In
Schweden
[* 2] befindet sich ein vom
Ingenieur Skoglund erfundenes rauchloses S. im
Versuch, welches Hafergrütze ähnlich sieht
und seiner
Farbe nach Graupulver genannt wird. Nach der Patentbeschreibung besteht es aus einem
Nitrat, dessen brisanteWirkung
durch Zusatz eines
Salzes (vermutlich salpetersaures
Ammoniak) herabgemindert wird. Es soll, wie durch nächtliche Schießversuche
festgestellt wurde, beim
Schießen
[* 3] keine
Flamme
[* 4] geben, wenig
Wärme
[* 5] entwickeln und geringen
Rückstoß haben. In
England ist ein
seines bindfadenförmigen Aussehens wegen
Kordite genanntes rauchfreies S. unter der Bezeichnung E. X. E. als Geschützpulver
eingeführt worden. Es hat außerordentlich glänzende Feuererscheinung und stärkern
Knall als Schwarzpulver;
es wird in
Waltham-Abbey gefertigt. In
Österreich
[* 6] ist beim
Gewehr 88 ein vom
MajorSchwab in der Dynamitfabrik zu
Preßburg
[* 7] angefertigtes
rauchfreies S. im
Gebrauch, welches sehr befriedigt. Libbrecht,
Direktor der
Gesellschaft von Copal u.
Co. in
Wetteren
(Belgien,
[* 8] Ostflandern), hat Mitte 1890 ein rauchloses
Pulver erfunden,
Körner von 2
cm Seitenlänge, welches bei Schießversuchen in Caulille
sich gut bewahrte.
Vgl.
Abel, Smokeless explosives, in »Chemical
News and
Journal of Physical
Science«, Nr. 1582 und 1583, März 1890.
Die Anwendung des rauchlosen (rauchschwachen)
Schießpulvers übt einen bedeutenden Einfluß auf die
Taktik
aus. Durch den Fortfall des
Rauches beim
Schießen geht das wesentlichste und oft einzige Merkmal verloren, den Feind im Gelände
zu entdecken, seine
Stellung in ihrer ganzen
Ausdehnung
[* 9] zu übersehen; aber es geht dadurch auch der feuernden
Truppe die
Deckung
der eignen
Bewegungen verloren, die der Pulverrauch gegen feindliche
Beobachtung gewährt. Anderseits ist
dadurch das wesentlichste Hindernis scharfen Zielens, wie zur
Beobachtung des eignen
Feuers und seiner
Wirkung beseitigt. Es
handelt sich nun darum, theoretisch und, soweit es die Übungen gestatten, auf
Grund praktischer
Anschauungen und
Erfahrungen
die
Grenzen
[* 10] dieses Einflusses auf beiden Seiten sowie diejenigen Maßnahmen festzustellen, mit deren
Hilfeman in den verschiedenen Kampfverhältnissen den Nachteilen dieses Einflusses begegnen und seine Vorteile ausbeuten kann.
Die Ausübung des Sicherheits- und
Aufklärungsdienstes wird bedeutend erschwert, da die weithin sichtbare
Kavallerie von der
Infanterie mit ihrem weittragenden
Gewehr beschossen werden kann, ohne daß sie zu entdecken vermochte, woher das
Feuer kam. Daraus folgt, daß das neue
Pulver die Möglichkeit erfolgreicher
Überfälle vermehrt.
Alle zu
Fuß kämpfenden
Truppen,
also auch die abgesessen kämpfende
Reiterei, werden vom
Spaten den ausgiebigsten
Gebrauch machen, um sich
Deckung zu verschaffen,
denn der gute
Schütze kommt bei der Übersehbarkeit des Schlachtfeldes mit seiner ausgezeichneten, weittragenden
Schußwaffe heute viel mehr zur Geltung als je. Die
Infanterie wird deshalb schon auf größern
Entfernungen sich zum
Gefecht
formieren müssen; ihre eigentliche Kampfform ist die aufgelöste
Ordnung, die Schützenlinie.
Die
Reiterei findet für ihre
Attacken, deren Erfolg nicht selten von ihrer überraschenden Ausführung abhängt, nicht mehr
den deckenden Pulverdampf und wird daher mit Sorgfalt in größern
Entfernungen durch das Gelände gedeckte
Aufstellungen suchen müssen und dadurch zu viel weiter ausgreifendem, oft verlustreichem
Anlauf
[* 11] gezwungen sein. Den größten
Gewinn vom neuen S. hat die
Feldartillerie, deren Wirksamkeit von ununterbrochener, klarer
Beobachtung und scharfem
Richten abhängt.
Sie ist nicht mehr gezwungen, bei der
Wahl ihrer
Aufstellung Rücksicht auf die Windrichtung zu nehmen,
sondern geht dahin, wo sie die beste Feuerwirkung erwarten kann und, wenn möglich, gedeckt ist. Das französische
Reglement
sagt: vor allem sehen; sodann, wenn möglich, nicht gesehen werden! Das deutsche: jede Rücksicht auf
Deckung muß derjenigen
auf Feuerwirkung nachstehen. Um das
Krepieren ihrer
Geschosse
[* 12] besser beobachten zu können, wird die
Artillerie
sich stark rauchender Sprengladungen bedienen. Im
Festungskrieg wird die
Artillerie, noch viel mehr als bisher, ihre Erfolge
vom
Wurffeuer zu erwarten haben, da das für das
Demontieren notwendige
Erkennen der feindlichen Geschützstellung wegen Mangels
an Raucherscheinung nur ausnahmsweise gelingen wird.
