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ungefähr auf 92,5 Mill. Stück. Im Fahrpostverkehr, welcher sich im ganzen von 35,4 auf 36 Mill. Stück gehoben hat, haben Geldbriefe (von 11,3 auf 7,9 Mill. Stück) abgenommen, da sie immer mehr durch die Postanweisungen, durch den Checkverkehr der Postsparkasse etc. ersetzt werden. Der Postanweisungsverkehr zeigt eine Zunahme von 16,1 auf 18 Mill. Stück. Auch der Depeschenverkehr zeigt eine rege Entwickelung; er umfaßte 1884: 7,158,124, 1888: 8,386,622 gebührenpflichtige nebst 600,871, bez. 664,377 gebührenfreien und Dienstdepeschen.
Das finanzielle Ergebnis des Post- und Telegraphenwesens weist eine Steigerung der Einnahmen von 24,75 auf 27,58 und der Ausgaben von 21,17 auf 23,93 Mill. Guld. auf. Bei der österreichischen Postsparkasse bezifferte sich im J. 1889 der im Sparverkehr eingelegte Gesamtbetrag auf 18,195,000 Guld. Die Rückzahlungen betrugen 15,716,000, der Überschuß 2,479,000 Guld. Im Checkverkehr erreichte der Umsatz den Betrag von 1505 Mill. Guld. (um 218 Mill. Guld. mehr als im Vorjahr), im Clearingverkehr den Betrag von 433 Mill. Guld. (um 77 Mill. mehr als 1888). Der eigentliche Sparverkehr ist bekanntlich bei den Privatsparkassen viel bedeutender als bei der Postsparkasse. 1888 beliefen sich die Einzahlungen bei den 405 österreichischen Sparkassen auf 333,8, die Rückzahlungen auf 315,7, der Überschuß der erstern auf 18,1 und der Einlagenstand am Schlusse des Jahres auf 1153,8 Mill. Guld. (gegen 1091,2 Mill. zu Ende 1887). Im J. 1889 ist der Einlagenstand der österreichischen Sparkassen nach den bisher vorliegenden Daten gleichfalls und zwar in ungewöhnlicher Weise gestiegen.
[Staatsfinanzen.]
Für das Jahr 1890 wurden die Staatsausgaben mit 546,303,035, die Staatseinnahmen mit 548,820,006 Guld. veranschlagt, woraus sich ein Überschuß von 2,516,971 Guld. ergibt. Die wichtigsten Ausgabeposten sind:
Gulden | |
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Hofstaat | 4650000 |
Staatsschuld | 149571098 |
Gemeinsame Angelegenheiten | 99767439 |
Kultus u. Unterricht | 21792518 |
Finanzverwaltung | 89178554 |
Landesverteidigung | 16941760 |
Handelsministerium | 78817530 |
Unter den Staatseinnahmen sind hervorzuheben:
Gulden | |
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Direkte Steuern | 104122000 |
Salz | 20679800 |
Zölle | 39619822 |
Tabak | 82463300 |
Post und Telegraph | 29110000 |
Stempel | 18800000 |
Staatseisenbahnbetr. | 49947090 |
Taxen u. Gebühren | 33770000 |
Indirekte Steuern | 283383020 |
Lotto | 21500000 |
Verzehrungssteuer | 102369600 |
Der gemeinsame Staatsvorschlag wurde von den Delegationen für das Jahr 1891 mit einem ordentlichen Nettoerfordernis von 116,523,548 Guld. festgestellt, wovon auf das Heer 100,493,999 Guld. und auf die Kriegsmarine 9,384,033 Guld. entfallen. Hierzu kommt das außerordentliche Erfordernis von 16,402,339 Guld. und das außerordentliche Heereserfordernis für die Okkupationsländer von 4,365,000 Guld. Nach Abzug der Zolleinnahmen von 40,491,750 Guld. verbleibt ein von den beiden Staatsgebieten zu deckendes Gesamterfordernis von 101,164,137 Guld. Der Stand der Staatsschuld war Ende 1889 (ohne die speziell ungarische Schuld) folgender:
Allgemeine Staatsschuld | 2772 Mill. Gulden |
Österreichische - | 1057 - |
Gemeinsame schwebende Schuld | 357 - |
Grundentlastungsschulden | 72 - |
In allen diesen Schuldenkategorien ist im Laufe des Jahres 1889 eine Verminderung eingetreten. Die einjährigen Zinsen und Renten für diese Schulden betragen 164 Mill. Guld. Infolge der Konsolidation der österreichischen und ungarischen Staatsfinanzen konnte endlich ernstlich an die Regelung der Valuta gedacht werden und sind in Bezug auf diese wichtige wirtschaftliche Angelegenheit die Verhandlungen zwischen den beiderseitigen Regierungen eingeleitet worden.
