Wirkung bedeutend stärker als bei andern
Metallen, wohl deswegen, weil
Platin die ultravioletten
Strahlen besser absorbiert.
Nimmt man als negative
Elektrode die Oberfläche einer
Flüssigkeit, so zeigt sich die
Wirkung großer bei gefärbten, d. h.
stark absorbierenden,
Flüssigkeiten als bei farblosen. Am stärksten ist die
Wirkung bei Nigrosinlösung.
Auch mit statischer
Elektrizität
[* 2] geladene
Leiter werden durch ultraviolettes
Licht
[* 3] beeinflußt. Eine negativ
geladene isolierte Zinkplatte verliert, wie Hallwachs gezeigt hat, von dem
Lichte einer Bogenlampe getroffen, ihre
Ladung sofort,
bei positiver
Ladung dagegen geschieht dies nur allmählich. Es ergibt sich ferner, daß bei dieser »lichtelektrischen
Entladung« von der Oberfläche der Metallplatten negativ elektrische Teilchen abgestoßen werden,
indem durch das ultraviolette
Licht eine Zerstäubung des Metalls bewirkt und dessen Oberfläche rauh gemacht wird.
Hallwachs hat ferner nachgewiesen, daß isolierte und vorher zur
Erde abgeleitete Metallplatten durch Bestrahlung mit ultraviolettem
Lichte positiv elektrische
Ladung annehmen. Diese »lichtelektrische Erregung« steht mit der »lichtelektrischen
Entladung« derart im Zusammenhang, daß die Bestrahlung den Weggang der negativen
Elektrizität von dem
Leiter begünstigt und diesen positiv geladen zurückläßt.
Seit 1870 Mitglied des Abgeordnetenhauses,
seit 1871 des
Reichstags,
schloß er sich der Zentrumspartei an und gehört zum demokratischen
Flügel der Ultramontanen.
[* 12] 5)
Alois,
Prinz, legte im J. 1890 sein Abgeordnetenmandat nieder und zog sich aus persönlichen Rücksichten
vom politischen
Leben zurück, wurde aber 1891 bei den
Neuwahlen als antisemitischer
Kandidat in
Wien
[* 13] wieder gewählt. - Zu
Ehren
des
FeldmarschallsJosephWenzelLorenz,
Fürsten von Liechtenstein, erhielt 1888 das österreich. Korpsartillerieregiment
Nr. 9 seinen
Namen;
(Lieferzettel), an der
Börse die bei der Ultimoregulierung vom
Liquidationsbüreau ausgegebenen
Anweisungen
über Ablieferung von
Stücken mit Bezeichnung derjenigen, an welche zu liefern ist.
Wer von einem
Papier mehrStücke
zu beziehen als zu liefern hat, fügt über den Nettobetrag der von ihm zu empfangenden
Stücke seinem
Skontro Empfangsbeläge
bei, welche als Lieferscheine an diejenigen ausgegeben werden, welche nach dem Nettoergebnis ihrer Skontri zu liefern
haben.
welches aus einem genügend widerstandsfähigen Jutegewebe, der eigentlichen Linoleummasse und einer Farbendecke
besteht, wird in der
Weise hergestellt, daß man die
Masse in bestimmter
Dicke mit dem
Gewebe
[* 33] durch
Pressen verbindet und darauf
mit
Farben bedruckt. Die
Masse selbst muß demgemäß knetbar, klebrig und derart zusammengesetzt sein, daß sie
nach der Vereinigung mit dem
Gewebe vollständig erhärtet, ohne spröde zu werden. Den Hauptbestandteil dieser
Masse bildet
Leinöl, welches bei gewisser Behandlung zu einer zähen
Substanz austrocknet und dann mit festen
Körpern
(Harz, Korkpulver,
Sägemehl etc.) ein knetbares
Gemenge bildet, das durch weiteres Austrocknen die genannte
Beschaffenheit annimmt.
Das Austrocknen erfolgt durch
Aufnahme von
Sauerstoff und liefert oxydiertes
Leinöl (Linoxyn), welches
auch den Hauptbestandteil der schnell trocknenden Leinölfarben ausmacht.
Walton kocht das
Öl in offenen oder bedeckten
Kesseln
auf freiem
Feuer bei 200-240° unter fortwährendem Umrühren mittels eines einfachen Rührwerkes, mischt es mit
Bleizucker,
erhitzt es auf 100-110° und pumpt es in ein hochstehendes
Gefäß,
[* 34] dessen
Boden siebartig durchlöchert
ist. Durch die Sieblöcher fließt das
Öl in einen kesselartigen Behälter, der von einem Luftstrom durchströmt wird, welcher
den Ölregen rechtwinkelig kreuzt. Zwei Seiten dieses Behälters erhalten zur Unterstützung des
Prozesses durch
Licht Glaswände.
