Filialen. Das Aktienkapital beträgt 9 Mill. Mk., die einzelne
Aktie 600 Mk., der
Reservefonds, welcher nach den Bestimmungen
des
Aktien- und Bankgesetzes bis auf 25 Proz. des
Grundkapitals zu erhöhen ist, beträgt 602,000 Mk. Das Depositengeschäft
ist unbeschränkt zulässig; im übrigen entspricht der Geschäftsbetrieb dem der
Reichsbank, das Notenprivilegium erlischt Die
Banknoten werden in
Frankfurt
[* 2] a. M. eingelöst. Der Höchstbetrag des Notenumlaufs ist 27 Mill. Mk. -
Die Württembergische
Bank hat 33⅓ Proz. desjenigen Reingewinns, welcher nach Abführung der Zuschüsse zum
Reservefonds,
nach
Zahlung einer
Dividende von 5 Proz. und von
Tantiemen bis höchstens 20 Proz. übrigbleibt, an denStaat
abzuführen. Die entrichteten Beträge waren:
2) ImGroßherzogtumBaden
[* 3] besteht die
BadischeBank zu
Mannheim,
[* 4] welche eine
Filiale (in
Karlsruhe)
[* 5] hat und im wesentlichen wie
die Württembergische
Bank organisiert ist. Der
Reservefonds beziffert sich bereits auf 1,534,000 Mk., die einzelne
Aktie beträgt 300 Mk.
Das Notenprivilegium erlischt - Der
Staat ist an dem
Gewinn der
Bank insofern beteiligt, als
ihm nach Entrichtung einer 5 prozentigen
Dividende und
Tantieme ein Fünftel des Überschusses zukommt; er erhielt im Jahre:
4) Die Braunschweigische
Bank ist eine
Aktiengesellschaft mit einem
Grundkapital von 10,500,000 Mk., eingeteilt
in
Stücke zu je 300 Mk. Sie hat sich den einschränkenden Bestimmungen des Bankgesetzes nicht unterworfen,
weshalb die Dotierung des
Reservefonds lediglich auf
Grund der Aktiengesetzgebung erfolgt. Er beträgt 507,000 Mk. -
Die
Bank ist statutarisch berechtigt,
Kommissionsgeschäfte zu treiben. Der Höchstbetrag der Notenausgabe ist 13,500,000 Mk.
Die Dauer derGesellschaft ist auf 99 Jahre, vom
Tag der ersten Erteilung der landesherrlichen
Genehmigung,
an gerechnet, bestimmt, also bis Die Reichsregierung hat dieser
Bank gegenüber kein Kündigungsrecht.
ecclesiaetpontifice, päpstlicher
Orden,
[* 7] gestiftet von
PapstLeo XIII. bei seinem 50jährigen Priesterjubiläum
zunächst für die
Stifter der Festgaben und die
Pilger, dann aber auch zur Auszeichnung für treue Anhänger
des päpstlichen
Stuhls. Die
Dekoration besteht aus einem silbernen
Kreuz
[* 8] mit ausgeschweiften
Armen, zwischen denen sich
Lilien
[* 9] befinden. Der Mittelschild zeigt im
Avers das päpstliche
Wappen
[* 10] mit der Umschrift: »Pro ecclesia et pontifice« (»Für
Kirche und
Papst«),
»Storia di Torino antica« (1869). 1848 und 1849 redigierte er mit dem GrafenBaudi di Vesme
die Zeitung »La Nazione« und verfaßte im speziellen Auftrag und unter
Leitung des KönigsKarlAlbert das urkundliche Geschichtswerk »Guerre dell' indipendenza d'Italia nel 1848 per un ufficiale piemontese«.
- Sein älterer Bruder, Domenico, geb. 1804, gest. als Bibliothekar
in Turin, hat sich durch tüchtige Arbeiten über Münz- und Siegelkunde einen Namen gemacht.
Bütschlis große Monographie der Urtiere teilt dieselben in vier Klassen: Sarkodetierchen (Sarcodina), Sporentierchen
(Sporozoa), Geißeltierchen (Mastigophora) und Aufgußtierchen (Infusoria). Die Sarkodetierchen entsprechen
ungefähr der frühern Abteilung der Rhizopoden und zerfallen in die Ordnungen der Strahlentierchen oder Strahlinge (Radiolaria),
Sonnentierchen (Heliozoa) und Wurzelfüßer (Rhizopoda). Von diesen Ordnungen haben die Strahlinge den größten Zuwachs an
neuen Arten erfahren, indem durch HäckelsMonographie über die auf der Expedition des Challenger gesammelten Radiolarien die
Zahl derselben von 810 auf 4318 gestiegen ist, die sich insgesamt auf 739 Gattungen verteilen; auch von
den Wurzelfüßern sind zahlreiche neue Arten beschrieben worden.