Zunächst wird eine Enquete über die in Betracht kommenden Fragen eingeleitet werden. Im Laufe des Jahres 1889 hat sich der Stand des Goldagios an der Wiener Börse gegen die Vorjahre bedeutend ermäßigt; es betrug nämlich im Jahresdurchschnitt 118,59 Proz. (gegen 123,30 Proz. im J. 1888 und 125,26 Proz. im J. 1887). Seither sind die Valutenkurse übrigens noch viel tiefer gesunken; der Londoner Wechselkurs beispielsweise war im Sommer 1890 auf ca. 116 und im Herbst 1890 sogar auf 112 und darunter gesunken. Die Münzausprägungen beliefen sich im J. 1889 beim Hauptmünzamt in Wien [* 2] auf 42,2 Mill. Stücke im Betrag von 11,6 Mill. Guld., beim ungarischen Münzamt in Kremnitz auf 2,3 Mill. Stücke im Betrag von 4,9 Mill. Guld.; in den beiden Münzstätten der österreichisch-ungarischen Monarchie wurden demnach im J. 1889 zusammen 44,5 Mill. Stücke im Geldbetrag von 16,5 Mill. Guld. ausgeprägt.
[Heerwesen.]
Anfang November 1890 wurden organische Bestimmungen für die Kavallerie, Artillerie, das Pionierregiment und die ungarische Honvedinfanterie erlassen. Die Kavallerie besteht aus 15 Dragoner-, 16 Husaren- und 11 Ulanen-, zusammen 42 Regimentern, von denen die letztern die Nummern 1-8 und 11-13 führen. Die Husarenregimenter ergänzen sich sämtlich aus Ungarn. [* 3] Das Regiment gliedert sich in 2 Divisionen zu je 3 Eskadrons und 1 Ersatzkadre, außerdem hat jedes Regiment im Frieden wie im Kriege einen Pionierzug von 1 Offizier 23 Reitern.
Das Regiment ist 43 Offiziere, 1018 Mann, davon 913 Reiter, stark, jede Eskadron hat 21 Unberittene. Die gesamte Kavallerie ist einheitlich mit Mannlicher-Repetierkarabiner und Säbel bewaffnet. Die fahrenden Batterien der Feldartillerie haben sämtlich 9 cm Kanonen erhalten, und damit hat die Bezeichnung leichte und schwere Batteriedivisionen aufgehört. Die reitenden Batterien haben 8 cm, die Gebirgsbatterien 7 cm Kanonen. Es ist ein Artilleriestab gebildet worden, zu welchem 143 Offiziere vom General bis zum Oberleutnant, und zwar der Generalartillerieinspektor, die Inspizierenden der Festungsartillerie, die Artilleriebrigadekommandeure und die Artilleriedirektoren mit ihren Stäben, gehören; 10 Offiziere davon stehen im Okkupationsgebiet.
Die Feldartillerie gliedert sich in 14 Brigaden, bestehend aus 14 Korpsartillerieregimentern, 28 selbständigen Batteriedivisionen zu je 3 Batterien und 1 Division Gebirgsartillerie (bisher beim 9. Festungsartilleriebataillon) für Tirol. [* 4] Jedes Korpsregiment besteht aus 2 Divisionen von je 3 Batterien und einer Batteriedivision von vermindertem Friedensstand, dem Munitionsparkkadre und dem Ersatzdepotkadre; 8 Regimenter haben je 1 reitende Batteriedivision zu 2 Batterien, 4 je 1 Gebirgsbatterie.
Die Tiroler Gebirgsartillerie besteht aus 3 Batterien, welche sich im Kriege verdoppeln, und dem Ersatzdepotkadre, welches im Kriege 4 schmalspurige 9 cm Feldbatterien zu je 4 vierspännigen Geschützen aufstellt. Die Feldartillerie zahlt demnach im Frieden 210 fahrende (9 cm), 16 reitende und 7 Gebirgsbatterien. Die Festungsartillerie, welche bisher aus 12 Bataillonen bestand, wird jetzt in 3 Regimenter zu je 3,3 zu je 2 Bataillonen und 3 selbständige ¶
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Bataillone zu je 4 Feld- und 1 Ersatzkompanie en cadre formiert. Die Stellen der bisherigen Artilleriedirektoren in den Festungen Krakau, [* 6] Przemysl, Pola, [* 7] Komorn, Cattaro, Trient, [* 8] Karlsburg und Peterwardein gehen ein und werden durch die Regimentskommandeure der Festungsartillerie besetzt. 2 Generale sind Inspizierende der Festungsartillerie. Von der Festungsartillerie sollen auch die 5 Belagerungsartilleriegruppen, aus je 2 kurzen 12 cm Kanonen- und einer 15 cm Mörserbatterie bestehend, welche bei der Mobilmachung aufgestellt den Feldarmeen beigegeben werden sollen, besetzt werden.
