Nennenswert sind hier die
Aufsätze von
Rink, »The
Eskimo tribes, their distribution and characteristics,
especially in regard to language«, in den »Meddelser om
Grönland« 1887,
Hansen, »Bidrag til Ostgrönländer nes ^[korrekt 1
Wort:
Ostgrönländernes] Anthopologi«, und
Holm, »Ethnologisk
Skizze af Angmagsalikerne«, beide in derselbenZeitschrift
1889, endlich Fridtjof Nansens Reisewerk: »Auf
Schneeschuhen durch
Grönland« (deutsche Übersetzung, Hamb. 1891).
Das
»Journal of the Antrhropological
Institute« 1886 bringt drei wertvolle Beiträge zur Kenntnis der Ureinwohner
Australiens,
zwei von
Howitt, »On the migration of the Kurnai ancestors«, worin er nachweist,
daß die australischen
Aboriginer bei ihrer Verbreitung über den
Kontinent nach S. den bedeutendern Wasserläufen
an der
Küste und den
Flüssen folgten und sich erst allmählich trennten. Desselben Verfassers »On
Australian medicine men« gibt eine sehr genaue Schilderung der
Doktoren und Zauberer verschiedener australischer
Stämme.
In der »Conference on the native races of Australia« bringt
James Bonwick die Australier nach dem Vorgang
vieler in Zusammenhang mit einer dunkeln, wollhaarigen
Nasse, welche
Tasmania,
Neuseeland,
Neuguinea,
Borneo,
Neukaledonien
[* 3] u. a.
bewohnte, als diese
Inseln noch
Landschaften eines großen
Festlandes waren.
Alles bisher Gebotene übertrifft aber an Thatsachenfülle
betreffs der
Sitten und
Sprachen der Eingebornen das große vierbändige Werk von Curr, »The
Australian race«
(Melbourne
[* 4] und Lond. 1886). Mit einigen
Stämmen insbesondere beschäftigt sich der
Aufsatz von Bulmer: »Some
account of the aborigines of the lower
Murray, Wimmera, Gippsland and Maneroo« in den »Proceedings«
der
Royal Geographical Society of Australasia
(Melbourne 1888). Lumholtz, »Blandt Menneske ædere« (Kopenh.
1888, auch insEnglische
[* 5] übersetzt, Lond. 1889, sowie französisch u. d. T.:
»Au pays des cannibales«, Par. 1890, und deutsch: »Unter Menschenfressern«, Hamb. 1892),
Reichlicher fließen die
Quellen über, die weite Inselflur des
GroßenOzeans.
Finsch, Ȇber die ethnologischen Sammlungen
aus der
Südsee« in den »Mitteilungen des
Berliner Ethnologischen
Museums« 1886, enthält zwar nur skizzenhafte,
aber doch sehr wichtige ethnologische
Notizen, ebenso beachtenswert sind desselben Verfassers »Ethnologische
Erfahrungen und
Belegstücke aus der
Südsee«
(Wien
[* 7] 1891). Im
Journal der
LondonerRoyal Society 1887 gibt
Cust, »The modern languages of Oceania«,
eine ausführliche
Liste der ozeanischen
Sprachen.
Weitere
Schriften über die
Maori lieferten
White, »The ancient history of the
Maori; his mythology and traditions« (Lond. 1889, 4 Bde.)
Tregear, »The
Maoris of
New Zealand« im
Journal des Anthropological
Institute 1889, und »The Aryo-Semitic
Maori« in den
»Transactions of the
New Zealand
Institute« 1887, für das auch
Crawford einen
Aufsatz: »On
Maori ancestry«, lieferte.
Grundlegend für die Kenntnis der Tasmanier ist das auf ziemlich vollständiger Quellenbenutzung beruhende Werk vonRoth:
»The aborigines of
Tasmania« (Lond. 1890).
Über
Neuguinea und die
Inseln in der
Torresstraße liegen mehrere
Schriften vor. M.
Uhle,
»Holz- und Bambusgeräte aus Nordwestguinea
mit besonderer Berücksichtigung der Ornamentik« (Leipz. 1886),
ist eine neue, stark vermehrte
Ausgabe eines drei Jahre früher erschienenen Werkes.
Romilly,
»From my verandah in
NewGuinea« (Lond. 1889) ist ein wertvoller ethnologischer Beitrag,
ebenso
Mac Farlane, »Among the cannibals of
NewGuinea« (Philad. 1889),
Danks, »On the shell money of
New Britain« und »Marriage customs of the
New Britain Group«
(im
Journal des Anthropological
Institute 1888 und 1889).
