Von den übrigen
Ländern ist bis jetzt nur in
Ungarn
[* 2] und der
Schweiz
[* 3] das Telegraphenwesen durch förmliche
Gesetze geregelt
worden. In
Ungarn hat durch
Gesetz vom der
Staat die Ausführung und den Betrieb des
Telegraphen- und Fernsprechwesens
sowie der elektrischen Signaleinrichtungen sich als ausschließliches
Recht vorbehalten. Dem Privatunternehmen
freigegeben sind nur die Einrichtungen im Innern einzelner
Häuser sowie auf
Grundstücken, welche ein zusammenhängendes Besitztum
bilden. In der
Schweiz sind vom ab durch das Bundesgesetz vom betreffend die Herstellung von
Telegraphen-
und Telephonlinien, und das Bundesgesetz vom betreffend das Telephonwesen, die
Rechte und
Pflichten des
Staates und des
Publikums abgegrenzt worden; das letztere
Gesetz regelt insbesondere die Gebührenfrage.
Die siebente internationale Telegraphenkonferenz fand im
Mai und Juni 1890 in
Paris
[* 5] statt. Sie
war von sämtlichen europäischen und den meisten außereuropäischen Telegraphenverwaltungen (im ganzen
42) beschickt. Die dem internationalen Telegraphenvertrag noch nicht beigetretenen
Staaten
(Bolivia,
[* 6]
Costarica,
Peru
[* 7] und die
Vereinigten Staaten
[* 8] von
Nordamerika)
[* 9] haben durch Vertreter von den
Verhandlungen Kenntnis nehmen lassen.
Außerdem waren die
Bevollmächtigten von 23 Kabelgesellschaften anwesend. Den wichtigsten Teil der Beratungen
bildete der deutsche
Vorschlag einer gründlichen
Reform zunächst des europäischen Telegraphentarifs. Er hatte zum
Zweck:
1) für ganz
Europa
[* 10] nur zwei
Taxen, eine für den
Verkehr zwischen unmittelbar aneinander grenzenden
Ländern und eine für den
Verkehr zwischen solchen
Ländern, welche durch Zwischengebiete oder durch das
Meer voneinander getrennt sind, einzuführen
und 2) die gänzliche Aufhebung der schwerfälligen
Abrechnung über den Wechselverkehr und die Einführung einer pauschalen
Vergütung für den Transitverkehr, wodurch zugleich die
Befreiung des Telegraphendienstes von allen im
Interesse der
Abrechnung
erforderlichen lästigen Nebenarbeiten erzielt werden sollte.
Die allgemeine
Annahme des deutschen
Vorschlags scheiterte zunächst an fiskalischen Rücksichten. Dagegen
ist es gelungen, den deutschen
Tarif für den europäischen
Verkehr durch Sonderverhandlungen mit verschiedenen
Verwaltungen
schon jetzt einfacher und einheitlicher zu gestalten. Danach werden für den deutschen
Verkehr mit andern europäischen
Staaten
(außer der Türkei
[* 11] und
Griechenland)
[* 12] in Zukunft nur noch drei verschiedene Taxgruppen bestehen:
3)
Verkehr mit Rußland, den Balkanstaaten,
Spanien
[* 19] und
Portugal, mit einer Wortgebühr von 20
Pf. Für
Griechenland
ist eine Wortgebühr von 30
Pf. vereinbart. Die
Gebühr für Semaphortelegramme ist auf 1
Fr. (die Hälfte des bisherigen
Satzes)
ermäßigt worden. Eine Herabsetzung der Kabelwortgebühr für
Telegramme nach
Australien
[* 20] von 10 auf 5 Mk. steht in Aussicht.
Von den übrigen Ergebnissen der
Konferenz sind von allgemeinem
Interesse noch folgende: Die Bestimmung,
daß die
Drähte, welche je zwei
Telegraphenanstalten verschiedener Vertragsländer unmittelbar verbinden und einem lebhaften
Verkehr dienen, mindestens 5
mm im
Durchmesser haben müssen, ist dahin abgeändert, daß die
Drähte einen elektrischen
Widerstand
von höchstens 7,5Ohm auf 1 km haben dürfen.
Ferner sind da, wo derVerkehr im
Durchschnitt über 500
Telegramme (gleich etwa 7000
Wörter) für den
Tag undDraht
[* 21] hinausgeht, die beteiligten beiden
Verwaltungen gehalten, entweder eine neue Leitung herzustellen, oder schneller arbeitende
Apparatsysteme zu verwenden.
Endlich ist nachgegeben worden, daß in der
Adresse der
Telegramme nicht nur die
Namen von Bestimmungsanstalt
und -Land, sondern auch die zur nähern Bezeichnung der
Lage des Adreßortes hinzugefügten Benennungen
einer territorialen Unterabteilung des
Landes
(Provinz,
Kreis,
[* 22]
Departement etc.) ohne Rücksicht auf die Zahl der gebrauchten
Buchstaben oder
Wörter als nur je ein Taxwort gezählt werden. Die nächste internationale Telegraphenkonferenz, welche sich
in erster
Linie mit dem deutscherseits vorgeschlagenen allgemeinen und einheitlichen
Tarif befassen wird,
findet 1895 in
Budapest
[* 23] statt.