Die 18 Ersatzkompaniekadres formieren bei der Mobilmachung ebensoviel Kriegskompanien von 240 Mann Stärke. [* 9] Das Pionierregiment gliedert sich in 5 Feldbataillone zu je 4 Feldkompanien, 1 Reserve- und 1 Ersatzkompaniekadre und 1 Zeugsreserve. Zum Regiment gehören ferner 56 Kriegsbrückenequipagen und 14 Vorhutbrückentrains sowie ein Pionierzeugsdepot. Das Regiment, im Frieden 134 Offiziere, 2634 Mann stark, ergänzt sich im Kriege auf 188 Offiziere, 8104 Mann und 928 Pferde. [* 10]
Jede Brückenequipage enthält das Material für eine 53 m, jeder Vorhutbrückentrain für eine 13,3 m lange Kriegsbrücke. Die Honvedinfanterie zählt 28 Regimenter, von denen zehn 4, die übrigen je 3 Bataillone haben. Außer diesen 94 Bataillonen bestehen noch 11 Reservekadres. Jedes Bataillon hat 4 im Frieden nur als Kadres vorhandene Kompanien. Die Jäger haben insofern eine Umformung erfahren, als 2 Feldjägerbataillone dem Tiroler Kaiserjägerregiment zugeteilt worden sind, so daß letzteres jetzt 12 Feld- und 3 Ersatzbataillone zu je 4 Kompanien, die Feldjäger nur 30 Bataillone zu je 4 Kompanien und 1 Ersatzkompanie zählen. Der Train gliedert sich jetzt in 3 Regimenter zu je 5 Divisionen und 1 Ersatzeskadron, zusammen 80 Traineskadrons und 4 Gebirgseskadrons. - Durch § 7 des Wehrgesetzes vom ist die Gestellungspflicht vom vollendeten 20. auf das 21. Lebensjahr hinausgeschoben worden.
Für die Aushebung der Übergangszeit wurden besondere Bestimmungen gegeben. Für das Jahr 1889 waren 734,191 Gestellungspflichtige verzeichnet, von diesen wurden 154,146 als diensttauglich, 514,978 als untauglich befunden, 65,067 erschienen nicht zur Stellung. Es wurden für das Heer und die Marine eingeteilt: in Österreich [* 11] 60,389, in Ungarn 42,711, zusammen 103,100 Mann, in die österreichische Landwehr 10,510, in die ungarische 12,500, zusammen 23,010 Mann.
In das Heer wurden eingestellt: 87,896, in die österreichische Landwehr 7622, in die ungarische 6232, in die Ersatzreserve 59,347 Mann. Der Grundbuchbestand betrug: 274 Generale, 1376 Stabsoffiziere, 4166 Hauptleute, 15,806 Leutnants, zusammen 21,375 Offiziere, von denen 7598 der Reserve angehörten;
ferner 939,884 Mann, davon gehörten 244,214 zum Präsenz- u. Beurlaubtenstand in den drei jüngsten Jahrgängen, 522,957 zur Reserve, 137,720 zur Ersatzreserve, 34,993 zu verschiedenen Kategorien, unter diesen 4650 Einjährig-Freiwillige.
Geschichte.
Das Jahr 1890 stand in Bezug auf die innerösterreichische Politik unter dem Zeichen des deutsch-böhmischen Ausgleichs. Wie bereits im 17. Bande (S. 631) erwähnt, fanden auf Einladung des Ministerpräsidenten Grafen Taaffe in der Zeit vom 4. bis Konferenzen in Wien statt, an welchen außer den Ministern als Vertrauensmänner der Deutschen Schmeikal, Plener, Hallwich, Scharschmid, Schlesinger und Graf Oswald Thun, von seiten der Tschechen, richtiger der Alttschechen und Feudalen, Rieger, Fürst Lobkowitz, Graf Clam-Martinitz, Graf Kinsky, Mattusch und Zeithammer, endlich Fürst Alexander Schönburg, welcher die Anregung zu diesen Verhandlungen gegeben hatte, teilnahmen. Es handelte sich hierbei nicht um einen vollständigen Ausgleich zwischen den gegensätzlichen nationalen Forderungen der beiden Volksstämme in Böhmen, [* 12] sondern nur darum, den Forderungen der Deutschböhmen so weit Rechnung zu tragen, daß diesen der Wiedereintritt in den Landtag und das Zusammenwirken mit den Tschechen zu öffentlichen Zwecken ermöglicht werde.
Die bei diesen Konferenzen getroffenen Vereinbarungen hatten zum Gegenstand:
1) den Landesschulrat, welcher, abgesehen von den Beamten und konfessionellen Vertretern aus einer gleichen Anzahl deutscher und tschechischer Mitglieder gebildet werden und zwei Sektionen, eine deutsche und eine tschechische, umfassen sollte, welche innerhalb ihres Wirkungskreises selbständig Beschluß zu fassen hätten. Der Plenarberatung blieben die allen Schulen Böhmens gemeinsamen Angelegenheiten und die Errichtung von Minoritätsschulen vorbehalten.
2) Die Minoritätsschulen, wobei die Voraussetzungen festgestellt wurden, unter welchen das Bedürfnis nach Errichtung öffentlicher Volksschulen für die sprachliche Minorität in einer Schulgemeinde als erwiesen anzusehen sei.
3) Der Landeskulturrat, welcher aus einer deutschen und einer tschechischen Sektion mit je einer Delegiertenversammlung (von Vertretern der landwirtschaftlichen Vereine des deutschen, bez. tschechischen Sprachgebiets) und einem Sektionsausschuß, welche Organe künftig getrennt und selbständig die bisher dem Landeskulturrat und seinem Ausschuß zugewiesenen Angelegenheiten besorgen sollen, dann einem Präsidialkollegium für die gemeinsamen Angelegenheiten zu bestehen hat.