Die überwiegende Mehrzahl der Sarkodetierchen besitzt ein Gehäuse, sei es aus chitiniger Masse, oder aus kohlensaurem Kalk,
oder aus Kieselsäure, oder aus agglutinierenden Fremdkörpern. Das Baumaterial, aus welchem bei den einzelnen
großen Abteilungen der Sarkodetierchen das Skelett
[* 22] aufgebaut wird, ist von großem Einfluß auf die Wahl des Formtypus des
Gehäuses und auf das weitere Wachstum desselben. Am gröbsten und einfachsten konstruiert sind die Gehäuse aus Fremdkörpern,
von größerer Festigkeit
[* 23] sind die Gehäuse aus kohlensaurem Kalk, und die bedeutendste Festigkeit bei größter
Mannigfaltigkeit und Zierlichkeit der Form zeigen die Kieselskelette der Strahlinge, die an die kühnen, luftigen Eisenkonstruktionen
menschlicher Bauwerke erinnern.
Eine weitere Ursache für die verschiedenen Formtypen des Skeletts der Sarkodetierchen liegt in der verschiedenen Lebensweise
dieser Urtiere. Frei schwimmenden, im Wasser rotierenden Formen kommt Kugelgestalt zu, die Pseudopodien treten
nach allen Seiten gleichmäßig aus, und ebenso ist die kugelige Schale gleichmäßig von gleichwertigen Löchern durchbohrt
(perforater Formtypus). Bei Tieren dagegen, welche beim Schwimmen oder Kriechen eine bestimmte, senkrecht stehende Hauptachse
besitzen, sind nicht alle Pseudopodien, die austreten, gleichwertig, sondern eine größere Anzahl tritt gemeinschaftlich
aus einer größern Öffnung der Zentralkapsel, dem Oskulum, aus, welchem eine größere Öffnung in der
Schale, das Pylom, entspricht (pylomatischer Formtypus).
Wird beim Kriechen eine bestimmte Richtung festgehalten,
so entsteht der eudipleure (bilaterale) Typus, dessen erste Andeutung
in einer Biegung des das Pylom tragenden, röhrenförmigen Halses besteht. Die Art und Weise des weitern
Wachstums ist entweder konzentrisch oder terminal; ersteres findet sich nur bei den Kieselskeletten der Strahlinge, während
bei dem terminalen Wachstum der gehäusebesitzenden Wurzelfüßer die Kammern aneinandergesetzt, zugleich aber häufig spiralig
eingerollt werden, wobei sie denselben Windungsgesetzen folgen wie die Molluskenschalen.
Die Skelettsubstanz wird bei der Mehrzahl der Sarkodetierchen von dem Protoplasma ausgeschieden;
bei denjenigen
Formen, welche, wie die Süßwassergattung Difflugia, ihr Gehäuse aus Fremdkörpern bauen, erfolgt die Aufnahme des Baumaterials
durch Reflexvorgänge;
sobald eine Reizung der ausgestreckten Pseudopodien des herumkriechenden Tieres erfolgt, werden jene
höckerig und runzelig, so daß Sandkörnchen u. dgl.
hängen bleiben, welche dann in das Innere des Tieres, das Entoderm, aufgenommen werden;
erst nachträglich
wird dieses Material dann wieder auf der Oberfläche zum Bau einer Schale zur Ablagerung gebracht.
Die Fähigkeit, Verletzungen
der Schale zu ersetzen und ebenso, sich aus Teilstücken zu regenerieren, fehlt den einschaligen Sarkodetierchen und kommt
nur den mehrschaligen zu, hängt aber hier von der Anwesenheit des Kernes ab, welchem demnach eine bedeutsame
Rolle bei der Sekretion zufällt. Von den Sarkodetierchen sind die Radiolarien ausschließlich marin, die Sonnentierchen leben
vorzugsweise im Süßwasser, die Wurzelfüßer teils im Meere, teils im Süßwasser;
Zu der zweiten Klasse der Protozoen, den Sporozoen, gehören die Ordnungen der Gregarinen,
[* 24] der Coccidien oder eiförmigen
Psorospermien, der Myxopsoridia oder Fischpsorospermien und der Sarcopsoridia oder parasitischen Schläuche. Die Morphologie
und Biologie dieser merkwürdigen Lebewesen ist noch wenig bekannt; die Entwickelung scheint meist in einer Reihe aufeinander
folgender und sehr verschieden gestalteter Stadien zu verlaufen, zwischen welchen Ruhezustände, Encystierungen, liegen.
Sie sind durchweg Parasiten höherer Tiere, besonders der Säugetiere und des Menschen, halten sich entweder
in den Körperhohlräumen (Darm,
[* 25] Leibeshöhle) oder in den Geweben ihrer Wirte auf und dringen in letzterm Falle in das Innere
der Zellen selbst ein, sogar in die Blutkörperchen.
[* 26] Neuere Untersuchungen lassen in ihnen sehr gefährliche Parasiten vermuten,
denn es scheint, daß die Entstehung von Malaria, Febris recurrens und ähnlicher Krankheiten auf derartige
Formen zurückzuführen ist.
Bekannt sind sie als die Ursachen zweier gefährlicher Vogelkrankheiten, des ansteckenden Epitheliums der Hühner
[* 27] und Tauben
[* 28] und der Flagellatendiphtherie der Vögel.