GrafGeisa, früher ungar.
Minister, geb. zu
Deés
(Siebenbürgen), besuchte nach beendigten Gymnasialstudien
die landwirtschaftliche
Akademie zu
Hohenheim und absolvierte dann noch das Rechtsstudium; hierauf trat er in den
Verwaltungsdienst im
KövárerDistrikt ein, wo er zuletzt Obernotar ward; 1875 nahm er ein
Mandat für das ungarische Abgeordnetenhaus
an, dessen Mitglied er seitdem beständig geblieben ist. Inzwischen war er auf belletristischem Gebiet auch litterarisch
thätig. Im J. 1888 wählte ihn das Abgeordnetenhaus zu seinem
Quästor, 1889 wurde ihm das
Portefeuille
eines
Ministers des Innern
übertragen, welches er jedoch nur bis zum März 1890 innehatte. Bei seinem Rücktritt wurde er
mit der
Würde eines
Wirklichen k. k.
GeheimenRates ausgezeichnet.
absolute, s.
Mariotte-Gay-Lussacsches Gesetz. ^[= Das Mariottesche Gesetz sagt aus, daß bei gleichbleibender Temperatur das Volumen v einer bestimmte ...]
ist ein besonderes Gebäude (tennis court, jeu de paume, Ballhaus), etwa 29 m lang, 10 m breit, mit einer Umfassungsmauer
von mindestens 7 m Höhe, auf der die das Dach
[* 30] tragenden Pfeiler ruhen. Im Innern des Gebäudes, dessen Fußboden, fein gepflastert
oder zementiert, mit einem Liniennetz gezeichnet ist, laufen, der einen Längsmauer und den beiden Quermauern
angebaut, niedere, schmale, schräg abgedachte Wandelgänge mit verschiedenartigen Öffnungen (ouverts du premier, de la porte,
du second, du dernier; grille; dedans).
Durch den Zusatz des Wandelganges mit dem dedans und den an der glatten Längsmauer befindlichen Vorsprung (tambour) unterscheiden
sich die neuern Ballhäuser von den früher (in Deutschland
[* 31] fast ausschließlich) gebräuchlichen jeux
carrés. Quer über die Mitte (parallel den Quermauern) ist ein Netz gespannt, an den Endpunkten je 1,5 m, in der Mitte 90 cm
hoch, welches den Spielraum in zwei Hälften teilt, welche von je einer Partei zu ein oder zwei Spielern verteidigt
werden.
Ursprünglich wurde der Ball im Fluge oder nach dem ersten Aufprall vom Boden mit der Handfläche (palma: paume) geschlagen,
daneben kam aber früh schon der Gebrauch des Ballschlägers (raquette, racket) auf und verdrängte das Handballspiel. Sobald
der Ball unter bestimmten Formalitäten aufgeschenkt ist, treibt ihn jede Partei der andern so zu, daß
er stets über das Netz fliegt, dagegen weder den Plafond noch die Mauern oberhalb der Spiellinie berührt. Es kommt also darauf
an, den Ball fortwährend im Gange zu erhalten; jeder Fehler kommt dem Gegner zu gute. Im übrigen vergleiche man das Werk
von JulianMarshall, »Annals of Tennis« (Lond.
1878).
Das moderne Tennis, wie es heute noch in Frankreich und besonders in England (30 Ballhäuser) in Blüte
[* 32] steht, ist das Produkt einer
Jahrhunderte dauernden Entwickelung. Sein Mutterland ist Italien, wo wir in einem nach klassischem Vorbild entstandenen Handballspiel
das Prototyp von Tennis zu suchen haben. Aber erst im Mittelalter bildete sich in Frankreich das spezifische
jeu de la courte paume aus. Mitte des 14. Jahrh. hatte ganz Paris seine Ballhäuser, deren Zahl im J. 1657 auf 114 steigt.
Sämtliche französischen Könige (besonders Heinrich IV.), hoch und niedrig huldigten dem Spiel, dessen größte Blütezeit bis
zu Ludwig XIV. währt. Am bekanntesten ist wohl das Ballhaus von Versailles,
[* 33] in welchem die Nationalversammlung
tagte. Von Frankreich aus verbreitete sich das Spiel, von den Franzosen le roi des jeux et le jeu des rois betitelt, besonders
nach Italien (im 16. Jahrh.), nach England unter dem Namen Tennis (vor 1369), um das 16. Jahrh. an die deutschen
Hose und in die größern deutschen Städte, starb aber im Laufe des 18. Jahrh., ausgenommen in Wien,
[* 34] allmählich bei uns aus.
Wenige Platz- und Straßennamen erinnern noch an diese kulturhistorisch hochinteressante Erscheinung.
Man unterscheidet Bau- und Zierterrakotten. Erstere sind, was die technische Seite
betrifft, nur bis zur höchstmöglichen Vollendung gearbeitete, mit Ornamenten versehene oder in kunstvollen Formen hergestellte
Verblendsteine u. -Stücke, die den Hauptschmuck einer Fassade ausmachen. Man bedient sich zur Belebung der dekorativen Wirkung
oft verschiedener Farben, die den Thonen entweder eigentümlich sind, oder die sie durch Zumischen färbender
Metalloxyde erhalten haben.