Nachdem Kubary über die Karolinengruppe die sehr
¶
mehr
eingehende und wertvolle Studie »Ethnographische Beiträge zur Kenntnis der Karolinischen Inselgruppe und Nachbarschaft. Heft
1: Die sozialen Einrichtungen der Pelauer« (Berl. 1885) geliefert hatte, folgte von ihm: »Ethnographische Verträge zur Kenntnis
des Karolinenarchipels« (Leiden
[* 14] 1889),
Über die Bewohner der Salomoninseln überhaupt schrieb Guppy, »The Solomon islands and their natives«
(Lond. 1887),
eine eingehende physische Schilderung der Eingebornen enthaltend, ferner Ch. Woodford, »A naturalist among the
headhunters« (Lond. 1890) und C. M. Woodford, »Further explorations in the Solomon islands« in den »Proceedings
of the Royal Geographical Society« 1890. Mason, »On the natives of Fiji« im »Journal of the Anthropological Institute« 1886, kommt
in seiner Schilderung der Fidschianer zu der Annahme, daß dieselben eher zu- als abnehmen werden.
gewerbliche, in Preußen.
[* 33] Im April des Jahres 1891 ist der ständigen Kommission für das technische Unterrichtswesen
vom preußischen Ministerium für Handel und Gewerbe eine vom Geheimen Oberregierungsrat K. Lüders (s. d.) verfaßte Denkschrift
vorgelegt worden über die Entwickelung der Fortbildungsschulen und der gewerblichen Fachschulen in Preußen,
soweit diese zum Ressort des Ministeriums für Handel und Gewerbe gehören (jedoch mit Ausschluß der Navigationsschulen und der
Unterrichtsanstalten für das Bergfach), während der Jahre 1883-90. Die Denkschrift bringt auf 264 Seiten in Folio eine sehr
eingehende Übersicht des gewerblichen Schulwesens in Preußen, deren Wert besonders noch eine erhebliche Anzahl
von beigegebenen Lehr- und Stundenplänen, statistischen Tabellen, Kostenanschlägen etc. erhöht. Zwei kürzere Vorgängerinnen
dieser Denkschrift aus den Jahren 1881 und 1883, damals vom Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten
erstattet, konnten bereits in den kurzen Aufsätzen des Hauptwerkes über Fachschulen (Bd.
5, S. 1009) und Fortbildungsschulen (Bd. 6, S. 456) berücksichtigt
werden. Aus der nunmehr vorliegenden neuen Denkschrift wird hier über die
¶
mehr
gewerblichen Fachschulen ausführlicher berichtet, wegen der Fortbildungsschulen aber auf den betreffenden Artikel dieses Bandes
verwiesen.
Wie im vorstehenden angedeutet, hat in der Zuständigkeit des gewerblichen Unterrichtswesens im letzten Jahrzehnt ein Wechsel
stattgefunden, und zwar war dies in wenigen Jahren der zweite derartige Wechsel. Bis in die 70er Jahre unterstanden technische
Schulen und Fortbildungsschulen in Preußen mit wenigen Ausnahmen dem Ministerium für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten.
Die Erfahrung, daß in den Fortbildungsschulen überwiegend mit Lehrkräften und in den Räumen der allgemeinen Unterrichtsverwaltung
gearbeitet werden mußte, und daß dies unausgesetzt Weiterungen zur Folge hatte, führte zunächst dazu, dieses
bis dahin geteilte Gebiet dem Ministerium für geistliche, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten ganz und allein zu überweisen.
Am wurden auch die technischen Unterrichtsanstalten, soweit sie bis dahin dem Handelsministerium angehört hatten,
jedoch mit Ausnahme der Navigationsschulen und der Unterrichtsanstalten für das Bergwesen, dem Kultusministerium zugeteilt.
Es waren dies die technischen Hochschulen, die damaligen Gewerbe-, jetzigen Oberrealschulen, die gewerblichen
Zeichenschulen, die wenigen, schon damals bestehenden Fachschulen, das Kunstgewerbemuseum und die Porzellanmanufaktur zu Berlin,
sowie selbstverständlich die gesamte Pflege des gewerblichen Unterrichts und des Kunstgewerbes.
