Schwindsüchtige stattgefunden haben dürfte. Während des Aufenthalts des
Zuges in
München
[* 2] kehrte
Prausnitz unter den nötigen
Vorsichtsmaßregeln den
Staub auf dem Bodenteppich des
Wagens zusammen und prüfte ihn durch Verimpfung auf
Meerschweinchen.
Es wurde der
Staub von vier
Wagen untersucht, aber nur der von einem
Wagen brachte bei einzelnen Versuchstieren
Tuberkulose hervor, während der
Staub der drei andern
Wagen die
Tiere gesund
oder an andern
Krankheiten eingehen ließ. Hieraus
schloß
Prausnitz, daß der gewöhnliche
Modus der
Reinigung der
Eisenbahnwagen genügt, dieselben so weit tuberkelbacillenfrei
zu erhalten, daß eine Gefährdung des reisenden
Publikums in dieser Hinsicht ausgeschlossen erscheint.
internationaler. Die belgische
Regierung hat vor einiger Zeit die europäischen
Staaten zur Beschickung einer internationalen
Konferenz in
Brüssel
[* 3] eingeladen, in welcher nach dem
VorschlagBelgiens ein Übereinkommen
vereinbart werden sollte, welches in gleicher
Weise, wie dies durch das
Berner Übereinkommen bezüglich des Frachtverkehrs
geschehen ist,
Grundsätze für eine internationale Regelung des Personenverkehrs aufstellt.
Die
Regierungen der meisten
Staaten haben sich zur
Teilnahme an dieser
Konferenz bereit erklärt. Das Zusammentreten derselben
hat aber in Rücksicht auf die umfassenden Vorbereitungen, welche die in Aussicht genommenen Beratungen erfordern, auf unbestimmte
Zeit vertagt werden müssen. Der durchgehende
Schnell- und Personenzugverkehr auf den internationalen
Linien wird von
Vertretern der beteiligten europäischen
Eisenbahnverwaltungen in regelmäßig wiederkehrenden
Konferenzen geregelt, deren
je eine im
Sommer (zur Feststellung des Winterdienstes) und im
Winter (zur Feststellung des Sommerdienstes) stattfindet.
Diese Versammlungen sind unter dem
Namen europäische Fahrplankonferenz bekannt. Desgleichen wird der damit zusammenhängende
Durchgang von Personenwagen auf jenen
Linien in jährlich zweimal, vor Beginn der
Sommer- und vor Beginn
der Winterfahrplanperiode, stattfindenden besondern
Konferenzen, welche auch wohl als internationale Eisenbahnkongresse bezeichnet
worden sind, von den beteiligten europäischen
Eisenbahnverwaltungen festgesetzt, wobei es sich nicht allein um Abmessung
der Leistungen jeder
Verwaltung, sondern auch um Bestimmung der Anforderungen an die
Beschaffenheit der beizustellendenWagen
handelt.
(Absperrung). Die großen
Gefahren, welche das Prüfen und Durchlochen der Fahrkarten von den Wagentrittbrettern
aus während der
Fahrt für die
Gesundheit und das
Leben des Zugpersonals mit sich bringt (wie die erhebliche Zahl der hierdurch
veranlaßten
Tötungen und
Verletzungen von Beamten zeigt), haben bereits mehrfach die Verlegung der Fahrkartenkontrolle
an die Ein- und
Ausgänge der Bahnsteige nahegelegt. Die
Erfahrung hat zur Genüge gelehrt, daß trotz aller wiederholten und
strengen Verbote bei stärkerm Personenverkehr die Beseitigung dieses gefährlichen
Verfahrens auch durch unverhältnismäßige,
unwirtschaftliche Verstärkung
[* 4] des mit der Fahrkartenkontrolle betrauten Peronals nicht zu erreichen ist.
Überdies kann fast bei jedem Zug
beobachtet werden, daß im letzten
Augenblick vor Abfahrt desselben immer
noch Reisende zugehen, welche füglich nicht zurückgewiesen werden können, und deren Fahrkarten eben der dem Einsteigen
unmittelbar folgenden Abfahrt halber nicht mehr von dem Bahnsteig, sondern nur noch von
den Wagentrittbrettern des bereits
in
Bewegung befindlichen
Zuges aus geprüft und durchlocht werden können. Die lebhafte Abneigung, welcher
die durchgängige
Absperrung der Bahnsteige für Nichtreisende und die allgemeine Verlegung der Fahrkartenkontrolle an die
Ein- und
Ausgänge derselben in den
Kreisen des deutschen
Publikums begegnet, wird jenen schwerwiegenden
Gründen gegenüber
der
Durchführung dieses
Verfahrens auf die Dauer nicht mit Erfolg widerstehen können.
Die Unsitte, bei jeder auch nur kurzen
Abwesenheit vom häuslichen
Herde die Verabschiedung von der mehr oder minder zahlreichen
Familie, ja selbst von dem nähern und weitern Freundeskreis auf den Bahnsteig zu verlegen, besteht einzig und allein
nur noch in
Deutschland
[* 5] und wird auch hier von jedem Einsichtigen als existenzberechtigt ebensowenig anerkannt
werden können wie in andern
Ländern mit hochentwickeltem
Verkehr. Für die
Eisenbahnverwaltung würde das Aufgeben der eigentlichen
Fahrkartenkontrolle am
Zuge (welche bei Verlegung an die Ein- und
Ausgänge der Bahnsteige darauf beschränkt werden kann,
ob die Reisenden nicht eine höhere als die ihren Fahrkarten entsprechende Wagenklasse benutzen) nicht
nur einen Fortschritt auf dem Gebiete der
Humanität, sondern nach Aufwendung der für die
Absperrung der Bahnsteige erforderlichen
einmaligen (allerdings sehr bedeutenden)
Kosten auch eine wesentliche Vereinfachung der Betriebseinrichtungen mit sich bringen,
welche namentlich bei grundsätzlicher allgemeiner
Durchführung in einer erheblichen Ersparnis an Fahrpersonal ihren finanziellen
Ausdruck finden würde.