AlleWaren sind zur Erhöhung der Wetterbeständigkeit möglichst bis zur Sinterung gebrannt; bei fetten Thonen und bei großen
Stücken setzt man zur Verminderung der Schwindung und des damit zusammenhängenden leichten Rissigwerdens beim Brennen auch
wohl einen Teil oder die Hälfte in schon gebranntem und wieder fein gepulvertem Zustand (Schamotte) zu.
Die Farben der Bauterrakotten und der hinsichtlich der technischen Anfertigung hier gleichfalls hergehörigen Mosaikplatten
gehen vom hellsten Gelb bis zum Schwarz. Auch Porzellansteine aus weißem Kaolin, glasierte oder unglasierte Stücke, verwendet
man. Das Brennen der Waren findet in Steingut-, Porzellan- oder Mendheimschen Gasöfen statt. Die Zierterrakotten,
d. h. die bekannten Väschen und Figuren aus meist gelb oder rot brennendem Thon, sind technisch in noch verfeinerter Art hergestellt,
unterscheiden sich aber sonst in ihren technischen Eigenschaften nicht von der Bauterrakotta.
(Geschichte). Noch immer bilden die politischen Zustände des Kantons Tessin eine unerfreuliche
Ausnahme in der SchweizerEidgenossenschaft, indem das Parteileben in demselben eine Entwickelung genommen hat, welche an die
leidenschaftlichen Kämpfe der italienischen Republiken des Mittelalters erinnert. Bei den Wahlen im März 1889 konnte nur durch
das rechtzeitige Einschreiten der Bundesbehörden Bürgerkrieg und Gewaltthat verhindert werden. Die Hauptursache der beständigen
Aufregung, die rücksichtslose Parteiherrschaft der Klerikalen, blieb bestehen.
Dank einer künstlichen Wahlkreiseinteilung fielen ihnen im GroßenRate 75 und den Liberalen, obschon diese an Zahl fast gleich
stark waren, nur 37 Sitze zu, so daß sich die letztern zu der Rolle einer ohnmächtigen Minderheit verurteilt sahen. Regierung,
Gerichte, Statthalterposten, Schule blieben ausschließlich in den Händen der Klerikalen. Im April 1890 schien
die Entdeckung, daß der dem herrschenden System angehörige Staatskassierer Scazziga, ein notorischer Börsenspieler, dank
der nachlässigen Kontrolle seiner Vorgesetzten, den Staat um mehr als eine Million hatte betrügen können, einen Umschwung
herbeizuführen. Im Volke gab sich große Aufregung kund, die Regierung, die von der liberalen Opposition
mit einer Anklage bedroht wurde, dankte in corpore ab; aber ihre Mitglieder wurden vom GroßenRate teils wiedergewählt, teils
durch Gesinnungsgenossen ersetzt, so daß der ganze Sturm im Sande verlief.
Hierauf versuchten die Liberalen ihr Glück mit einer partiellen Revision der Kantonalverfassung, durch welche
für den Staatsrat und die untern Richter die Wahl durch das Volk eingeführt und die frühern Wahlkreise wiederhergestellt werden
sollten. Trotz der heftigsten Opposition der herrschenden Partei bedeckte sich das Revisionsbegehren mit mehr als 10,000 Unterschriften,
und 9. Aug. wurde dasselbe vom Revisionskomitee der Regierung eingereicht. Nach dem klaren Wortlaut der
¶
mehr
Verfassung hätte diese, sobald 7000 Bürger die Revision verlangten, die Frage, ob revidiert werden sollte oder nicht, innerhalb
Monatsfrist dem Volke zur Abstimmung vorlegen sollen; aber unter dem Vorwand einer genauern Prüfung der Echtheit der Unterschriften
ließ der Staatsrat die gesetzliche Frist verstreichen, ohne die Abstimmung anzuordnen. Als Anfang September
das Amtsblatt noch keine Mitteilung über das Revisionsbegehren enthielt, erklärten die Liberalen die Verfassung für verletzt
und brachten die Sache vor den SchweizerBundesrat.
Statt jedoch den Erfolg dieses Schrittes abzuwarten, zogen die radikalen Elemente der Partei es vor, zur Gewalt zu greifen. In
verschlagenster Weise wurde eine förmliche Verschwörung ins Werk gesetzt, deren Ausbruch die sonst so
geriebene Regierung völlig überraschte. Am 11. Sept. mittags wurde in BellinzonaSturm geläutet, das Zeughaus überrumpelt und
das Regierungsgebäude von den Aufständischen besetzt, wobei der StaatsratRossi erschossen wurde. Drei weitere anwesende Mitglieder
der Regierung wurden verhaftet und gleichzeitig Staatsratspräsident Respini in Lugano, wo er sich zufällig
aufhielt, gefangen gesetzt. Eine liberale Volksversammlung in Bellinzona proklamierte die Absetzung des Staatsrats und GroßenRates und setzte eine provisorische Regierung von Radikalen ein, die sich sofort der Geschäfte bemächtigte.