4) Das neue Handelskammergebiet im östlichen Böhmen soll durch Ausscheidung von Steuerbezirken aus dem Reichenberger und Prager Handelskammergebiet geschaffen werden. Die neue (tschechische) Kammer, welche ihren Sitz in Königgrätz [* 13] haben dürfte, soll eine entsprechende Vertretung im Reichsrat und im böhmischen Landtag erhalten.
5) Die Sprengel der Bezirks- und Kreisgerichte werden derart umgestaltet werden, daß dieselben nur Gemeinden einer und derselben Nationalität umfassen. Auch sind aus diesem Anlaß die politischen Bezirke soviel wie möglich der Nationalität der Bewohner gemäß abzugrenzen. Beim Oberlandesgericht in Prag [* 14] wird die Besetzung von 15 Ratstellen (unter den 41 systemisierten) nicht von dem Erfordernis der Kenntnis der tschechischen Sprache [* 15] abhängig gemacht. Aus jeder der beiden Gruppen von Räten ist eine Personal- und Disziplinarkommission für die Gerichte des deutschen, bez. tschechischen Gebiets zu bilden. Nach durchgeführter Abgrenzung der Gerichtsbezirke wird die Sprachenverordnung aus dem Jahre 1880 einer Revision unterzogen werden.
6) Die Reform der Landtagswahlordnung wird nach einem für beide Nationalitäten gleichen Maßstab [* 16] vorgenommen werden. Der Wahlkörper des allodialen Großgrundbesitzes wird in mehrere territoriale Wahlkörper abgeteilt werden. An die Stelle der bisherigen Kurien der Landtagsabgeordneten der Städte und Landbezirke treten unter Fortbestand der Kurie des Großgrundbesitzes zwei neue Kurien der Abgeordneten der deutschen und der tschechischen Wahlbezirke. Jede der drei Kurien wird mit einem Veto für ¶
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Beschlüsse über Änderungen der Landesordnung und der Landtagswahlordnung sowie über sprachliche Fragen ausgestattet.
Auf der Reichsratssession des Frühjahrs 1890, welche vom 3. Febr. bis zum 20. Mai dauerte, äußerte sich der Einfluß der Ausgleichsvereinbarungen noch nicht, da sich die Reichsvertretung mit den hierauf bezüglichen Fragen vorläufig nicht zu beschäftigen hatte. Von seiten der deutsch-liberalen Partei wurde eine reservierte Haltung eingenommen, während in den Verhältnissen der bisherigen Majorität keine Änderung eintrat. Die einzelnen Fraktionen der Rechten gaben die Erklärung ab, auf der Basis ihrer Grundsätze in der bestehenden Gruppierung zu verbleiben.
Auch die Regierung wünschte in dem bisherigen Verhältnis zur Majorität zu bleiben und sich fernerhin auf dieselbe zu stützen. Aus den Beratungen des Reichsrats ging zunächst das Gesetz über Regelung der äußern Rechtsverhältnisse der jüdischen Religionsgenossenschaft hervor. Obzwar es sich bei diesem Gesetz nicht um die allgemeine oder staatsrechtliche Stellung der Juden, sondern um die Organisierung der jüdischen Religionsgemeinden handelte, benutzten die Antisemiten die Gelegenheit zu einer Judendebatte im großen Stile.
Beschlossen wurden ferner ein Gesetz über die Entschädigung unschuldig Verurteilter;
ein Gesetz über Änderung der Gebäudesteuer;
eine Novelle zum Gebührengesetz, wodurch unter anderm der Totalisator bei Pferderennen einer Abgabe von 5 Proz. vom Gesamtbetrag der Wetteinsätze unterworfen wird;
das Gesetz über die Wiener Verzehrungssteuer (s. Wien);
die Gesetze über die Reform der Statistik des auswärtigen Handels, über die Ermächtigung der Österreichisch-Ungarischen Bank zur Eskomptierung von Warrants, über die Reform der Personentarife auf den Eisenbahnen, über die staatliche Unterstützung des inländischen Schiffbaues, über die Erhöhung des Mindesteinkommens der Hilfspriester, endlich über die galizische Grundentlastung.
Durch das letzterwähnte Gesetz wurde die Regierung ermächtigt, mit der galizischen Landesvertretung ein Übereinkommen abzuschließen, wonach die vom Staate dem galizischen Grundentlastungsfonds bis 1882 gegebenen Vorschüsse im Gesamtbetrag von 75,17 Mill. Gulden abgeschrieben werden. Für die Jahre 1883-97 wird an die Stelle des bisherigen unverzinslichen Staatsbeitrags von 2,625,000 Guld. eine nicht rückzahlbare Staatssubvention im Betrag von jährlich 2,100,000 Guld. und ein jährlicher rückzahlbarer unverzinslicher Staatsvorschuß von 325,000 Guld. bewilligt.