Vgl. v.
Löbell, Jahresberichte über Veränderungen
und Fortschritte im Militärwesen (1890,2. Teil);
vom preußischen Artillerieobersten Rohne erfundene Anleitung zum applikatorischen
Studium der Schießregeln
u. Feuerleitung der
Feldartillerie. Der
Spieler erhält eine Aufgabe, welche er unter Vornahme der
Korrektur
auf
Grund der ihm gegebenen
Beobachtungen unter
Abgabe der reglementarischen
Kommandos zu lösen hat.
Aufschlag der
Granaten,
[* 13]
Lage
des Sprengpunktes der
Schrapnells werden mit
Hilfe einer
Tabelle und von
Losen durch den Leitenden ermittelt. Das S. kann sowohl
zur Vorbildung für die Feuerleitung in
Batterien als zur
Prüfung der Schießregeln dienen. Durch entsprechende
Umrechnung der
Tabellen würde das S. auch für die Fußartillerie verwendbar.
[* 14] Von
Beauchamp-Tower ist eine Vorrichtung angegeben, durch welche auf
Schiffen ein von den Schwankungen unabhängiger
Standpunkt geschaffen werden soll. Sie besteht in einer
Plattform, welche schwingend aufgehängt und mit
hydraulischen
Cylindern ausgestattet ist, deren
Kolben sich gegen feste
Punkte des
Schiffes stützen. Diese
Cylinder sollen nun
im
Verein stets so wirken, daß sie die
Plattform in wagerechter
Lage erhalten. Es muß das Betriebswasser je nach der
Neigung
des
Schiffes in die
Cylinder auf der einen Seite reichlicher
¶
mehr
eindringen als auf der andern, um die Entfernung zwischen den die Schiffsbewegungen mitmachenden Kolben und den Cylindern stets
so zu regeln, daß die wagerechte Stellung der Plattform herbeigeführt wird. Um dies zu stande zu bringen, bedient sich Beauchamp-Tower
eines an der Plattform angebrachten Gyroskops (s. Bd. 7, S. 967), welches durch ein mittels eines Kugelzapfens
frei beweglich aufgehängtes Rad gebildet wird, das um seine senkrechte Achse mit ungefähr 15 Umdrehungen in der Sekunde rotiert.
Die dauernde Rotation wird durch Druckwasser von 7 Atmosphären herbeigeführt, welches durch den hohlen Kugelzapfen zugeführt
wird und, in tangentialer Richtung ausströmend, das Rad wie eine Reaktionsturbine umtreibt. Die schnelle
Umdrehung des Rades bewirkt, wie bei jedem Kreisel, daß seine Drehungsachse stets senkrecht bleibt, wenn auch die Plattform
beginnen sollte, sich zu neigen. Aus einer zentrischen, aufwärts gerichteten Ausflußöffnung des Rades wird daher stets
ein senkrecht emporsteigender Wasserstrahl austreten.
Dieser tritt nun auf vier eng zusammenstehende Fangdüsen, welche mit der Plattform fest verbunden sind
und die Enden von den zu den vier Cylindern führenden Leitungsrohren bilden. Die gegenseitige Lage der Ausflußöffnung des
Rades und der Fangdüsen ist derart, daß bei wagerecht stehender Plattform die Achse des Wasserstrahls gerade in die Mittellinie
der Düsen fällt, so daß der Stoß des Wasserstrahls sich gleichmäßig auf alle vier Düsen verteilt
und somit in den vier Cylindern gleiche Pressung herrscht. Sobald aber die Plattform sich nach irgend einer Seite neigt, stehen
die vier Düsen nicht mehr zentrisch zum Wasserstrahl, die Pressungen in den Druckcylindern sind ungleich, infolge wovon eine
Verstellung der Platte durch die Cylinder mit stärkerer Pressung eintritt, bis die Düsen ihre mittlere
Stellung wiedererlangt haben, die Plattform also wieder wagerecht steht.
Von Haenlein in Frauenfeld (Schweiz)
[* 16] wird zur Fortbewegung von Schiffen ein Strahl komprimierter Luft in Vorschlag gebracht, derart,
daß der stetige Druck der Luft auf das Wasser zur Geltung kommen soll. Der Luftstrahl wird nicht ins freie
Wasser entsendet, sondern gibt in einer oben und zu beiden Seiten geschlossenen, unten offenen Rinne (Druckrinne) seine Kraft
[* 17] an das Wasser ab. Beim Eintreten eines Luftstrahls in das freie Wasser kommt nur ein geringer Teil der dem Strahl innewohnenden
Arbeit durch Reaktion zu nutzbarer Verwendung, während der Luftstrahl in der Haenleinschen Druckrinne
eine höhere Nutzleistung als Schraube und Schaufelrad ergeben soll.
Dabei soll das Wasser spiegelglatt bleiben. In denFiguren 1 und 2 bedeutet a das Schiff, b den Dampfkessel,
[* 18] c den zur Erzeugung
der Preßluft erforderlichen, durch Dampfkraft betriebenen Luftverdichter; d und d1 sind die beiden
seitlich am S. angebrachten Druckrinnen, in welchen der Luftstrahl zur Wirkung kommt, e sind Leitschaufelapparate, welche
ein ruhiges Austreten der Luft bewirken sollen, f und f1 sind Austrittsdüsen. Die verdichtete Luft gelangt durch die Rohre
g und g1 zu den Druckrinnen, tritt bei A in
das Wasser, drückt bei ihrem Wege aufwärts zu den Leitschaufelapparaten
auf das Wasser, wodurch das S. vorwärts getrieben wird, und geht durch den Leitschaufelapparat, bez.
die Düsenf und f1ins Freie. Zum Rückwärtsfahren wird die Luft bei B statt bei A eingeführt, die Leitschaufeln werden
entsprechend umgestellt.