In der übrigen Schweiz rief die Kunde von diesem Patsche Erstaunen und Unwillen hervor, da man ein solches
Verlassen des Rechtsbodens seit 1848 nicht mehr für möglich gehalten hatte. Auf die erste telegraphische Nachricht sandte
der Bundesrat den Obersten Künzli aus dem Aargau
als eidgenössischen Kommissar mit zwei Bataillonen über den St. Gotthard, die schon 12. Sept. in
Bellinzona eintrafen. Der Kommissar löste die provisorische Regierung auf, entwaffnete die von ihr aufgebotenen
Banden, befreite die Gefangenen und übernahm provisorisch die Leitung des Kantons, indem er sich mit gemäßigten Vertrauensmännern
beider Parteien umgab.
Gegen die Urheber des Aufstandes wurde eidgenössische Strafuntersuchung eingeleitet und an England, wohin sich der mutmaßliche
MörderRossis, ein Bildhauer Castioni aus Stabio, geflüchtet hatte, das Begehren um Auslieferung desselben
gestellt. Zugleich hieß aber der Bundesrat den Rekurs der TessinerLiberalen gut und wies den eidgenössischen Kommissar an,
innerhalb der kürzesten zulässigen Frist die Volksabstimmung über die Verfassungsrevision zu veranstalten.
Die einfache Wiederherstellung der gestürzten Regierung hielt er einstweilen für unthunlich, da es ihm
daran gelegen war, das Volk des Kantons Tessin
unter dem Schutze einer neutralen Behörde zur Revisionsabstimmung schreiten zu lassen. Die
Bundesversammlung, welche auf den 22. Sept. einberufen wurde, billigte diese Haltung, indem der Nationalrat nach einer viertägigen
erregten Debatte, in welcher namentlich die Reden der BundesräteRuchonnet und Welti großen Eindruck machten,
mit 97 gegen 35 Stimmen, d. h. mit allen außer denen der ultramontanen Rechten, den Anträgen des Bundesrats zustimmte, welchem
Beschluß auch der Ständerat beitrat.
Die Rechte hatte ebenfalls die Genehmigung der bundesrätlichen Maßregeln beantragt, wollte aber damit die Einladung zur sofortigen
Wiedereinsetzung der gestürzten Regierung, also ein indirektes Tadelsvotum, verbinden, während sich der
Bundesrat darin freie Hand vorbehielt. Am 5. Okt. fand die Volksabstimmung im
T. statt und ergab einen Sieg derLiberalen, indem
mit 11,899 Ja gegen 11,810 Nein die von den Klerikalen so heftig bekämpfte Revision durch einen Verfassungsrat beschlossen
wurde.
Nach der Konstatierung des Abstimmungsergebnisses zögerte der Bundesrat mit der Wiedereinsetzung der legalen
Regierung nicht länger, aber er machte dabei Vorbehalte zu gunsten des eidgenössischen Kommissars, die einer vorläufigen
Bevormundung derselben gleichkamen, und beschloß zugleich, die Besetzung des Kantons einstweilen fortdauern zu lassen. Als
Grundlagen einer Pacifikation stellte der Bundesrat in mehreren Versöhnungskonferenzen, zu welchen er
die hauptsächlichsten Vertreter beider Parteien nach Bern
[* 36] berief, gerechtere Einteilung der Wahlkreise, gründliche Verbesserung
der mangelhaften, der Parteiwillkür Vorschub leistenden Abstimmungseinrichtungen und Bestellung einer aus Konservativen und
Liberalen gemischten Regierung auf.
Durch den freiwilligen Rücktritt zweier bisheriger Mitglieder der Regierung, darunter des den Liberalen besonders verhaßten
Staatsratspräsidenten Respini, ist die Möglichkeit für das letztere gewährt und überhaupt der Boden
für eine Versöhnung der Parteien geebnet worden. Sollten diese wider Erwarten nicht dazu kommen, sich freiwillig zu verständigen,
so wird die eidgenössische Behörde ihren Erklärungen zufolge von sich aus die nötigen Maßnahmen treffen, um diese Quelle
[* 37] ewiger Beunruhigung für die Schweiz zu verstopfen, und jedenfalls die eidgenössische Intervention diesmal
nicht eher aufhören lassen, bis Garantien für eine dauernde Ordnung in dem zerrütteten Kanton
[* 38] geschaffen sind.
[* 45] inDeutschland1889-90. Die wichtigsten Ereignisse in der Geschichte des deutschen Theaters während der Jahre 1889 und 1890 sind:
1) die auf dem Münchener Hoftheater versuchte Bühnenreform zur Vereinfachung der szenischen Apparate, 2) die Begründung
privater Bühnenvereine und 3) die Beendigung der Gastspielreisen des Meininger Hoftheaters, welches im
J. 1874 den Anstoß zu einer völligen Umgestaltung des deutschen Bühnenwesens in Bezug
¶
mehr
auf äußere Ausstattung mit Dekorationen und Kostümen im Sinn eines geschichtlichen Realismus, auf ein lebendiges Zusammenwirken
zwischen Einzelspielern und Statisten und auf eine natürliche Gestaltung der gesamten szenischen Vorgänge gegeben hatte.