Das unter dem Oxydationskessel sich ansammelnde, durch Wasserdampf von neuem erhitzte
Öl gelangt wieder
¶
mehr
zur Pumpe
[* 36] und dadurch so oft in das Bereich des Luftstroms, bis die Einwirkung den genügenden Grad erreicht hat. Nach einer
andern Durchführungsform wird das auf gleiche Weise vermischte und erhitzte Öl mittels einer Pumpe in einen langen Trog und
von diesem über eine ebenso lange Zunge in einem dünnen Strahle auf ein Schaufelrad von 50 cmDurchmesser
mit vier Schaufeln geschafft, welches sich 600mal in der Minute dreht und dadurch das Öl in einer mit Glas
[* 37] bedeckten Kammer zerstäubt,
der durch einen Ventilator ununterbrochen Luft zugeführt wird.
Das zerstäubte Öl fließt ebenfalls dem Kocher wieder zu, um bis zum erzielten Erfolg den Kreislauf
[* 38] zu
wiederholen. Zur eigentlichen Verwandlung des vorbereiteten Öls
[* 39] in Linoxyn dienen die Oxydierhäuser, welche zur Förderung
des Prozesses möglichst viel Tageslicht zulassen müssen und deshalb zum Teil aus Glaswänden bestehen. Nach der einen Methode
fließt das Öl in einen würfelförmigen Trog von 1 m Seite, über dem ein 0,9 m hoher Rahmen hängt, in
welchem ein baumwollenes Gewebe von 0,9 m Breite
[* 40] und etwa 66 m Länge in 70 horizontalen Lagen zwischen ebenso vielen horizontalen
Stäben in Entfernungen von 0,9 m hin- und hergezogen ist.
Der auf diese Weise mit dem Gewebe gefüllte Rahmen wird nun alle 24 Stunden einmal in den mit Öl gefüllten
Trog getaucht und nach der Tränkung der Gewebelagen mit Öl hinaufgezogen und, über dem Troge hängend, bei 30° der Luft ausgesetzt,
während das nicht anhaftende Öl in den Trog zurücktropft. In etwa 24 Stunden erhärtet die Schicht, welche durch Wiederholung
des beschriebenen Vorgangs im Verlauf von einigen Wochen zu 3-4 mmDicke anwächst und sodann von dem Gewebe
abgenommen und weiter verarbeitet wird.
Die andre Methode unterscheidet sich von der ersten nur dadurch, daß das Gewebe in langen, vertikalen Hängen aufgehängt ist
und von obenher mit Öl begossen wird, zu welchem Zwecke der Geweberahmen an einem Wagen befestigt ist,
der sich auf hoch gelegenen Schienen langsam unter einem dünnen Ölstrom von 1 m Breite hin und her bewegt. Durch abwechselndes
Übergießen und Oxydieren gewinnt man nach 4-6 Monaten eine Linoxynschicht von 10 mmDicke, die, von dem Gewebe abgenommen, mit
zwischengestreuter Schlämmkreide abgewickelt, aufbewahrt wird. Bei dem Verfahren von Parnacott wird das
Öl in großen stehenden Kesseln unter gleichzeitigem Durchtreiben von heißer Luft, welche ein fein gepulvertes Oxydationsmittel
(Bleiglätte, Bleizucker, Zinkvitriol etc.) mitreißt, anhaltend gekocht. Zur vollständigen Oxydation sollen nur 15-18 Stunden
erforderlich sein. Das Linoxyn wird im heißen Zustand aus den Kochern in flache Kühlschiffe abgelassen.
Zur Herstellung der Linoleumdeckmasse werden 100 Teile Linoxyn mit etwa gleichen Gewichtsteilen mehlfein gemahlenem Kork
[* 41] sowie
je nach Bedürfnis mit 25 bis 30 Teilen Harz (Kolophonium), auch Kaurigummi (10 Teile) und Mineralfarben (Ocker, Eisenrot etc.)
in mit Dampf
[* 42] geheizten Pfannen zusammengeschmolzen, worauf die Masse in einem mit Dampfmantel versehenen
Cylinder mit Rührwerk oder auf einem Walzwerk
[* 43] mit 2-3 hohlen, auf 150° erwärmten Walzen geknetet wird.
