rückenflossen des Hai; sie werden in China begierig gekauft und als ein köstliches Gericht, welches stimulierende Eigenschaften haben soll, verzehrt. Man sucht zu diesem Behuf den ganzen Indischen Ozean ab bis zu den afrikanischen Küsten und sollen jährlich oft 40000 Tiere und mehr gefangen werden.
Das Fleisch wird ebenfalls in Streifen geschnitten und zur Speise eingesalzen. Neuerdings hat man aber in Europa den Hai als Thrantier würdigen gelernt und es wird namentlich in den Gewässern der nördlichen norwegischen Küsten ein großartiger und gewinnreicher Haifang betrieben. Es ist die Leber des Tiers dasjenige Stück, aus welchem man durch Aussieden eine Menge Thran gewinnt. Eine Leber gibt ½-2 Fässer Thran, die des Riesenhai aber 5-10 Fässer (à 30 Gallonen). Das Fleisch dient als Viehfutter und wird zum Teil, trotz seiner Schwerverdaulichkeit, auch von Menschen gegessen; seit einigen Jahren verarbeitet man es zu Fischdünger und verkauft die Ware unter dem Namen Haifischguano. Der Haifischleberthran soll auch in medizinischer Wirkung dem des Stockfisches gleichstehen, er ist aber in Geschmack und Geruch noch widerlicher. - Zoll: Leberthran gem. Tarif im Anh. Nr. 26 c 3. Fischguano zollfrei.
sind sehr feine weiße Baumwollenzeuge, an welchen in Abständen durch farbige stärkere Kettfäden erhabene Längsstreifen gebildet werden.
Die Ware ist englischen Ursprungs, ¶
wird aber auch in Deutschland und Frankreich gefertigt. - Verzollung: Zolltarif Nr. 2 d 3.
eine aus Cochinchina stammende getrocknete Meeresalge, welche als neues Appreturmittel für Baumwollengewebe empfohlen wird.
Man erhält diese Ware in Form grober platter Fasern von 30 cm Länge, sie sind hart und zähe, geruch- und geschmacklos;
in kochendem Wasser lösen sie sich zu einer schleimigen Flüssigkeit.
Das H. eignet sich nur für feine Gewebe, denen man einen geschmeidigen und dabei kernigen Griff erteilen will;
für steifen und schweren Appret ist es nicht geeignet. - Zollfrei.
(frz. cardé-peigné; engl. carded).
Darunter versteht der Spinnereitechniker die aus den Kämmlingen (Abfälle beim Kämmen der langen Wolle) gesponnenen Garne;
ferner die aus kurzer grober Wolle gesponnenen Strick- und Strumpfwirkergarne;
auch Tapisserie- und einige Webgarne.
Der Begriff ist endlich auch auf ein Gemisch von Wolle und Baumwolle, welches als solches zur Verspinnung gelangt, ausgedehnt worden. - Zoll: Rein wollenes H. gem. Tarif im Anh.
Nr. 41 c 3;.
heißen dünne, leichte Tuchstoffe, die aus feinem Material gewebt, nicht fest gewalkt, aber sorgfältig appretiert sind. Sie heißen auch Damentuch, Sommertuch und führen nach Herkunft, Qualität und Appretur auch verschiedne fremde Namen. Verfertigt werden dieselben überall, wo die Tuchmacherei ihren Sitz hat und bilden zum Teil Ausfuhrartikel in wärmere Länder, Italien, Levante, Südamerika etc., sind aber durch die geköperten und gemusterten Paletotstoffe ziemlich in den Hindergrund gedrängt. - Zoll: gem. Tarif im Anh. Nr. 41 d 5 bezw. 6.