Durch königlichen Erlaß vom wurde demgegenüber bestimmt, daß die gewerblichen und kunstgewerblichen
Fach- und Zeichenschulen, die Pflege des Kunstgewerbes einschließlich der Verwaltung der Porzellanmanufaktur sowie das Fortbildungsschulwesen
zum Ministerium für Handel und Gewerbe zurückkehren sollten. Bei Ausführung dieser Maßregel blieb jedoch immer noch ein
nicht unerheblicher Rest des technischen Unterrichtswesens beim Unterrichtsministerium.
Von den Oberrealschulen darf dabei abgesehen werden, da sie inzwischen völlig den Charakter höherer Schulen
für allgemeine Bildung angenommen hatten. Doch blieben mit diesen im bisherigen amtlichen Gebiet auch einige gewerbliche
Fachklassen (für Maschinenbau, chemisch-technische Gewerbe, Hüttenwesen), die mit Oberreal-, Real- und höhern Bürgerschulen
organisch verbunden sind, wenngleich das Aufhören dieses Verhältnisses als wünschenswert bezeichnet ward.
Zur Begründüng der Maßregel sagt die dem Abgeordnetenhause vorgelegte Denkschrift: »Die Wichtigkeit der den einzelnen deutschen
Staaten verbliebenen Pflege des Gewerbewesens ist infolge des Verlaufs, den die Entwickelung der nationalen Wirtschaftspolitik
in den letzten Jahren genommen hat, in ungleich höherm Maße hervorgetreten als früher, und die Anforderungen,
welche seitdem an diesen Zweig der Verwaltung herangetreten sind, haben gezeigt, daß er mit der Verwaltung des niedern und
mittlern gewerblichen Unterrichtswesens und
mit
der Pflege des Kunstgewerbes im engen Zusammenhang steht und deshalb seine Aufgabe nicht gehörig erfüllen kann, wenn
der Schwerpunkt
[* 37] der letztern Verwaltung in einem andern Ressort liegt. Bei der Frage, welche Maßregeln zur
wirtschaftlichen Hebung
[* 38] einzelner Landesteile durch Begründung neuer oder durch bessere Entwickelung bestehender Erwerbszweige,
zur Verbesserung der Lage des Kleingewerbes gegenüber dem Großgewerbe, zur Aufrechterhaltung oder Förderung der Konkurrenzfähigkeit
einheimischer Industriezweige gegenüber der ausländischen Konkurrenz zu ergreifen sind, spielt die Errichtung
und Leitung gewerblicher Fachschulen vielfach eine so entscheidende Rolle, daß die Gewerbeverwaltung, solange ihr in dieser Hinsicht
die Initiative und maßgebende Einwirkung abgeht, sich in ihrer Thätigkeit fortwährend auf das empfindlichste gehemmt sieht.
Auf der andern Seite können die Fragen, für welche Gewerbszweige, in welchem Umfang und an welchem Ort
g. Fachschulen zu errichten sind, und welche Ziele diese zu verfolgen haben, in einer die gewerblichen Gesamtinteressen allseitig berücksichtigenden
Weise mit voller Sicherheit auf die Dauer nur an derjenigen Stelle behandelt werden, welche zur Pflege des Gewerbewesens überhaupt
berufen ist und allein in vollem Maße die Mittel besitzt, sich über den Stand der gewerblichen Entwickelung
und ihrer Bedürfnisse einen umfassenden Überblick zu verschaffen und dauernd zu erhalten, zumal ihr auch diejenigen Organe
unterstellt sind, von welchen, wie von Handelskammern, Innungen und sonstigen gewerblichen Körperschaften, eine Mitwirkung
bei der Lösung dieser Aufgabe zu erwarten ist." Geltend gemacht wird ferner der ausgedehnte Umfang des
Geschäftsbetriebs im Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten als der kräftigern Förderung
und Pflege des mittlern gewerblichen Unterrichtswesens und der dafür erforderlichen besondern Aufmerksamkeit auf den Gang
[* 39] der
allgemeinen gewerblichen Bewegung entgegenstehend.
Endlich wendet das Staatsministerium das Gesagte auch in entsprechender Weise auf das nahe verwandte Kunstgewerbe
an. Der Landtag ließ durch diese Darlegung sich überzeugen, und so konnte mit Beginn des folgenden Rechnungsjahres, d. h.
mit der Übergang dieser Verwaltungszweige auf das Ministerium für Handel und Gewerbe thatsächlich erfolgen. Das
Bedenkliche des Wechsels war wesentlich dadurch gemildert, daß mit den Anstalten auch die in deren Interesse
bisher arbeitenden Kräfte, namentlich der bereits genannte langjährige Leiter der Fach- und Fortbildungsschulen, Geheimrat
Lüders, ins Handelsministerium über- oder zurücktraten.