Die von den Meiningern im Laufe von 17 Jahren an vielen Orten ausgestreuten Samenkörner hatten so reiche Früchte getragen,
und ihre Reformen, die im Grunde darauf hinausliefen, aus einem Bühnenwerk ein nach allen Richtungen gleich vollendetes Kunstwerk
zu schaffen, hatten trotz anfänglichen Widerspruchs allmählich so überzeugend und bahnbrechend gewirkt, daß die Mission
der Meininger als vollendet gelten konnte, als der IntendantChronegk bekannt machte, daß der
Herzog von Sachsen-Meiningen den Beschluß gefaßt, sein Theater in Zukunft nicht mehr in der bisher üblichen Weise gastieren
zu lassen.
Die guten künstlerischen Grundsätze der Meininger waren in der letzten Zeit von mehreren Bühnenleitern einseitig ausgelegt
und nach verschiedenen Richtungen übertrieben worden. Einerseits hatte ein maßloser Prunk in der äußern Ausstattung um
sich gegriffen, anderseits war der geräuschvollen Thätigkeit der Statisten, der sogen. Komparserie, in den Volksszenen ein
Spielraum überlassen worden, in dem die Leistungen der führenden Darsteller sich nicht mehr frei entfalten konnten, und
dieser Übelstand droht schließlich das künstlerische Niveau der Schauspielkunst im allgemeinen herabzudrücken.
Gegen einen dieser Auswüchse richtet sich die von dem Intendanten des Münchener Hoftheaters unternommene Reform, der durch
ein Zurückgreifen auf den einfachen szenischen Apparat der alten englischen Bühne zur Zeit Shakespeares zunächst den häufigen
Wechsel der Schauplätze in den DramenShakespeares, der bei der Einrichtung unsrer modernen Bühne nur nach
jedesmaligem Fallen
[* 49] des Zwischenvorhanges durch zeitraubende Veränderungen hinter ihm herbeigeführt werden kann, vermeiden
und dadurch die Einheitlichkeit der Wirkung des dichterischen Werkes steigern wollte.
Freiherr v. Perfall war zu diesem Unternehmen
durch einige, 1887 in der Münchener »Allgemeinen Zeitung« veröffentlichte Artikel von R. Genée angeregt
worden, die der Verfasser später noch einmal, mit andern auf dasselbe Thema bezüglichen vereint, in Buchform unter dem Titel:
»Die Entwickelung des szenischen Theaters und die Bühnenreform in München«
[* 50] (Münch. 1889) herausgab. In einem Rundschreiben
an die Mitglieder des Münchener Hoftheaters und die Zeitungen begründete Freiherr v. Perfall seinen Reformversuch
folgendermaßen: Da die moderne Bühne mit ihrem schweren, äußerst komplizierten Apparat und Mechanismus in einem ganz entschiedenen
Gegensatz zu den Shakespeareschen Dramen steht, die ungeachtet ihrer vielfach verschlungenen und doch so klaren Komposition
ohne Rücksicht auf jeden Mechanismus gedacht und geschrieben sind, so werden wir das anzustrebende Ziel
nur erreichen können, wenn wir eine Bühne schaffen, die in ihrer Einfachheit als eine gewisse Nachbildung der Shakespeareschen
den Dramen dieses Dichters eine freie und uneingeschränkte Entwickelung gestattet.
Die nach dieser Ankündigung eingerichtete Münchener Shakespearebühne (s. Figur), deren praktische Brauchbarkeit zuerst mit
einer Aufführung des »König Lear« erprobt wurde, schließt sich insofern an einen 1817 aufgestellten
PlanSchinkels an, als sie ein in das Orchester vorgebautes Proszenium angenommen hat und die wechselnden Seitenkulissen wegfallen
läßt, an deren Stelle eine bleibende Gardinendekoration tritt, während der Wechsel der Schauplätze durch den Prospekt im
Hintergrunde angedeutet wird. In diesem vorgebauten Proszenium sieht Genée die eine der beiden großen
Errungenschaften der neuen Shakespearebühne (die andre ist der leichte Szenenwechsel), weil nach seiner Meinung auf diesem
Proszenium das Wort des Dichters ganz unvergleichlich mehr zur Geltung kommt als auf der gewohnten, mit allerlei die Aufmerksamkeit
ablenkenden Requisiten und Versatzstücken ausgestatteten Bühne. An dieses Proszenium schließen sich
nach hinten zwei Bühnenteile an, ein vorderer, der unverändert bleibt (die Vorderbühne), und ein durch drei Stufen erhöhter
schmälerer, der in der ersten Kulisse der vorhandenen Bühne beginnt und durch einen Vorhang geschlossen werden kann (die
Mittelbühne).