Natürlich kann man dadurch, daß man auf einer Seite des Schiffes die Vorwärtsstellung, auf der andern die Rückwärtsstellung
eintreten läßt, eine Drehung des Schiffes herbeiführen. Mit einem Schiffsmodell von 1200 mmLänge, 260 mmBreite,
[* 19] 100 mm Schiffstauchung, 15 mmBreite der Druckrinne und einer effektiven Leistung der Dampfmaschine
[* 20] von 1/1154 Pferdekraft wurden Versuche
angestellt. Das Modell erreichte in stehendem Wasser eine Geschwindigkeit von 0,14 m in der Sekunde, wobei ein Schiffswiderstand
von 33 g ermittelt wurde. Diese Art der Schiffspropulsion soll nach der Ansicht des Erfinders besonders auf Kanälen Verwendung
finden, wo häufig der Pflanzenwuchs so dicht ist, daß Schrauben
[* 21] und Räder in kürzester Zeit unwirksam
werden, und wo der durch diese Treibmittel erzeugte Wellenschlag die Ufer geschädigt.
Um längs der Flußläufe und Kanäle an jeder Stelle eine mechanische Zugkraft zu haben, die von jedem S. benutzt werden kann,
hat man wiederholt Versuche gemacht, ein Seil ohne Ende, welches, längs der beiden Ufer laufend, von einem
Motor in Bewegung gesetzt wird, zum Schiffziehen zu verwenden. Doch zeigten sich dabei beträchtliche Schwierigkeiten, welche
hauptsächlich darin bestanden, die Führung und Unterstützung des Seiles derart zu gestalten, daß Brücken,
[* 22] Schleusen und
Biegungen der Strecke unbehindert passiert werden können, ferner in der Einrichtung der Greifer zum Verbinden
der Schiffsleine mit dem Zugseil.
Lévy und Oriolle haben unabhängig voneinander in verschiedener Weise die Beseitigung dieser Schwierigkeiten angestrebt, wobei
sie hauptsächlich folgende drei Aufgaben zu lösen hatten: Die Leine, welche das S. mit dem Triebseil verbindet, soll mittels
einer Vorrichtung angehängt werden, welche es dem Bootsmann ermöglicht, die Fahrt an jeder Stelle des
Wasserlaufs zu beginnen oder zu unterbrechen, ohne ans Land steigen zu brauchen;
die Bewegung soll beim Beginn der Fahrt mittels
eines besondern Mechanismus in der Weiseübertragen werden, daß dem S. die Fahrgeschwindigkeit mit Vermeidung jedes Stoßes
nur allmählich erteilt wird;
das Zugseil soll mit seinen Leitrollen in solcher Verbindung stehen, daß
es sich von ihnen nicht trennen kann.
Die SystemeLévy und Oriolle sind auf Versuchsstrecken praktisch verwendet worden, welche
die gleichen örtlichen Schwierigkeiten (Brücken, Schleusen, Krümmungen) darbieten, das SystemLévy auf dem Kanal
[* 23] St.-Maurice
bei Paris
[* 24] (Streckenlänge 5 km), das von Oriolle auf dem Kanal von St.-Quentin bei Tergnier (Streckenlänge 3 km).
Die hierbei erzielten Erfolge waren zufriedenstellend, und man geht damit um, eine 140 km lange Strecke der Belgien mit Paris
verbindenden Kanallinie Etrun-Janville mit der Lévyschen Einrichtung zu versehen.
Nach einem Voranschlag würden die Betriebsmaschinen in 28 km Entfernung aufzustellen sein und jede nach jeder Seite hin ein
endloses Seil von 14 km Länge zu bedienen haben. Um die jährlich 3,200,000 Ton. Schiffslast zu befördern, müßte jede Maschine
[* 27] 100-120 Pferdekräfte leisten. Das Drahtseil
[* 28] erhält 30 mmDurchmesser, ein Gewicht von 3,75 kg für das laufende
Meter und eine Geschwindigkeit von 0,7 m pro Sekunde (2,5 km pro Stunde). Die Leitrollen stehen in Entfernungen von 75 m. Unter
diesen Voraussetzungen schätzt der Erfinder die Herstellungskosten auf 18,000 Frank pro Kilometer (6000 für das Seil, 8000 für
die Seilunterstützung, 4000 für die Maschinen), die Betriebskosten pro Jahr und Kilometer auf 5600 Fr.
(2100 Fr. für den Gang
[* 29] der Maschinen, 2780 für Erhaltung und Amortisation des Betriebsmaterials, 720 Fr. für die Zinsen des verwendeten
Kapitals). Die Zugkosten mittels Triebseils würden für ein S. von 270 Ton., welches beladen von Etrun nach Janville
fährt und leer zurückkehrt, 66,15 Fr. betragen, gegen 158,05 Fr. bei Pferdebetrieb. Ob diese große Ersparnis (58 Proz.)
wirklich erzielt werden wird, muß die Erfahrung lehren.
Unter dem NamenFlossenmotor ist von H. Petersen in München
[* 30] eine originelle Vorrichtung zum Fortbewegen von Schiffen angegeben.