Ebenso würde nach dem
Urteil maßgebender Sachverständiger eine solche Maßregel auch der ordnungsmäßigen
Durchführung
des
Dienstes, welche durch die gegenwärtige häufige Überfüllung der Bahnsteige mit Reisenden und weit mehr mit Nichtreisenden
schwer beeinträchtigt wird, und somit auch der Sicherheit des Betriebs nicht unwesentlich zu gute kommen.
Endlich würde
dadurch dem Fahrpersonal die jetzt trotz aller
Revisionen durch besondere Kontrollbeamte noch immer reichlich
gebotene Gelegenheit zu Unterschleifen aller Art nahezu vollständig entzogen.
Infolge neuerer
Anordnungen des preußischen
Ministers der öffentlichen
Arbeiten werden dem
Vernehmen nach die erforderlichen
Vorbereitungen für die
Durchführung der fraglichen Maßregel, die übrigens im
Berliner
[* 6] Stadt- und Ringbahnverkehr
seit
Eröffnung desselben bereits besteht und sich dort, wie überall, bestens bewährt hat und mit gelegentlich
der Neuregelung des
Berliner Vorortverkehrs (s. unten) auch für diesen mit bestem Erfolg eingeführt ist, eifrig
betrieben. Der große
Umfang dieser Vorbereitungen und wohl auch die
Höhe der für eine allgemeine
Durchführung
erforderlichen einmaligen Aufwendung für bauliche Einrichtungen lassen es begreiflich erscheinen, daß damit nur allmählich
vorgegangen werden kann.
In der
Frage der Personengeld-Tarifreform, welche die öffentliche Meinung in weitesten
Kreisen längere
Zeit lebhaft beschäftigt hat, ist neuerdings ein Stillstand eingetreten, welcher wesentlich auf Rücksichten finanzieller
Natur zurückzuführen sein dürfte. Angeregt durch das von
Perrot und
Engel befürwortete
Projekt eines
ganz
Deutschland umfassenden Zonentarifs und die Einführung von auf zonenmäßiger Abstufung beruhenden Personentarifen zunächst
in
Ungarn,
[* 7] sodann in
Österreich
[* 8] (s. Bd. 17, S. 280, und Bd. 18, S. 225), sind in der
¶
mehr
Tagespresse und sonstigen interessierten Kreisen vielfache und zum Teil sehr verschiedenartige Vorschläge zur Lösung der vorliegenden
Frage aufgetaucht, welche als aussichtslos hier übergangen werden können. Nur darin hat sich überall nahezu völlige
Übereinstimmung gezeigt, daß einmal der gegenwärtige Tarifwirrwarr mit seiner verschiedenartigen, dem Grundsatz sozialer
Gerechtigkeit vielfach direkt zuwiderlaufenden Behandlung der einzelnen Klassen der Bevölkerung
[* 10] einen auf
die Dauer unhaltbaren und mit den sonstigen Bestrebungen zur Ausgleichung vorhandener Gegensätze durchaus unverträglichen
Zustand bilde, daß ferner die jetzigen Fahrpreise und Gepäckfrachtsätze fast durchweg zu hoch bemessen und deshalb einer
gesunden Verkehrsentwickelung hinderlich seien, und daß endlich auf eine einheitliche, ganz Deutschland
möglichst gleichmäßig umfassende Reform besonderer Wert zu legen sei.
In der That wird in der Eigenartigkeit der wirtschaftlichen und Verkehrsverhältnisse der einzelnen deutschen Staaten eine
zwingende Veranlassung, von der im allgemeinen Verkehrsinteresse zweifellos höchst wünschenswerten Einheitlichkeit abzusehen,
schwerlich erblickt werden können. Die Verschiedenheiten zwischen den norddeutschen und süddeutschen Bahnen beziehen
sich (von vielen Nebenpunkten abgesehen) in der Hauptsache auf die Zahl der Wagenklassen (im Norden
[* 11] vier, im Süden drei) und
die Berechnung der Schnellzugspreise (im Norden Zuschlag nur für einfache Fahrten, im Süden auch für Hin- u. Rückfahrt) und
auf die Gepäckfracht (im Norden Freigepäck, im Süden nicht).
Für die Beseitigung der 4. Wagenklasse haben sich mehrfach gewichtige Stimmen aus gesundheitlichen Gründen
und Rücksichten der Humanität erhoben. Die Berechtigung dieser Anschauungen ist thatsächlich auch bereits dadurch anerkannt
worden, daß die jetzigen Wagen und Wagenabteilungen dieser Klasse zum Teil mit Sitzbänken versehen worden sind und noch in
weiterm Umfang damit ausgestattet werden. Wirtschaftliche und betriebstechnische Gründe dürften die Beseitigung
der 4. Wagenklasse (im Interesse einer Verminderung des in den Zügen mitzuführenden Wagenmaterials und einer bessern Ausnutzung
desselben) ebenfalls wünschenswert und zweckmäßig erscheinen lassen.
Selbst die Gewöhnung des Publikums der 4. Klasse, einen möglichst großen Teil seines gesamten Frachtguts, namentlich bei
dem Besuch von Wochenmärkten, in den Personenwagen mit sich zu führen, wird dagegen nicht allzu schwer
ins Gewicht fallen können. Einerseits wird dem in dieser Beziehung vorhandenen Bedürfnis durch Einführung billiger Gepäckfrachten
und anderseits durch Bereitstellung besonderer Wagenräume im Nahverkehr (für den Fernverkehr wird ein solches Bedürfnis
überhaupt nicht anzuerkennen sein) vollauf Genüge geschehen können. Im übrigen würde selbst eine
mit Aufhebung der 4. Wagenklasse für einen verhältnismäßig kleinen Teil des Publikums verbundene Härte unbedenklich in
den Kauf genommen werden können, wenn es sich darum handelt, der überwiegenden Mehrzahl desselben eine große Wohlthat zuzuwenden.
