Es kommen 1889 bei den gewerblichen
Berufsgenossenschaften auf 1000 Versicherte an Verletzten überhaupt
(Tabelle A,
Spalte 5 und
8): 29,42 (1888: 28,04), darunter solche, für welche
Entschädigungen festgestellt wurden
(Tabelle A,
Spalte 5): 4,71 (1888:
4,4).
In den außerdeutschen
Staaten hat die Unfallversicherung in den letzten
Jahren bedeutende Fortschritte gemacht; namentlich
sind es die
LänderÖsterreich-Ungarn,
[* 2]
Italien,
[* 3] die
Schweiz
[* 4] und
Frankreich, wo die Unfallversicherung neuerdings gesetzlich geregelt wurde oder
eine solche Regelung angestrebt wird.
Die
Rente beträgt: a) im
Falle gänzlicher Erwerbsunfähigkeit und für die Dauer derselben 60 Proz. des Jahresarbeitsverdienstes,
b) im
Falle teilweiser Erwerbsunfähigkeit und für die Dauer derselben einen Bruchteil jener
Rente, welche
nach dem
Maße der verbliebenen Erwerbsfähigkeit zu bemessen ist, jedoch nicht über 50 Proz. des
Jahresarbeitsverdienstes betragen darf. Im
Falle der
Tod aus dem Betriebsunfall erfolgt ist, besteht der
Schadenersatz außer
in den Leistungen, welche dem Verletzten für die Zeit vor dem
Eintritt des
Todes etwa gebühren, noch:
1) in den Beerdigungskosten, nach dem
Gebrauch des
Ortes, höchstens von 25
Gulden;
2) in einer den Hinterbliebenen des Getöteten, vom Todestag angefangen, zu gewährenden
Rente, welche ähnlich wie die im
deutschen Unfallversicherungsgesetz festgestellte
Rente berechnet wird. ZurDurchführung der ist in der
Regel für jedes Land in der Landeshauptstadt eine Versicherungsanstalt errichtet. Mitglieder dieser Anstalt sind die
Unternehmer der im
Bezirk gelegenen versicherungspflichtigen Betriebe und die in denselben beschäftigten
Arbeiter und Betriebsbeamten.
Der Vorstand der Anstalt besteht zu einem Drittel aus Vertretern der Betriebsunternehmer, zu einem Drittel
aus Vertretern der Versicherten und zu einem Drittel aus den mit den wirtschaftlichen Verhältnissen des
Bezirks vertrauten,
vom
Minister des Innern berufenen
Personen. Die Versicherungskosten werden durch Beiträge aufgebracht, welche von den Mitgliedern
nach Maßgabe des von den Versicherten bezogenen Arbeitsverdienstes und unter Zugrundelegung eines Gefahrenklassentarifs
zu entrichten sind.
Ein Arbeitsverdienst, welcher den Betrag von 1200
Guld. für ein Jahr übersteigt, kommt nur mit diesem
letztern in
Anrechnung. Von den Versicherungsbeiträgen fallen dem Versicherten 10 Proz., dem Unternehmer
des versicherungspflichtigen Betriebs 90 Proz. zur
Last; letzterer muß beide
Quoten bezahlen, hat aber das
Recht, die
Quote
des Versicherten von dem
Gehalt oder
Lohne desselben einzubehalten. Außerhalb des
Gesetzes stehende berufsgenossenschaftliche
Versicherungsanstalten können nach ministerieller
Genehmigung die
Funktionen der staatlichen
Anstalten übernehmen. Die übrigen
Einrichtungen sind in gleicher oder ähnlicher
Weise wie in
Deutschland
[* 6] getroffen.
In
Italien existiert als Hauptversicherungsanstalt die auf
Grund des
Gesetzes vom gegründeteNationalbank
für
Versicherung der
Arbeiter gegen Unfälle. Die
Bank ist nicht staatlich, sondern der
Staat hat sie nur ins
Leben gerufen und
führt eine gewisse
Aufsicht über ihre Thätigkeit, namentlich über die Feststellung der Prämiensätze. Ursprünglich haben 10 Geldinstitute
einen Garantiefonds von 1,500,000 Lire zugesichert und sich auch zur Tragung der Verwaltungskosten verpflichtet.
