herausgegebenen biographischen Sammelwerk »Führende
Geister« die
Biographie:
»LudwigAnzengruber. Der Mann, sein Werk, seine
Weltanschauung«
(Dresd. 1881). Bettelheim war ein langjähriger vertrauter
FreundAnzengrubers, nach dessen
Tode ihm im
Verein mit zwei
andern die Aufgabe zufiel, die Gesamtausgabe seiner Werke zu besorgen. Gegenwärtig arbeitet
er an einer
BiographieBertholdAuerbachs auf Grundlage des gesamten litterarischen
Nachlasses. Bettelheim ist als
Kritiker ein Anhänger der Sainte-Beuveschen
Richtung und mit der französischen Litteratur unsers
Jahrhunderts nicht minder als mit der deutschen vertraut.
[* 4] Der Futtersaft der Bienenlarven zeigt, je nachdem es sich um die
Larven einer
Königin, von Arbeitern oder von
Drohnen handelt, einen sehr wesentlichen Unterschied in der
Zusammensetzung, wie analytische Untersuchungen von A. v.
Planta-Reichenau
ergeben. Die Königinlarve erhält während der ganzen Dauer ihres Larvenzustandes (sieben
Tage) nur fertig
vorverdautes, aus den besten
Nährstoffen bereitetes
Material, bestehend durchschnittlich aus 45 Proz. stickstoffhaltigen
Stoffen,
aus 13 Proz.
Fett und aus 20 Proz.
Zucker;
[* 5] es ist
frei von jeder Pollenhülse und wird der
Larve in verschwenderischer
Menge in
die Wiege gelegt.
Honig wird dem Futterbrei nicht zugesetzt; an Trockensubstanz insgesamt enthält das
Futter der Königinlarve
im
Mittel 30,60 Proz. Auch bei der
Fütterung derLarven, die zu Arbeiterbienen werden, wird wie bei der Königinlarve das
Futter
während der ganzen Larvenzeit von den fütternden
Bienen vollständig vorverdaut, allein in der
Zusammensetzung desFutters
herrscht eine wesentliche Verschiedenheit, je nachdem die zu fütternde
Larve unter oder über vier
Tage alt ist.
In der ersten
Periode enthält der Futterbrei der Arbeiterlarven 53 Proz. stickstoffhaltige
Stoffe, 8 Proz.
Fett und 18 Proz.
Zucker;
in der zweiten
Periode dagegen sinkt der
Gehalt an stickstoffhaltigen
Stoffen aufca. 27 Proz., das
Fett auf 3 Proz., während der
Zucker auf 44 Proz. steigt;
das Steigen des
Zuckers hat seinen
Grund darin, daß im zweiten Larvenstadium
der Futterbrei starke Honigzusätze erhält;
der
Gehalt an Trockensubstanz beläuft sich beim Arbeiterbrei auf 28,3 Proz.
Die
Ernährung der
Larven, aus welchen
Drohnen entstehen, ähnelt der
Ernährung der Arbeiterlarven, indem
auch hier mit dem
Alter von vier
Tagen die
Ernährung eine andre wird;
der Unterschied in der Ernährungsweise zeigt sich aber
nicht nur in der andern
Zusammensetzung des
Futters, sondern ganz besonders darin, daß die Drohnenlarven vom vierten
Tage an
nur noch einen Teil des
Futters vorverdaut erhalten, während ihnen im übrigen unverdauter Vollen geliefert
wird. Im ersten
Stadium enthält der Futterbrei der Drohnenlarven an stickstoffhaltigen
Stoffen 56 Proz., an
Fett 12 Proz.,
an
Zucker 9 Proz., im zweiten 31 Proz. stickstoffhaltige
Stoffe, 4 Proz.
Fett und 38 Proz.
Zucker;
auch hier ist die
Steigerung des Zuckergehalts eine
Folge von Honigzusätzen zum Futterbrei;
an Trockensubstanz enthält der Drohnenfutterbrei
27,2 Proz. Die
Ursache der
Verschiedenheit in der
Ernährung der Arbeitersowie Drohnenlarven je
nach dem
Lebensalter liegt jedenfalls darin, daß es zweckmäßig
ist, in der ersten
Periode das Wachstum der
Larven durch gut vorverdautes
Futter rasch zu fördern, während
in der zweiten
Periode der
Selbsthilfe bei erstarktem
Magen die
[* 6]
Arbeit für die fütternden
Bienen dadurch ganz bedeutend abgekürzt
und erleichtert wird, daß sie nur einen sehr geringen Teil
Pollen zu verarbeiten und zu enthülsen brauchen und dafür massenhaft
mit
Honig nachhelfen.
Daß die
Bienen nicht auch bei den Arbeiterlarven, wie bei den Drohnenlarven, den
Pollenin natura in die
Zelle
[* 7] stecken, hat seinen
Grund wohl darin, daß die
Zellen der Arveiterlarven eng und klein sind, sie gestatten nur sehr wenig
Futter um die
Larve herum einzulegen, auch werden diese
Larven am spärlichsten gefüttert, und so ist es
um so notwendiger, daß das bißchen Futterbrei ganz
frei vonRaum einnehmenden Pollenkörnern sei. Daß eine
Abkürzung der
Arbeit des
Fütterns durch die erwähnte
Methode für die
Bienen von hohem Vorteil sein muß, ist sicher, wenn man erwägt, daß
in einem volkreichen
Stock, der bis an 100,000 Einzelbienen enthalten kann, während der
MonateMai und
Juni täglich 15-20,000
Maden zu füttern und noch
ca. 3000
Zellen zuzudeckeln sind. Für die
Praxis sind die Futlerbreiuntersuchungen
v.