Als solche aber wird die Beseitigung der 4. Wagenklasse vielfach auch aus dem Grunde angesehen, daß damit
die jetzige strenge Scheidung des sogen. vierten Standes im Eisenbahnverkehr beseitigt würde. Bezüglich des zweiten Punktes,
der Berechnung der Schnellzugspreise bei Rückfahrkarten, wird davon auszugehen sein, daß jede nicht allen gleichmäßig
zu gute kommende, bez. nicht öffentlichen Interessen oder der Bedürftigkeit dienende Vergünstigung,
also auch bei
den Rückfahrkarten, auszuschließen sein wird. Der keineswegs bedeutenden Entlastung der Eisenbahnverwaltung bei Entnahme
von Rückfahrkarten steht für das Publikum die Annehmlichkeit gegenüber, bei der Rückfahrt der nochmaligen Lösung einer
Fahrkarte überhoben zu sein, so daß auch hierdurch ein, wenn auch nur geringfügiger Preisnachlaß nicht
gerechtfertigt wird. Von diesem Gesichtspunkt aus erscheint es wohl angängig, von Herstellung besonderer Rückfahrkarten
in Zukunft ganz abzusehen und den Reisenden, welche bei der Hinfahrt zugleich Fahrkarten für den Rückweg zu lösen wünschen,
einfach zwei Fahrkarten der betreffenden Wagenklasse für die zu benutzenden (Personen- oder Schnell-) Züge zu verabfolgen,
von denen die eine für die Hin-, die andre für die Rückfahrt gilt.
Voraussetzung dafür würde sein, daß die Fahrkarten nicht, wie bisher, für eine gewisse Strecke in einer bestimmten Richtung,
sondern für diese Strecke in beiden Richtungen Gültigkeit haben, also auf die Fahrt z. B. von Berlin
[* 12] nach Potsdam
[* 13] oder von
Potsdam nach Berlin lauten. Damit würde zugleich die Zahl der jetzt herzustellenden Fahrkartensorten auf etwa die Hälfte
vermindert werden und den Eisenbahnverwaltungen eine nicht unerhebliche Erleichterung zu teil werden. (Bei Neuregelung des
Berliner Vorortverkehrs [s. weiter unten] ist diese Neuerung inzwischen eingeführt worden.)
Mit allgemeiner Annahme dieser Grundsätze würde sich die Benutzung der Rückfahrkarten ganz von selbst
in der Weise regeln, daß dieselben stets für diejenigen Züge (Personen- oder Schnellzüge) Gültigkeit haben, auf welche
sie lauten und deren Einheitssätze der Berechnung des Fahrpreises zu Grunde gelegt sind, während anderseits bei Festsetzung
besonderer Einheitssätze für Rückfahrkarten und Zulassung derselben zu Schnellzügen ohne Erhebung
eines Zuschlags diejenigen Reisenden, welche auf die Benutzung von Personenzügen angewiesen sind, sich stets im Nachteil
gegenüber denjenigen Reisenden befinden würden, welche in der Lage sind, mit ihren Rückfahrkarten Schnellzüge zu benutzen.
Was endlich den dritten Punkt anbelangt, in welchem eine Abweichung zwischen Nord- und Süddeutschland besteht, das
Freigepäck, so ist eine grundsätzliche Meinungsverschiedenheit hierüber erfreulicherweise nicht mehr vorhanden. Die Überzeugung
von der Verwerflichkeit dieser die wohlhabendere Minderzahl der Reisenden begünstigenden Einrichtung (s.
Bd. 17, S. 280) hat endlich auch in den Kreisen der norddeutschen Eisenbahnverwaltungen feste Wurzel
[* 14] geschlagen.
Nach Beseitigung dieser Differenzpunkte lag die Hauptschwierigkeit in einer Verständigung über einheitliche
Grundtaxen. Während Bayern
[* 15] für die 1. Klasse 6, für die 2. Klasse 3,5 und für die 3. Klasse 2 Pf. für das Kilometer mit einem
Zuschlag von je 1 Pf. für Schnellzüge in Aussicht nahm, wurde von der preußischen Staatseisenbahn-Verwaltung im März 1891 den
preußischen Bezirkseisenbahnräten ein Reformprojekt auf folgender Grundlage zur gutachtlichen Äußerung
unterbreitet (der Vergleichung halber sind die bisherigen Preise neben den neuen Sätzen in Parenthesen angegeben):
Personenzug: 1.Kl. 6 (8), 2.Kl. 4 (6), 3.Kl. 2 (4) Pf. für das Kilometer; Schnellzug: 1.Kl. 7 (9), 2.Kl. 5 (6,67), 3. Klasse 3 (4,67)
Pf. für das Kilometer unter Beseitigung des Freigepäcks und aller bisherigen Ermäßigungen bei Rückfahrten und Rundreisen,
dagegen Beibehaltung der Zeit-, Schüler- und Arbeiterkarten sowie unter erheblicher Ermäßigung der Gepäckfracht.
¶
mehr
Dieses Reformprojekt hat nicht nur seitens der unmittelbar um eine Äußerung darüber angegangenen Stellen, sondern auch
in der gesamten politischen und sonstigen Tagespresse fast durchweg eine überaus ungünstige Aufnahme und Beurteilung gefunden.
Die gegen Aufhebung der 4. Wagenklasse und Wegfall des Freigepäcks gerichteten Bedenken werden als auf unzeitgemäßen Anschauungen
wirtschaftlicher und sozialpolitischer Natur beruhend kaum besondere Erwähnung verdienen.
Weitaus wichtiger und gerechtfertigter müssen die gegen die Höhe der in Aussicht genommenen Einheitssätze geltend gemachten
Einwände erscheinen. Während diese (bei Aufhebung der 4. Wagenklasse und Übertragung der bisherigen Grundtaxe derselben
auf die 3. Wagenklasse) eine Verbilligung des Fahrgeldes für die untern Volksklassen überhaupt nicht
ergeben, treten im übrigen zwar bei den einfachen Fahrten, ebenso bei Hin- und Rückreisen unter Benutzung gewöhnlicher
Züge, teilweise sehr erhebliche Ermäßigungen, bei Hin- und Rückreise in Schnellzügen aber in 1. u. 2. Wagenklasse
Erhöhungen (um 16,7 und 11,1 Proz.)
ein, welche bei Aufgabe von Gepäck naturgemäß noch eine weitere Steigerung erfahren.