bilden einen, wenn auch mehr nebensächlichen Artikel des Pelzhandels. Die Hamster leben in der gemäßigten Zone und zum Teil in Sibirien, wo sie meist ganz schwarz sind und ein weit feineres und teureres Pelzwerk geben als die deutschen. Diese sind am Rücken goldig grau, die Seiten gelb, der Bauch schwarz. Die beste Beschaffenheit haben dieselben im Frühjahr, wenn das Tier aus dem Winterschlafe erwacht ist. Am häufigsten kommen die Tiere vor am Harz und in dem nördlichen ebenen Thüringen. Das Zusammennähen der Fellchen zu Futtertafeln bildet namentlich in den Städten Quedlinburg und Halberstadt einen ziemlich flotten Industriezweig. Es gelangen jährlich 6-800 Dutzend solcher Hamsterfutter in den Handel, die je nach der Größe 60-180 Mk. pro Dutzend kosten und in Deutschland, Italien, Frankreich und der Türkei verbraucht werden. - Zoll: Die Felle sind zollfrei; ungefütterte Pelzfutter gem. Tarif im Anh. Nr. 28 b.
(frz. gants, engl. gloves). - Dieselben werden bekanntlich aus Leder, Pelzwerk, Seide, Wolle, Baumwolle gefertigt. Die Lederhandschuhe unterscheiden sich wieder in waschlederne und Glacéhandschuhe. Die ersteren werden aus sämischgarem Leder (s. unter Leder) gefertigt und als Reit-, Fahr-, Militär- und Jagdhandschuhe benutzt. Bei weitem den stärksten Artikel dieses Fachs und den Gegenstand eines ungeheuren Verbrauchs bilden indes die Glacéhandschuhe.
Den Stoff hierzu geben hauptsächlich Ziegenfelle, für die feinsten die Felle junger Ziegen, für geringere Lämmerfelle. Diese werden besonders für diesen Zweck durch eine Art Weißgerberei (s. Glacéleder unter Leder) zugerichtet und gefärbt. An der Lieferung der Felle beteiligen sich fast alle Länder Europas; Sachsen zeichnet sich darunter als Lieferant der schönsten und gesuchtesten Zickelfelle aus. Die Fabrikation der Glacéhandschuhe ist eine altfranzösische Industrie, wurde aber schon vor circa 300 Jahren durch französische Emigranten, meist aus Grenoble stammend, nach Deutschland, zunächst in die Städte Halberstadt, Magdeburg und Erlangen verpflanzt.
Noch jetzt ist Grenoble ein Fabrikort für diese Ware, doch hat sich später Paris auch hierbei an die Spitze gestellt, besonders durch Jouvin, dem die Fabrikation einen hohen Aufschwung verdankt und von dem auch das Zuschneiden mit Maschinen herrührt. Das zu verarbeitende Leder muß erst auf der Fleischseite mit scharfen Klingen bearbeitet werden, bis es überall die gleiche Dicke erlangt hat; dann wird es in Streifen von reichlich doppelter Handbreite zerschnitten und diese in ihrer Längsausdehnung vollständig ausgereckt, während die Dehnung in die Breite der Hand überlassen bleibt, auf welche der Handschuh gezogen wird.
Solcher Stücke werden etwa sechs auf ein sog. Fach gelegt, auf welchem die Umrisse des Schnittes als scharfe Stahlschneiden emporstehen, und durch den Druck einer Presse werden sämtliche Stücke zugleich zum Zusammennähen fertig hergestellt. Wo der Daumen zu stehen kommt, ist ein Loch ausgestoßen worden; die Daumenstücke dazu werden in einem besondren Fach gebildet. Das Zusammennähen erfolgt nach alter Art mit Hilfe eines an den Tisch befestigten, zangenartigen, federnden Halters, dessen beide Backen oben gezähnt sind, sodaß die Arbeiterin, indem sie immer durch die Lücken zweier Zähne sticht, nur immer gleichlange Stiche machen kann, wie sie die Nähmaschine schon von selbst erzeugt. Es werden jetzt auch viele H. auf der Maschine genäht, doch nicht so ausschließlich, denn die Arbeit ist nicht wohlfeiler als die Handnäherei.