Plantas wichtig zur
Entscheidung der
Frage, ob man Königinnen ebenso kräftig und gut zu erziehen vermöge, wenn sie aus
sogen. Nachschaffungszellen herstammen, oderob eineKönigin nur dann zu empfehlen fei, wenn sie aus einer
sogen. Schwarmzelle, d.h. einer von vornherein als Königinzelle erbauten
Zelle, herstamme.
Da die
Ernährung der Arbeiterlarven bis zum
Alter von vier
Tagen eine ebenso gute ist wie die der Königinlarve, so ist anzunehmen,
daß die aus Arbeiterlarven unter vier
Tagen künstlich erzogenen Königinnen den in Schwarmzellen erbrüteten
vollständig ebenbürtig sein werden, eine
Theorie, die mit den in der
Praxis gemachten
Erfahrungen übereinstimmt, nach welchen
die aus ältern Arbeiterlarven erzogenen Königinnen sehr häufig gegenüber solchen zurückblieben, die aus jüngern Arbeiterlarven
erzogen wurden.
Letztere erwiesen sich den in ursprünglichen Königinnenzellen aufgewachsenen ebenbürtig.
Ferner ist
durch die erwähnten Untersuchungen unwiderlegbar bestätigt worden, daß die Werkstätte für
Bildung des Futtersaftes der
Chylusmagen ist und nicht die
Speicheldrüsen. Für die große
Energie, mit welcher der Chylusmagen der Biene die
Stoffe verändert
und umsetzt, geben
Versuche, die v.
Planta mit den Pollenkörnern der
Haselnuß angestellt,
Beweise. Pollenkörner,
[* 8] die mit verdünnter
Salzsäure oder
Schwefelsäure
[* 9] in starke Glasröhren eingeschmolzen und mehrere
Tage einer
Temperatur von
100° ausgesetzt wurden, blieben völlig intakt; das gleiche
Resultat ergab sich bei
Pollen, der zwei
Monate hindurch täglich
am Rückflußkühler sowohl mit starkem
Alkohol als auch mit
Äther gekocht wurde, und ebensowenig war
ein Zerreißen der
Hülle durch Verreiben zwischen zwei rotierenden gerippten Stahlplatten zu erzielen. Erst sechstägiges
Kochen mit einprozentiger
Kalilauge ergab eine Zertrümmerung der Pollenkörner, die der Chylusmagen der in kurzer Zeit verdaut
und umwandelt. Eine ähnlich starke chemische
Energie zeigt auch der
Speichel der Biene; durch ihn bringt
die Biene beim Deckeln der Honigzellen den starken sechseckigen
Rand der
Zelle in
Lösung und macht ihn flüssig, und v.
Planta
war im stände, mit Bienenspeichel, den er durch Verreiben von 150
¶
Der Brutdeckel, mit welchem die Zelle der Larve geschlossen wird, wenn sich diese einspinnt, zeigt, unter dem Mikroskop
[* 13] gesehen,
ein körniges Gefüge mit Wachs als Bindesubstanz und enthält ganze und geplatzte Pollenkörner von verschiedenen
Pflanzen; eine chemische Analyse ergab auf 100 Gewichtsteile lufttrockner Brutdeckel 57,60 Proz.
Wachs, 40,27 Proz. in kochendem Äther unlösliche Teile und 2,12 Proz. Wasser. Das Schicksal der Brutdeckel nach dem Ausschlüpfen
der jungen Biene ist noch nicht ganz sicher festgestellt; vielleicht werden sie wieder von den
Arbeitern verwendet, die vom Wachs und den ganzen PollenGebrauch machen und die Pollenhüllen als Exkremente von sich geben.
Der Brutdeckel ist porös genug, um der für den Atmungsprozeß der Nymphe nötigen Luft den Durchtritt zu gestatten, während
der über die Honigzellen gezogene sehr feine Wachsdeckel absolut hermetisch schließt. Das Wachs ist
bei den Brutdeckeln und Honigzellendeckeln das gleiche. Was die Entstehung des Wachses betrifft, so ist der Hauptfaktor bei
Zubereitung der feinen Wachsblättchen seitens der Arbeitsbienen der Honig; es findet sich jedoch das Wachs nicht fertig in
demselben, sondern es entsteht durch Umsetzung des Zuckers; außer dem Honig kommt gleichzeitig zur Wabenbildung
Pflanzenpollen in Form von Bienenbrot zur Verwendung, und den verschieden gefärbten Pollen der verschiedenen Pflanzen verdankt
das Wachs seine verschiedene Färbung, während der Honig keine abscheidbaren Farbstoffe enthält. Je nach der Widerstandsfähigkeit
des Pollenfarbstoffes den Einwirkungen der Atmosphäre und dem Licht
[* 14] gegenüber wird das Wachs an der Luft
mehr oder weniger stark und rasch entfärbt.
Die Abscheidung des Wachses, welches bekanntlich an den vier letzten Bauchringen hervortritt, erfolgt nach Untersuchungen von
Carlet nicht durch die Kutikularschicht der Bauchringe, auch nicht, wie bisher angenommen, durch intraabdominale Drüsen, sondern
durch Zellen einer epithelialen Membran, welche Carlet die Wachshaut nennt. Diese Membran liegtzwischen zwei
Blättchen, deren äußeres eine Kutikularschicht ist, während das innere die innere Bekleidung des vorderseitigen Teiles
des Bauchringes darstellt. Die Wachssubstanz dringt, wie der Beobachter experimentell nachgewiesen hat, durch die Kutikularschicht,
um sich an der äußern Seite dieser Schicht anzuhäufen, wo sie eine durch den vorhergehenden Bauchring
bedeckte Lamelle bildet.