Diese Regierungsvorlage rief in bäuerlichen Kreisen als ein »Hundertmillionengeschenk an Galizien« um so mehr Erregung hervor, als alle übrigen Länder ihre Grundentlastung aus eignen Mitteln zu bestreiten hatten, und begegnete deshalb innerhalb der Majorität des Reichsrats namentlich dem Widerstand der klerikalen Partei, welche für ihre Mandate fürchtete, wenn sie ohne die konfessionelle Schule und mit diesem neuen Geschenk an Galizien zu ihren Wählern zurückkehren würde.
Diese Weigerung der Klerikalen erbitterte wieder die Polen so, daß sie bereits Pourparlers mit der deutschen Linken zum Zwecke der Unterstützung dieses Gesetzes und einer Neugestaltung der Parteiverhältnisse einleiteten. Doch wurde der drohende Bruch zwischen den Klerikalen und Polen vorläufig vermieden und das Gesetz unter Entfernung der Klerikalen vor der Abstimmung mit einer Majorität von 16 Stimmen angenommen. Bei der Beratung der Gesetzvorlage, welche wegen der langwierigen Klubverhandlungen erst knapp vor dem Sessionsschluß stattfand, ließ der Obmann des Polenklubs, Abgeordneter Jaworski, die Worte fallen, daß angeblich Galizien von der österreichischen Büreaukratie seinerzeit »wie von einer Horde überfallen und ausgesaugt worden sei«, ein Vorwurf, der auffallenderweise nicht von der Regierung, sondern von den Rednern der Linken, im Herrenhaus insbesondere von dem Historiker Arneth unter Hinweis auf die Verdienste, welche die österreichische Büreaukratie in Galizien sich um das daniederliegende Land erworben hatte, zurückgewiesen wurde. Über die Regierungsvorlage betreffend die Abänderung des Volksschulgesetzes (s. Bd. 17, S. 630) wurde in einer Kommission des Herrenhauses längere Zeit verhandelt, ohne daß es zu einem Ergebnis kam.
Der klerikalen Partei erschienen die von der Regierung angebotenen Zugeständnisse in der Schulfrage als unzureichend, das Ministerium erklärte jedoch jedes weitere Entgegenkommen als unmöglich. Inzwischen traten die österreichischen Bischöfe mit Forderungen hervor, welche den weitgehendsten Einfluß der Kirche auf die konfessionell einzurichtende Volksschule sowie die Lehrerbildungsanstalten sichern sollten. Einen Kommentar zu dieser Erklärung bildete der im Juni 1890 veröffentlichte Hirtenbrief der österreichischen Bischöfe, welcher sich in derselben Gedankenreihe bewegte und mit einer eindringlichen Mahnung an die katholischen Wählerschaften schloß, nur solche Männer in die Vertretungskörper zu wählen, welche es als ihre erste und vorzüglichste Aufgabe ansehen, mit allen Kräften dahin zu wirken, daß die sittlich-religiöse Erziehung in der Schule zur Wahrheit werde.
Die Budgetdebatte begann erst in der zweiten Hälfte des Aprils und dauerte bis Mitte Mai, so daß das Finanzgesetz für das Jahr 1890 erst, nachdem beinahe fünf Monate dieses Jahres abgelaufen waren, kundgemacht wurde. Die Einnahmen wurden mit 548,820,006 Guld., die Ausgaben mit 546,303,035 Guld. festgestellt, so daß sich ein Überschuß von 2,516,971 Guld. ergab, allerdings ein erfreuliches Zeichen der Gesundung der wirtschaftlichen Lage und der Besserung der österreichischen Staatsfinanzen, welches aber nur durch gewaltige Anspannung der Steuerkraft der Bevölkerung [* 18] zu erzielen war.
In der Budgetdebatte waren es diesmal die Jungtschechen, welche die heftigsten Anklagereden gegen die Regierung und gegen die Altschechen ^[richtig: Alttschechen] sowie gegen das Ausgleichswerk richteten. Der Jungtschechenführer Ed. Gregr stellte unter andern die Behauptung auf, der Ausgleich verdanke nur einer auswärtigen Einmischung in die innere Politik sein Entstehen, er sei im Palais des deutschen Botschafters Prinzen Reuß [* 19] diktiert worden. Ihren Höhepunkt erreichte die Debatte mit einer Rede des Finanzministers v. Dunajewski und einer Gegenrede des Abgeordneten v. Plener.
Dunajewski verkündigte den Fortbestand des Ministeriums und dessen Absicht, in den seit 10 Jahren verfolgten Bahnen zu verharren; auch trat er gegenüber den Angriffen Gregrs auf das deutsche Bündnis für dasselbe ein. Plener nahm den den Deutschen hingeworfenen Handschuh aus und erklärte, die Deutschen wären bereit gewesen, ihren Frieden mit dem Ministerium zu schließen; da dieses aber fortfahre, sich ausschließlich auf die bisherigen Majoritätsparteien, welche nur durch die Gegnerschaft gegen das Deutschtum zusammengehalten werden, zu stützen, erübrige der Linken nichts, als den Kampf weiterzuführen. Graf Taaffe nahm in der Spezialdebatte über den ¶
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Dispositionsfonds, den ihm die deutsche Linke streitig machte, das Wort, um das Festhalten des Kabinetts an seiner bisherigen Parlamentsmajorität zu rechtfertigen; er bezeichnete es als schwierig, im österreichischen Parlament eine festgefügte, unter allen Umständen verläßliche Majorität zuwege zu bringen. Auf die Budgetdebatte übten außer dem Ausgleich die Pöbelexzesse, welche aus Anlaß des Maureraufstandes in den westlichen Vororten Wiens 8. April stattfanden und wobei infolge verspäteten Einschreitens der Polizei einige Läden jüdischer Branntweinschänker geplündert wurden, ihren Einfluß. Es fehlte nicht an Beschwerden gegen die Polizeibehörden, sowohl aus diesem Anlaß als auch im Hinblick auf das Vorgehen gegen die Arbeiter, da ihnen jede freie Regung in den Grenzen [* 21] der Gesetze verboten und dadurch eine Verbitterung der Gemüter erzeugt werde.