Der Mangel einer Ermäßigung gerade für die untern Volksklassen wird mit Recht als der wundeste Punkt des ganzen Systems betrachtet,
der auch durch Beibehaltung der Arbeiterfahrkarten u. Ermäßigungen im Vorortverkehr der größern
Städte nicht hinreichend ausgeglichen wird. Im übrigen überwiegt bei der Beurteilung des fraglichen
Reformprojekts die Forderung, daß die Neuregelung der Personentarife nirgends zu einer Erhöhung der bisherigen Sätze führe,
also mindestens mit einer allgemeinen Herabsetzung derselben auf die jetzt nur unter besondern Voraussetzungen zugestandenen
Sätze (bei zusammenstellbaren Rundreisen u. dgl.)
verbunden sei.
Für diese Forderung wird namentlich auch geltend gemacht, daß nur eine bedeutende Herabsetzung der Fahrpreise
zu einer Verkehrssteigerung führen könne, welche geeignet sei, die aus jener entstehenden Mindereinnahmen auszugleichen.
Solange indes der Haushalt des preußischen Staates in der bisherigen Abhängigkeit von den Einnahmen und Ausgaben der Eisenbahnverwaltung
verbleibt, ist zu bezweifeln, ob die preußische Staatseisenbahnverwaltung sich zu einem solchen immerhin mit
einem gewissen Wagnis verbundenen Vorgehen entschließen wird, und ob, selbst wenn dies der Fall, der (dabei wesentlich interessierte)
preußische Finanzminister seine Zustimmung dazu erteilen würde.
Inzwischen hat auf den Vorschlag des preußischen Ministers der öffentlichen Arbeiten das Staatsministerium sich damit einverstanden
erklärt, daß versuchsweise mit einer Reform der Personentarife für den VerkehrBerlins mit seinen Vororten,
insofern derselbe durch besondere Vorortzüge vermittelt wird, vom ab (dem Termin für die Eröffnung des dritten
und vierten Geleises der Wannseebahn) vorgegangen wird. Die Reform bezweckt in erster Linie eine angemessene Verteilung der
Wohnplätze Berlins über ein größeres Gebiet, zugleich aber auch eine Erleichterung für den Erholungsverkehr
herbeizuführen. Der neue Tarif ist so gebildet, daß die Fahrpreise für eine Entfernung
Neben den auf diese Weise berechneten sind nur diejenigen ermäßigten Fahrkarten bestehen geblieben,
welche tarifmäßig allgemein eingeführt sind, also Zeitkarten, Schülerkarten, Arbeiter-Wochenkarten und Arbeiter-Rückfahrkarten.
Alle andern bisher im Vorortverkehr allgemein oder auf einzelnen Strecken verausgabten Fahrkarten, wie insbesondere die Tageskarten
(für Sonntage, Wochentage) und Arbeiter-Tageskarten, sind aufgehoben. Die neu eingeführten ermäßigten Fahrkarten gelten
in beiden Richtungen, so daß gleichzeitig mehrere Fahrkarten im voraus gelöst werden.
[Gütertarife.]
Die Frage, ob bei Berechnung der Fracht lediglich das Gewicht der zu befördernden Güter in Verbindung mit dem
von ihnen beanspruchten Raum, sowie die Beförderungsart, ob in bedeckt gebauten oder offenen Wagen, oder auch ihr Handelswert
zu berücksichtigen sei, hat 1879 in Deutschland zu einem Kompromiß zwischen beiden (Wagenraum- und Wertklassifikations-Tarif)
Systemen geführt, dessen Ergebnis das jetzt noch bestehende sogen. Reformtarifsystem bildet.
Letzteres beruht im wesentlichen auf dem Grundsatz der Wertklassifikation, trägt aber auch dem sogen. Wagenraumsystem insofern
Rechnung, als es zwei allgemeine Wagenladungsklassen enthält, welche nur unterscheiden zwischen der Aufgabe von mindestens 5000 kg
oder der Frachtzahlung für mindestens 5000 kg pro Wagen (Klasse A1) und der Aufgabe von mindestens 10,000
kg pro Wagen oder Frachtzahlung hierfür (Klasse B). Zu den Sätzen dieser Klassen werden alle diejenigen Güter befördert, welche
in dem Verzeichnis der Spezial- und Gütertarife nicht besonders namhaft gemacht sind, und welche von
dem Versender mit einem Frachtbrief für einen Wagen als Wagenladungen aufgegeben werden.
Die Frachtberechnung geschieht in diesen Klassen dergestalt, daß von jedem Wagen die Fracht der Klasse A1 nach dem wirklichen
Gewicht, mindestens aber für 5000 kg erhoben wird. Ergibt jedoch die Berechnung für 10,000 kg nach Klasse 1)
eine geringere Fracht, so kommt diese zur Erhebung. Im übrigen besteht eine Klasse für Eilgut, eine solche für Stückgut (bestimmte
minderwertige Stückgüter werden zu einem Ausnahmetarif befördert), drei Spezialtarife, in welche die verschiedenen Güter
ihrem Handelswert nach namentlich eingereiht sind, und eine größere Zahl von Ausnahmetarifen für Massen-, bez. minderwertige
Güter.
Ganz abgesehen davon, daß das Wagenraumsystem bisher noch niemals konsequent hat durchgeführt werden können (auch bei
dem damit auf den elsaß-lothringischen Bahnen nach Besitznahme derselben angestellten Versuch hat eine Reihe von Ausnahmetarifen
für minderwertige Massenartikel nicht entbehrt werden können), leidet dasselbe vor allem an dem Haupt- und Grundfehler,
daß es ein für die Frachtberechnung sehr wesentliches Moment, das mit der Beförderung verbundene Risiko
einer Beschädigung oder eines Verlustes, nicht genügend berücksichtigt.