Derselbe ist zu beiden Seiten des Schiffes unter der Wasserlinie anzubringen und besteht aus dem Flossenhaus
a, welches an der Schiffswand befestigt ist, und einer in diesem angeordneten Flosse b, welche von der Schiffsmaschine bewegt
wird. Die Flosse ist an dem Ende der Stange c drehbar angeordnet und wird durch diese und die Leitstange c¹ in
die aus
[* 26]
Fig. 3-6 ersichtlichen Stellungen gebracht.
Durch die fortgesetzte Thätigkeit der Flossen in der angegebenen Weise erhält das S. seine Bewegung. Durch das Arbeiten der
Flossen in entgegengesetzter Richtung, wobei dieselben die in
[* 26]
Fig. 4 und 6 punktierten Stellungen einnehmen, wird auch die Bewegung
des Schiffes eine entgegengesetzte. Durch entsprechend verschiedene Bewegung der Flossen auf beiden Schiffsseiten
läßt sich das S. ohne Beihilfe des Steuers wenden. Bei Schiffen, welche zugleich für Dampf- und Segelbetrieb eingerichtet
sind, gestattet dieser Motor, ohne weiteres von der einen Betriebsart zur andern überzugehen.
Zur Litteratur: Friedrichson, Geschichte der Schiffahrt (Hamb. 1889);
Paasch, Illustrated Marine Encyclopedia
(Antwerp. 1889 ff.), die technische Beschreibung der einzelnen Schiffsteile (der Kauffahrteischiffe) enthaltend, als Ergänzung
des illustrierten Werkes: »Vom Kiel
[* 31] bis zum Flaggenknopf«, das sich auf Bezeichnung sämtlicher
Teile der Kauffahrteischiffe
in deutscher, englischer und französischer Sprache
[* 32] beschränkt.
haben den Zweck, den im Schiffergewerbe beschäftigten jungen Leuten neben einer Befestigung und
Erweiterung der Elementarschulkenntnisse einen fachwissenschaftlichen Unterricht in Bezug auf dieses Gewerbe zu teil werden
zu lassen. In Deutschland
[* 34] bestehen die S. erst seit den letzten Jahren, hauptsächlich als ein Verdienst des Elbeschiffervereins
in Magdeburg,
[* 35] der an der Elbe bereits eine Anzahl dieser Schulen gründete. Der Unterricht in den S. findet
zu einer Zeit statt, wo die Schiffahrt ruht, etwa vom 15. Dez. bis Ende Februar, und erstreckt sich auf Rechnen, deutsche Sprache,
Geographie, Schiffsdienst, Schiffbau, Korrespondenz, Handelslehre und Gesetzeslehre.
Aufnahmefähig ist jeder mindestens 16 Jahre alte Jungmann des Schiffergewerbes mit genügender Elementarbildung,
welcher bereits eine Schiffahrtsperiode praktisch in der Schiffahrt thätig war. Die Kosten des Unterrichts werden aus den gemeinsamen
Mitteln des jährlich für jede Schule vom preußischen Handelsminister bis zur Höhe von 500 Mk. zur Verfügung gestellten Betrags
sowie von den Schulgeldbeiträgen (3 Mk. pro Schüler und Kursus) bestritten. Von besonderer Wichtigkeit
werden die S., wenn, wie dies beabsichtigt ist, für das Schiffergewerbe der Befähigungsnachweis eingeführt wird.
Vgl.
»Die preußischen Elbeschifferfachschulen, ihre Entstehung, Zweck und Organisation« (hrsg. von der Kommission für preußische
Elbeschifferfachschulen, Magdeb. 1889).
die zur Erhaltung derGesundheit auf Schiffen erforderlichen Maßregeln. Um die Mitte
des 19. Jahrh. herrschten auf Kauffahrteischiffen, namentlich aber auf Auswandererschiffen
und Passagierschiffen niedern Ranges noch sehr mangelhafte, zum Teil greuelvolle Zustände, für deren Besserung zuerst die
Vereinigten Staaten
[* 36] von Nordamerika
[* 37] eintraten. Später haben besonders die neuorganisierten Behörden in Deutschland, auch das
kaiserliche Gesundheitsamt, in dieser Richtung erfolgreich gewirkt.
Bei der Anmusterung der Mannschaft ist der Gesundheitszustand derselben vom Arzte sorgfältig zu prüfen, auch die wahrscheinliche
Widerstandskraft des ganzen Organismus und einzelner Organe (Seuchenfestigkeit) in Betracht zu ziehen und festzustellen, ob
der Anzumusternde während der letzten 10 Jahre revacciniert worden ist. Das Unterzeug soll aus Wolle oder doch
aus Baumwolle
[* 38] bestehen und hellfarbig sein. Wöchentlich einmal ist die Wäsche zu wechseln, Zeug, Decken und Bettfüllungen
sind auszuklopfen und zu sonnen.