[* 29] Im erstern Falle ist es eine eigentümliche Hauterkrankung, die als warzenartiger,
äußerst ansteckender Hautausschlag auftritt, der Parasit findet sich im Innern der Epithelzellen und
erscheint als einfach geformtes, rundliches Gebilde. Die zweiterwähnte Krankheit charakterisiert sich als diphtheritische
Entzündung der Schleimhäute, die häufig auch auf tiefere Teile, selbst Knochen
[* 30] und Knorpel,
[* 31] übergreift und meist zum Tod¶
mehr
führt. Die Krankheitserreger finden sich außerordentlich zahlreich in den Exsudatmassen; ob sie zu den Flagellaten gehören,
ist nicht sicher entschieden, da die kugeligen Dauerzustände, welche die Parasiten bilden, die Annahme naher Verwandtschaft
mit den Krankheitserregern der erst erwähnten Krankheit nahe legen.
Die Klasse der Geißeltierchen, Mastigophora, welche in dem Bütschlischen System zum erstenmal als selbständige
Klasse auftreten, und die bisher Flagellaten im weitern Sinne hießen, zerfallen in die Ordnungen der Flagellaten, Geißeltierchen
im engern Sinne, Choanoflagellata (Trichtergeißeltierchen), Dinoflagellata (Wirbelgeißeltierchen), Cilioflagellata (Wimpergeißeltierchen)
und Cystoflagellata (Blasengeißeltierchen). Die überwiegende Mehrzahl der Geißeltierchen lebt frei, sowohl im süßen Wasser
(besonders Flagellaten) als im Meere (besonders Dinoflagellaten und Cystoflagellaten), ca. 20 Arten aber
auch parasitisch im Innern andrer Tiere, Wirbeltiere, Insekten,
[* 33] Myriopoden, Mollusken,
[* 34] wo sie vorzugsweise den Darm, seltener das
Blut und andre Organe bewohnen; zu ihnen gehört die in der katarrhalisch affizierten Scheide der Frauen lebende Trichomanos
vaginalis Denné ^[richtig: Donné (= AlfredDonné, 1801-1878)]. Einige, der Gattung Ceratium Bergh angehörige
Geißeltierchen, die sich sowohl im Meer als im Süßwasser finden, gehören zu den weitverbreitetsten niedern Organismen in
größern Wasseransammlungen; hornförmige, reichlich mit Stacheln versehene Fortsätze des Panzers ermöglichen eine leichte
Haftbarkeit an fremden Objekten und dadurch bedingte Gelegenheit zu einer weiten Verschleppung. Viele
marine Geißeltierchen, zu denen auch die Noctiluca gehört, besitzen die Fähigkeit des Leuchtens.
Die Klasse der Infusorien zerfällt in die große Unterklasse der Ciliata (Wimperinfusorien) und in die kleine, nur eine Familie
enthaltende Unterklasse der Suctoria (Sauginfusorien), erstere in die Ordnungen der Peritricha (Ringhaarige), Hypotricha (Bauchhaarige),
Heterotricha (Verschiedenhaarige) und Holotricha (Ganzhaarige). Je nach der Fähigkeit, die Form zu ändern,
sind unter den Infusorien vier Gruppen zu unterscheiden: starre Infusorien, bei denen überhaupt keine Formveränderung stattfindet,
elastische, welche ihre Körpergestalt nicht selbstthätig verändern, sondern nur infolge äußern Druckes, bei dessen Aufhören
der Körper seine frühere Gestalt wieder annimmt;
biegsame oder flexile Infusorien, welche zwar selbstthätig
ihre Gestalt wechseln, ohne daß jedoch die allgemeine Form verloren ginge, und endlich kontraktile Infusorien, bei welchen
eine Körperdimension auf Kosten der andern verlängert oder verkürzt wird, wodurch die Gestalt wesentlich verändert wird.
Der Größe nach können sie ebenfalls in vier Gruppen geteilt werden, wobei als sehr klein Formen von 0,04
mm betrachtet werden, als sehr groß dagegen solche, die 0,25 mm überschreiten. Die Infusorien sind die höchst entwickelten
Protozoen, denn hier finden sich Formen, deren physiologische Leistungen denen der Metazoen gleich zu setzen sind; dagegen behalten
sie morphologisch den Wert einer Zelle,
[* 35] was sich besonders bei der ganz als Zellteilung verlaufenden Fortpflanzung
dokumentiert.
Der Infusorienkörper läßt eine innere Schicht und ein äußeres Ektoplasma unterscheiden, welches entweder homogen erscheint
oder einen wabenartigen Bau besitzt (Alveolarschicht). Zwischen Alveolarschicht und Entoplasma verläuft bei vielen noch eine
besondere Schicht, die Kortikalschicht, welche die Trichocysten enthält; häufig ist bei den Infusorien
eine Längsstreifung,
die durch Reihenstellung der die Wimper tragenden Höckerchen bedingt wird.