Daß dieses Risiko je nach dem Handelswerte des beförderten Gutes größer oder geringer ist, insofern die Höhe der Ersatzpflicht
der Eisenbahn davon abhängig ist, liegt auf der Hand.
[* 17] Anderseits hat das Wertklassifikationssystem den
unverkennbaren Nachteil, daß eine feste Grenze für die Zuweisung der verschiedenen Güter zu den einzelnen Tarifklassen in
dem vielfach schwankenden und wechselnden Handelswert derselben nicht zu finden ist und somit fortwährende Änderungen dieser
¶
mehr
Zuteilung, wobei es sich allerdings meist um Versetzung in eine niedrigere, selten in eine höhere Tarifklasse handelt, nicht
zu umgehen sind. Begreiflicherweise wird hierdurch die Schwierigkeit, die verschiedenen einander oft direkt widerstreitenden
Interessen der einzelnen Kreise
[* 19] der Verkehrsinteressenten objektiv abzuwägen und auszugleichen, für die Verwaltung wesentlich
erschwert. Daß auch in andrer Beziehung das gegenwärtige Gütertarifsystem mit vielfachen Mängeln
behaftet ist, von welchen die angedeutete Unsicherheit und der durch zahllose Verschiebungen und Sonderbestimmungen hervorgerufene
Wirrwarr nicht die geringsten sind, wird auch in den Kreisen der Eisenbahnverwaltungen nicht verkannt, doch ist es bisher nicht
gelungen, etwas Besseres an die Stelle zu setzen.
Beachtenswerte Fingerzeige für eine Verbesserung des gegenwärtigen Systems sind in dem 1890 (beiL. Simion, Berlin) erschienenen
Buche des frühern Regierungsrates Braesicke (jetzt Oberbürgermeister in Bromberg)
[* 20] über »Die Reform der Eisenbahngütertarife«
enthalten. Abgesehen von der dort vorgeschlagenen anderweiten Bildung und Abstufung der einzelnen Tarifklassen (nach mit der
Entfernung fallender Skala) und einer Berücksichtigung der endlich in größerm Umfange in Angriff genommenen
Erhöhung der Tragfähigkeit der Güterwagen, ist auch die Presse
[* 21] mehrfach für eine Zum Teil sehr erhebliche Ermäßigung
der Frachtsätze, namentlich für minderwertige Rohmaterialien, eingetreten.
Ferner wird einer erhöhten Pflege des Stückgutverkehrs unter weiterer Verbilligung desselben, wenigstens für minderwertige
Güter, und Beseitigung des durch die erwähnten allgemeinen Wagenladungsklassen hervorgerufenen sogen.
Sammelgutverkehrs das Wort geredet. Letzterer besteht bekanntlich darin, daß im Verkehr zwischen größern Handelsplätzen
(bei kleinen verlohnt es sich nicht) seitens der Spediteure die ihnen von den verschiedenen Versendern zugeführten Stückgüter
aller Art angesammelt, zu Wagenladungen vereinigt und nun von der Eisenbahn zu den Sätzen der mehrerwähnten
allgemeinen Wagenladungsklassen befördert werden, so daß sich der Transport wesentlich billiger stellt als bei Beförderung
jedes einzelnen Frachtstückes für sich nach dem eigentlichen Stückguttarif.
Nach dem Urteil unbefangener Sachverständigen hat diese Einrichtung für die Eisenbahnverwaltung (in Bezug auf bessere Ausnutzung
des Wagenparkes und Vereinfachung des Abfertigungsverfahrens) nur geringe Vorteile, die zum Teil auf
anderm Wege, z. B. durch stärkere Ausbildung des Kurswagenverkehrs, zu erreichen sind und jedenfalls zu der erheblichen Einbuße
an Frachteinnahmen, selbst bei wesentlicher Ermäßigung des Stückguttarifs, nicht in dem richtigen Verhältnis stehen.
Anderseits wird hervorgehoben, daß die fragliche Einrichtung für den kleinen Verkehrsinteressenten
mit keinerlei Vorteilen, wohl aber vielfach mit Nachteilen (durch verspätete Lieferung der Güter u. dgl.) verbunden sei
und im wesentlichen nur einigen wenigen großen Firmen, auch diesen aber nur teilweise, und in der Hauptsache den bei diesem
Verkehr als entbehrliches Mittelglied zwischen Publikum und Eisenbahnverwaltung eingeschobenen Spediteuren zu
gute kommen.
Als Ausgleich für die geforderten Tarifermäßigungen wird vielfach, teilweise auch in dem vorerwähnten Buch von Braesicke,
die durchgängige Erhöhung der Tragfähigkeit der Güterwagen zur Erzielung eines vorteilhaften Verhältnisses zwischen Nutz-
und toter Last und sonstiger Ersparnisse in
Bezug auf Betriebseinrichtungen, ferner
die Beschleunigung der Güterzüge im Interesse einer wirtschaftlichern
Ausnutzung des Wagenparkes und endlich zu dem gleichen Zweck thunlichste Wiederbeladung der leer zurücklaufenden Wagen und
dahin wirkende allgemeine Einführung von Rückladungstarifen empfohlen. Ob nicht auch hier notwendige Rücksichten auf die
Finanzlage des Staates einer baldigen Durchführung der verschiedenen, zum Teil als wahlberechtigt anzuerkennenden Wünsche
und Forderungen hindernd in den Weg treten werden, bleibt abzuwarten.
Daß einerseits die Vereinigung großer Eisenbahnnetze in privater Verwaltung eine Macht im Staate schafft,
welche den auf Förderung der öffentlichen Wohlfahrt gerichteten Aufgaben und Bestrebungen desselben vielfach hindernd in
den Weg zu treten vermag, daß anderseits aber auch durch das Nebeneinanderbestehen einer Anzahl mehr oder minder im Wettbetrieb
miteinander befindlichen Privatverwaltungen den Bedürfnissen des öffentlichen Verkehrs keineswegs am besten gedient
ist, in beiden Fällen vielmehr das Interesse an der Erzielung möglichst hoher Reinerträge zum Schaden jener Bedürfnisse meistens
überwiegt, dafür werden die amerikanischen Verhältnisse wohl mit Recht als das schlagendste Beispiel betrachtet.