Bezüglich des Einsammelns der Biene ist die Frage, ob jede Biene beim Pollensammeln nur eine Blumenspezies besucht oder mehrere,
durch mikroskopische Untersuchung der sogen. Höschen dahin gelöst worden, daß die Bienen jeweilen nur an einer Blumenspezies
sammeln, indem sich die Höschen stets fast völlig aus Pollen einer und derselben Pflanze zusammengesetzt
zeigen. Wahrscheinlich verfährt die Biene ebenso bei der Sammlung des zur Honigbereitung dienenden Nektars, so daß man in der
Praxis mit Recht nach den verschiedenen Pflanzen verschiedenen Honig unterscheidet, z. B. Esparsette-, Akazien-, Buchweizenhonig
u. a. Die geringe Menge von Ameisensäure, die sich im Honig der Biene findet, wird von den Arbeitern jeder
Zelle vor dem Deckeln derselben aus der Giftdrüse zugesetzt und dient als Antiseptikum, indem sie eine Gärung des Honigs verhindert.
Im Gegensatze Zu den
Höschen stellt sich das
ebenfalls aus Pollen bestehende Bienenbrot als gemischte Pollenmasse dar. Da die Bienenbrotzellen in der Weise
durch die mit der Hausarbeit beschäftigten Bienen eingefüllt werden, daß sie das Material der mit Höschen beladenen Flugbienen
von neuem mit Honig und Speichel befeuchten und mit dem Kopfefest in die Zellen einstampfen, läßt sich der Polleninhalt oft
schon schichtenweise an der wechselnden Farbe erkennen.
[* 15] Bei der Schwärmbienenzucht handelt es sich vorzugsweise um Gewinnung von volkreichen
Schwärmen. Als Anhaltspunkt zur Beurteilung des Volksreichtums dient dem praktischen Bienenzüchter das Gewicht der Schwärme,
da 10,000 Bienen rund 1 kg wiegen. Mittlere Vorschwärme wiegen durchschnittlich 2 kg, die stärksten dagegen 3,4, die schwächsten
1,7 kg. Mittlere Nachschwärme haben ein Durchschnittsgewicht von 1,5 kg, die
stärksten von 2,5, die schwächsten von 1 kg. Schwärme, die nicht mindestens 1 kg haben, sind, besonders wenn sie spät
im Sommer erscheinen, nicht aufzustellen, sondern zweckmäßiger miteinander oder mit schwächern Völkern zu vereinigen.
Vgl. v. Berlepsch, Bienenzucht (3. Aufl., bearbeitet von W. Vogel, Berl. 1891).
Ein Beispiel des Nutzens rationeller Bienenzucht ist Frankreich zu liefern im stande. Die Zahl der im J. 1890 in Frankreich vorhandenen
Bienenkörbe wird auf etwa 165,000 angegeben, die etwas über 7 Mill. kg Honig und 2 Mill. kg Wachs lieferten im Gesamtwert
von 14,5 Mill. Frank. Die größte Zahl von Bienenkörben entfällt auf die DepartementsIlle-et-Vilaine
mit 80,000, Finistère mit 63,000, Côtes du Nord mit 75,000 und Eure mit 8000.
Über die Lebensdauer und die Todesursachen im Brauereigewerbe hat Sendtner eine Studie veröffentlicht, welche
die Verhältnisse in München
[* 16] behandelt. Der jährliche Bierverbrauch für den Kopf beträgt in Deutschland
[* 17] 86 Lit.,
in Bayern
[* 18] 285L. und in München565L. (1889). Die im Biergewerbe Beschäftigten trinken in München weitaus am meisten, und
ein an den Folgen der Trunksucht Erkrankter gab an, er habe täglich etwa 20L. getrunken. Der Alkohol verschont in seiner verderblichen
Wirkung fast kein Organ des Körpers, aber erst in neuester Zeit hat man dem Einfluß übermäßigen Biergenusses
auf die Entstehung von Herzkrankheiten größere Beachtung geschenkt.
Bollinger hat auch auf die auffallende Verbreitung der Herzkrankheiten in München hingewiesen und sie in unmittelbare Beziehung
zu dem übermäßigen Biergenuß gebracht. Wie nun Sendtner nachweist, kommt diese gegenseitige Abhängigkeit beider
Faktoren in den Sterblichkeitsverhältnissen derjenigen Gewerbe zum klarsten Ausdruck, welche dem übermäßigen Biergenuß
huldigen. Aus den Sterberegistern der letzten 30 Jahre ergab sich, daß die Sterblichkeit der Münchener Gesamtbevölkerung
ihr Maximum bei den Männern im Alter von 50-70 Jahren, bei den Frauen von 70-80 Jahren erreicht, dagegen bei den Bierwirten
zwischen 40 und 50 Jahren, bei den Brauern zwischen 30 und 40 und bei den Kellnerinnen zwischen 20 und 30 Jahren. Unter den
Todesursachen spielen in erster Reihe die Herzkrankheiten eine Rolle. Daneben aber fordern die akuten Infektionskrankheiten
unter den gewohnheitsmäßigen Trinkern weit mehr Opfer als unter der übrigen Bevölkerung. Am bekanntesten
ist der schlimme Ausgang der Lungenentzündung bei Säufern. Der unglückliche Ausgang der Infektionskrankheiten mit ihren schweren
allgemeinen Krankheitserscheinungen, die der Ausdruck¶
mehr
der starken Inangriffnahme des ganzen Körpers sind, ist bedingt durch die von dem Alkohol hervorgerufene Herzschwäche und
verminderte Widerstandsfähigkeit des Organismus. - Nach der Brauer- und Hopfenzeitung »Gambrinus« in Wien
[* 20] betrug die Bierproduktion
1890:
Alexander, ungar. Maler, geb. 1856 zu Großwardein,
[* 21] begann seine künstlerische Thätigkeit als Retoucheur bei
einem Photographen daselbst und ging später nach Wien, wo er sieben Jahre lang in gleicher Eigenschaft thätig war, bis er
sich so viel erspart hatte, um ein Jahr lang die Kunstakademie zu besuchen. Dann kehrte er in die Heimat
zurück, wo er Bildnisse zu malen begann. Die
[* 19]
Figur eines Bauern lenkte die Aufmerksamkeit eines Kunstfreundes in Budapest
[* 22] auf
ihn, der ihm die Mittel zu einem Studienaufenthalt in Paris
[* 23] gab, wo in das Atelier von J. P. Laurens trat.