Der Ministerpräsident führte die Verteidigung der Polizeibehörden, wobei erden gegenwärtigen Zeitpunkt zur Aufhebung oder Milderung der Ausnahmsgesetze nicht als geeignet erklärte. Bei der Beratung des Unterrichtsbudgets sprach Unterrichtsminister v. Gautsch, von welchem man eine Äußerung über die Erklärung der Bischöfe in der Schulfrage erwartet hatte, lediglich den Wunsch aus, die Schulfrage möge von keiner Seite aufgerollt werden, und erklärte, er werde in seiner bisherigen Haltung verharren.
Abgeordneter Beer gab namens der deutschen Linken eine Erklärung ab, welche den Austritt der deutsch-liberalen Abgeordneten aus dem Reichsrat für den Fall der Verkirchlichung oder Verlängerung [* 22] des Volksschulwesens ankündigte. Bei der Beratung der die Finanzverwaltung betreffenden Kapitel schilderte unter andern Abgeordneter Groß die traurige Lage der Arbeiter in den ärarischen Tabaksfabriken; Roser beantragte zum 27. Male die Aufhebung des kleinen Lottos.
Zum Budgettitel Handelsministerium hielt Minister Marquis v. Bacquehem, welcher die Gunst aller Parteien des Hauses genießt, eine hauptsächlich die schwebenden handelspolitischen Fragen behandelnde Rede. Bei der Beratung des Ackerbauetats erörterte Minister Graf Falkenhayn die soziale Frage, warnte vor den Arbeiterkammern als einer politischen Organisation der Arbeiter und sprach sich für eine berufsständische Organisation aus, wobei auch die Arbeiter ihre Interessen ausreichend vertreten könnten.
Das ohne äußere Veranlassung und keineswegs im Auftrag der Gesamtregierung vorgebrachte christlich-soziale Programm fand sofort seitens des Abgeordneten Plener die entsprechende Replik. Den Schluß bildete der Justizetat, wobei der Minister Graf Schönborn die wichtigsten Fragen seines Ressorts sowie die Ausgleichsfrage besprach, bei welcher nach seinen Ausführungen der gute Ruf des Königreichs Böhmen und des politischen Zustandes der Monarchie auf dem Spiele stehe.
Nach einer an Arbeit und Aufregungen reichen Session schlossen das Abgeordnetenhaus 19. und das Herrenhaus 20. Mai ihre Sitzungen. Nachdem inzwischen der böhmische Ausgleichslandtag vom 19. Mai bis 3. Juni seine Session abgehalten hatte (s. Böhmen), schlossen sich unmittelbar daran die Verhandlungen der Delegationen, welche 4. Juni Budapest [* 23] zusammentraten. Der denselben unterbreitete gemeinsame Reichsvoranschlag für 1891 bezifferte das ordentliche Erfordernis mit 116,5, das außerordentliche mit 16,4, das Gesamterfordernis mit 132,9 Mill. Guld. (um 3,5 Mill. mehr gegen das Vorjahr).
Das außerordentliche Heereserfordernis umfaßt insbesondere 2 Mill. zur weitern Beschaffung von Repetiergewehren und 2½ Mill. als erste Rate des Gesamterfordernisses von 11,9 Mill. zur Einführung des rauchlosen Pulvers, zu dessen Erzeugung eine eigne ärarische Fabrik errichtet wird. In seiner Ansprache an die Delegierten stellte der Kaiser fest, daß seit dem letzten Jahre in der allgemeinen politischen Lage und in den Verhältnissen der Österreich-Ungarn [* 24] näher berührenden Balkanländer keine wesentliche Veränderung eingetreten sei.
Die freundschaftlichen Beziehungen zu allen Mächten bestärken den Kaiser in der Hoffnung, daß die Segnungen des Friedens auch fernerhin erhalten bleiben werden. In kraftvollem Zusammenstehen mit den Verbündeten Österreich-Ungarns und in vertrauensvollem Zusammenwirken zu den gemeinsamen Friedenszielen erblickt der Kaiser auch für die Zukunft eine Bürgschaft für die Sicherung seiner auf die Wohlfahrt seiner Völker gerichteten Bestrebungen. In gleichem Sinne bewegten sich die Erklärungen des Grafen Kalnoky.