Die Denkschrift des Handelsministeriums vom April 1891 will nun gleichsam die Probe für die Richtigkeit der damaligen Rechnung
geben, und wirklich lehrt schon ein vergleichender Blick auf die Zahlen des Staatshaushaltsetats für 1885/86
und für 1891/92, daß in diesen Jahren wesentliche Fortschritte in der staatlichen Fürsorge für dieses wichtige Feld der
nationalen Arbeit erreicht worden sind. Im Voranschlag für 1879/80 war der Gesamtbetrag des Staatszuschusses zu den damaligen 29 mittlern
gewerblichen Fachschulen 246,998,82 Mk. Von diesem
galten 113,170 Mk. dem Kunstgewerbemuseum zu Berlin, müssen also bei dem Vergleich außer acht bleiben, da sie nach dem Obigen
nicht mit in das Handelsministerium übernommen wurden. Als vergleichbarer Betrag kommt daher nur der Rest
¶
mehr
von 133,828,82 Mk. in Betracht. Schon bis 1885 hatte die Zahl der unterstützten Fachschulen von 29 auf 34 und der Staatszuschuß
auf 292,966,50 Mk. sich gehoben. Seitdem steigerte sich die Zahl der
Fachschulen auf 44, der Betrag des staatlichen Zuschusses auf 886,993 Mk. Dabei ist immer festzuhalten,
daß bei allen diesen Anstalten neben den staatlichen Zuschüssen noch die nächsten Gründer und Verwalter,
als Städte, Vereine, Körperschaften 2c., das ihrige leisten.
Die baren Leistungen von diesen Seiten (neben den Gebäuden und dem eisernen Inventar 2c.) betragen 1891/92 im ganzen 487,924
Mk., so daß als die für die Anstalten dieser Art im preußischen Staat überhaupt aufgewandte Summe innerhalb
der Zuständigkeit des Handelsministers 1,374,917 Mk. erscheint, wozu noch der für den gewerblichen
Unterricht bestimmte Dispositionsfonds tritt, der 1885 mit 69,100 Mk. in das Handelsministerium überging und inzwischen um
20,000 (1886) und 30,000 (1889), zusammen 50,000, d. h.
auf 139,100 Mk. erhöht worden ist, und ein besonderer Betrag von 35,000 Mk.
zur Gewährung einzelner Beihilfen behufs besserer Ausbildung geschickter Kunst- und andrer Handwerker.
Unter den vom Handelsministerium beaufsichtigten und unterstützten 44 Fachschulen lassen sich vier größere Gruppen unterscheiden,
an die der obige Zuschuß in folgender Weise sich verteilt:
4) Fachschulen für Metallgewerbe und Maschinenbau zu Iserlohn,
[* 61] Remscheid,
[* 62] Bochum,
[* 63] Flensburg,
[* 64] Dortmund,
[* 65] Magdeburg, 6 Anstalten
mit 126,895 Mk. Staatszuschuß. Als 5. Gruppe sollten nach Absicht der Staatsregierung diesen die Schulen für Töpferei hinzutreten;
allein es ist bisher nur eine solche Anstalt, die keramische Fachschule zu Grenzhausen-Höher, zustande
gekommen, die einen Staatszuschuß von 7950 Mk. erhält. Die vorgenannten Anstalten empfangen sämtlich
eine durch Vertrag gesicherte oder doch auf Jahre hinaus fest bewilligte Beihilfe, die sie bei ihren Voranschlägen in Ansatz
bringen dürfen. Außerdem ist aber noch eine größere Anzahl von Anstalten und Unternehmen mit Zuschüssen
aus
dem
Dispositionsfonds des Ministeriums bedacht worden. So erhielten neben der 1876 begründete Korbflechtschule Zu Heinsberg
(Rheinprovinz),
[* 66] noch sieben andre derartige Anstalten einen Beitrag von zusammen 17,109,25
Mk. jährlich, während der gleichen Anstalt zu Schurgast (Oberschlesien) mit etwa 4000 Mk. aus den besondern für den
oberschlesischen Notstand bestimmten Mitteln aufgeholfen werden konnte. Sechs Lehrwerk statten für Weberei
[* 67] in der ProvinzHannover
mit 4626,57 Mk., vier Gemüsebauschulen am Niederrhein mit 2350 Mk., eine Anzahl von städtischen Innungsfachschulen mit 10,548,48
Mk. gehören zu den Empfängern von Zuschüssen aus diesem Titel, aus dem ferner 12,000 Mk. für kunstgewerbliche
Sammlungen und 10,371,50 Mk. für Reise- und andre Stipendien verwandt wurden.