Über die Einzelheiten macht die SchriftGenées folgende Angaben: Die MünchenerBühne, die in der Linie
des Hauptvorhangs (vor der Vorderbühne) eine Breite
[* 51] von 13½ m hat, ist nach vorn bogenförmig bis über die Hälfte des Orchesters
nach dem Zuschauerraum vorgerückt, die Mittelbühne ist 8 m breit und 6 m hoch und hat ebenfalls statt
der Seitenkulissen eine feststehende Begrenzung, deren Ein- und Ausgänge, wie die der Vorderbühne, durch Gardinen geschlossen
sind. Die ganze Vorderbühne, die unverändert bleibt, zeigt
in den obern Teilen eine gemalte Rundbogenarchitektur. Die Vorderbühne ist in halbdunklem, unbestimmtem Farbenton gehalten.
Wenn der Vorhang der erhöhten Mittelbühne nach beiden Seiten auseinander gezogen wird, sind Vorder- und Mittelbühne
ein einheitliches Ganze, und der Schauplatz erhält reicheres Leben durch die den Abschluß bildende, meist heller beleuchtete
Hintergrunddekoration. Das erhöhte und schmälere Dekorationstheater gibt in dieser Vereinigung mit
der Vorderbühne den natürlichen Boden für malerische Gruppierungen. In diesen zwanglos sich ergebenden Wechselbeziehungen
zwischen beiden Bühnenteilen liegt (nach GenéesAnsicht) der Hauptzweck dieser szenischen Einrichtung.
Einzig bei den wirklichen Abschlüssen fällt der zum Teil zurückgezogene, zum Teil aufgeraffte Hauptvorhang hernieder.
Sämtliche Veränderungen der Szene während der Akte werden entweder durch das Schließen des Mittelvorhangs bewirkt, so daß
dann die nächste kurze Szene auf der Vorderbühne spielt, oder sie geschehen bei gänzlich offener Bühne durch den bloßen
Wechsel des Prospekts im Hintergrunde. Die grundsätzlichen Gegensätze zwischen der neuen Shakespearebühne und der
Dekorationsbühne, wie sie sich jetzt bei uns entwickelt hat, sind nach den Darlegungen von J. ^[Jocza] Savits, dem Regisseur
des Münchener Hoftheaters (im »Neuen Theateralmanach für das Jahr 1890«, Berl. 1890),
folgende: »Die jetzt allgemein übliche
Dekorationsbühne glaubt im künstlerischen Sinne zu handeln, wenn sie jeden einzelnen Ort, an welchem
sich eine Handlung vollzieht, historisch richtig und vollkommen naturgetreu wirklich herzustellen sucht, während die neue
Shakespearebühne sich damit begnügt, den Ort nur anzudeuten, ihn symbolisch zu bezeichnen, um durch die Macht dieses Symbols
den übrigen Theaterraum, auf welchem sich die Darsteller bewegen, mitsamt dem architektonischen Bau jeweilig in die entsprechende,
vom Dichter gewollte Örtlichkeit geistig zu verwandeln.« Gegen diese Bühneneinrichtung, die allerdings starke Anforderungen
an die Einbildungskraft der Zuschauer stellt, wurde unter andern geltend gemacht, daß sie ein Zurückschrauben der historischen
Entwickelung der Bühne auf einen primitiven Standpunkt bedeute, und daß der Verzicht auf viele Errungenschaften, die die szenische
Kunst mit Hilfe der modernen Maschinentechnik, der Malerei und der verwandten Künste in unserm Jahrhundert
gemacht, in Wirklichkeit ein historischer Rückschritt sei und das Zusammenwirken aller Künste zur Herstellung eines nach
allen Seiten gleich vollendeten szenischen Kunstwerkes, das namentlich von Wagner und seinen Anhängern als das höchste Ziel
der Bühnenkunst bezeichnet wird, unmöglich mache.
Der häufige Szenenwechsel in dem Goetheschen Jugenddrama hatte auch den Direktor des königlichen Schauspielhauses in Berlin,
OttoDevrient, der in dieser Stellung vom bis wirkte, zu dem Versuche einer neuen szenischen
Einrichtung veranlaßt, der er die erste Fassung des Schauspiels unter dem Titel: »Geschichte Gottfriedens von
Berlichingen
mit der eisernen Hand.
[* 54] Dramatisiert« in eigner Bearbeitung (Leipz. 1890) zu Grunde legte. Für den zweiten, den vierten und
einen Teil des fünften Aufzugs ordnete er eine Zweiteilung der Bühne durch eine Zwischenwand an, wobei
die eine Hälfte der Bühne immer verdeckt blieb, während auf der andern gespielt wurde.
Die Vorteile der raschen Aufeinanderfolge der Szenen wurden aber durch ebenso große Nachteile aufgewogen, da das szenische
Bild durch die Zweiteilung zerrissen wurde, die tote Hälfte der Bühne die Illusion der Wirklichkeit mehr
störte als förderte und überdies den Schauspielern auf der verengerten Bühne nicht der nötige Raum zur freien Bewegung
übrigblieb. Die erfolgte erste Aufführung hatte denn auch einen so geringen Erfolg, daß das Drama nach einigen
Wiederholungen wieder vom Spielplan verschwand.