Der
Dienst der
Postsparkassen ist von der
Regierung der
Bank kostenlos zur
Verfügung gestellt. Der
Zweck der
Nationalbank ist,
gegen die
Schäden zu versichern, welche den Arbeitern im Gebiete des italienischen
Staates durch Unglücksfälle bei der
Arbeit
entstehen. Die
Versicherung ist individuell oder kollektiv; die Kollektivversicherung kann von den Arbeitgebern
allein, oder von den Arbeitgebern und Arbeitern, oder nur von Arbeitern ausgehen. Die
Versicherung findet Anwendung auf solche
Unglücksfälle, welche den
Tod des Versicherten, eine vollständige dauernde Arbeitsunfähigkeit, eine teilweise dauernde
Arbeitsunfähigkeit, endlich eine vorübergehende Arbeitsunfähigkeit zur
Folge haben.
Überschüsse werden alle 5 Jahre zur Hälfte dem Garantiefonds zugewiesen, zur Hälfte an die Versicherten
verteilt, welche innerhalb dieses Zeitraums eine
Entschädigung wegen vollständiger und dauernder Arbeitsunfähigkeit erhalten
haben. Am hatte die
Nationalbank 70,222
Versicherungen abgeschlossen. Diese geringe
Entwickelung liegt teils in verschiedenen
Einrichtungen der
Bank selbst, teils in der geringen Selbständigkeit derselben begründet.
Die Unfallversicherung wird in
Italien ferner noch durchgeführt von privaten und kommunalen
Instituten; unter letztern
ist besonders das 1883 in
Mailand
[* 7] begründete
Patronat für
Versicherung von Arbeitern bei Unglücksfällen zu nennen. Die Anstalten
dieser Art haben sich verhältnismäßig viel günstiger entwickelt als die
Nationalbank. Für eine obligatorische Staatsversicherung
herrscht in
Italien wenig Meinung. Die Zahl der in
Italien gegen Unfall versicherten
Arbeiter wurde auf
100,000 geschätzt.
Die
Schweiz erstrebt seit mehreren
Jahren eine Unfallversicherung nach deutschem
Muster. Zu diesem
Zwecke werden seit Ende 1887 auf die Dauer
von 3
Jahren alle Unfälle vermerkt, welche für
Arbeiter im
Alter von mehr als 14
Jahren den
Tod oder eine
Erwerbsunfähigkeit von mehr als 6
Tagen zur
Folge haben.
In
Frankreich herrscht bezüglich der gesetzlichen Regelung der Unfallversicherung ein ähnliches Bestreben.
Dort besteht nämlich auf
Grund
des
Gesetzes vom und unter
Verwaltung der Depositenkasse eine
Lebens- und Unfallversicherungskasse. Die
Versicherung bei derselben ist eine freiwillige und kann auf eine
Summe bis zu 3000
Frank erfolgen. Die
Kasse kennt keine Gefahrenklassen
und gewährt bei Erwerbsunfähigkeit, deren
Grad durch ein aus
Sachverständigen bestehendes
Schiedsgericht bestimmt wird, dem
Verletzten den 320fachen Betrag der
Prämie als
Rente; letztere wird im
Falle vollständiger Erwerbsunfähigkeit
aus Staatsmitteln um das
Doppelte erhöht. Die Versicherungssumme wird bei der Altersrentenkasse in eine entsprechende
Leibrente
umgewandelt. Die Hinterbliebenen erhalten eine
Rente, welche die
Höhe von zwei Jahresraten der dem Versicherten zugesprochenen
Leibrente erreichen kann.
¶
mehr
Im J. 1887 waren etwa 25,000 Personen bei jener Kasse versichert. Seit dem Jahre 1881 sind dem Senat verschiedene Gesetzentwürfe
unterbreitet worden, welche die Unfallversicherung fruchtbringender gestalten sollen und unter anderm sich für Versicherungszwang aussprechen.
Der neueste Entwurf, welcher vom Senat im J. 1889 an die Kommission zurückverwiesen wurde, stellt eigentlich
mehr ein Haftpflicht- als ein reines Unfallversicherungsgesetz vor. Er bezweckt, die Arbeitgeber durch Bestimmungen über
die Haftpflicht zu zwingen, ihre Arbeiter zu versichern, und zwar entweder bei der im Entwurf projektierten Staatsanstalt oder
bei territorialen oder genossenschaftlichen Anstalten, oder endlich bei Privatanstalten für umfangreichere Betriebe. Bei
allen diesen Instituten ist eine Finanzverwaltung durch die Staatskasse in Aussicht genommen.