Die Franzosen hoben den Artikel auch dadurch, daß sie ein durchgeführtes System von Maßen und Nummern einführten, aus welchen für jede Hand etwas gut Passendes gefunden werden kann. Es gibt hiernach nicht weniger als 224 verschiedne Größen und Façons. Die französische Ware zeichnet sich noch jetzt durch Eleganz und Feinheit aus, während indes auch deutsche Fabrikanten sich bemühen, etwas Gutes herzustellen. Haltbarkeit und Dauer ist bei der deutschen Ware in der Regel mehr zu finden als bei der französischen, daher sich auch der Absatz letzterer in Deutschland schon sehr abgemindert hat und unsre eignen Fabrikate neuerdings selbst Ausfuhr haben, besonders in beträchtlichen Mengen nach England und Nordamerika. Im letzten Quartale von 1881 gingen allein aus dem Leipziger Konsulatsbezirke für 137476 Doll. H. nach den ¶
Vereinigten Staaten. Im ganzen Deutschen Reiche belief sich die Ausfuhr von H. 1877 auf 4966 Ztr., 1878: 4392 Ztr. Die Einfuhr 1877 auf 489 Ztr., 1878 dagegen auf 383 Ztr. Außer in Frankreich werden Glacéhandschuhe fabriziert in Luxemburg, Wien und Prag, Berlin, München, Kassel, Erlangen, Altenburg, Dresden, Leipzig, Joachimsthal etc. In England wird viel dergleichen Ware fabriziert, aber ohne die Eleganz der französischen und deutschen zu erreichen. Das Fabrikat gelangt in Massen zum Export nach Nordamerika und den Kolonien, indes die feine englische Welt französische H. trägt. -
Gewebte oder gewirkte H. sind Erzeugnisse der Strumpfwirkerei und werden in großer Mannigfaltigkeit in Wolle, Seide, Baumwolle und Leinen überall gefertigt, wo dieser Industriezweig betrieben wird. Buckskinhandschuhe sind aus dem benannten Zeuge geschnitten und fein zusammengenäht. - Einfuhrzoll für Lederhandschuhe s. Tarif im Anh. Nr. 21 e;
Pelzhandschuhe Nr. 28 a;
gewebte oder gewirkte aus Seide Nr. 30 e, aus Wolle Nr. 41 d 4, aus Leinen Nr. 22 h, aus Baumwolle Nr. 2 d 3;
Buckskinhandschuhe Nr. 18 c.
ist eine Bezeichnung für gewisse Arten von in Handarbeit durch die dazu berufenen Handwerker gefertigen Stein-, Holz-, Metall-, Seiden-, Woll- etc. Waren, welche also nicht fabrikmäßig dargestellt und in der Regel nur auf Bestellung geliefert werden.
Nicht zu verwechseln damit sind die Erzeugnisse der Hausindustrie, welche aus fabrikmäßigem Betrieb im kleinen hervorgehen und direkt von den Erzeugern oder von Unterhändlern aufgekauft oder durch Hausierer verbreitet werden.
(lat. Cannabis sativa, frz. chanvre, engl. hemp). Diese für ihren einjährigen Lebenslauf bedeutende Größe erreichende Spinn- und Ölpflanze zeigt schon hierdurch, daß sie bei uns ein Fremdling ist, obschon ein sehr lange bekannter und vertrauter. Man verlegt ihre Heimat nach Südasien, wenigstens soll sie auf den südlichen Abhängen des Himalaya in ungeheurer Menge wild wachsen. Die Fähigkeit, sich unter den verschiedensten Klimaten und Bodenverhältnissen zu behaupten, besitzt der H. in außerordentlichem Maße; er wird jetzt auf den Ebenen Persiens, Indiens und Arabiens, über ganz Afrika, in Nord- und Südamerika gezogen, ist in Europa fast überall zu finden und bildet selbst im nördlichen Rußland fast bis nach Archangel hinauf eine wichtige Kulturpflanze, welche in jenen kalten Gegenden den am meisten geschätzten Rohstoff liefert.