Hier machte er so schnelle Fortschritte, daß er schon nach fünf Monaten sein erstes humoristisches Genrebild aus dein ungarischen
Volksleben: die Cylinderhutprobe, malen konnte. Nachdem er noch ein Jahr bei Laurens weitergearbeitet, machte er eine kurze
Studienreise nach Italien
[* 24] und ging dann nach Ungarn
[* 25] zurück, wo er sich immer tiefer in das Volksleben
versenkte. Sein bevorzugtes Studienfeld ist die Gegend von Szolnok, wo sein erstes Hauptwerk: die Zigeuner mit der zerbrochenen
Geige vor dem Dorfrichter (1886, im Besitz des Kaisers von Österreich),
[* 26] entstand. Die hier entfalteten Vorzüge einer
scharfen,
mannigfaltigen Charakteristik und eines unbefangenen Humors kommen auch in den Bildern: im Kreuzfeuer,
die Vergnügungsfahrt auf dem Zagyvafluß, der Brautwerber und der Dorflump zur Geltung. Von einer ernstern Seite zeigte er
sich in einer Abendmahlzeit von Bauern auf der Pußta und in einem rumänischen Leichenbegängnis.
Leon, Ritter von, österreich. Nationalökonom und Politiker (Bd. 18), seit 1878 Mitglied des galizischen Landtags,
seit 1883 des
österreichischen Abgeordnetenhauses, schloß sich dem Polenklub an, zu dessen Führern er bald gehörte. Während er eifrig
bedacht war, die herrschende Stellung des Polenklubs im Reichsrat für die materielle Bevorzugung Galiziens
zu verwerten, erkannte er wohl, daß die Polen der österreichischen Monarchie »die Möglichkeit ihrer nationalen Entfaltung
gemäß ihrer großen historischen Tradition zu verdanken hatten«. Anfang 1892 wurde er zum Generaldirektor der österreichischen
Staatsbahnen
[* 29] ernannt.
Unter dem gemeinsamen Namen Bimsstein versteht man an den nordeuropäischen Küsten angeschwemmtes
Material verschiedener Art, das seit langer Zeit beobachtet worden und bereits 1762 in einer Schrift des PfarrersHans Ström
erwähnt ist. Spätere Beobachter versuchten unter Berücksichtigung der von den Geographen und Reisenden ermittelten Meeresströmungen
[* 32] diese angeschwemmten Brocken aufbestimmte Ursprungsstätten zurückzuführen. Bäckström hat nun das Material einer vergleichenden
mikroskopischen Untersuchung und der chemischen Analyse unterworfen und ist zu beachtenswerten Resultaten
gelangt, indem er es mit derartigem Material aus Gebieten verglich, welche durch die Meeresströmungen mit den nordeuropäischen
Küsten in Verbindung stehen. Er konnte auf diese Weise die Ursprungsländer teils vollkommen sicherstellen, teils sehr wahrscheinlich
machen. So stammen, wie er zeigt, gewisse Schlacken unzweifelhaft von den Kokshochöfen von Clarence bei
Middlesborough an der Ostküste Englands her.
Für diesen Ursprung spricht die vollkommene Identität der angeschwemmten Schlacken mit denjenigen, welche bei Middlesborough
in das Meer geworfen werden, und welche sich von allen andern Hochofenerzeugnissen leicht unterscheiden lassen. Sie breiten
sich über die Küsten von Südengland, Holland, Deutschland, Dänemark,
[* 33] Schweden
[* 34] und Norwegen aus und erreichen
den nördlichen Teil der letztgenannten Küste. Sie sind nachweislich verhältnismäßig jüngern Datums, was wieder mit der
Thatsache übereinstimmt, daß in Middlesborough seit etwas über 50 Jahren ein und dasselbe Erz verhüttet wird, weshalb auch
die Schlacken konstante Beschaffenheit besitzen.