Zur Litteratur: Von Platz, Die Unfallverhütungsvorschriften, herausgegeben vom Verband
[* 9] der deutschen Berufsgenossenschaften,
erschien der 2, Band:
[* 10] »Vorschriften für Arbeiter« (Berl. 1889).
(Sterilität), männliche. Während bisher bei kinderlosen Ehen fast ausnahmslos angenommen wurde, daß
die Unfruchtbarkeit auf eine krankhafte Veranlagung der Frau zurückzuführen sei, wurde neuerdings die Aufmerksamkeit mehr
darauf hingelenkt, daß auch beim Mann Zeugungsunvermögen bestehen könne. Selbst dann, wenn die Ausübung des Koitus unbehindert
möglich ist und anscheinend nichts auf eine Abnormität hindeutet, findet man in manchen Fällen bei mikroskopischer
Untersuchung des Spermas gar keine Spermatozoen (Azoospermie), oder es stellt sich überhaupt kein Samenerguß ein (Aspermatismus).
Der Aspermatismus kann dadurch bedingt sein, daß durch Verlegung oder narbige Verziehung der Samenleiter
der Same in die Blase gelangt; auch bei hochgradigen Strikturen der Harnröhre wird Aspermatismus beobachtet. Wohl zu unterscheiden
von diesen Formen der männlichen Unfruchtbarkeit, bei welchen die unbehinderte Kohabitationsfähigkeit das Charakteristische
ist, sind die Fälle eigentlicher Impotenz. Sie sind meistens Teilerscheinungen allgemeiner Neurasthenie und werden von
einer auf diese gerichteten Behandlung in den meisten Fällen sehr günstig beeinflußt. Am meisten leistet hier die Playfair-MitchellscheKur.
Vgl. Casper, Impotentia et sterilitas virilis (Münch. 1890).
[* 14] Die neueste Volkszählung wurde in Ungarn vorgenommen. Nach den Ergebnissen derselben beträgt die Gesamtbevölkerung
des Landes (samt Kroatien und Slawonien) 17,449,705 Seelen und hat sich seit der letzten, Ende 1880 vorgenommenen
Zählung um 1,7 Mill., d. h. um 10,8
Proz., vermehrt. Von obiger Bevölkerung
[* 15] kamen auf das Militär 113,776, auf die Zivilbevölkerung 17,335,929 Personen. Letztere
verteilt sich auf die einzelnen Gebiete folgendermaßen:
Die
Anzahl der Häuser betrug 1880: 2,577,423 und 1890: 2,889,482, hat also um 312,059 oder um 12,18 Proz.
zugenommen. Die Städte weisen meist eine Zunahme der Bevölkerung auf. Sie betrug in
Die volkswirtschaftlichen Ergebnisse des Jahres 1890 waren fast durchweg günstig; die Ernte
[* 16] übertraf
sogar jene des Jahres 1887 und war insbesondere reich an Weizen, dessen Durchschnittsertrag jährlich ca. 30 Mill. metr. Ztr.
beträgt. In der Periode 1885-90 wurden nämlich gewonnen auf bebauten Flächen:
Im innigen Zusammenhang mit diesen, den eignen Bedarf des Landes weit übersteigenden Ziffern stehen jene
über den nicht minder wichtigen Getreide- und Mehlexport. Im J. 1889 wurden 17,6 Mill. metr.
Ztr. Cerealien und Mehl
[* 17] (im Werte von 80,2 Mill. Guld.) ausgeführt, und zwar 5,5 Mill. metr. Ztr.
Weizen, 1,4 Roggen, 2,1 Gerste,
[* 18] 1,0 Hafer,
[* 19] 2,0 Mais. Was insbesondere den Mehlexport anbelangt, so ist derselbe
im Zeitraum 1882-89 von 2,8 auf 4,6 Mill. metr.
Ztr. gestiegen. Der Ertrag des Weinbaues war im verflossenen Jahrzehnt großen Schwankungen unterworfen. Während die Fläche
der Weinberge sich nur wenig veränderte, nämlich von 360,266 Hektar (1876) auf 352,794 Hektar (1887) sank,
ergab die Ernte (1878) 8 Mill. und (1879) 6,3
Mill. hl, 1876 und 1880 jedoch nur 1,8, resp. 2,4
Mill. hl. Mit Einschluß der zum Genuß verkauften Trauben, deren Menge zwischen 2,2 Mill. kg (1882) und 7,9
Mill. kg (1876) schwankte, ist der Ertrag des Weinbaues von 15,5 Mill. (1876)
auf 43,7 Mill. Guld. (1887) gestiegen.
erfreulichen Aufschwung, die gegenwärtig in 1942 südungarischen Gemeinden 62,525 Familien beschäftigt. Während 1879 nur 2507 kg
Galetten im Werte von 3700 Guld. erzeugt wurden, betrug das Ergebnis im J. 1889: 815,659 kg Galetten im Werte von 1,042,600 Guld.