Hierher gehört auch der sogen. Handfertigkeitsunterricht, d. h. der mehr oder weniger schulmäßige Betrieb der Handarbeit
für Knaben, für den dem Handelsminister der jährliche Betrag von 14,000 Mk. zur Verfügung steht, wobei nicht zu übersehen
ist, daß außerdem vom Unterrichtsministerium ein festgelegter Beitrag von jährlich 2000 Mk. an den
Verein für das Wohl der arbeitenden Klassen im Kreise
[* 68] Waldenburg
[* 69] fließt, der der Hauptsache nach demselben Zwecke dient.
Auch der Unterricht im Spitzennähen in einigen Ortschaften des Riesengebirges und die Teppichknüpfschule zu Neustadt
[* 75] (Oberschlesien)
sind fortgesetzt durch Beihilfen und anregende Zuführung von Mustern 2c. gefördert worden. Entsprechend der vermehrten staatlichen
Fürsorge für die Sicherheit der Arbeiter ist in die Etats der Baugewerkschulen für 1890/91 zum erstenmal
ein besonderer Betrag für Unterrichtskurse über die erste Hilfeleistung bei Unglücksfällen, sogen.
Samariterkurse, eingestellt worden.
Der Unterricht wird von einem Arzte zunächst im Winter und in einer der vier Klassen, der vorletzten, bei der schon gereiftere
Erfahrung und zugleich ein durch die bevorstehende Abgangsprüfung noch nicht getrübtes Interesse für
den Gegenstand vorausgesetzt werden darf, erteilt. Ein solcher Kursus dauert 6 Wochen und besteht aus wöchentlich 2 Unterrichtsstunden,
deren eine für den Vortrag, die andre für die praktischen Übungen bestimmt ist. Es war die Absicht, diesen heilsamen und
zeitgemäßen Nebenunterricht auch auf die Fachschulen für Maschinenbauer und auf die größern Webeschulen
auszudehnen.
Der Fernerstehende wird aus dieser skizzenhaften Aufzählung den Eindruck einer recht mannigfachen und rührigen Thätigkeit
empfangen. Aber man darf nicht übersehen, wie die deutsche, die preußische Industrie rings von mächtigen Nebenbuhlerinnen
umgeben ist, die das wichtige Hilfsmittel des gewerblichen Unterrichts teilweise schon länger handhaben und zu
festerer, wirksamerer Gestalt entwickelt haben.
¶
mehr
Mit rühmlicher Offenheit erkennt die Denkschrift des preußischen Handelsministeriums trotz aller unleugbaren Fortschritte
an, daß die allmähliche Entwickelung des gewerblichen Fachschulwesens in Preußen sehr langsam vor sich gegangen ist, und
daß das Erreichte nicht im Verhältnis zur Ausdehnung
[* 77] und Bedeutung des Gewerbfleißes selbst und ebensowenig zu den Schwierigkeiten
steht, die manchen Gewerbe zweigen aus dem Wettbewerbe des Auslandes und den veränderten Arbeitsbedingungen
der Gegenwart erwachsen.