Der Anbau der Pflanze in den heißen Ländern, wo sie einen fast majestätischen Wuchs annimmt, geschieht nicht wegen ihrer Faser, die dort viel zu grob ist, sondern wegen der narkotischen harzigen Substanz, welche sie ausschwitzt oder die ihr durch Kochen entzogen wird und die über einen großen Teil Asiens und in Ägypten als ein berauschendes Mittel gleich dem Opium gebraucht wird. Bei den Türken und Arabern heißen die hierzu dienlichen Hanfpräparate Haschisch.
Die Hottentotten- und Kaffernstämme Südafrikas berauschen sich einfacher durch Rauchen des trocknen Krautes, ein Gebrauch, der sich auch über das ganze übrige Afrika erstrecken und bei den Eingeborenen Südamerikas wiederfinden soll. Bei uns und in kältern Ländern hat die Hanfpflanze die narkotische Substanz bis auf ein Minimum verloren; indes, ihr starker Geruch mahnt noch daran und Leute, die länger in einem Hanffelde arbeiten, werden wohl auch von Schwindel und Kopfschmerz befallen.
Die so starke berauschende Kraft des in heißen Ländern wachsenden H. hat auch manche Gelehrte dazu geführt, als eine besondre Art den indischen H. (C. indica) aufzustellen; es bleibt aber trotzdem überall eine und dieselbe, nur in kalten Ländern sich weniger kräftig entwickelnde Pflanze. Vom Harz des indischen Hanfes wird in der Medizin in ähnlichem Sinne wie vom Opium Gebrauch gemacht; seine Wirkungen sind schwächer als die des letztern. Die betreffende Droge (herba Cannabis indicae) besteht aus den blühenden Spitzen der weiblichen Pflanze, an denen die Harzausscheidung vorzugsweise ihren Sitz hat.
Sie kommen entweder gebündelt oder gröblich zerschnitten von Bombay über England. Das daran klebende Harz wird teils in natura, teils in Weingeist gelöst als Extrakt oder Tinktur verordnet. Man unterscheidet zwei Sorten von indischem H., von denen die beste, Gunjah oder Ganja, nur selten zu uns nach Deutschland kommt; sie soll von solchen Pflanzen, die auf Anhöhen gewachsen sind, abstammen; man erhält diese Sorte in Bündeln von ½ kg Schwere, die aus 25-30 von Grund an verästelten, hellgelbbraunen Stengeln bestehen, denen man die Blätter genommen, die Blütenstände jedoch gelassen hat. Die zweite Sorte, die bei uns gewöhnlichere, Sidhee, Bang oder Guaza genannt, soll von in der Ebene wachsenden Pflanzen abstammen; sie besteht aus weniger harzreichen Blütenästen mit Blättern, ohne die Stengel. -
Der H. gehört mit dem Hopfen und den Nesseln zu einerlei Familie; er ist zweihäusig, da beide Geschlechter durch besondre Pflanzen vertreten sind und die männliche den Samenstaub für die weibliche, samentragende zu liefern hat. Natürlich sät man nicht die beiden Geschlechter speziell an; in jeder Quantität Hanfsamen sind immer beide vertreten. Die männliche Pflanze wächst zarter und schmächtiger und stirbt ab, nachdem sie ihren Staub verloren hat, indes die weibliche noch mehrere Wochen bis zur Samenreife braucht.
Man faßte dies Verhältnis schon frühzeitig, wenigstens vergleichsweise wie ein geschlechtliches auf und nannte die anscheinend schwächlichere Pflanze Femella, Weibchen, woraus die Volkssprache Femmel gemacht hat. Andre populäre Benennungen, besonders Hanfhahn für die Staub-, Hanfhenne für die Samenpflanze, bekunden eine richtigere Naturanschauung. Der H. gedeiht in jedem humusreichen, tiefgründigen Boden und als Feuchtigkeit liebend besonders in Niederungen. Trocken gelegte Teiche und aufgebrochene Wiesen, sofern sie nicht torfigen Untergrund haben, tragen oft wahre Riesenpflanzen. Dünger kann derselbe sehr reichlich vertragen und verlangt zwar einen gut gelockerten Boden zur Einsaat, beansprucht aber während der ganzen Vegetationszeit nicht ¶