(1890 bereits 1,043,096 kg). Infolge der durch die Regierung eingeführten Reformen auf dem Gebiete der
Tabaksverwaltung und der rationellern Wirtschaft bei den Staatsforsten sind die betreffenden Erträgnisse in stetem Steigen
begriffen.
Für Rechnung des Tabaksmonopols wurden erzeugt: 1886: 327,000, 1887: 466,000, 1888: 452,000 und 1889: 523,000 metr.
Ztr., und in diesen Jahren entfallen auf ein Katastraljoch Feld: 359,500,517 und 618 kg Tabak.
[* 22] Der Brutto-
(Rein-) Ertrag des Staates betrug 1886: 32,5 (19,1), 1887: 34,4
(23,6), 1888: 34,2 (24,5) und 1889: 36,1
(25,1) Mill. Guld. Aus den Staatsforsten belief sich das Bruttoeinkommen im J. 1889 auf 7,1 Mill. Guld. und der Reinertrag auf
5,6 Mill. Guld. (letzterer gegen 1888 um 0,26 Mill. Guld. mehr). Ein wesentliches Mehrerträgnis wurde
endlich 1889 auch in den ungarischen Bergwerken erzielt. Der Wert der daselbst gewonnenen Montanprodukte betrug nämlich 25,8
Mill. Guld. (gegen 21,6 Mill. im J. 1888). Hiervon entfielen auf Gold
[* 23] 2,9, auf Silber 1,5, auf Eisen
[* 24] 8,7, auf Steinkohle 9,4 und
auf Braunkohle 5,8 Mill. Guld. Kroatien-Slawonienwar an diesem Erträgnis mit 299,344 Guld. beteiligt.
Sehr günstig gestaltet sich der Handelsverkehr des Landes. Import und Export des Jahres 1889 erreichten einen Wert von 933,7
Mill. Guld., und die Ausfuhr ist seit sechs Jahren um 70,1 Mill. Guld. gestiegen, dagegen die Einfuhr in dieser Zeit um 14,5
Mill. Guld. gefallen; im J. 1888 überwog letztere den Export noch um 19 Mill. Guld., 1889 jedoch betrug dieser Überschuß
nur noch 6,1 Mill. Guld., und seit 1884 ist der Passivsaldo der Handelsbilanz von 90 Mill. auf 6,1 Mill. Guld. herabgemindert
worden. Der Warenverkehr betrug in der Periode 1884-89 in MillionenGulden:
Der Hebung der ungarischen Handels- und Industrieverhältnisse dienen mannigfache Verfügungen des Handelsministers (die staatliche
Begünstigung neuer Industrieunternehmungen, die Berufung eines Industrierats, die Gründung der ungarischen
Industriebank, der ungarischen Maschinen- und Schiffsbaugesellschaft und
der ungarischen Handelsaktiengesellschaft etc.).
Um dem Handel den Seeverkehr zu gewinnen und hierdurch auch der Hafenstadt Fiume
[* 32] (s. Fiume) zu nutzen, wurde für neue regelmäßige
Dampferverbindungen mit ausländischen Seehäfen gesorgt.
Die ungarischen Staatsbahnen,
[* 33] denen 1890 auch die ungarische Ostbahn einverleibt wurde, umfassen ein
Bahnnetz von 8377 km und ergeben nach dem Voranschlag für 1891 bei einer Einnahme von 48,66 Mill. Guld. und einer Ausgabe von 30 Mill.
einen Überschuß von 18,68 Mill. Guld., einer 3,52 prozentigen Verzinsung entsprechend. Der Zonentarif (s. Eisenbahn-Personengeldtarife),
welcher im ersten Jahre seines Bestandes seit einen außerordentlichen Aufschwung in der Personenbeförderung
auf allen Linien der ungarischen Staatsbahnen herbeigeführt hat (es wurden 13 Mill. Personen gegen 5 Mill. im Vorjahr befördert,
die Mehreinnahme betrug 2 Mill. Guld.), ist mit in entsprechender Weise auch auf den Frachtverkehr ausgedehnt worden.