Die Fortpflanzung geschieht durch Teilung und von Zeit zu Zeit eintretende Konjugation, welch letztere eine Auffrischung des
Körpermaterials bezweckt. Bei zahlreich aufeinander folgenden Teilungen, ohne daß die Möglichkeit zur Konjugation gegeben
ist, tritt senile Degeneration ein, wobei unter anderm die Wimpern abfallen und vor allem eine starke Veränderung
des Kernes sich bemerkbar macht. Die Infusorien sind zum größten Teil frei lebende Geschöpfe, einige aber sind als Parasiten
bekannt, so aus dem Blut und dem Darmtraktus verschiedener Süßwasser- und Meereskrebse;
die Krankheit, der sekundär Schimmelbildung folgt, kann
unter junger Brut, z. B. Forellenbrut, erhebliche Verwüstungen anrichten.
Physiologische Untersuchungen der Protozoen haben ergeben,
daß die Mehrzahl der Sarkodetierchen, einige Geißeltierchen und wahrscheinlich alle gewimperten Infusorien blind sind, ebenso
mangeln ihnen Tonempfindungen; alle übrigen Reize werden empfunden.
Der gewaltige Aufschwung, welchen die Naturwissenschaften etwa seit den 40er Jahren dieses Jahrhunderts
nahmen, bezeichnet in der Psychologie den Beginn einer neuen Epoche. Die genauere Kenntnis des Menschenkörpers im gesunden und kranken
Zustand, die ausgedehnte Erforschung der gesellschaftlichen Beziehungen, die Vervollkommnung sowohl der exakt-naturwissenschaftlichen
als auch der historischen Methoden trugen von da ab reiche Früchte für das Studium des Seelenlebens.
Indessen hat die Psychologie noch schwer an ihrer vornehmlich philosophischen Vergangenheit zu leiden und mit dem
Umstand zu kämpfen, daß man von den verschiedensten Seiten her ihre Probleme in Angriff nimmt, ohne sie
als das zu verstehen und zu behandeln, was sie in der That jetzt geworden ist: als eine selbständige Wissenschaft. Will man
sich über den gegenwärtig arg zersplitterten Betrieb einen Überblick verschaffen, so dürfte eine Einteilung nach den jetzt
üblichen Methoden einerseits, nach den Forschungsgebieten anderseits sich als zweckmäßig empfehlen.
Unter dem Vorbehalt, daß die nachfolgende Aufzählung verschiedener Verfahrungsweisen nicht als gleichbedeutend mit einer
Isolierung derselben voneinander aufzufassen ist, lassen sich acht Methoden nennen.
1) Die spekulative Methode. Sie benutzt die Ergebnisse der Metaphysik für deduktive Betrachtungen über
die höchsten Probleme einer Seele; aber
¶
mehr
Metaphysik als Wissenschaft besteht nicht, und Deduktion führt niemals zu einer Thatsachenkenntnis und Gesetzeserkenntnis.
So hat denn diese Methode und mit ihr die ganze sogen. rationale Psychologie allmählich viel von ihrem
einstigen Ansehen eingebüßt.
2) Die introspektive Methode. Sie sucht die psychischen Thatsachen in der innern Wahrnehmung aufzufassen und ist
zuerst von Maine de Biran, nicht von Locke, der auch ethnographische Daten verwertet, angewendet worden. Auf sie haben dann
Cousin und Jouffroy eine völlig subjektive Psychologie aufzubauen versucht. Ihre Mängel ruhen darin, daß a) das Gebiet der eignen
Beobachtung mit dem Bewußtseinsumkreis zusammenfällt, also sehr eng ist; b) der Ablauf
[* 41] innerer Zustände
durch die auf sie gerichtete Aufmerksamkeit gestört und getrübt wird.
Comte hat sogar die Unmöglichkeit dieser Methode behauptet, weil es unmöglich sei, sich in ein Beobachtendes und Beobachtetes
zu zerspalten; in Wirklichkeit jedoch lassen sich gewisse Vorgänge, z. B. Schmerzen, ohne Beeinträchtigung ihrer Stärke
[* 42] und Beschaffenheit auffassen, und in der Erinnerung besitzen wir ein zweites, ganz brauchbares Hilfsmittel.
Die innere Erfahrung überhaupt, nicht als besondere Methode, sondern als allgemeine Thatsache verstanden, bildet die Voraussetzung
der gesamten Psychologie.
3) Die beobachtende Methode, unter welcher wir die Beobachtung andrer mit Ausschluß der Selbstbeobachtung verstehen. Sie gründet
sich auf den Analogieschluß, daß die bei mir mit bestimmten innern Vorgängen verknüpften Äußerungen,
wenn sie bei andern auftreten, ähnliche psychische Zustande bei jenen zur Grundlage haben werden. Sie ist demnach abhängig
a) von der Beschaffenheit des eignen Seelenlebens, b) von der richtigen Auffassung der bei andern auftretenden Zeichen, c)
von der Größe der Verwandtschaft des andern (erwachsener normaler Mensch, Geisteskranker, Naturmensch,
Kind, Tier) mit uns. Indirekt wird sie angewendet, wenn an Stelle der eignen Wahrnehmung das Zeugnis von Mittelspersonen tritt,
und so ermöglicht sie die höhere historische Kritik und die Biographie.