Ebenso sollte mindestens einmal wöchentlich, in warmen Gegenden täglich, der ganze Körper gereinigt werden. Das Maschinenpersonal
bedarf nach jeder Wache einer Abspülung. Die Schiffskost ist schwerer verdaulich, weniger ausnutzbar
als die aus frischen, nicht konservierten. Substanzen hergestellte Landkost. In der englischen Verordnung wird neben viel Schiffszwieback,
Brot
[* 39] und Fleisch zu wenig Fett und viel zu wenig frisches Gemüse, dagegen bei längern Fahrten reichlich Zitronensaft¶
mehr
gegeben. Einige deutsche Verordnungen kennen nur gesalzenes Rindfleisch, verwenden aber Kartoffeln, Sauerkohl und trocken konserviertes
Gemüse. In neuerer Zeit ist vielfach vorgeschlagen worden, das gesalzene Rindfleisch durch andres schmackhafteres Pökelfleisch
zu ersetzen. Die Zwischendeckpassagiere des Norddeutschen Lloyd erhalten folgende Verpflegung: Kaffee mit Milch und Zucker,
[* 41] mit
Weiß- und Roggenbrot und pro Woche 375 g Butter;
Früchte sind, mäßig genossen, dienlich, sie müssen das frische Zugemüse ersetzen, wenn solches
in einem Hafen nicht gegeben werden kann. Herrschen Seuchen in einem Hafen, so sollten Früchte niemals ungewaschen gegessen
werden. Wein, Bier und selbst Branntwein sind unter gewissen Umständen nützlich, doch sollte Branntwein fuselfrei
sein und niemals täglich, auch nicht den Auswanderern, sondern nur der Mannschaft zur ausnahmsweisen Anregung und in Gaben
von 0,5 Deziliter gereicht werden.
Filtriervorrichtungen sind möglichst ausgiebig schon bei der Wasseraufnahme zu benutzen. Das Wasser fremder
Zwischenhäfen ist vor derEinnahme ärztlich zu prüfen. Sehr hartes Wasser ist möglichst zu vermeiden. Man bewahrt das Wasser
in eisernen Tanks, parallelepipedischen Kasten auf, in denen es viel Eisen
[* 42] aufnimmt und einen starken braunen Bodensatz bildet.
In Fässern macht fast alles Wasser (außer dem destillierten) einen Fäulnisprozeß durch, nach dessen
Ablauf
[* 43] es wieder trinkbar werden soll. Verdorbene Wässer werden wohl filtriert, mit übermangansaurem Kali versetzt, mit tanninhaltigen
Substanzen gekocht. Auf Dampfschiffen destilliert man Meerwasser, erhält aber meist nur Nutzwasser, kein Trinkwasser. Vielleicht
würde längere Zeit abgelagerten Wasser durch Schütteln mit Luft schmackhafter werden.
Dem Eisen als Schiffbaumaterial hat man vorgeworfen, daß es in lästiger WeiseWärme und Schall
[* 44] leitet.
Es gewährt aber den Vorteil, daß durch eiserne Schiffe
[* 45] die Seefahrt erheblich abgekürzt wird, es gestattet die Anbringung
natürlicher Zugänge für Licht
[* 46] und Luft in ungleich größerer Anzahl als bei Holzschiffen, ferner eine Anlegung der Decke
[* 47] in solcher Anordnung, daß sämtlichen Passagieren, wie das englische Auswandererschiffsgesetz es fordert,
je 0,5 qm freien Decks zur Verfügung stehen.
Eiserne Segelschiffe können unter günstigen Umständen von Bilschwasser gänzlich frei gehalten werden. Im Kielraum
eiserner Dampfschiffe sammelt sich freilich solches an, indem Wasser durch die Schraubenbüchse eindringt, auch zum Kühlen
der Wellenlager zugelassen wird, es steigt aber nicht in den Wänden auf, ist leicht zu spülen und zu
desinfizieren, und das Eisen ist vollkommen reinigungsfähig. Auf Holzschiffen liegen die
Verhältnisse schwieriger.
Das Wasser ist ungemein schwer zu desinfizieren, kann aber mit Hilfe der Lenzpumpe erneuert werden. Dies muß bei Annäherung
an einen verdächtigen Hafen geschehen, damit das Schiff nicht genötigt ist, Hafenwasser aufzunehmen,
welches vielleicht Krankheitskeime enthält. Das stark nasse Scheuern der Schiffe ist jetzt meist aufgegeben, man scheuert
jetzt mit Wasser, Sand und wenig Seifenlauge. Das Zwischendeck wird täglich einmal ausgekratzt und mit weißem Sande bestreut.
Auf englischen Schiffen dienen zum trocknen ScheuernSandsteine von der Gestalt größerer Bibeln (daher
holy-stones). Um hinreichenden Luftwechsel zu erzielen, sind die Zwischenwände im Zwischendeck untersagt; außer den Luken
müssen wenigstens zwei und je nach der Größe des Schiffes mehr Ventilatoren von mindestens je 30 cmDurchmesser vorhanden sein,
Die Ventilationsfrage ist aber noch keineswegs völlig geklärt, und die Ansichten über zweckmäßigste
Anlage künstlicher Ventilationsvorrichtungen gehen noch weit auseinander.
Die besten transatlantischen Dampfer führen neben den gewöhnlichen Ventilatoren noch einen durch ein Schraubenrad getriebenen
Ventilationsapparat, der durch Aspiration frische Luft zuführt und die verdorbene durch Propulsion entfernt. In Amerika
[* 48] wendet
man vielfach das Greensche System an, bei welchem mittels einer Luftkompressionsmaschine gepreßte Luft
in Strahlapparate
[* 49] geleitet wird, die in den Zu- und Ableitungskaminen als Injektoren, resp. Ejektoren dienen.
Für die Erhaltung der Reinheit der Luft sind auch die Bemühungen zur Einführung des Glühlichts von Bedeutung; man erzeugt
dasselbe mit Hilfe einer Dampfturbine. Der Luftkubus für den einzelnen wird sehr ungleich bemessen; die
Behörden der Vereinigten Staaten von Nordamerika fordern 3,06, die der deutschen Auswandererhäfen 1,69
cbm. Dies entspricht bei einer gleichmäßigen Höhe der Räume von 1,85 m einem Flächenraum von 1,75, resp.