Eine wichtige wirtschaftliche Frage für Siebenbürgen ist die Herstellung neuer Anschlüsse an das rumänische
Eisenbahnnetz, worüber Verhandlungen zwischen der ungarischen und rumänischen Regierung eingeleitet worden sind. Es handelt
sich einerseits um Anschlüsse in südlicher Richtung durch den Rotenturmpaß und den Vulkanpaß, anderseits um eine Linie im
O. Siebenbürgens durch den Gyimeschen Paß
[* 34] in die Moldau. In sächsischen Kreisen wünscht man vor allem
die Herstellung der Linie von Hermannstadt
[* 35] durch den Rotenturmpaß, welche endlich die wirtschaftliche Isolierung dieser Stadt
beheben und die kürzeste Verbindung zwischen Pest und Bukarest
[* 36] herstellen würde.
Ende 1888 betrug die Zahl der Banken in Ungarn (mit Ausschluß der Nebenländer): 154, die der Sparkassen 424,
der Genossenschaften 547 und der Bodenkreditinstitute 5. Die Banken hatten ein eingezahltes Aktienkapital von 42,7 Mill., einen
Reservefonds von 5,8 Mill., und in ihnen waren an Spareinlagen mit Zinsen 72,8 Mill. Guld. angelegt. Bei den Sparkassen betrugen
das Aktienkapital 27,4 Mill., der Reservefonds 23,5 Mill. und die Spareinlagen 386,1
Mill. Guld., von denen nur 160,2 Mill. in Hypotheken, aber 152,9 Mill. in Bankwechseln angelegt waren.
Auf finanziellem Gebiet wurden 1889 in Ungarn mehrfache Reformen erfolgreich durchgeführt, vor allem in Bezug auf
die Verwaltung, hinsichtlich welcher sich die Notwendigkeit ergab, an Stelle der bisherigen 16 Finanzdirektionen womöglich
für jedes größere Komitat eine besondere Behörde zu errichten. Gegenwärtig bestehen in Ungarn 50 und in Kroatien-Slawonien 6 neuorganisierte
Finanzdirektionen, und zwar in den
¶
Eine weitere, auf legislatorischem Wege bereits 1889 durchgeführte Maßregel von hoher Bedeutung ist die Ablösung der in
Ungarn bis dahin bestandenen Schankregalrechte und im Zusammenhang hiermit die Einführung des
staatlichen Schankgefälles, dessen Ergebnis sich im Staatsvoranschlag für 1890 für Ungarn (ohne Kroatien-Slawonien) mit 12½
Mill. Guld. beziffert. Die Schankregalablösungssumme beträgt 225 Mill. Guld. Die finanzielle Lage des Landes gestaltet sich
immer günstiger.
Während das Staatsdefizit sich noch 1887 auf 22 Mill. belief (1888: 12,4,
1889: 7,3 Mill.), war es schon 1890 auf 508,901 Guld. herabgesunken. Das Budget für 1891 ergibt sogar einen Überschuß von
39,260 Guld. Nach dem Budget für 1891 beträgt die Gesamteinnahme 369,008,583 Guld., die Gesamtausgabe 368,969,323 Guld., daher
Überschuß 39,260 Guld. Die Hauptposten der Einnahmen sind: direkte Steuern 98,8, Verzehrungssteuern 44,5
(darunter Branntweinsteuer 23), Schanksteuer 15, Stempelgebühren und Taxen 28,3, Salzgefälle 15,8, Tabaksgefälle 46,3,
Post undTelegraph
[* 46] 12,9 und Staatseisenbahnen 48,6 Mill. Guld.
Auch die gemäßigt Oppositionellen hatten sich hierbei der Regierungspartei angeschlossen. Zu der bereits vielbesprochenen
Fusion dieser beiden Parteien, welche in ihrem Programm, namentlich in Bezug auf die Verwaltungsreform, nicht auseinander gehen,
kam es vorläufig
nicht, hauptsächlich wegen des persönlichen Antagonismus zwischen Tisza, welcher auch
nach seinem Rücktritt eine einflußreiche Stellung in der Regierungspartei einnimmt, und GrafAlbertApponyi, dem Führer der
gemäßigten Opposition, doch fand die Regierungspartei aus den Reihen jener Oppositionspartei einige Verstärkung.