Über die Freien Bühnen s. den besondern Artikel, dem noch nachzutragen ist, daß sich im Januar 1891 in
München eine »Gesellschaft für modernes Leben« gebildet hat, die auch dort eine FreieBühne ins Leben rufen will. Aus der auf
die Freien und Volksbühnen bezüglichen Litteratur sind hervorzuheben: H. v. Maltzan, Die Errichtung deutscher Volksbühnen,
eine nationale That (Berl. 1889);
Aus der deutschen Theaterchronik der Jahre 1889 und 1890 sind von den übrigen Vorgängen geringerer
Bedeutung noch folgende hervorzuheben: Die beiden im Herbst 1888 neugegründeten Buhnen in Berlin, das Berliner
[* 56] Theater und das
Lessingtheater, hatten sich eines guten Gedeihens zu erfreuen, ersteres vorzugsweise durch die Pflege des klassischen Dramas
im Sinne der Meininger, ohne daß Gewicht auf hervorragende Einzelleistungen gelegt wurde, letzteres durch einen
abwechselungsvollen Spielplan, in dem besonders das französische Sittendrama und die deutsche realistische Richtung, die
in erster Linie durch H. Sudermann vertreten wird, zur Geltung kam.
SudermannsSchauspiel »Die Ehre« erlebte dort seine erste Aufführung und machte von da die Runde über die meisten deutschen
Bühnen. Erheblich geringere Erfolge hatte das zweite Werk des Verfassers, »Sodoms Ende«. Die Nachahmer
dieser Richtung, die die Einheitlichkeit des dramatischen Kunstwerkes preisgibt, weil ihre dramatischen Erzeugnisse halb Volksschauspiel,
halb Salonkomödie oder -Tragödie sind, wandten sich zumeist dem DeutschenTheater zu, so E. v. Wildenbruch mit seiner»Haubenlerche«,
L.Fulda
[* 57] mit dem »Verlornen Paradies« und F. Philippi mit dem »Alten Lied«.
Einen nachhaltigern Erfolg als mit diesen ephemeren Erscheinungen hat das Deutsche
[* 58] Theater mit einer in die Zeit eines Theaterabends
zusammengedrängten Bearbeitung des zweiten Teiles von Goethes »Faust« erzielt, die, von A. L'Arronge durchgeführt, unter dem
Titel: »FaustsTod« am zum erstenmal aufgeführt wurde und bis März 1891: 100 Aufführungen erlebte.
Aus der Reihe der ältern TheaterBerlins scheidet mit Schluß der Wintersaison 1891 das 1859 erbaute Viktoriatheater, in dem
vorzugsweise die Feerie und das Ausstattungsstück gepflegt wurde. Es wird wegen Weiterführung der Kaiser Wilhelmstraße abgebrochen.
Einen Ersatz dafür bieten zwei neue Theaterunternehmen, die sich zur Zeit (März 1891) noch in den ersten
Stadien der Entwickelung befinden, aber völlig
¶
mehr
gesichert sein sollen: ein Theater für das feinere Schau- und Lustspiel am Schiffbauerdamm und eine Spezialitätenbühne, die
auch Ausstattungsstücke bringen will, auf einem großen Gebäudekomplex Unter den Linden. Neu begründet sind in den Jahren 1889 und 1890 das
Parodietheater, das sowohl klassische Schauspiele und Opern als auch die erfolgreichsten Repertoirestücke
andrer Theater zu tollen Burlesken travestiert, und das Bürgerliche Schauspielhaus, das seine Absicht, zu einem guten Volkstheater
für den Mittelstand zu werden, jedoch aus Mangel an Teilnahme nicht durchführen konnte.
Unter den während der Jahre 1889 und 1890 neuerbauten und eröffneten Theatern im DeutschenReich sind die hervorragendsten:
das Stadttheater in Tübingen
[* 60] (eröffnet das aus Beiträgen der Stadt und der Bürgerschaft
nach den Plänen von O. March inCharlottenburg
[* 61] errichtete Spiel- und Festhaus in Worms
[* 62] (eröffnet das einerseits
zur Pflege des Volksschauspiels unter Mitwirkung der Einwohnerschaft bei festlichen Gelegenheiten dienen soll, anderseits
für gewöhnlich nur an SonntagenVorstellungen von Mitgliedern des Hoftheaters in Darmstadt
[* 63] bietet, und
das von Schnittger und Nierenheim erbaute Stadttheater in Göttingen
[* 64] (eröffnet
Das OberammergauerPassionsspiel kam 1890 zum 25. Male an 25 Tagen (vom 26. Mai bis 28. Sept.), denen sich an den folgenden Tagen noch
häufig wegen des großen Andrangs Wiederholungen anschließen mußten, zur Aufführung, aber in einer
Gestalt, die von der der frühern Aufführungen in vielen Punkten abwich und sich (im Gegensatz zu den in München gepflegten
Bestrebungen nach Vereinfachung des Bühnenapparats) mehr dem modernen Bühnenprunk zuwandte, wodurch der naive Charakter
des ursprünglichen Volksschauspiels stark beeinträchtigt wurde.