Von den schaumigen, porösen Erzeugnissen vulkanischer Thätigkeit, den echten Bimssteinen, konnten mehrere verschiedene Arten
durch die Untersuchung festgestellt werden, darunter solche, die mit Sicherheit auf Island
[* 35] als Ursprungsland hinweisen. Die
interessantesten sind aber diejenigen, welche sich auf keins der von der bekanntesten und gewaltigsten Meeresströmung berührten
Vulkangebiete zurückführen lassen, sondern entweder von der Azoreninsel San Miguel herrühren müssen
oder von einem bisher unbekannt gebliebenen polaren Vulkangebiet oder endlich von der Westküste Amerikas, in welch letzterm
Fall sie durch die Beringstraße westwärts nach Grönland, Spitzbergen und Norwegen getrieben werden müßten. Bekanntlich sind
an den genannten Küsten mehrfach aus Sibirien stammende Treibhölzer gesammelt worden; auch hat man seiner
Zeit bei Julianehaab an der südlichen Westküste Grönlands Gegenstände Der Jeanette drei Jahre nach
¶
mehr
deren Untergang aufgefunden. Es ist aber bekannt, daß dies Schiff
[* 37] bei Wrangelland einfror, vom Eis
[* 38] nach den Neusibirischen Inseln
getrieben wurde und dort sank. Diese und viele andre Thatsachen machen es wahrscheinlich, daß als Ursprungsland für einige
an die Küsten Nordeuropas angeschwemmte, in ihrer Beschaffenheit und Zusammensetzung mit den Produkten der
westamerikanischen Vulkane
[* 39] durchaus identische Bimssteine jenes gewaltige, vom höchsten Norden
[* 40] bis zum äußersten Süden sich
erstreckende Vulkangebiet der Neuen Welt zu betrachten sei. Auch Nansen ist zu einem ähnlichen Ergebnis gelangt, indem er
annimmt, daß es eine von den Neusibirischen Inseln ausgehende, quer über die unbekannte Polargegend nach Grönland
führende Strömung gebe, welche er bei seiner nächsten Polarreise seinem Zweck dienstbar machen will.
LouisGustav, franz. Afrikareisender, geb. zu Straßburg,
[* 41] trat mit 18 Jahren in die Armee ein, machte
schon als junger Offizier wiederholte Reisen nach Senegambien und dem Sudan, auf denen er sich neben topographischen
Arbeiten besonders Sprachstudien widmete. Durch eine Arbeit über die Sprache
[* 42] der Bambara lenkte er die AufmerksamkeitFaidherbes
auf sich, der ihn zu seinem Ordonnanzoffizier ernannte. Im Frühjahr 1887 trat er, aufs beste vorbereitet, eine große Reise
vom Senegal bis zum Niger an, durch welche er eine bedeutende Lücke auf der KarteAfrikas ausfüllte. Von
Bakel am Senegal aus ging er über Bamako nach Sikaso, der Residenz des Häuptlings Tieba, von hier nach Überschreitung der
Wasserscheide zwischen Niger und Akba nach der bisher noch von keinem Europäer betretenen Stadt Kong, von wo aus er einen Abstecher
nach Mossi und Salaga machte. Von Kong aus kehrte er mit dem zu seiner Unterstützung ausgesandten Treich-Laplène
(gest. 1890) auf dem kürzesten Wege zur Küste zurück, welche er in Gran
[* 43] Bassam erreichte. Die Pariser geographische
Gesellschaft ehrte seine Verdienste durch Verleihung der goldenen Medaille. Sein Reisebericht erschien unter dem Titel: »DuNiger au golfe de Guinée par le pays deKong et le Mossi« (Par. 1892, 2 Bde.).
Gegenwärtig (Februar 1892) leitet Binger eine neue Expedition nach der Guineaküste zum Zweck der genauern Abgrenzung des französischen
und englischen Gebietes.
Otto, Fürst von, wurde im Frühjahr 1891 bei einer Nachwahl in einem hannöverschen Wahlkreis zum Reichstagsabgeordneten
gewählt, erschien aber im Reichstag nicht.
Obwohl bereits Stephenson das Blasrohr bei seiner Lokomotive
[* 46] anwandte und ihm wenigstens zum Teil zu verdanken hatte,
daß seine Lokomotive den Sieg errang, so ist noch jetzt die Frage, wie die Blasrohre am zweckmäßigsten
zu bemessen sind, offen geblieben. Man macht immer wieder die Beobachtung, welche hohe Wichtigkeit
die Verhältnisse des Blasrohres für die Anfachung des Kesselfeuers, also für die gute Verbrennung und Ausnutzung des Brennmaterials
haben. Viele Eisenbahnverwaltungen haben in den letzten Jahren den Auspuffverhältnissen ihre Aufmerksamkeit
zugewendet und eingehende Versuche darüber anstellen lassen, welchen Einfluß dieselben auf den Brennmaterialverbrauch ausüben.
Um nun die Wirkungen verschiedenartig bemessener Blasrohre direkt messen zu können, versuchte man mit verschiedenartigen
Meßapparaten die durch das in der Rauchkammer der Lokomotiven erzielte Luftverdünnung (das Vakuum) zu ermitteln.
Doch waren die Apparate meist zu ungenau und ihre Handhabung zu umständlich und zeitraubend. Ein neuer Apparat der Compagnie
des chemins de fer de l'Est, ein Registrierapparat zum Messen des Vakuums in der Rauchkammer der Lokomotiven, soll mit der größten
Genauigkeit das Vakuum aufzeichnen. Der Apparat
[* 36]
(Fig. 1 u. 2) besteht im wesentlichen
aus einem Metallmanometer, dessen Druckäußerungen auf einen Papierstreifen übertragen werden. Die durch eine Feder bewirkten
Aufzeichnungen stellen einen zusammenhängenden Linienzug dar, dessen Abscissen den Zeiten und dessen Ordinaten den in der Luftkammer
erzeugten Luftverdünnungen emsprechen. Das Manometer
[* 47] wird aus einer Kapsel von gewelltem Messingblech gebildet, deren Inneres
durch ein Rohr C mit der Rauchkammer R inVerbindung gesetzt werden kann.