[* 47]
Innerhalb der äußersten Linken, der Unabhängigkeitspartei, welche im allgemeinen den Standpunkt der
reinen Personalunion einnimmt, hat Ugron, welcher sich auf den Boden der Verfassung stellen und seine Partei als die Achtundvierziger
regierungsfähig machen wollte, eine Krisis herbeigeführt, indem er die Anhänger Iranyis als Neunundvierziger, welche nicht
einmal die Gemeinsamkeit der Dynastie anerkennen wollen, aus dem Klub zu verdrängen suchte. Doch endete
die Krise damit, daß Ugron selbst nebst 16 Getreuen aus dem Klubverband austreten mußte.
Für die Haltung der Siebenbürger Sachsen
[* 48] hat der am in Hermannstadt stattgefundene Sachsentag ein neues Volksprogramm
aufgestellt. Während von den sächsischen Vertretern im ungarischen Reichstag bisher ein Teil als sächsische Volkspartei
eine außerhalb der Parteien stehende Fraktion bildete, ein zweiter Teil der gemäßigten Opposition und
ein dritter Teil, die »Abgefallenen«, der Regierungspartei angehörte,
wurde für die Zukunft den Vertretern des sächsischen Volkes der Beitritt zu jeder der auf dem Boden des Ausgleichs von 1867 stehenden
Parteien, also auch der Regierungspartei, freigestellt.
Das Programm bekundet ferner die loyale Anhänglichkeit und Opferwilligkeit für den ungarischen Staat,
anderseits aber beharrt das sächsische Volk mit Entschiedenheit auf der Basis seiner nationalen Existenz als ein deutscher
Volksstamm in Ungarn und will auch künftig allen Magyarisierungsbestrebungen nachdrücklich entgegentreten. Alle fünf Jahre
soll ein Sachsentag zur Beratung der öffentlichen Angelegenheiten des Volkes zusammentreten. Auch die
Rumänen haben in Hermannstadt eine Konferenz abgehalten, in welcher sie ihre Beschwerden wegen der fortgesetzten
Angriffe der Magyaren auf die rumänische Sprache und Kirche aufrecht erhielten und die Überreichung eines die Beschwerden zusammenfassenden
Memorandums zu gelegener Zeit an den Monarchen beschlossen.
Einen Konflikt zwischen der Regierung und dem katholischen Klerus rief die Angelegenheit der Wegtaufen hervor. Eine Verordnung
des Kultusministers GrafenCsaky vom verpflichtete nämlich die christlichen Seelsorger, welche ein von Eltern andrer
Konfessionen
[* 49] stammendes Kind taufen und in ihrer Matrikel verzeichnen, den Matrikelauszug (Taufschein) binnen acht Tagen
dem Seelsorger der andern Konfession, nämlich jener, welcher bei Knaben der Vater, bei Mädchen die Mutter angehört, amtlich
mitzuteilen, damit dieser in der Lage sei, das Kind in der Reihe seiner Gläubigen zu registrieren.
sondern dem betreffenden Oberstuhlrichter oder Bürgermeister amtlich mitzuteilen hat. Am ist in Karlowitz der serbische
Kirchenkongreß behufs der Wahl des Karlowitzer Erzbischofs und serbischen Patriarchen zusammengetreten. Die Wahl fiel auf den
Kandidaten der gemäßigten, regierungsfreundlichen Elemente, den bisherigen TemesvarerBischofBrankovics. In der Herbstsession
des ungarischen Reichstags kündigte der Finanzminister Wekerle unter andern finanziellen Vorlagen die Konversion
mehrerer Staatsschuldenkategorien, in erster Reihe der Prioritäten und Aktien der verstaatlichten Eisenbahnen an und will die
hierbei zu erzielende Zinsenersparnis für die beabsichtigte, gegenwärtig noch einen Gegenstand der Verhandlung mit der österreichischen
Regierung bildende Regelung der Valuta in Anspruch nehmen. Am wurde in Arad ein Denkmal der vor 41 Jahren
im standrechtlichen VerfahrenHaynaus hingerichteten 13 ungarischen Revolutionsgenerale errichtet. Die Thatsache und der Ausfall
dieser Gedächtnisfeier sind als ein Beweis des hohen Maßes politischer Freiheit in Ungarn und der vollkommenen Aussöhnung zwischen
der Dynastie und der ungarischen Nation anzusehen.