»Die Steigerung der Arbeitslöhne, die allgemeine Erhöhung der Herstellungskosten durch die sozialpolitische Gesetzgebung der
letzten Jahre, die mit der Änderung der Zollgesetzgebung des Inlandes und des Auslandes für einzelne Industriezweige verbundene
Erschwerung der Fabrikation oder des Absatzes nötigen die Gewerbtreibenden, auf Verbesserungen in der
Fabrikation bedacht zu sein. Jeder, der Großindustrielle wie der Arbeiter, muß suchen, durch Erhöhung des eignen Könnens
leistungsfähiger zu werden, Verluste an Zeit und Geld zu vermeiden, um unter Umständen die kostspielige Hilfe andrer entbehren
zu können. Auf der andern Seite bietet die allgemeine Zunahme des Wohlstandes manchem die früher fehlende
Gelegenheit, größeres Arbeitsgeschick, größere Kunstfertigkeit und geläuterten Geschmack zu verwerten. Neue Gewerbszweige
entstehen, wie die Elektrotechnik, denen es an geschultem Personal fehlt; in andern lichtet sich der in die Fabriken als Werkmeister
übernommene Stamm ehemaliger Handwerksmeister oder reicht nicht aus für das wachsende Bedürfnis; dort
fehlt es an Zeichnern und Hilfstonstrukteuren, überall an tüchtigen Baugewerksmeistern, um das Bedürfnis nach soliderer,
geschmackvollerer und zweckmäßigerer Herstellung der öffentlichen Bauten, der Wohn- und Fabrikgebäude zu befriedigen.«
Aber so anerkannt das Bedürfnis besserer Vorbildung der gewerblichen Kräfte, so schwierig ist anderseits die rasche und
stets richtige Befriedigung. Zwar zeigen einzelne Beispiele, wie die Korbflechtschulen, die Möglichkeit, daß durch Anlegung
von Fachschulen bessere Verwertung inländischer Rohmaterialien oder Gewinnung besserer Materialien, mithin nützlichere
Verwertung von Grund und Boden wie von ländlichen Arbeitskräften angeregt werden kann. Allein im allgemeinen müssen die
Behörden sich darauf beschränken, die Bedürfnisse vorhandener Gewerbszweige sorgsam zu beobachten
und ihnen durch Gründung von Fachschulen abzuhelfen.
Diese Bedürfnisse befinden sich aber in einem beständigen, manchmal raschen und überraschenden Wechsel. »An einigen Orten
wird ein wichtiger und blühender Gewerbszweig durch die Fortschritte des Maschinenwesens bedroht. So treten in der Weberei
die mechanischen Stühle an die Stelle der Handstühle, und in der Kleineisen- und Stahlindustrie wird
Handarbeit durch das Gießen
[* 78] und die Schläge der Maschine
[* 79] ersetzt. Die Mode wendet sich von einem Fabrikat ab, sie zieht die Wolle
der Seide
[* 80] vor, sie will von Samt nichts wissen, sie verwirft die glatten Tuche und will nur gemusterte Zeuge.
In solchen Fällen kann von der Verbesserung des bisherigen Betriebes oder vom Übergange zu einer andern Industrie die Erhaltung
einer bedeutenden Produktion oder die wirtschaftliche Existenz vieler Tausende abhängen und hierauf die rasche Einrichtung
eines guten Unterrichts von wesentlichem Einflüsse sein.« Aus dieser Betrachtung ergibt sich die Unmöglichkeit, mit
Sicherheit auf Jahre hinaus Pläne für den Ausbau des gewerblichen
Fachschulwesens zu bilden. Nur einige Arten von Fachschulen dürfen in dieser Hinsicht ausgenommen werden, da die Gewerbe, für die
sie arbeiten, größere Stetigkeit sowohl in ihrer Verbreitung als in ihrer innern Entwickelung zeigen. Dies gilt namentlich
von den Baugewerkschulen, von den Kunstgewerbe- und gewerblichen Zeichenschulen, auch Handwerkerschulen
genannt, und den Schulen für Maschinenbauer. Ein kurzer Überblick sei diesen Arten von Anstalten denn noch gewidmet.
Die Baugewerkschulen haben in ihrer gegenwärtigen Gestalt vier halbjährige Klassen, die ein Schüler hintereinander oder mit
Übergehung der Sommer, wo dann praktisch gearbeitet wird, in vier Wintern durchlaufen kann. Wie sehr sie
einem allgemeinen Bedürfnis entgegenkommen, ohne ihm im bisherigen Umfange auch nur entfernt zu genügen, lehrt die Thatsache,
daß im Winter 1890/91 die damals vorhandenen neun Anstalten (ohne Posen) in überfüllten Klassen 1825 Schüler zählten und 870 Bewerber
wegen Platzmangels hatten abweisen müssen, während z. B. die herzoglich
braunschweigische Baugewerkschule zu Holzminden in jenem Winter allein über 1000 meist preußische Schüler zählte. Es ist
daher neben Erweiterung mehrerer vorhandener die Begründung neuer Baugewerkschulen in Königsberg i. Pr., Köln a. Nh., Kottbus
und in einer noch nicht genannten schlesischen Stadt geplant.
Reges Leben herrscht in einer Anzahl der größern Städte auf dem Gebiete des kunstgewerblichen Schulwesens.