Der dort noch in weitestem Umfang bestehende Wettbewerb hat nach sachkundigen Schilderungen zu einer Unsicherheit und Willkür
geführt, welche die Vorteile desselben für den öffentlichen Verkehr vielfach illusorisch machen. Auch
hat die Erfahrung zur Genüge gelehrt, daß jeder anfängliche Wettbewerb im Eisenbahnverkehr schließlich zu einer Vereinigung
oder doch Verständigung der sich durch denselben schädigenden Teile und damit zu einer um so schärfern Handhabung des
Gewinnprinzips führt. In Ländern, deren Staatsform fest gefügt ist und dem Wechsel herrschender Parteirichtungen
(letztere sind nur zu häufig gleichbedeutend mit der Vertretung von Sonderinteressen aller Art) keinen bestimmenden Einfluß
gewährt, wird deshalb nach dem Urteil hervorragender Staatsmänner und Volkswirte die Vereinigung sämtlicher Eisenbahnen
unter staatlicher Verwaltung den Interessen der Gesamtheit am meisten entsprechen. Wie in der Industrie
der Großbetrieb die wirtschaftlichste, weil intensivste Ausnutzung aller Betriebsmittel und -Kräfte ermöglicht, so im Verkehrswesen
die Vereinigung und das Zusammenwirken möglichst aller Faktoren desselben. Aus diesem Gesichtspunkt wird vielfach die Überleitung
der sämtlichen EisenbahnenDeutschlands
[* 24] in
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mehr
die Verwaltung des Reiches und ihre Verschmelzung mit Post und Telegraphie als das letzte, der wachsenden wirtschaftlichen und
politischen Einsicht des kommenden Jahrhunderts vorbehaltene Ziel betrachtet.
Die vielfachen, teilweise mit großen Verlusten an Menschenleben und Material verknüpften Eisenbahnunfälle
[* 26] des Sommers 1891 haben
die Aufmerksamkeit der öffentlichen Meinung in der Presse und Litteratur wieder einmal in besonders hohem
Maße auf das Eisenbahnwesen gelenkt. Mehrfach sind Zweifel darüber laut geworden, ob namentlich auch die deutschen Eisenbahnen
in Bezug auf Betriebssicherheit und Leistungsfähigkeit allen Anforderungen entsprechen, welche einerseits im Interesse des
ständig wachsenden Verkehrs und der in gleichem Verhältnis steigenden Schwierigkeit des Betriebs, anderseits
im Hinblick auf die stetigen Fortschritte der Eisenbahntechnik, besonders in Bezug auf Signal- und Bremswesen, mit Recht gestellt
werden können. In dieser Hinsicht vgl. den Art. »Eisenbahnbetriebssicherheit«.
Ferner haben jene bedauerlichen Vorkommnisse zu einer erneuten Anregung der seit einer langen Reihe von Jahren in der Tages-
wie in der Fachpresse und der wissenschaftlichen Litteratur mehrfach erörterten Frage geführt, ob die
Vorbildung der Eisenbahnbeamten eine den steigenden Anforderungen vollkommen entsprechende und zweckmäßige sei. Diese Frage
ist, wie früher, so auch jetzt wieder fast durchweg verneint worden. Haben frühere Stimmen sich meistens darauf beschränkt,
gegen den Mangel einer fachmäßigen Vorbildung bei den höhern eigentlichen Verwaltungsbeamten zu polemisieren,
so fehlt es jetzt nicht an Äußerungen von anscheinend sachkundiger Seite, welche in gleicher Weise die jetzige Art der Vorbildung
der höhern Betriebsbeamten und endlich auch der Beamten des niedern Betriebs- und Verwaltungsdienstes als mangelhaft und
unzureichend kennzeichnen.
Während dieBerg-, Forst-, Post- und Telegraphenverwaltungen von vornherein für eine fachmäßige Vorbildung
ihrer höhern Beamten Sorge tragen und auch die allgemeine Verwaltung (Regierung) sowie die Zollverwaltung das Ausrücken in
die höhern Stellungen von einer praktischen Durchbildung der betreffenden Anwärter abhängig machen, entnimmt die Eisenbahnverwaltung, bei
deren Umfang und Bedeutung eine gründliche theoretische und praktische Vorbildung nach dem Urteil unbefangener
Sachverständigen erst recht geboten erscheint, nicht allein in Preußen,
[* 27] sondern auch in andern deutschen Staaten ihre höhern
Beamten noch immer aus Berufskreisen, welche dem Eisenbahnwesen mehr oder weniger fern stehen, nämlich einesteils den Juristen,
andernteils den Bau- und Maschinentechnikern, welche die für ihr Fach vorgeschriebene Staatsprüfung abgelegt
haben.