1,15 qm. Das englische Gesetz fordert für das obere Deck 2,54, für das untere 3,57 cbm. Die Schlafstellen
müssen nach der BremerVerordnung bequem und angemessen eingerichtet sein, dürfen keine scharfen Kanten besitzen und in nicht
mehr als zwei Reihen übereinander angebracht sein.
Sie sollen für jede Person mindestens eine Länge von 1,85 m im Lichten, eine Breite von 50 cm haben, die untersten
auch wenigstens 15 cm vom Deck entfernt sein. Die Ladung kann, wenn sie aus gewissen Waren besteht (Guano, Lumpen, Knochen,
[* 50] Häuten
etc.), die Gesundheit schädigen. Nach dem norddeutsch-amerikanischen Handelsvertrag dürfen Passagierschiffe neben den explosiven
auch stark ausdünstende Stoffe (Petroleum, bituminöse Kohle, Naphtha, Benzin) überhaupt nicht führen.
Für die Desinfektion
[* 51] der Schiffe bestehen noch alte Vorschriften, die wohl in nächster Zeit umgestaltet
werden dürften, da sie von den als irrig erkannten frühern Vorstellungen ausgehen. Für Geruchlosmachung der Klosette, deren
Spülung auf See zuweilen Störungen unterworfen ist, haben sich die alten Desinfektionsmittel als brauchbar erwiesen, für
Desinfektion des Bilschwassers hat das ReichsgesundheitsamtQuecksilberchlorid (Sublimat) empfohlen. Leider
ist es unmöglich, jedem Zwischendeckspassagier an Bord ein Reinigungsbad zu geben. Die transatlantischen Dampfer besitzen
Waschhäuser mit zementiertem Boden, in welchem die Zwischendeckspassagiere mittels einer Pumpe
[* 52] sich und ihre Effekten reinigen
können, doch kommt hierbei die Hergabe von destilliertem Wasser sehr stark in Betracht, da
¶
mehr
Seewasser des Salzgehalts halber nicht brauchbar ist. Schiffshospitäler fehlen auf keinem Auswandererschiff. Sie gewähren
meist auf 100 Passagiere 4 Betten und sollen auch auf Schiffen, die keinen Arzt führen, eingerichtet sein. Hinsichtlich ihrer
Lage besteht noch große Meinungsverschiedenheit, jedenfalls muß man auch bei ihnen die für Landhospitäler geltenden
Forderungen hinsichtlich des Luftkubus, der Beleuchtung,
[* 54] der Reinlichkeit etc. stellen und nach annähernder
Erfüllung streben.
Schiffe mit Arzt führen auch eine Apotheke, aber selbst da, wo ein Arzt fehlt, erscheint es geraten, dem Schiffer eine Auswahl
geeigneter Arzneimittel anzuvertrauen, die er genau nach einer Vorschrift anzuwenden hat. Das englische Gesetz fordert bei
Segelschiffkursen von 80 Tagen, bei Dampfschiffkursen von 45 Tagen und bei einer Gesamtpersonenzahl von 300 die Mitnahme eines
approbierten und bei der Hafenbehörde gemeldeten Arztes, der norddeutsch-amerikanische Handelsvertrag schreibt bei mehr als 500 Passagieren
einen Arzt vor, der ausdrücklich in Sachen der Hygiene mit besonderer Rücksicht auf die Verhältnisse, Vorkommnisse
und Zufälligkeiten auf und infolge von Seereisen unterrichtet sein soll.
BeimAnlaufen der Häfen ist das Zusammenwirken des Schiffsarztes mit den Hafenrevisionsbehörden von ähnlicher Wichtigkeit
wie vor dem Antritt der Reise die Revision aller das Schiff Betretenden (Passagiere und Mannschaften) durch einen nur der Sanitätsbehörde
(nicht aber der Schiffsgesellschaft) verantwortlichen Arzt.
öffentliche, finden sich schon im Altertum, und die Römer
[* 55] statteten sie mit derselben Pracht aus
wie andre öffentliche Gebäude. Auch das Mittelalter hat dergleichen aufzuweisen. Im 14. Jahrh. bestand
in Liegnitz
[* 56] ein Kuttelhof, und niemand durfte anderswo als dort schlachten. Das finanzielle Interesse der Städte veranlaßte
im 17. und 18. Jahrh. verschiedene deutsche Städte zur Errichtung von Schlachthäusern, welche zur Durchführung und bessern
Kontrolle der damals fast allgemein eingeführten Fleischsteuer geeignet waren, heutigen hygienischen Anforderungen
aber in keiner Weise entsprachen.
Auch Frankreich hatte früh öffentliche S., und Napoleon I. dekretierte 1810, daß alle Privatschlächtereien in mittlern und
größern Städten zu beseitigen und öffentliche derartige Etablissements zu errichten seien. Belgien folgte dem französischen
Beispiel, und auch in der Schweiz, in Italien,
[* 57] England, Schottland besetzen gegenwärtig alle bedeutendern
Städte öffentliche S. In Österreich und den süddeutschen Staaten sind die Gemeinden befugt, den Schlachthauszwang für alle
Arten von Vieh einzuführen. In Preußen
[* 58] kam eine gesetzliche Regelung der Schlachthausfrage erst 1868 zu stande, aber bis 1880 wurden
auf Grund dieses Gesetzes nur in zehn Städten S. errichtet.