4) Die genetische Methode. Da die psychischen Prozesse, soweit sie sich in uns und unsersgleichen abspielen,
das zusammengesetzte Produkt einer sehr langen Entwickelung darstellen, entsteht die Aufgabe, diese Entwickelung in ihren einzelnen
Stadien anzuzeigen. Anfangend von dem ersten Auftreten des Psychischen auf der Erde, muß die genetische Methode die Steigerung
der Seelenthätigkeit durch die gesamte Tier- (Pflanzen-?) und Menschenwelt hindurch verfolgen, oder anderseits
für die Individualpsychologie die analytisch gefundenen einfachen Elemente als solche herausstellen und synthetisch so lange
zusammensetzen, bis wiederum die unmittelbar gegebene Komplikation vorliegt. Die genetische Methode ist auch in der Psychologie ebenso
wie in vielen Naturwissenschaften die am wenigsten durchgebildete, dem Darwinismus zum Trotz. Mit ihr unlöslich verbunden
ist
5) die vergleichende Methode. Nur durch ausgedehnte Vergleichung wird ein Überblick über die Gesamtheit
des Seelenlebens ermöglicht und ein Verständnis für die Stellung der einzelnen psychischen Funktionen zu einander angebahnt.
Ganz zweckmäßig bedient man sich daher neuerdings auch
6) der statistischen Methode. Die Frage z. B. nach dem Umfang, in welchem diese oder jene Charaktereigentümlichkeiten
sich vererben, oder die Frage nach der Häufigkeit, mit der bestimmte Halluzinationen auftreten, läßt sich nur auf Grund einer
Statistik
annähernd beantworten. Von verhältnismäßig geringer Brauchbarkeit ist
7) die mathematische Methode. Unter der Voraussetzung, daß die psychischen Phänomene wie alles in der Welt denNaturgesetzen
unterliegen und daher auch mathematisch ausgedrückt (nicht bloß gemessen) werden können, spricht die
Herbartsche Schule von einer Statik und Mechanik der seelischen Vorgänge und wendet die allgemeinen Formeln der Statik und Mechanik
der in Wechselwirkung stehenden elementaren Bestandteile der Materie (Atome) in modifizierter Gestalt auf die in Wechselwirkung
befindlichen elementaren Bestandteile des Bewußtseinsinhaltes (Empfindungen) an. Unter den Jetztlebenden
versuchen namentlich Steinthal und Glogau
[* 43] in der Psychologie, ähnlich wie in der Algebra, mathematische Gesetzmäßigkeiten, losgelöst
von jedem individuellen Inhalt und dadurch zugleich in allgemeiner Gültigkeit darzustellen, wobei sie die apperzeptive Freithätigkeit
des Geistes teilweise ausscheiden. (Vgl. Glogau, Steinthals psychologische Formeln, Berl. 1876.)
8) Die experimentelle Methode macht es sich zur Aufgabe, den Kreis
[* 44] des Gegebenen dadurch zu erweitern,
daß sie künstlich gewisse Bedingungen wandelt und die abweichende Wirkung beobachtet. Sie registriert nicht bloß, was die
Natur uns gerade bietet, sondern sie greift selbständig ein. Ihre höchsten Triumphe feiert diese Methode in der Psychophysik
(s. d.); indessen umspannt sie ein viel weiteres Gebiet, denn schon der einfachste
Versuch mit sich selbst oder irgend einem andern gehört ihr an. Man kann nun zwei Unterarten innerhalb der experimentellen
Methode unterscheiden: a) die rein experimentelle.
Sie beschränkt sich auf die planmäßige Abänderung der Bedingungen, unter denen ein psychischer Akt
sich vollzieht, indem sie beispielsweise einen und denselben Schmerz zu Zeiten der Ermüdung, Erregtheit etc. hervorruft und
seine Abhängigkeit von den genannten und andern Faktoren feststellt. IhreGrenze liegt in der Schwierigkeit, einen einzelnen
Empfindungskomplex beim Wechsel aller übrigen unverändert fortbestehen zu lassen, oder umgekehrt ein einzelnes Aggregat aus
dem lebendigen Seelenzusammenhang herauszulösen, zu variieren und in die gleiche Umgebung zurückzusetzen.
Immerhin vermag sie, besonders mittels der in der Hypnose gegebenen Dissociation des Bewußtseins, in ähnlicher WeiseVersuche
einer, man möchte sagen seelischen Vivisektion vorzunehmen, wie sie der Physiolog am lebendigen Körper anstellt. Das Wesen
positiver und negativer Halluzinationen, das Erwirken großer psychischer Komplexe durch eine eingepflanzte
(suggerierte) Vorstellung, das Ineinandergreifen verschiedener Bewußtseinssphären, das schwierige Problem der Persönlichkeit
u. dgl. ist solcherart experimentell untersucht
worden. b) Die numerische Experimentalmethode.
Sie fügt zu dem reinen Experiment ein ursprünglich und notwendigerweise nicht in ihm liegendes Moment, nämlich die zahlenmäßige
Messung, hinzu, erhebt aber durch diese mathematische Legitimation den Versuch zu einem exakt fixierbaren.