Die bedeutende Schädigung der Ernteerträge der landwirtschaftlichen Kulturgewächse durch das überhandnehmen
von Unkrautpflanzen wird durch einen interessanten Versuch dargethan, welchen Wollny (»Forschungen auf dem Gebiet der Agrikulturphysik«,
Heidelb. 1884) mit gejätetem und ungejätetem Sommerroggen auf je 4 qm großen Parzellen ausgeführt hat.
Die Ergebnisse
desselben zeigen nachstehende Zahlen:
Das größte Interesse gewährt aber die Feststellung des Spektrums dieses Planeten. Bis vor kurzem wußte man nicht gewiß,
ob die Fraunhoferschen Linien in demselben auftreten; aber erhielt Huggins durch zweistündiges
Belichten eine Photographie dieses Spektrums, welche im blauen, violetten und ultravioletten Teile die wichtigsten Fraunhoferschen
und keine andern Linien zeigt, ein Beweis dafür, daß die blauen, violetten und ultravioletten Strahlen des Uranus reflektiertes
Sonnenlicht sind.
Dagegen
sind in dem Teile des Uranusspektrums vom Rot bis zum Grün bis jetzt keine Fraunhoferschen Linien
wahrgenommen worden, wohl aber eine große Anzahl andrer breiter, dunkler Absorptionsstreifen, welche neuerdings von Keeler
mit dem 36 zölligen Refraktor der Lick-Sternwarte genauer untersucht worden sind. Der dunkelste dieser Absorptionsstreifen
und überhaupt im ganzen Uranusspektrum, dessen Mitte die Wellenlänge von 618,2 Millionstel-Millimeter
hat, findet sich auch im Spektrum des Jupiter und Saturn, wahrscheinlich auch des Neptun, was auf eine ähnliche Zusammensetzung
der Atmosphären der äußersten Planeten hinweist. Welchen Gasen dieser und die übrigen Absorptionsstreifen zuzuschreiben
sind, ist unbekannt.
[* 55] (Geschichte). Die Amtsperiode des Präsidenten Tajes lief 1890 ab. Seine Regierung, während welcher nach außen
und innen Friede herrschte, war für die Entwickelung des Landes vorteilhaft, indem Handel und Verkehr sich hoben, die steigenden
Einkünfte die pünktliche Zahlung der Staatsschuldenzinsen gestatteten und die zahlreichen, meist italienischen Einwanderer
die Arbeitskräfte mehrten. An Tajes' Stelle wurde der bisherige Minister des Innern, Julio Herrera, gewählt,
mit dem zum erstenmal seit 15 Jahren ein Nichtmilitär auf den Präsidentenstuhl Uruguays gelangte. Derselbe führte aber eine
nachlässige und verschwenderische Verwaltung, vergeudete die Hilfsmittel des Staates, bereicherte sich und seine Kreaturen
auf öffentliche Kosten und rief schon im August 1890 eine Krisis hervor, indem der Finanzminister und der
Kriegsminister ihre Entlassung forderten. Erst 1891 gelang es, ein neues Ministerium zu bilden.
[* 56] Zu den hauptsächlichsten Bodenerzeugnissen von Valencia und dessen Umgebung, wie Wein, Agrumen, Reis und Zwiebeln,
sind neuerdings Tomaten und Melonen zu rechnen, deren Anbau von Jahr zu Jahr an Bedeutung gewinnt. Dagegen
ist die Kultur von Oliven und Johannisbrot sowie auch die Seidenproduktion im Rückgang begriffen. Neben der ältern Fabrikation
von bemalten und unbemalten Fliesen
[* 57] hat sich nur die Herstellung von Thonwaren
[* 58] mit imitierter maurischer Malerei entwickelt
und auch im Ausland guten Absatz gefunden.
(Planet). Eine kritische Untersuchung der frühern Arbeiten zur Bestimmung der Rotationsdauer der Venus hat Schiaparelli
zu dem Ergebnis geführt, daß dieser Planet höchst wahrscheinlich in derselben Zeit von 224,7 Tagen sich einmal um seine
Achse dreht, in welcher er seinen Umlauf um die Sonne
[* 62] vollendet, und daß die Drehungsachse nahezu senkrecht
auf der Bahnebene steht, höchstens um 10-15° von der senkrechten Stellung abweicht. Die Beobachtungen einzelner dunkler Flecke
auf der Planetenscheibe durch D. Cassini (1669) und J. ^[Jacques] Cassini (1732), aus denen eine Rotationsdauer von ungefähr 24 Stunden
abgeleitet wurde, waren zu selten, und die Anzahl der Rotationen zwischen zwei Beobachtungen war zu wenig
bekannt, als daß sie einer sichern Bestimmung hatten als Grundlage dienen können; Schiaparelli findet übrigens, daß die
Beobachtungen des ältern Cassini sich leichter durch eine Periode von 224,7 Tagen als durch eine solche von 24 Stunden erklären
lassen.