Die hierbei gemachten Erfahrungen führten dann zu dem Gesetz von 1881, welches die Befugnisse der Gemeinden
ganz bedeutend erweitert. Den letztern steht nunmehr die Befugnis zu, das von außerhalb in den Gemeindebezirk eingeführte
Fleisch innerhalb gewisser Grenzen einer Untersuchung zu unterwerfen; im städtischen Verkehr eine Sonderung des Schlachthausfleisches
und des von außen eingebrachten Fleisches durchzuführen; die städtischen Schlächter zu nötigen, das
öffentliche Schlachthaus der Stadt
zu benutzen, wenn sie für ihren städtischen Gewerbebetrieb schlachten. Da die Entschädigungspflicht
der Gemeinden den Besitzern von Schlachthäusern gegenüber vielerorts ein Hindernis für die Errichtung von öffentlichen
Schlachthäusern gewesen, so erhielt das Gesetz eine Deklaration, nach welcher der Ertrag, welcher von den
Grundstücken und Einrichtungen, die bisher der Privatschlächterei gedient hatten, bei anderweiter Benutzung erzielt
werden kann, von dem bisherigen Ertrag in Abzug zu bringen ist. Auch verbot es endlich die Errichtung neuer Privatschlachtanstalten.
1) Schlachträume mit Gelegenheit zur Befestigung der Tiere, zum Aufziehen und Aufhängen der Stücke, Schragen
zur Aufnahme der Eingeweide,
[* 59] Düngerkarren etc.; für die Schweine
[* 60] Einrichtungen zum Brühen, Die Schlachträume müssen besonders
gut ventiliert und mit festem, undurchlassendem Fußboden (Zement, Asphalt), der leicht abgespült werden kann, versehen sein.
Die Abführungskanäle werden zweckmäßig mit einem Gitter verschlossen, um Ratten abzuhalten.
3) Einrichtungen zur schnellen, unschädlichen Beseitigung der Abfälle. Man schafft diese jetzt sofort in eiserne, mit einem
eisernen Deckel verschließbare Wagen und vermeidet offene, feste Düngerstätten. Mit den meisten Schlachthäusern sind Wohnungen
für die Beamten und in Norddeutschland Räume für die mikroskopische Untersuchung des Schweinefleisches
verbunden. Auch legt man in neuester Zeit Kühlhäuser an, in welchen durch künstlich erzeugte Kälte eine Temperatur von 0-5°
und eine relative Feuchtigkeit von 70 Proz. bei 5° erhalten wird. Da das Fleisch bei längerm Verweilen in den Kühlhäusern
zarter wird, ohne auch nur im geringsten an Schmackhaftigkeit einzubüßen, so werden die Kühlhäuser
vielfach auch im Winter im Betrieb erhalten. In einigen Städten hat man aus praktischen Gründen mit dem Schlachthaus eine
animale Impfanstalt verbunden.
Man kann leicht die geeignetsten Kälber aussuchen, die abgeimpften Kälber weiter verwerten und, bevor der Impfstoff
zur Verwendung kommt, den völligen Gesundheitszustand des Tieres durch tierärztliche Untersuchung feststellen.
Osthoff, Die
Schlachthöfe und Viehmärkte der Neuzeit (Leipz. 1881,5 Hefte);
für einzelne Anlagen die beschreibenden Werke über Berlin
[* 61] von Orth und Biebendt (Berl. 1872) und von Blankenstein und Lindemann (das.
1885), über Hannover
[* 62] von Hecht (Hannov. 1883), München von Zenetti (Münch. 1880), Chemnitz
[* 63] von Hechler (Hannov. 1885), Karlsruhe
[* 64] von Strieder (Karlsr. 1890).
Schlafstellen liegen gewöhnlich in gemeinschaftlichen Räumen, in welchen also einander fremde,
nicht zusammengehörige Personen zum Zwecke gleichzeitigen Nächtigens Unterkunft finden. Oft, besonders
in großen Städten und Industriebezirken, nächtigen dieselben Personen mehrere Nächte an derselben Stelle in der Familienwohnung
kleiner Leute (Schlafburschen, Schlafmädchen), während Personen, die nirgends Wohnung oder Unterkunft haben, Logierhäuser
niedrigsten Ranges gewöhnlich nur für eine oder wenige Nächte aufsuchen und die Asyle für Obdachlose
die Obdachsuchenden nur für eine beschränkte Zahl von Nächten aufnehmen. Alle diese Einrichtungen, mit Ausnahme der letztern,
sind oft bedenklichsten Charakters, die common lodging houses
¶
mehr
im OstenLondons zeigen nichts als Schmutz und Elend, Roheit und Verkommenheit; sie sind förmliche Brutstätten des Verbrechens. 1875 wurden
in Berlin gegen 79,000 Schlafleute gezählt, von denen gegen 800 in Räumen ohne Heizungsanlage nächtigten, während 48,500
sich mit ihren Schlafwirtsfamilien zusammen in einen heizbaren Wohnraum teilen mußten. Bei der Enge und
Ärmlichkeit der meisten hierbei in Frage kommenden Wohnungen war die Aufnahme der Schlafgänger nur unter äußerster Einschränkung
des Raumes möglich, und an eine Trennung von der Familie, an eine Sonderung der Geschlechter war nicht zu denken.