Die öfters geltend gemachten Bedenken: daß es kein festes Maß für psychische Vorgänge (z. B. eine Schmerzeinheit) in
demselben Sinne gebe, wie das Meter ein Maß für Längen sei, daß man ein etwa gefundenes Maß nicht anlegen, und daß
man seelische Zuständlichkeiten nicht deponieren könne, um sie später mit andern numerisch zu vergleichen, diese Bedenken
beziehen sich bloß auf ein Messen des Seelischen am Seelischen. Jedoch unterliegt es keinem
¶
mehr
Zweifel, daß auch ein Messen innerer Akte an den parallel gehenden äußern Ereignissen dem Psychologen erlaubt und wertvoll
ist. Ebenso wie der Physiker mit dem Thermometer
[* 46] Wärmegrade an Längenverschiedenheiten und mit dem Galvanometer
[* 47] Stromstärken
an Winkelgrößen mißt, ebenso mißt der Psycholog Zeit oder Stärke psychischer Prozesse an dem äußern und
andersartigen Phänomen des Zwischenraums zwischen zwei Bewegungen oder der objektiven Intensität von Helligkeiten.
Ein solches Verfahren wird wesentlich durch zwei Grundeigenschaften der Seele ermöglicht, nämlich durch die eine, daß innere
Geschehnisse sich in Bewegungen äußern, und durch die andre, daß wir unmittelbar zwischen Gleich und Ungleich unterscheiden.
Auf jene führen die Reaktionsversuche zurück, auf diese sämtliche Messungen in der Sphäre der Sinnesempfindungen.
Ergänzend treten seelische Eigenschaften hinzu, welche nur einem besondern Komplex (z. B. dem Gedächtnis) angehören, und
die gedeihliche Fortentwickelung der numerischen Methode dürfte von der Auffindung weiterer solcher Sondereigenschaften abhängen.
So oft die Methode nicht bloß geistige Geschehnisse in Zahlen einfängt, sondern direkt mißt, darf sie denNamenPsychometrie beanspruchen. Zu den aufgezählten Untersuchungsweisen treten namentlich noch viele Hilfsmethoden, z. B.
die speziell anatomische oder die sprachwissenschaftliche.
Forschungsgebiete der Psychologie.
Die folgende Übersicht beansprucht nicht den Wert einer systematischen oder gar erschöpfenden Darstellung. Sie wünscht
nur diejenigen Felder zu umgrenzen, auf denen augenblicklich mit Erfolg gearbeitet wird. Daß darunter
die sogen. physiologische Psychologie fehlt, hat seinen Grund. Die von ihr versuchte Vermischung zweier gänzlich heterogener Reihen
ist schlechterdings unmöglich; was in ihrem Bereich geleistet worden ist, gehört entweder der Psychologie oder der
Physiologie oder der Psychophysik an oder beschränkt sich endlich auf eine Förderung der Methodik.
2) Individualpsychologie. Ihr Gegenstand ist ein normaler, erwachsener Kulturmensch und zwar sowohl
seine Funktionen (z. B. Stumpf, »Tonpsychologie«, Leipz. 1883-90,2
Bde.) als seine Arten (Simmel, »Die Psychologie der Frau« in der »Zeitschrift für Völkerpsychologie«, 1889; Dilthey, »DichterischeEinbildungskraft«,
Leipz. 1886). Eins ihrer wesentlichsten Hilfsmittel liegt in Selbstzeugnissen und Biographien abgeschlossener Individualitäten,
ja sogar in poetischen Darstellungen (die »psychologische Schule« unter den französischen Romanschriftstellern).
3) Psychophysik (s. d.). Eigentlich eine ebenso selbständige Wissenschaft wie Psychologie und wie Physik, dadurch indessen, daß die
durch den Wechsel der äußern Einflüsse herbeigeführten Veränderungen im innern Geschehen eben über dieses innere Geschehen
selbst Aufschlüsse enthalten, von besonderer Bedeutung für den Psychologen. Die Psychophysik untersucht
mittels exakter Wertzeichen: a) die Empfindung, eine psychologische Thatsache, welche unmittelbar von gewissen äußern Grundbedingungen
abhängt, und b) die Bewegung aus innerm Antrieb, einen physiologischen Vorgang, dessen Ursachen sich im allgemeinen nur in der
Selbstbeobachtung zu erkennen geben.
4)-6) Sozialpsychologie, die
Wissenschaft vom seelischen Menschen als von einem gesellschaftlichen Wesen.
4) Ethnologische Psychologie, besonders durch AdolfBastian vertreten. Ihre Hauptgedanken sind die folgenden: a) Das Individuum, für
sich als etwas Selbständiges betrachtet, existiert in der sozialen Wirklichkeit nicht, ist eine Abstraktion. Die Menschheit,
ein Begriff, der kein Höheres neben sich kennt, ist für die umfassende Psychologie zum Ausgangspunkt zu nehmen,
als das einheitliche Ganze, innerhalb dessen der Einzelmensch (das »politische
Tier«) nur als integrierender Bruchteil figuriert. b) Diese seelische Menschheit findet sich gewissermaßen
niedergeschlagen in den Völkergedanken, d. h. in den ursprünglichsten und eigentümlichsten menschheitlichen
Gedanken; in ihnen, nicht in den subjektiv individuellen Empfindungen, offenbart sich das Wesen des Psychischen.
c) So entsteht die Aufgabe einer Gedankenstatistik, die Aufgabe, ein Inventar über die Machtsphäre des innern Lebens aufzunehmen.