Bezüglich der Balkanstaaten fand der Minister für Bulgarien [* 25] abermals Worte wohlwollender Anerkennung, schlug dagegen einen ernsten Ton gegenüber Serbien an: Die Regentschaft möge den guten Willen besitzen, sich mit Österreich-Ungarn auf einen guten Fuß zu stellen, aber es fehle ihr anscheinend an Autorität gegenüber dem Treiben der Presse; [* 26]
Österreich-Ungarn hege alles Wohlwollen für Serbien, müsse aber an der Voraussetzung der Gegenseitigkeit festhalten;
Verwickelungen seien übrigens nicht zu besorgen. Es war wohl mehr als ein Zufall, daß am selben Tage der ungarische Ackerbauminister ein durch veterinärpolizeiliche Rücksichten begründetes Verbot der Schweineeinfuhr aus Serbien erließ.
Dasselbe rief in Serbien einige Aufregung hervor, welche erst allmählich einer ruhigern Stimmung wich. Übrigens wurde das Verbot nachdem Serbien die erforderlichen veterinärpolizeilichen Garantien geboten hatte, wieder aufgehoben. Die vom Kriegsminister den Delegationen für die Zukunft in Aussicht gestellten erheblichen Mehrforderungen (er sprach etwas unvorsichtig von einem allerdings nur einmaligen Betrag von 100-120 Mill.), insbesondere behufs Erhöhung des Friedenspräsenzstandes, rief in weiten Kreisen Bestürzung hervor. Das Budget der okkupierten Länder ergab einen Überschuß von 51,000 Gulden. Minister Kallay bot auch diesmal ein sehr erfreuliches Bild der Entwickelung Bosniens und der Herzegowina unter der österreichischen Verwaltung. Die Delegationen schlossen nach Bewilligung des Voranschlags ihre Verhandlungen 28. Juni.
Im Laufe des Sommers 1890 fanden in mehreren Provinzen Landtagswahlen statt, welche im allgemeinen keine weitgehende Verschiebung in den Parteiverhältnissen zur Folge hatten. Bemerkenswert ist, daß in den mährischen Landgemeinden die Alttschechen an die neue bäuerlich-jungtschechische Fraktion sechs Mandate verloren, daß in den mährischen Städten die Deutschen drei Wahlsitze neu errungen haben, daß es dagegen in Schlesien [* 27] den vereinigten Slawen, Antisemiten und Klerikalen gelungen ist, den Deutschen zwei Sitze zu entreißen.
Auch in Niederösterreich verlor die deutsch-liberale Partei gegenüber der Koalition der Antisemiten und Klerikalen mehrere Mandate in den Landgemeinden und Städten, insbesondere fielen letztern die Mandate von sechs Wiener Vorstadtbezirk und zwei Mandate der Vororte zu. Von den Landtagen, welche 14. Okt. zu einer Session einberufen worden sind, ist, abgesehen vom böhmischen Landtag (s. Böhmen), wenig zu berichten. Der niederösterreichische Landtag hatte sich hauptsächlich mit der Vereinigung Wiens mit den Vororten zu befassen; ¶
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im Krainer Landtag richteten die Slowenen neuestens Angriffe gegen den ihnen bisher wohlgewogenen Landespräsidenten Winkler. Der Tiroler und Vorarlberger Landtag gefielen sich in Erörterungen betreffend die konfessionelle Schule. In Tirol ist die italienische Partei mit einem Antrag auf administrative Zweiteilung des Landes hervorgetreten, wonach zwei national geschiedene Kreisvertretungen, eine für Deutschtirol in Innsbruck, [* 29] eine für Welschtirol in Trient, geschaffen und denselben einzelne Agenden des Landtags zugewiesen werden sollen.
Dem Volllandtag sollten nur jene Gegenstände vorbehalten werden, welche das ganze Land betreffen. Der weitgehende Antrag hat weder bei den klerikalen noch bei den liberalen Abgeordneten Deutsch-Tirols Aussicht auf Unterstützung. Im Dezember 1890 fand noch eine kurze Session des Reichsrates statt, in welcher die provisorische Bewilligung des Budgets für das Jahr 1891 erfolgte. Dasselbe wurde in den Ausgaben mit 564,5, in den Einnahmen mit 566,8 Mill. Guld. (gegen 547,1 und 548,8 im J. 1890) beziffert und ergibt demnach einen Überschuß von 2,3 Mill. Guld. (gegen 1,7 Mill. Guld. im Vorjahr).