Je stärker die Luftverdünnung in der Rauchkammer, bez. in A ist, desto mehr
werden die Wände der Kapsel von dem Druck der umgebenden Luft eingedrückt. Die Bewegung des Mittelpunktes
der einen Wand wird mittels einer kleinen Schubstange G auf einen ungleicharmigen Winkelhebel H übertragen und durch diesen,
entsprechend vergrößert, mittels einer Feder auf dem Papierstreifen J verzeichnet, dessen Abwickelung durch ein Uhrwerk
mit einer Geschwindigkeit von 25 mm in der Sekunde bewirkt wird. Das Papier läuft von einer Rolle D
[* 36]
(Fig.
2) über zwei Führungsrollen E und F über eine kleine, unterhalb des Schreibstiftes K angebrachte Tischplatte N und schließlich
durch zwei
¶
mehr
Schleppwalzen L nach dem Aufwickelungscylinder M. Die obere Schleppwalze läßt sich von der untern abheben oder wieder aufsetzen,
so daß hierdurch der Papierstreifen unabhängig von der Uhrbewegung angehalten oder in Bewegung gesetzt werden kann. Die
Tischplatte kann in ihrer Höhenlage etwas verstellt und damit der Druck des Schreibstiftes auf das Papier
nach Bedarf geändert werden. Durch einen von dem Uhrwerk beeinflußten Morseapparat wird in jeder Sekunde einmal ein Farbrädchen
gegen den Papierstreifen gedrückt, so daß die dadurch erhaltenen Punkte in Entfernungen voneinander stehen, die je einer
Sekunde entsprechen.
Der Apparat ist so eingerichtet, daß die gerade Linie, auf welcher sämtliche Farbenpunkte liegen, genau
der Nulllinie oder atmosphärischen Linie entspricht, d. h. derjenigen Linie, welche der Apparat verzeichnen würde, wenn sein
Inneres mit der äußern Luft in Verbindung gebracht würde. Um die für genaue Untersuchungen erforderlichen Merkzeichen für
den Anfang und das Ende einer Beobachtung sowie auch für beliebige wünschenswerte Zwischenzeiten anbringen
zu können, ist ein beweglicher Druckstift O oberhalb der Tischplatte angeordnet.
Durch leichten Fingerdruck auf denselben erhält man einen Stich auf dem Papier, der infolge der Konstruktion des Registrierapparats 82 mm
vor dem in demselben Zeitpunkt durch die Feder gezeichneten Kurvenpunkte liegt. Die Werte der Ordinate der von der Feder
verzeichneten Kurve müssen auf Wassersäulenhöhe reduziert werden. Hierzu dient ein Maßstab,
[* 49] der dadurch erhalten wird,
daß die Angaben des Registrierapparats mit denjenigen eines Wassermanometers verglichen werden.
Sämtliche Zubehörteile des Registrierapparats sind in einem zweiteiligen Glaskasten untergebracht, und zwar enthält die
eine Kammer desselben den eigentlichen Apparat, die andre die zum Betrieb desselben erforderlichen elektrischen
Elemente. Der vorliegende Registrierapparat hat sich in der Praxis wiederholt bewährt. Er ist von der französischen Ostbahngesellschaft
an ihren verschiedenen Lokomotivgattungen angebracht und erprobt worden. Stets ist das betreffende Vakuum mit der größten
Genauigkeit verzeichnet worden, selbst bei der hohen Fahrgeschwindigkeit der Schnellzüge.
Der Apparat gestattet nun aber auch noch, die Zuggeschwindigkeit zu kontrollieren. Man braucht nur die
in der Sekunde verzeichneten Dampfauspuffe, welche sich auf dem Diagramm deutlich markieren, zu zählen und bei gewöhnlichen
Lokomotiven mit vier, bei Verbundlokomotiven mit zwei zudividieren,so hat man die Anzahl der Treibradumdrehungen. Multipliziert
man diese mit dem Umfang eines Treibrades in Metern, so hat man den von dem Treibrad in einer Sekunde zurückgelegten
Weg inMetern, d. h. die Geschwindigkeit.
Aus den mit dem Apparat aufgenommenen Diagrammen ist folgendes zu ersehen: Während des Stillstandes der Lokomotive erzeugt
der natürliche Schornsteinzug nur eine geringe Verdünnung von höchstens 5 mm Wassersäule. Während
der ersten Augenblicke des Anfahrens erfolgt der Dampfaustritt sehr langsam, und die vom Apparat verzeichnete Kurve weicht wenig
von einer geraden Linie ab. Je mehr jedoch die Fahrgeschwindigkeit wächst, desto mehr zeichnen sich auf der Linie die einzelnen
Dampfstöße in der Form von spitzen Kurven ab. Hieraus ist zu ersehen, daß die Luftverdünnung in der
Rauchkammer durchaus nicht gleichmäßig ist, sondern bei jedem Dampfstoß momentan schnell wächst, um sogleich wieder zu
fallen. Jede Änderung an der Füllung der Dampfmaschine
[* 50]
und in
Einen bedeutsamen Fortschritt in der Kenntnis der Lebensgeschichte der Blattläuse stellt die
Klarlegung der verwickelten Fortpflanzung der Tannenlaus (Chermes abietis) dar. Auch bei der Tannenlaus hat Blochmann durch Entdeckung
der bisher unbekannten Männchen die Existenz einer zweigeschlechtlichen Generation nachgewiesen. Der ganze
durch Blochmann und Dreyfus verfolgte Entwickelungscyklus der Tannenlaus, der sich auf zwei oder drei Jahre erstreckt und mehrere
aufeinander folgende, verschiedenartige Generationen umfaßt, wird dadurch kompliziert, daß die früher unter verschiedenen
Namen beschriebenen Generationen auf zwei Baumarten schmarotzend leben und dadurch in der Entwickelungsgeschichte
[* 53] der
Tannenlaus Parallelreihen entstehen.