AlleZeiten und alle Völker müssen berücksichtigt werden, nicht bloß, wie üblich, die Kulturvölker, denn das wäre ebenso,
als ob man die Botanik auf die Kulturpflanzen beschränken sollte. Es gilt demnach, alles zu sammeln, zu
vergleichen, nach höhern Einheiten zusammenzuordnen und in einer Entwickelung darzustellen; denn es wird vorausgesetzt, daß
im Bereich der Ideen der Völker oder des menschheitlichen Geisteslebens nicht minder ein organisches Wachstum statthat wie
auf dem Gebiete des körperlichen Lebens. d) Die Buntheit der Lokaldifferenzen stört diese Arbeit nicht,
im Gegenteil, sie läßt sich nützlich verwerten, da, den abgeschlossenen Kreisen einer bestimmten Fauna oder Flora entsprechend,
eine geographische Provinz auch für den psychischen Menschen existiert und als solche beschrieben werden kann. Dagegen fehlt
der Völkerkunde ebenso wie etwa der Zoologie zunächst jede Berührung mit der Chronologie.
5) Völkerpsychologie, von Lazarus und Steinthal begründet und in der von beiden seit 1860 herausgegebenen
»Zeitschrift für Völkerpsychologie« gepflegt. Sie sucht aus den einfachsten Erzeugnissen der menschlichen Geselligkeit den
umfassenden Organismus des Volksgeistes zu erklären, so daß wir allmählich alle wesentlichen Formen und Erzeugnisse des
Zusammenlebens der Menschheit, wie Familie, Staat, Stände, Religion, Litteratur etc. nach- und nebeneinander
entstehen, sich gegenseitig fördern und hemmen sehen. Es soll eine neue Beziehung geschaffen werden zwischen der Geschichte
als einer Art beschreibender Naturgeschichte des Geistes und der Völkerpsychologie als einer Art erklärender Physiologie des
geschichtlichen Lebens der Menschheit. Gegen dieses Programm haben Einwände erhoben E. v. Hartmann, H.
Paul und W. Wundt; letzterer begrenzt ihre Aufgabe auf Sprache,
[* 48] Mythus und Sitte.
6) Sprachpsychologie. Sie untersucht die psychologische Entstehung und Wirkung der Sprache. Die Entwickelung des Gefühls und
das Verhältnis zwischen Fühlen und Denken läßt sich an den Sprachen sehr schön verfolgen, denn sie entstehen aus
Gefühlen, werden zum Ausdruck des Wissens und kehren gelegentlich wieder zu ihrem Ursprung zurück. Dabei zeigt sich die Bedeutung
des Prinzips des kleinsten Kraftmaßes: eine zweckmäßig arbeitende Organisation löst eine ihr obliegende Aufgabe mit den
relativ geringsten Mitteln. Das kraftersparende Mittel der Seele ist aber die Gewohnheit, wie sie sich z. B.
in der Analogiebildung aller Sprachen äußert, also etwa darin, daß wir von dem Alter als von dem
¶
Bruchmann, Psychologische Studien zur Sprachgeschichte (Leipz. 1888).
7) Kinderpsychologie. Die Erforschung des kindlichen Seelenlebens in seiner allmählichen Ausbildung hat zu wertvollen Ergebnissen
über die Elemente unsrer psychischen Struktur geführt und unter anderm gezeigt, daß logisches Denken
bereits in der Zeit vor dem Sprechenlernen sich vollzieht, aber wesentlich durch Bildungsvorgänge in der Gefühls- und Triebsphäre
bedingt ist. Beobachtung und reines Experiment, welche beide bisher fast ausschließlich angewendet worden sind (vgl. Preyer,
Die Seele des Kindes, 3. Aufl., Leipz. 1890), müßten freilich
durch das numerische Experiment so ergänzt werden, daß über das Gedächtnis etc. in den verschiedenen Lebensaltern des lernenden
Kindes genaue Daten vorliegen, wodurch wir natürlich noch nicht zu einer ebensolchen genauen Bestimmung der geistigen Fähigkeiten
wie der Körperlänge und -Schwere gelangen. Im übrigen hat sich bereits Erforschung, Erweiterung und
Verwertung der kindlichen Erfahrung sowohl für den Gang
[* 50] der gesamten Erziehung als auch im einzelnen für Auswahl und Anordnung
des Lehrstoffes von Nutzen erwiesen.