Eine Überraschung bildete die verfügte Auflösung des Abgeordnetenhauses, dessen Mandatsdauer ohnedies im Sommer d. J. abgelaufen wäre. Als Grund dieser Maßregel ist der Zersetzungsprozeß, welcher in den Reihen der bisherigen Majorität eingerissen war und dieselbe nicht mehr als eine zuverlässige Stütze der Regierung erscheinen ließ, anzusehen. Daß die innere Politik in der That an einem Wendepunkte angelangt sei, bewies die bald darauf (4. Febr.) erfolgte Enthebung des Finanzministers v. Dunajewski, welcher als die Verkörperung jenes slawenfreundlichen föderalistischen Systems galt, in dessen Bekämpfung die Deutschen mehr als ein Jahrzehnt ihre besten Kräfte erschöpfen mußten. Dunajewski wurde durch den der deutsch-zentralistischen Richtung angehörigen Sektionschef des Justizministeriums Emil Steinbach ersetzt. Die Reichsratswahlen fanden Ende Februar und Anfang März 1891 statt. Das wichtigste Ergebnis derselben war die zerschmetternde Niederlage der Alttschechen in Böhmen, welche ihre sämtlichen Mandate in den Landgemeinden an die Jungtschechen verloren und in den Städten nur ein einziges behaupten konnten. Infolge dieses eklatanten Mißtrauensvotums haben die Alttschechen auf die Beteiligung an den Stichwahlen in Prag und auf ihre Handelskammerkandidaturen verzichtet und sind vom politischen Schauplatz gänzlich zurückgetreten. Im übrigen ergaben sich geringe Veränderungen im Besitzstande der Parteien. Die deutsch-liberale Partei hat wohl in Niederösterreich empfindliche Einbußen erlitten; so wurden in den niederösterreichischen Landgemeinden, dann in sieben Wiener Vorstadt- und Vorortbezirken Klerikale, bez. Antisemiten gewählt. Dagegen hat die Partei auch einige Mandate neu gewonnen und zieht in der frühern Stärke mit 110 (von 353) Abgeordneten in das Parlament ein.
Die nächststarke Partei sind die Polen (57). Die bisherigen ruthenischen Vertreter sind durch die der Regierung und der herrschenden Polenpartei näher stehenden Jungruthenen ersetzt worden. Die Jungtschechen verfügen über 35 Mandate. Ein neues Gepräge erhielt die Wahlbewegung durch das Hervortreten der Sozialdemokraten, welche in mehreren städtischen Bezirken Zählkandidaten aufstellten. Taaffe sah sich daher durch den Ausfall der Wahlen nicht veranlaßt, zurückzutreten oder durchgreifende Veränderungen im Ministerium vorzunehmen, sondern beschloß, sich von Fall zu Fall auch ohne die Alttschechen die erforderliche Mehrheit zu verschaffen.
In der Verwaltung haben sich wichtigere Personalveränderungen (aber ohne Änderungen der bisherigen Richtung) durch den Rücktritt des Statthalters von Tirol, Freiherrn von Widmann, und jenes von Dalmatien, Feldmarschallleutnant v. Blazekovic, ergeben. Für Innsbruck wurde der bisherige Statthalter von Oberösterreich, Graf Merveldt, der seinerseits durch den Hofrat der Innsbrucker Statthalterei, Freiherrn von Puthon, ersetzt wurde, für Zara [* 30] der zuletzt in den Okkupationsländern verwendete Feldmarschallleutnant v. David ernannt.
Gegenüber der italienischen Irredenta, welche sich in Triest [* 31] im September 1890 durch ein Petardenattentat bemerkbar machte, zeigte die Regierung entschiedeneres Auftreten. Der italienische Schulverein Pro Patria in Triest wurde aus Anlaß der Beistimmung zu den Tendenzen des Österreich feindlichen Dante-Vereins in Rom [* 32] aufgelöst; die gleiche Maßregel traf den Triester Progresso-Verein. Etwanige Rücksichten auf das Bündnis mit Italien [* 33] brauchten die österreichische Regierung bei diesem Vorgehen nicht zurückzuhalten, weil das Kabinett Crispi selbst den Mut hatte, die Barsanti- und Oberdankvereine aufzulösen.
Mit großer Genugthuung wurde auch die Entlassung des italienischen Finanzministers Seismit-Doda, welcher bei einem Bankett in Udine irredentistische Demonstrationen zugelassen hatte, sowie die Suspendierung des Präfekten von Udine aus diesem Anlaß aufgenommen, da dies als ein Akt der Loyalität und Bundestreue der italienischen Regierung aufgefaßt wurde. Sehr günstige Wirkung übte endlich die gegen die Irredenta gerichtete, den Wert der Erhaltung des Dreibündnisses betonende Rede, welche Crispi in Florenz [* 34] hielt. In sehr gelungener Weise sind die von den Deutsch-Österreichern im Sommer 1890 veranstalteten patriotischen Feste und zwar das Fest des Deutschen Schulvereins 25. und 26. Mai Linz [* 35] und das vierte deutsche Sängerbundesfest 15.-17. Aug. in Wien verlaufen. Namentlich das letztere hat sich zu einem erhebenden alldeutschen Verbrüderungsfest und zu einer enthusiastischen Demonstration im Sinne des deutsch-österreichischen Friedensbündnisses gestaltet. Lebhafte Genugthuung empfand man endlich in Wien über den herzlichen Empfang, welcher dem Erzherzog Franz Ferdinand, dem präsumtiven Thronerben, bei seinem Besuch im Februar 1891 am russischen Hofe bereitet wurde.
Zur Litteratur: Wertheimer, Geschichte Österreichs und Ungarns im ersten Jahrzehnt des 19. Jahrh. (Bd. 2, Schluß des Werkes, Leipz. 1890); »Österreichs Forstwesen 1848-88«, Denkschrift (Wien 1890).