Als hauptsächlichste und schwerwiegendste Einwände hiergegen werden folgende geltend gemacht: Auf dem Gebiete der eigentlichen
Verwaltung stehen die wirtschaftlichen und verwaltungstechnischen den juristischen, auf dem Gebiete der Eisenbahntechnik die
Aufgaben des eigentlichen Betriebsdienstes den bautechnischen an Umfang und Bedeutung weit voran. Die gegenwärtige, im wesentlichen
rein formal-juristische Vorbildung der höhern Verwaltungsbeamten ist für die wirtschaftlichen und verwaltungstechnischen
Aufgaben derselben weder notwendig noch förderlich, weil diese vor allem einen klaren Blick für die praktischen Bedürfnisse
des wirtschaftlichen Lebens und rasches Eingehen auf dieselben, ohne Rücksichten formaler Natur, erfordern. Mit den betriebstechnischen
Aufgaben verhalte es sich
insofern
ganz ähnlich, als auch hier das praktische Verständnis und Können weit wichtiger sei als
das theoretische Wissen, noch dazu auf einem dem eigentlichen Betrieb fernliegenden Gebiete, der Bautechnik. Außerdem wird
hervorgehoben, daß die wirtschaftlichen und verwaltungstechnischen Aufgaben einerseits und die betriebstechnischen Aufgaben
anderseits schon jetzt ein so großes und schwieriges Gebiet umfassen, daß ihre völlige theoretische
und, was besonders zu betonen, auch praktische Beherrschung ein eignes Studium für sich erfordert und nicht nur nebenbei
in einer viel zu kurz bemessenen, im Grunde rein theoretischen Ausbildungszeit erworben werden kann, welche bei dem Mangel
genügenden praktischen Verständnisses für den Auszubildenden anerkanntermaßen wenig oder gar keinen
Wert hat. Es wird deshalb vielfach und gerade in fachmännischen Kreisen für beide Kategorien, Verwaltungsbeamte und technische
Beamte, eine gründliche, von vornherein also bereits während der Studienzeit auf die spätern Berufsaufgaben gerichtete
Vorbildung empfohlen, an welche sich die praktische Durchbildung in den verschiedenen Zweigen der Verwaltung, bez. des Betriebsdienstes
anzuschließen haben würde, wobei noch betont wird, daß die Notwendigkeit einer solchen Vorbildung für
die technischen Beamten um so dringlicher sei, als von ihrem theoretischen und praktischen Verständnis die Sicherheit des
Betriebs und damit von Menschenleben und bedeutenden Werten in hohem Maße abhängig ist.
Als ein weiteres nicht zu umgebendes Erfordernis für eine den gesteigerten Anforderungen in Bezug auf
Leistungsfähigkeit und Sicherheit des Betriebs entsprechende Entwickelung des deutschen Eisenbahnwesens wird, wie oben bereits
angedeutet, eine bessere Vorbildung auch der im niedern Betriebs- und Verwaltungsdienst thätigen Beamten angesehen, welchen
die Ausführung der von den obern Beamten gegebenen Vorschriften und Anweisungen obliegt und damit unmittelbar
die Sicherheit des Betriebs und die ordnungsmäßige Abwickelung des gesamten Verkehrs anvertraut ist.
Die größte Schwierigkeit und das bedeutendste Hindernis, welche hier einer als dringend notwendig betrachteten Verbesserung
entgegenstehen, werden darin erblickt, daß auf der einen Seite die Eisenbahnverwaltung (gleich den meisten andern
Zivilverwaltungen) zur Besetzung ihrer Subaltern- und Unterbeamtenstellen vorzugsweise, ja fast ausschließlich
mit Militäranwärtern (zivilversorgungsberechtigten Unteroffizieren) bestimmungsmäßig verpflichtet ist, während auf der
andern Seite der Bildungsgrad derselben in Bezug auf Begabung, Schulwissen und Erziehung in einem unverkennbaren (auch von der
Heeresverwaltung schwer empfundenen) Rückgang begriffen ist, seit mit dem mächtigen Emporblühen von Handel und Industrie
diese immer mehr, und bei lohnenden Aussichten naturgemäß die leistungsfähigsten Kräftean sich ziehen.
Ob durch die bisherigen Verbesserungen der pekuniären Lage der Unteroffiziere, namentlich durch Gewährung bestimmter, mit
der Zahl der Dienstjahre steigender Prämien hierin eine Besserung eintreten wird, bleibt abzuwarten. Selbst wenn dies der
Fall, wird immer noch der Übelstand bestehen bleiben, daß die zivilversorgungsberechtigten Militäranwärter
in einem Lebensalter in die Zivilstellung eintreten, in welchem sie meistens nicht mehr die erforderliche geistige Spannkraft
und Frische besitzen, um sich in die Aufgaben eines neuen Berufs vollständig hineinzuleben und sich für dieselben von ihren
Anfängen an theoretisch
¶
mehr
und praktisch gründlich vorzubereiten. Überdies gehen
zu häufig davon aus, daß die zurückgelegte militärische Dienstzeit zu der Anwartschaft auf einen möglichst bequemen (Ruhe-)
Posten berechtige, eine Anschauung, welche gerade mit den Anforderungen des Eisenbahndienstes durchaus unvereinbar ist. Als
ein weiteres in dem vorgeschrittenen Lebensalter begründetes Bedenken wird geltend gemacht, daß die
Militäranwärter zum großen Teil verheiratet, oft bereits als mehrfache Familienväter in ihren neuen Beruf eintreten. Abgesehen
davon, daß hierdurch eine zweckmäßige Ausbildung und Verwendung in verschiedenen Dienstzweigen und den verschiedenen Orten
vielfach behindert wird, entstehen hieraus, da der Neueintretende natürlich mit dem niedrigsten Besoldungssatz beginnen
muß, häufig von vornherein Notlagen, aus welchen herauszukommen sehr schwer fällt und selten gelingt.
Als Mittel zu einer durchgreifenden Besserung dieser Verhältnisse ist im Laufe vorigen Jahres an beachtenswerter Stelle empfohlen
worden, die Zivilversorgungsberechtigung auf das allernotwendigste Maß, nämlich auf die Fälle wirklicher vorzeitiger Invalidität
zu beschränken und jeden Zwang zu einer an sich ungerechtfertigten Bevorzugung der zivilversorgungsberechtigten
Militäranwärter zu beseitigen, wozu (bei Wegfall des Anreizes der im Heere zu erdienenden Anwartschaft auf eine Zivilstellung)
zunächst eine wesentliche Aufbesserung der gegenwärtigen Besoldung der Unteroffiziere, namentlich nach längerer Dienstzeit,
erforderlich sein würde, um dem Heere ein wirklich tüchtiges, den auch hier gestiegenen Anforderungen entsprechendes Unteroffizierkorps
zuzuführen und zu erhalten.