Haben alle, oder welche Tiere haben Bewußtsein? (s. d.) Ein Teil von Forschern ist geneigt,
in der willkürlichen Hemmung der Reflexbewegungen das Zeichen des Bewußtseins zu sehen; ihnen zufolge stellt der Reflex die
Grundfunktion der Nervenzentra dar, ist nur gelegentlich von dem Epiphenomenon des Bewußtseins begleitet und nur dann mit
Sicherheit, wenn er willkürlich verlangsamt oder gehemmt wird. Erst da, wo in der Tierreihe psychische
Reflexe und Reflexhemmungen auftreten, soll das Seelenleben beginnen (vgl. Richet, Les
réflexes psychiques in der »Revue philosophique«, 1889). Diesem panzoologischen Standpunkt tritt die pananthropologische
Auffassung gegenüber, welche den bewußtseinsfreien Reflex gar nicht gelten lassen will, sondern sogar bei den untersten
Tieren (Binet, The psychic life of microorganisms, Chicago 1890) oder selbst schon bei der biologisch als
einseitig entwickeltes Tier anzusehenden Pflanze eine Art Seelenleben finden will.
Das Bewußtsein sei nicht ausschließlich an die obersten Teile des Gehirns oder überhaupt an ein Gehirn
[* 54] gebunden. Wir müssen
dem Protoplasma sowie allen, doch nichts wie Protoplasma darstellenden Nervenzellen Bewußtseinsfähigkeit zusprechen, deren
aktuelles Bewußtsein einesteils von der Erweckung durch äußere Reize abhängt, andernteils durch ein Hemmungsvermögen der
obern Hirnteile in seinen Erscheinungen unterdrückt werden kann (vgl. Meynert, Gehirn und Gesittung, Wien 1889; Schneider, Der
tierische Wille, Leipz. 1880).
9) Rechtspsychologie. Sie gehört halb zur Völkerpsychologie, nämlich insofern sie sich mit der psychologischen
Entstehung und Bedeutung des Rechtes und der Rechtsbegriffe beschäftigt. Willenserklärung, Irrtum, Handlungsfähigkeit, Deliktsfähigkeit
und ähnliche Begriffe werden von ihr untersucht. Zur andern Hälfte kann sie als eine selbständige Disziplin betrachtet werden,
nämlich insofern sie in das Strafrecht eintritt; die Kriminalpsychologie erforscht Komplexe wie Schuld, Sühne, Strafe, Zurechnung
(Zurechenbarkeit der Handlung, Zurechnungsfähigkeit der Person), kurz, das Wollen in allen seinen konstitutiven
Bedingungen und in seinen Ausstrahlungen bis zur Verneinung und Aufhebung.
Neuerdings hat sich hier eine Richtung entwickelt, welche sich selbst die kriminal-anthropologische Schule nennt und ein neues
Strafrechtssystem verlangt, von dem die bedeutendsten deutschen Theoretiker und Praktiker indessen noch nichts
wissen wollen. Danach existiert eine Gruppe geborner, durch erbliche Degeneration verkümmerter Defektmenschen, bei welchen
die Entwickelungshemmung vornehmlich durch den Mangel aller sittlichen Vorstellungen und durch das ausschließliche Vorwalten
rohester egoistischer Gefühlsthätigkeit sich kundgibt. Das sind die Gewohnheitsverbrecher, und ihre wichtigsten Zeichen
auf psychischer Seite sind: a) unmotivierter plötzlicher Stimmungswechsel, b) schwere
Krampfzustände, c) Bewußtseinsstörungen mit darin auftretenden unsinnigen und Gewalthandlungen.
Vgl. Lombroso (s. d.),
Der Verbrecher (Hamb. 1889-90,2 Bde.);
10) Pathopsychologie. Das pathologische Experiment, welches die Natur anstellt, indem sie eine geistige Krankheit hervorruft,
bietet ein wichtiges Erfahrungsmaterial für die Psychologie, denn die Geisteskrankheiten bedeuten meistens eine
Dissociation der psychischen Funktionen durch Herabsetzung oder Übertreibung gewisser normaler Prozesse. Daher bildet die Pathopsychologie
die Grundlage der Psychiatrie, abgesehen davon, daß letztere als klinische Wissenschaft auch die körperlichen Vorgänge im
Gehirn zu berücksichtigen hat (pathologische Hirnanatomie). So hat z. B. die Widerlegung
der Seelenvermögenslehre dazu geführt, daß man die Vorstellung einzelner Manien (Pyromanie etc.) bei
sonst unversehrter Geisteskraft aufgeben mußte.
11) Okkultismus. Mit diesem sehr schlechten, aber durch keinen bessern zu ersetzenden Namen soll das Gebiet derjenigen psychischen
Erscheinungen bezeichnet werden, welche aus dem gewöhnlichen Verlauf des Seelenlebens heraustreten,
ohne doch schon der Pathologie anheimzufallen. Gemeint sind (Traum), Hypnose, Ekstase, (Gedankenübertragung, Hellsehen) etc. Ja
der Untersuchung dieser erst seit kurzem dem Aberglauben entrissenen Phänomene stehen sich zwei Parteien gegenüber. Die eine
(Moll, Dessoir u. a.) versucht durch schärfste Prüfung die wirklichen Thatsachen auszumitteln, sie in Verbindung mit den übrigen
von der wissenschaftlichen Psychologie behandelten Vorgängen zu bringen und ihre Gesetze festzustellen (vgl. Moll,
Der Hypnotismus, 2. Aufl., Berl. 1890). Die andre Richtung (Hellenbach, du Prel u. a.) ist wesentlich von metaphysisch-religiösen
Gesichtspunkten geleitet; sie will aus den
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