Als erste Generation wird betrachtet eine aus befruchtetem Ei
[* 54] entstehende ungeflügelte weibliche Form, die am Knospenhals
der Fichte
[* 55] sitzend überwintert und hier eine Galle erzeugt; sie legt parthenogenetisch im Frühjahr eine beträchtliche Zahl
gestielter Eier,
[* 56] aus welchen die zweite Generation in Gestalt geflügelter weiblicher Blattläuse hervorgeht; von
diesen bleibt nur ein Teil auf der Fichte, während ein andrer Teil auf die Lärche auswandert und an deren Nadeln
[* 57] gestielte
Eier legt.
Aus diesen gehen als dritte Generation wiederum ungeflügelte parthenogenetische Weibchen hervor, die eine Zeitlang an den
Nadeln der Lärche saugen, dann abwärts wandern und in den Rindenrissen des Stammes überwintern; im folgenden
Frühjahr legen sie eine Anzahl grüner gestielter Eier, aus welchen sich nun die vierte Generation entwickelt; dieselbe besteht
wiederum aus parthenogenetischen, aber geflügelten Weibchen, welche im Mai zur Fichte zurückwandern und hier als fünfte
Generation ungeflügelte Männchen und Weibchen erzeugen.
Von diesen legen nach vorausgegangener Begattung die Weibchen nur ein größeres ungestieltes Ei, welches
sich sehr langsam entwickelt, und aus dem dann im Herbst die Stammmutter des nächsten Jahres ausschlüpft, die als erste Generation
den Cyklus wieder von vorn beginnt. Die auf der Fichte zurückbleibenden geflügelten Läuse der zweiten Generation legen Eier,
aus denen ungeflügelte parthenogenetische Weibchen (dritte Generation) hervorgehen, die gleich denen
auf der Lärche überwintern und im folgenden Frühjahr Veranlassung geben zur Entstehung einer Galle und einer geflügelten
vierten, auf Fichten lebenden Generation.
Wann die auf Fichten lebende Parallelreihe durch Erzeugung einer Geschlechtsgeneration wieder in den Entwickelungskreis der
auf Lärchen lebenden Parallelreihe sich einschließt, ist noch unbekannt. Vielleicht wandert überhaupt
erst die geflügelte vierte, auf Fichten lebende Generation auf Lärchen aus. In diesem Fall würden keine Parallelreihen existieren,
sondern die Zahl der zu einem Cyklus gehürigen Generationen würde sich auf sieben, die Zeit der völligen Entwickelung auf
drei Jahre erstrecken. Für die erwähnten fünf Generationen sind spezielle von Lichtenstein, Dreyfus und
Blochmann eingeführte Bezeichnungen üblich:
5) Geschlechtsgeneration, Sexuales. Von praktischer Bedeutung ist die noch zu entscheidende Frage, ob die von der Fichte auswandernden
Tannenläuse nur auf der Lärche ihre Existenzbedingung finden und ob diese Auswanderung für die Lebensfähigkeit der Art absolut
notwendig ist; in diesem Fall wäre zum Schutz junger Fichtenbestände vor dem Schmarotzer die erste Regel,
unter Fichten oder in die Nähe derselben keine Lärchen zu pflanzen. Wanderungen von Blattläusen von einer Baumart auf die
andre sind außer von der Tannenlaus auch noch von andern Blattläusen, besonders von den gallenbildenden Pemphigus-Arten, doch
auch von nicht gallenbildenden Aphis-Arten u. a. bekannt.
Nach der bei andern tierischen Parasiten gültigen Terminologie wird als Hauptnährpflanze der wandernden Blattläuse diejenige Pflanze
bezeichnet, auf welcher die Geschlechtsgeneration lebt und das befruchtete Ei ablegt, als Zwischenpflanze diejenige, auf welcher
die betreffende Blattlausart nur in parthenogenetisch sich fortpflanzenden Generationen vorkommt. Für viele
Arten, z. B. für die auf der Ulme als Hauptnährpflanze häufig vorkommende Tetraneura ulmiL., ist die Zwischenpflanze noch
nicht bekannt.
StarkeGründe sprechen dafür, daß auch bei der GattungPhylloxera und ihrer bekanntesten Art, der Reblaus,
[* 59] die Entwickelung
nicht so einfach verläuft, wie bisher angenommen wird, sondern daß auch hier, ähnlich wie bei der
Tannenlaus, Parallelreihen existieren und Formen, die bisher zu verschiedenen Arten gerechnet wurden, sich in Zukunft als Glieder
[* 60] eines und desselben Entwickelungskreises erweisen werden. Bei der Reblaus scheint ferner der Entwickelungskreis der Art durch
äußere Einflüsse und Bedingungen stark modifiziert zu werden.
Über die Art, wie die Blattläuse sich ernähren und verteidigen, verdanken wir Büsgen die ersten
genauen Untersuchungen. Er zeigt, daß die Mundwerkzeuge aus einem von der Ober- und Unterlippe gebildeten Rüssel bestehen,
der einer Anzahl langer Borsten (welche Ober- und Unterkiefer darstellen) als Schutzscheide dient und ihr Umbiegen beim Anstechen
der Pflanzengewebe hindert. Denn diese Borsten, die weit aus dem Scheidenrüssel hervorgestreckt werden
können, dienen als eigentliche Stech- und Saugorgane und arbeiten verschieden, je nachdem sie aus weichern oder härtern
Teilen den Saft herauszuholen haben.