Als ein fernerer Mangel der jetzigen staatlichen Eisenbahnverwaltung wird vielfach die gegenwärtige Organisation derselben mit ihren drei
Instanzen (Ministerium als Zentralinstanz, Eisenbahndirektion [Generaldirektion] als Mittelinstanz und Eisenbahn-Betriebsamt
[Oberbahnamt] als unterste [Lokal-] Instanz) betrachtet, zumal es den beiden untern Instanzen in mancher Beziehung an der zu
einem schnellen und wirksamen Eingreifen erforderlichen Selbständigkeit fehlt, ein schnelles Entschließen
und Handeln aber gerade im Eisenbahnwesen not thut, um den vielfach wechselnden Bedürfnissen des Verkehrs und Betriebs überall
rasch genügen zu können.
(hierzu zwei Tafeln). Wird nach der allgemeinern Begriffserklärung unter Eisenbau im Gegensatz zum Stein- und Holzbau
die Herstellung einzelner oder mehrerer zusammenhängender Bauteile aus Eisen
[* 29] verstanden, so hat man,
insbesondere in stilistischer Beziehung, zwischen Eisen-Klein- und Großkonstruktionen zu unterscheiden. Die erstern umfassen
die Herstellung einzelner Bauteile in Eisen, welche auch Stücke des Stein- oder Holzbaues sein können. Zu ihnen gehören z. B.
die Säulen
[* 30] und Träger,
[* 31] die Beschläge aller Art, die eisernen Thüren und Fenster mit ihrem Zubehör, die
Treppen,
[* 32] Gitter, Anker,
[* 33] First- und Turmkrönungen und sonstige Gegenstände des Kleingewerbes, im wesentlichen also die Arbeiten des
Kunstschmiedes und Schlossers. Sie wurden zum Teil von alters her und besonders seit den Zeiten des Mittelalters ausgeführt,
gehören dann den geschichtlichen Stilen an und sind in konstruktiver wie formaler Beziehung unter deren
Gesichtspunkten zu betrachten und zu behandeln. Anders die Großkonstruktionen, d. h. die Bauwerke, welche ganz oder doch vorwiegend
aus Eisen bestehen
und den Eisenbau im engern Sinn
ausmachen. Sie sind durchaus ein Produkt der neuern Zeit (wenn diese begrenzt werden
soll, des gegenwärtigen Jahrhunderts) und bilden in der Architekturentwickelung desselben eins der wichtigsten und interessantesten
Kapitel. Vielfach wird sogar der Satz aufgestellt, daß der Eisenbau vor allem berufen sei, der Neuzeit ihren Stil zu geben. Inwieweit
dies der Fall, ist für den in der Zeit Stehenden schwer zu entscheiden. Zweifellos sind die durch die
Programme der neuern großen Kulturbauten bedingten Eisenkonstruktionen berufen, einen bedeutenden Einfluß auf die Stilbildung
auszuüben.
Mit Vorsicht aber ist jener Satz aufzunehmen. Durch eine der wesentlichsten Eigenschaften des Eisens, seine verhältnismäßige
Masselosigkeit, werden der formalen Ausbildung des Eisenbaues fast unüberwindliche Schwierigkeiten bereitet. Man hat sich
über dieselben hinweggesetzt, indem man die überkommenen Formen des Stein- und Holzbaues in Eisen nachahmte.
Eine gesunde Bauweise aber kann das nicht genannt werden; denn für eine solche gilt nach dem Stande der Erkenntnis allgemein
das Gesetz, daß die Gestaltung der Kunstform abhängig sein muß von dem Wesen, den Eigenschaften des Materials,
aus dem sie gefertigt ist.
Bei der Durchführung dieses eigentlichen Materialstils hat man für den Eisenbau zwischen den beiden Haupteisenarten,
die bei ihm in Betracht kommen, zwischen dem Guß- und Schmiedeeisen zu unterscheiden. Für das Gußeisen wird man sich noch
eher an die Formen des Stein- und Holzbaues, insbesondere des erstern, halten dürfen, weil es dem Wesen
des Gußeisens durchaus entspricht, in Gestalt hohler Massenstücke, wenn auch unter gewissen, von der Gußtechnik abhängigen
Einschränkungen, in jede beliebige Form gebracht zu werden.
Charakteristischer freilich sind diejenigen Gußeisenbildungen, welche man als Wandstücke bezeichnet, z. B.
Platten aller Art, kreuzförmige Stützen, Barren mit Flantschen u. dgl. m.,
Stücke also, die aus einer oder mehreren dünnwandigen Flächen bestehen und die allein oder zusammengesetzt, aber, nicht
unter Bildung von Hohlräumen auftreten. Für sie kann die Stein- oder Holzform nicht mehr vorbildlich sein und mit ihrer Ausgestaltung
ist ein Schritt vorwärts in der Entwickelung des Eisenbaues gethan. In weit höherm Maße gilt dies vom
Schmiedeeisen, welches auch in der neuesten Zeit die bei weitem bedeutendere Rolle spielt.
Seine Formen müssen, weil seine Herstellung an bestimmte Temperaturzustände gebündelt ist, also schnell erfolgen muß,
zunächst einfach sein. Bei Handarbeit sind aus gleichem Grunde gewisse Zufälligkeiten für die Formgebung
bezeichnend. Ganz besonders wichtig für die Gewinnung guten, homogenen Schmiedeeisens ist dann aber seine Herstellung in
geringen Dicken. Hieraus und aus Rücksicht auf die beim Eisenbau in der Regel nach dem Gewicht berechneten Kosten folgen die erwähnten
formalen Schwierigkeiten der Masselosigkeit.
Der Materialüberschuß welcher bei andern Baustoffen aus Schönheitsrücksichten gegeben werden darf,
wird hier verschwindend klein, und damit verliert die Schmuckform ihren Boden. Auf diese wird also beim reinen Eisenbau thunlichst
zu verzichten, seine Schönheit vornehmlich in der Wirkung im großen, in der allgemeinen Anordnung der Großkonstruktion, in der
Kühnheit und Schönheit der Linienführung des Werkes zu suchen sein. Es gilt dies besonders von den
einschlägigen Eisenbauten des Ingenieurwesens, den Brücken,
[* 34] welche jetzt fast nur noch in Schmiedeeisen und ihm verwandten
Eisenarten,
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