Namentlich ist die Handwerkerschule zu Berlin von bedeutendem Einfluß auf die Hebung des gewerblichen Unterrichts nicht nur
in der Hauptstadt, sondern auch in vielen andern Städten gewesen. Unter Leitung des von Hamburg herüberberufenen DirektorsJessen hat die Anstalt es in 10 Jahren bis zu dem Umfange von (Winter 1890/91) 127 einzelnen Kursen mit 2204 Schülern
gebracht, von denen 161 den Tages-, 2043 den Abend- und Sonntagsunterricht besuchten.
Daß diese Zahl noch erheblicher Steigerung fähig ist, liegt auf der Hand. Wünschenswert erscheint dem
Handelsministerium, gewerbliche Zeichen-, Kunstgewerbe- oder Handwerkerschulen mindestens in allen Städten von 33,000 Einw.
und darüber einzurichten. Doch rechnet man für die nächsten 6 Jahre auf nicht mehr als 18 neue derartige Anstalten neben
gehörigem Ausbau der vorhandenen. Der Aufschwung des kunstgewerblichen Unterrichts ist besonders den gewerblichen
Ausstellungen seit Mitte des Jahrhunderts zu danken.
in Preußen kunstgewerbliche Unterrichtsanstalten, Zeichen- und Modellierschulen zu errichten. Der Erfolg ist nicht ausgeblieben;
aber freilich ist der Vorsprung, den eine so wohlhabende und kunstsinnige Nation wie die französische einmal gewonnen hat,
nicht so rasch einzuholen. Neben der Ausbreitung des kunstgewerblichen Unterrichts ist auch dessen richtige Methode eine wichtige
und schwierige Frage, der die Leitung des Fachschulwesens unausgesetzte Aufmerksamkeit widmet.
Besonders bedeutsam ist in dieser Hinsicht die richtige Verbindung praktischer Arbeit mit theoretischem Unterricht, der zuliebe
man an verschiedenen Orten sogen. Lehrwerkstätten eingerichtet hat. »Die Verbindung des praktischen Unterrichts mit dem Zeichnen
und Modellieren an kunstgewerblichen Schulen, in den Klassen für Ziseleure und Bijouteriearbeiter in Hanau
und in den Klassen der Dekorationsmaler gewährt den Vorteil, daß Lehrer und Schüler veranlaßt werden, bei den schulmäßigen
Übungen und bei ihren Entwürfen die Grenzen
[* 87] innezuhalten, welche die Natur des Stoffes und der Kostenpunkt ihnen zieht, und
anderseits auch die Vorteile, welche Technik und Material bieten, auszunutzen. Das Bestreben muß zugleich
darauf gerichtet sein, den Betrieb der Lehrwerkstätte dem handwerklichen so ähnlich wie möglich zu gestalten und in den
Schülern hier wie bei dem Unterricht im Zeichnen und in der Theorie Überhebung und falschen Künstlerstolz nicht aufkommen
zu lassen. Es versteht sich von selbst, daß die Arbeiten der Lehrwerkstätten, soweit dergleichen überhaupt
verkaufbar hergestellt werden, auch auf den Markt gebracht werden müssen, weil sonst der Zweck, daß die Schüler für den
Markt arbeiten lernen sollen, vereitelt, ihr Interesse an der Arbeit verringert und der Aufwand, den derUnterricht verursacht,
erheblich gesteigert werden würde. Durch den Verkauf der Fachschularbeiten sind die Ansprüche, die
das Publikum an Schönheit und Güte der Arbeiten stellt, schon mehrfach in erfreulicher Weise allgemein gesteigert worden. Dadurch
ist den Gewerbteibenden bewiesen worden, daß auch schönere und sorgfältigere Arbeiten verkäuflich sind. Die Preise der
Schularbeiten müssen den allgemeinen entsprechen, um nicht begründete Klagen der Gewerbtreibenden des
Faches über die Konkurrenz der Fachschulen hervorzurufen, und die bei ihrer Herstellung beschäftigten Schüler müssen so
weit bezahlt werden, wie dies ihren Leistungen entspricht. Es versteht sich von selbst, daß in einer Lehrwerkstätte nicht
ausschließlich Anfänger, sondern auch ausgebildete Gehilfen so weit beschäftigt werden müssen, wie
dies nötig ist, um an den zum Verkauf bestimmten Gegenständen Arbeiten ausführen zu können, für die das Können der Schüler
nicht ausreicht, oder soweit der Lehrer deren als Werkmeister bei Ausbildung der Schüler bedarf.« Bei aller Wertschätzung
dieses vereinten theoretisch-praktischen Unterrichts gibt jedoch das Handelsministerium sich nicht der Täuschung hin,
daß, wie zuweilen gefordert, die Lehrwerkstätte der Fachschulen heute an Stelle der Lehre
[* 88] in der Einzelwerkstatt eines Meisters
allgemein treten könnte.