Das alte Bühnenhaus wurde nicht nur von dem Münchener Obermaschinenmeister Lautenschläger völlig umgestaltet und mit neuen
Maschinerien versehen, sondern es wurden auch neue Dekorationen und Kostüme
[* 65] angeschafft, wodurch ein Kostenaufwand von etwa
250,000 Mk. verursacht wurde, dem allerdings eine Einnahme von etwa 700,000 Mk. gegenübersteht. Das Passionsspiel rief
wieder eine Flut von litterarischen Erzeugnissen hervor, von denen jedoch keins die vorhandene ältere Litteratur wesentlich
bereichert.
Aus der Chronik der deutschen Theater außerhalb des DeutschenReiches ist der am erfolgte Schluß des deutschen kaiserlichen
Hoftheaters in St. Petersburg
[* 67] nach etwa 80jährigem Bestehen besonders erwähnenswert. Obwohl diese Maßregel
nicht ohne Zusammenhang mit den neuerdings mit großem Nachdruck betriebenen Russifizierungsbestrebungen sein mag, so ist
doch der Verlust dieser Pflegstätte deutscher Schauspielkunst im
Auslande deshalb nicht sehr zu beklagen, weil der letzte
Leiter, vielleicht unter dem Druck ungünstiger Verhältnisse, weniger auf die Pflege der deutschen Bühnenlitteratur als auf
leichte Reizungen des Unterhaltungsbedürfnisses durch Singspiele etc. bedacht war. Auch das deutsche
Theater in Budapest ist, nachdem es durch Brand zerstört worden, eingegangen.
in Böotien ist 1888 von E. Fabricius genauer untersucht worden, wobei derselbe den Lauf der
Stadtmauern fast ringsum feststellen konnte. Letztere, aus dem Jahre 316 v. Chr., als Kassander Theben wiederherstellte, stammend,
bestanden aus Lehm und waren oben mit Dachziegeln gedeckt, welche sich vielfach an Ort und Stelle erhalten haben und so denZug
der
Mauern verraten. Es ergab sich, daß dieselben viel weiter nach W. reichten und dort ein größeres
Terrain einschlossen, als man bisher angenommen hat. Im S. fallen sie mit der Südmauer der Kadmeia zusammen, des Burghügels,
welcher die heutige Stadt trägt und ebenso die älteste Ansiedelung getragen hat, welche aber schon in vorhistorischer Zeit
durch Amphion
[* 68] und Zetos zum siebenthorigen Theben erweitert wurde und diesen Umfang von 43 Stadien oder etwas
über eine deutsche Meile stets beibehielt, auch bei der Wiederherstellung durch Kassander.
Schon um 250 v. Chr. war aber Theben bereits wieder auf die Kadmeia beschränkt, und zu Pausanias' Zeit (2. nachchristliches Jahrhundert)
war auch die Mauer Kassanders schon verfallen. Von den Thoren setzt Fabricius eines, die Pylai Neïstai,
in die Westmauer;
eines, das Quellenthor, in die Nordmauer;
zwei, die Pylai Proitides und die Pylai Homoloïdes, in die Ostmauer;
und drei, die Pylai Hypsistai, Ogygiai und Elektrai (von W. nach O. gerechnet), in die Südmauer.
Die ältere Agora ist in der
nordöstlichen Ecke der Stadt zu suchen.
Litteratur. Vor schon 15 Jahren hat AdolfHausrath sein ausgezeichnetes Werk »DavidFriedrichStrauß
[* 69] und die
Theologie seiner Zeit« mit den Worten beschlossen: »Die Gegenwart ist nur der letzte Augenblick der Vergangenheit, und die Generation
von heute findet die Arbeit da, wohin das Geschlecht von gestern sie geschoben. Hengstenberg, Hoffmann und
Strauß sind im Laufe der letzten Jahre der Reihe nach abgerufen worden. Ihr Erbe haben wir angetreten. Es wird uns niemand um
diese Erbschaft beneiden« (S. 398). Auf den ersten Anblick scheinen diese wenig ermutigenden Worte allerdings der heutigen
Sachlage kaum zu entsprechen.
Wenigstens finden wir im theologisch-kirchlichen Sprechsaal gemeinhin eine recht erbauliche Sicherheit und Selbstzufriedenheit
an der Tagesordnung. Wer an frühere Tage zurückdenkt, sich etwa die Sachlage vor einem halben Jahrhundert vergegenwärtigt,
wo die Mythologisierung des »Lebens Jesu« durch D. Fr. Strauß den angesehensten, auch gläubigsten und zugleich gelehrtesten
Theologen schlaflose Nächte verursachte, wo es sich um die pantheistische oder theistische Fassung des
Gottesbegriffs handelte, die persönliche Fortdauer in Frage stand und die Religion als die welthistorische Selbsttäuschung
des krankhaften Menschenherzens entlarvt sein sollte, der wird aus den religionsphilosophischen und dogmatischen Debatten
der Gegenwart zunächst nur den Eindruck empfangen, als seien alle jene kräftigen Probleme, darüber sich
Väter und Großvater der heutigen Generation die Köpfe zerbrachen, zu
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