Aus diesen gleichzeitigen Beobachtungen ergibt sich, daß die Rotation sehr langsam von statten gehen muß, da die Lage
der Flecke gegen die Lichtgrenze während eines ganzen Monats keine wahrnehmbaren Veränderungen erleidet. Gegen eine Periode
von 24 Stunden sprechen am deutlichsten ein paar Beobachtungen von Schiaparelli und Holden vom welche um ungefähr 8 Stunden
auseinander liegen. Dieselben beziehen sich auf zwei helle Flecke am südlichen Horn der Venus, einen dazwischenliegenden
tiefdunkeln Schatten
[* 65] und einen von den Flecken nach Norden
[* 66] verlaufenden dunkeln Streifen.
Die von den beiden Beobachtern entworfenen Zeichnungen dieser Objekte stimmen so genau überein, wie es unmöglich der Fall
sein könnte, wenn der Planet in der Zwischenzeit von 8 Stunden ein Drittel Rotation vollendet hätte. Auch
blieb die Lage des Streifens während der dreistündigen Dauer der Beobachtung ungeändert. Auf die geringe Veränderung, welche
die Flecke von einem Tage zum andern erleiden, hat übrigens schon Bianchini hingewiesen; es scheint aber, daß ihn gewisse
Veränderungen im Aussehen der Flecke, die vom Wechsel der atmosphärischen Zustände auf der Venus herrühren,
auf die Annahme einer Rotationsdauer von 24 Stunden geführt haben. Im allgemeinen erweisen sich übrigens die Flecke auf der
Venus ziemlich unbeständig, und die Bestimmung der Umdrehungszeit erreicht daher nicht die Sicherheit wie beim Merkur;
[* 67] dieselbe
ist vielmehr um einige Wochen unsicher, und es lassen sich Perioden von 6-9 Monaten mit den Beobachtungen
vereinigen.
Die schnellen, in Zwischenzeiten von etwa 24 Stunden sich wiederholenden Veränderungen im Aussehen des Planeten, besonders
seiner Hörner, welche manche Beobachter bemerkt haben, setzt Schiaparelli auf Rechnung der mit der wechselnden Höhe überm
Horizont
[* 68] wachsenden Sichtbarkeitsbedingungen und
der wechselnden Helligkeit des Himmelsgrundes. Schiaparelli macht
ferner aufmerksam auf bisweilen gut begrenzte, helle wie dunkle Flecke, die in den südlichern Teilen der Venus von Zeit zu Zeit
unter gleicher Form sich zu bilden scheinen und wahrscheinlich von Ursachen abhängen, die auf der Oberfläche der Venus ihren
Sitz haben. Endlich weist er noch hin auf die Wichtigkeit des Studiums gewisser sehr kleiner, heller, scharf
begrenzter runder Flecke, umgeben oder einseitig begrenzt von tiefen Schatten, meist paarweise auftretend, die sich namentlich
in der Nähe der Schattengrenze zeigen, aber nur wenige Tage dauern. Die Ergebnisse Schiaparellis werden bestätigt durch neuere
Beobachtungen von Terby in Löwen
[* 69] und Perrotin in Nizza.
2) Orden
[* 76] für ausgezeichnete Verdienste (The distinguished service order), Militär- und Marineorden Großbritanniens, gestiftet
von der KöniginViktoria für Offiziere, welche von den Höchstkommandierenden wegen ihrer Verdienste
vor dem Feinde zu dieser Auszeichnung empfohlen werden. FremdeOffiziere, welche bei den Operationen mitgewirkt haben, können
zu Ehrenrittern ernannt werden. Die Dekoration besteht in einem weiß emaillierten Goldkreuz, dessen rot emaillierter Mittelschild
die kaiserliche Krone, umgeben von grünem Lorbeerkranz, trägt, während der ähnliche Reversmittelschild die
kaiserliche und königliche ChifferR. I. trägt.
¶