An Maschinen- und metalltechnischen Fachschulen sind oben sechs gerechnet worden, von denen aber eine (Magdeburg) erst im letzten
Jahr ins Leben getreten ist. Die fünf im Winter 1890/91 schon bestehenden derartigen Anstalten zählten
damals 312 Schüler (263 Tages-, 49 Abendschüler). Alle diese Anstalten sind sogen. Werkmeisterschulen, die der Ausbildung mederer
Fabriktechniker und Vorarbeiter
dienen.
Gerade auf diesem Gebiete aber liegt das anerkannte Bedürfnis vor, auch mittlere technische Beamte gehörig schulmäßig
vorzubilden. Die für diesen Zweck vorhandenen sogen. Fachklassen sind, wie oben bemerkt, einigen höhern
Lehranstalten als Aufsatz auf den sechsklassigen, bis zur Untersekunda einschließlich und zum Recht auf den Einjährig-Freiwilligendienst
führenden Unterbau eingefügt und daher mit den Hauptanstalten unterm Unterrichtsministerium geblieben.
Im ganzen kann man demnach auf diese Klassen 150-180 Schüler rechnen, eine Zahl, die
angesichts des Bedürfnisses nicht bloß vermehrt, sondern vervielfacht werden möchte. Indes ist hierin nicht bloß die Verschiedenheit
der leitenden Ministerien, sondern auch das Schwanken der Ansichten im Kreise der Interessenten, der deutschen Ingenieure, bisher
hinderlich gewesen. Zwar hat die im August 1889 in Karlsruhe
[* 91] abgehaltene Hauptversammlung des Vereins der
deutschen Ingenieure eine Vorlage ihrer Schulkommission angenommen, welche einige feste Gesichtspunkte für die künftige Einrichtung
der technischen Mittelschulen aufstellt. Es sind die folgenden: »1) Die technische Mittelschule hat die Aufgabe, Leiter und
Beamte technischer Betriebe sowie Hilfskräfte für Konstruktionsbüreaus auszubilden. 2) Sie
ist als selbständige Lehranstalt vom Staate zu errichten und zu leiten. 3) Der Unterricht erstreckt sich im wesentlichen auf
das Gebiet der Maschinentechnik. 4) Für die Aufnahme sind nachzuweisen: a) die wissenschaftliche Berechtigung zum einjährig-freiwilligen
Militärdienst, b) eine praktische Thätigkeit von zweijähriger Dauer. 5) Die Schulzeit umfaßt 2 Jahre
in zwei Lehrkursen von einjähriger Dauer; die grundlegenden Wissenschaften, Mathematik 2c., sind als Lehrgegenstand im ersten
Jahr zu erledigen.« Aber diese Beschlüsse haben nicht überall einmütigen Beifall in den Einzelvereinen gefunden,
begegnen außerdem auch im Handelsministerium unerledigten Bedenken, z. B. hinsichtlich der als Bedingung des Eintritts geforderten
zweijährigen Praxis. Der Handelsminister hat sich daher einstweilen begnügt, im Verband
[* 92] mit der maschinentechnischen
Werkmeisterschule zu Dortmund probeweise eine Mittelschule nach dem Programm des Vereins zu errichten.
Als Gesamtzahl aller in den Fachschulendes Handelsministeriums unterrichteten Schüler ergibt die der Denkschrift beigefügte
Übersicht 10,088, darunter 3290 Tagesschüler, 6798 Abend- und Sonntagsschüler. Daß das für diesen
Zweig des Staatslebens in der großen preußischen Monarchie verantwortliche Ministerium damit sich nicht begnügen will und
kann, ist ohne weiteres klar. Das Mißverhältnis dieser Zahlen zu der Bevölkerungsziffer würde noch greller hervortreten,
wenn nicht in der Denkschrift jede vergleichende Heranziehung statistischer Angaben aus dem Auslande wie aus den
außerpreußischen Reichsstaaten vermieden worden wäre.