Diese Verhältnisse hatten überall nicht nur schlimme sittliche Folgen, es wurde auch die Gesundheit direkt
bedroht, und unter dem Gesichtspunkt der Ansteckungsgefahr, der Übertragung von Infektionskrankheiten wurde die ganze Einwohnerschaft
in Mitleidenschaft gezogen. Gegenwärtig steht das S. unter verschärfter Beaufsichtigung. In dieselbe Schläferherberge
sollen Personen verschiedenen Geschlechts nicht aufgenommen werden. Die Trennung setzt aber auch besondere Hausflure, Treppen,
[* 66] Abtritte voraus.
Auf jeden Schlafgast sollen mindestens 3 qm Bodenfläche und 10 cbm Luftkubus entfallen. Jeder Schlafgast
soll eine gesonderte Lagerstätte erhalten, welche mindestens aus Strohsack, Strohkopfkissen, im ungeheizten Raume auch noch
aus einer Wolldecke bestehen soll. Nur bei einer abendlichen Zimmertemperatur von 12° darf letztere fehlen. Bettstellen
dürfen nicht übereinander gestellt werden. In bestimmten Zeiträumen sind die Strohsäcke zu reinigen
und ist das Stroh zu erneuern.
Waschgerät, Wasch- und Trinkwasser muß vorhanden sein. Vor- und nachmittags sind die Räume zu lüften, Fußböden, Decken,
Wände, Abtritte sind nach Vorschrift zu reinigen etc. Kommt ein Schlafgast mit ansteckender Krankheit in die Schläferherberge,
oder erkrankt er in derselben unter dem Verdacht einer solchen Krankheit, so ist der Sanitätspolizeibehörde
sofort Anzeige zu erstatten. Auch das Aufnehmen einzelner Schlafleute in Familien ist sicherheits- und sanitätspolizeilicher
Kontrolle zu unterwerfen, welche gewisse dringendste hygienische Forderungen auch unter den erschwerendsten Verhältnissen
(Wohnungsnot) durchzusetzen hat.
Mittels der in Berlin streng durchgeführten Meldepflicht und der sanitätspolizeilichen Nachforschung zu
Epidemiezeiten werden auch die nötigen Anhalte bezüglich der Herdbildung beim Einbruch ansteckender Krankheiten gewonnen.
Im Anschluß an die Resultate der Volkszählung von 1885, nach denen sich die Zahl der Schlafburschen auf 57,832, die der Schlafmädchen
auf 26,855 belief, konnte amtlich berichtet werden, daß gesundheitlich bedenkliche Zustände im Berliner
[* 67] S. nicht hervorgetreten seien.
Das städtische BerlinerAsyl für Obdachlose mußte trotz seiner primitiven Einrichtung in Barackenform 1885: 96,812 Personen
Obdach gewähren, ein zweites Asyl für obdachlose Familien wurde in demselben Jahre von 14,064 Familien und 62,489 einzelnen
Personen aufgesucht. Dazu nahmen die Asyle des Berliner (Wohlthätigkeits-) Asylvereins 1885: 108,241 Männer
und 18,033 Frauen zum Nächtigen auf. In den städtischen Asylen häufen sich die Gäste im Dezember, Januar, Februar bemerklich
an, während in den übrigen Asylen die monatlichen Aufnahmeziffern sich durch alle Jahreszeiten
[* 68] ziemlich gleich bleiben. In
diesen letztern Asylen werden den Obdachlosen auch Reinigungsbäder verabreicht und in ca. 18 Proz. der
Zugänge seitens der
Männer, in 12-13 Proz. seitens der Frauen benutzt. In London,
[* 69] wo man die Bäder bei der Aufnahme obligatorisch
gemacht hat, wirken diese so abschreckend, daß das Nächtigen in Thorwegen etc. ungleich häufiger
bevorzugt wird als in Berlin. In Industriebezirken (Gebweiler,
[* 70] Saarbrücken,
[* 71] Mülhausen,
[* 72] Elberfeld
[* 73] etc.) hat
man Schläferherbergen mit etwas größerm Komfort eingerichtet, welche auch Arbeit nachweisen und sich mithin mehr den Zwecken
und der Gestaltung der Handwerkerherbergen nähern, auch leichter zu beaufsichtigen sind.
Heinrich, Altertumsforscher, starb in Neapel.
[* 77] Nachdem S. 1888 und 1889 Versuche
gemacht, in Alexandria (in Ägypten)
[* 78] und auf der InselKreta neue Ausgrabungen zu beginnen, ohne jedoch zu bemerkenswerten Ergebnissen
zu gelangen, nahm er Ende 1889 seine Arbeiten in Troja-Hissarlyk wieder auf. Die Kritik, die von dem Hauptmanna. D. Bötticher
in einer Reihe von Zeitungsaufsätzen und in der Schrift »La Troie de Schliemann une nécropole à incinération«
an den Ausgrabungen und den Veröffentlichungen ihrer Ergebnisse durch S. und seinen Mitarbeiter Dörpfeld geübt worden war,
veranlaßte S., seinen Gegner, der in der von S. aufgedeckten Burg nicht eine menschliche Wohnstätte, sondern einen Platz
zur Verbrennung und Beisetzung von Leichen erkennen will, zu einer Besichtigung der Ausgrabungen einzuladen,
die vom 1.-6. Dez. 1889 stattfand.
Obwohl Bötticher zugab, sich in wesentlichen Punkten geirrt zu haben, wozu er zum Teil durch irrige Angaben in den Veröffentlichungen
Schliemanns verleitet worden war, vermochten sich die Gegner nicht zu einigen.