Die Oberkieferborsten fungieren hauptsächlich als wegbahnende Stechapparate, die Unterkieferborsten formen dann einen Saugkanal,
in welchem die erbohrten Säfte teils durch Kapillarität, teils durch Saugen emporsteigen. Dieses Borstenbündel
dringt nun entweder, z. B. bei der Kochenille-Blattlaus, direkt in die Parenchymzellen ein, oder es schiebt sich durch die
äußern Zwischenzellräume der Epidermis
[* 61] und Rinde bis zu dem Eiweißstoffe führenden Weichbast (Siebteil) der Gefäßbündel.
[* 62]
Trifft das Borstenbündel dabei auf den Hartbast, dessen dickwandige Zellen den Weichbast nach außen
schützen, so durchbohrt es denselben nicht, sondern rückt seitwärts an dessen Oberfläche weiter, bis es eine leichter
durchbohrbare Stelle (Markstrahl) und so mit Hin- und Herbiegung den Weichbast erreicht. Doch findet bei manchen Rindenläusen
(Lachnus) auch direktes Eindringen bis zum Weichbast statt. Während des Stechens sondert das Insekt ein
aus einer eiweißartigen Substanz bestehendes Sekret ab, welches im Augenblick seines Austrittes aus dem
Borstenbündel erhärtet,
letzteres wie ein geschlossenes Rohr als Fortsetzung des Rüssels umgibt und sein Umbiegen an widerstandsfesten
Stellen verhindert. Die Ursache der Aufsuchung des Weichbastes mit Durchbohrung oder Umgehung der gerbstoffreichen äußern
Bastzellen, deren Inhalt den Tieren unangenehm ist, liegt wahrscheinlich in der Eiweißarmut dieser Zellsäfte,
denn nur der Saft, nicht die plasmatischen Stoffe, die auch den Saugkanal verstopfen würden, werden gesucht und in solchen
Massen aufgenommen, daß noch ein großer Teil der aufgesogenen und während der Verdauung teilweise in Traubenzucker umgewandelten
Zuckerstoffe durch den After wieder ausgeschieden wird und den Honigtau bildet, resp. von befreundeten
Ameisen genossen wird.
Früher glaubte man, daß dieser süße Saft aus den beiden Rückenröhren, mit denen viele Blattlauslarven versehen sind,
ausgespritzt würde, die daher in vielen Lehrbüchern auch als Honigröhren bezeichnet werden; allein Büsgen zeigte, daß
dieser Honigtau nur vom After ausgeschieden wird, während jene Röhren
[* 63] ein wachsartiges, leicht erstarrendes
Sekret ausscheiden, dessen sich die Blattläuse als eines Schutzmittels gegen Angreifer bedienen, namentlich gegen
die sogen. Blattlauslöwen (Florfliegenlarven) und Marienkäferlarven, die sie damit zu beschmieren suchen.
Man kann diese Tiere, z. B. die Rosenblattläuse, leicht durch Berührung ihres
Kopfes od. Rückens mit einer Nadel zu dieser Röhrenabsonderung veranlassen. Das Tier richtet dann die Röhren einzeln oder gemeinsam
gegen die Nadelspitze und wischt daran einen Tropfen der sofort erstarrenden und sehr klebrigen Ausscheidung ab. So verfährt
es auch gegen die genannten Angreifer, die von hinten her anrücken und ihre Zangen in den Leib des Tieres
schlagen, um den süßen Inhalt auszusaugen.
Besonders gut gelingt ihnen das bei den Marienkäferchen (Coccinelliden). Wenn eine Rosenblattlaus an ihren langen Beinen
die Annäherung dieses Feindes spürt, so sucht sie sich zunächst mittels derselben in Sicherheit zu bringen oder sich herabfallen
zu lassen. Gelingt ihr dies nicht, so beschmiert sie dem Käfer
[* 64] mit ihrer klebrigen Ausscheidung den ganzen
Vorderkörper, weshalb auch die Käfer sich kaum an die erwachsenen Blattläuse wagen und mehr die jüngern verfolgen, wobei sie freilich
ihrem eignen Vorteil noch dadurch dienen, daß sie das trächtige, sich stark vermehrende Thier schonen.
Der wichtigste Schutz der Blattläuse bleibt freilich ihre Ameisenleibgarde, die sie durch ihren reichlichen süßen
Saft anlocken und für ihre Dienste
[* 65] belohnen, weshalb sie von manchen Ameisenarten auch förmlich gezüchtet werden. Bei uns
üben die Ameisen besonders energisch ihr Amt gegen die Larven der Coccinelliden und verschiedener Fliegen.
[* 66] Man kann nach
Büsgen leicht beobachten, mit welcher Wut sie sich auf diese Tiere stürzen, wenn man diese in die Nähe einer Blattlauskolonie
mit Ameisen bringt. In wenigen Minuten sind sie von der Pflanze herabgestürzt oder davongeschleppt.
Auch scheinen die Larven ihre Feinde wohl zu kennen und eilen, sich bei deren Annäherung zu verbergen.
Da die Blattläuse sich nun von dem Pflanzensaft nicht nur selber ernähren, sondern auch noch Scharen von Schutzameisen erhalten und
eine Menge Saft als Honigtau vergeuden, so üben sie ernstlichen Schaden, und Büsgen berechnet für einen von Boussingault beschriebenen
Fall, daß die einer Linde von ihnen entzogene Menge von Kohlehydraten hingereicht haben würde, den sechsten
Teil der Krone neu zu erzeugen. Der Honigtau schadet vielleicht nicht direkt, da ihn der nächste Regen von den
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