Man erhält sie in der Form eines dünnen Blattes, das entweder aufgerollt ohne weiteres zum Belegen des Gewebes verbraucht
oder zuvor mit Hilfe einer Stachelwalze in ein grobes Pulver zerrissen wird, welches ein gleichförmigeres
Fabrikat liefert. Behufs der Befestigung der Linoxynmasse auf dem Jutegewebe wird erstere auf 140-150° erwärmt, weil sie
bei dieser
Temperatur genügend festklebt, und dann unter starkem Drucke angepreßt. Zu diesen beiden Operationen dienen Auftragmaschinen,
welche aus Erwärmungs- und Preßapparaten zusammengesetzt sind.
Beide Apparate bestehen aus Hohlplatten- oder Hohlcylinderpaaren, die mit Dampf von 5 Atmosphären geheizt
werden. Bei den Plattenpressen wird die Masse mittels eines endlosen Drahtgewebes zugeführt und durch die klappenartige Bewegung
der obern Platte zu einem gleichmäßig dicken Blatte zusammengepreßt, welches darauf auf das von einer Walze sich abwickelnde
Gewebe geleitet und mit diesem durch die zur Vereinigung dienenden Walzen geführt wird. Aus der Heißpresse
läuft das Fabrikat durch ein mit kaltem Wasser gekühltes Walzenpaar und wird dann sofort aufgewickelt.
Das nun folgende sogen. Trocknen bildet den Abschluß des Oxydationsprozesses und geht demnach in besondern Trockenhäusern
bei 33° und fortwährendem Luftwechsel vor sich. Das Linoleum wird in diesen Häusern in derselben Weise in
langen Hängen aufgehängt, wie in der Tapetenfabrikation üblich ist, und nach dem Trocknen auf einer Walze aufgerollt. Das
Linoleum wird einfarbig und gemustert hergestellt und zwar im ersten Falle durch Zumischung von Erdfarben (Ocker, Eisenrot, Kasseler Braun
etc.) zu der Masse, im zweiten Falle durch Bedrucken mit Ölfarben nach dem in der Wachstuchfabrikation
üblichen Verfahren des Plattendruckes.
Für einzelne Verwendungszwecke stellt man auch Linoleummosaik (Inlaid Linoleum) her, indem man verschieden gefärbte
Streifen oder Massenteilchen nebeneinander auf das Grundgewebe bringt, oder vertiefte Prägungen mit gefärbter Masse ausfüllt,
oder endlich Figuren, die auf besondern Durchbruchmaschinen erzeugt werden, in gleich geformte Durchbrechungen
(wie eingelegte Arbeit) einlegt und mittels hydraulischer Pressen auf dem Gewebe befestigt. Nach dem Bedrucken oder Einlegen
erfolgt das letzte Trocknen in den genannten Trockenhäusern und damit das eigentliche Fertigstellen.
Das als Tapete zu Wandbekleidungen besonders fabrizierte Lincrusta-Linoleum ist nach Art der alten Ledertapeten
gepreßt und mit einer Rückendecke von Papier versehen, welches, mit Linoleummasse aufgekittet, das Grundgewebe gegen den
Einfluß der Feuchtigkeit schützt. Das Linoleum, welches in dem Kamptulikon seinen Vorläufer hat, verdankt seine schnelle und verbreitete
Aufnahme dem Umstand, daß es vollständig der Feuchtigkeit widersteht und sehr schlecht wärmeleitend ist,
wodurch es sich in hohem Grade zum Belegen von Fußböden eignet.
[* 45] (Fürstentum). Das Budget für 1890 beziffert die Einnahme auf 1,032,309, die Ausgabe auf 1,023,119 Mk., so daß
ein Überschuß von 9190 Mk. zu erwarten ist, der für 1891 auf 43,500 Mk.,
für 1892 auf 36,500 Mk. veranschlagt wurde. Gegenüber dem Vorjahr ist die Einnahme um 12,000, die Ausgabe um 50,000 Mk. niedriger
veranschlagt worden. Die Landesschuld betrug 810,399 Mk., war aber durch Aktivkapitalien
im Betrag von 861,500 Mk. mehr als gedeckt. - Dem zum einberufenen Landtag wurde endlich das
lange gewünschte und noch vom Landtag geforderte Regentschaftsgesetz vorgelegt. Dasselbe war eine dringende Notwendigkeit;
denn nach dem eintretenden Tode des bereits 64 Jahre alten FürstenWaldemar wird dessen einziger noch lebender Bruder, PrinzAlexander (geb. Fürst.
¶
mehr
Derselbe ist jedoch seit 1871 geisteskrank und deshalb regierungsunfähig; er lebt seit 1872 in der Heilanstalt Gilgenberg
bei Baireuth.
[* 47] Das Pactum tutorium von 1667 berücksichtigt aber nur die Vormundschaft für einen unmündigen, nicht die Regentschaft
für einen kranken Inhaber des Throns. Der Gesetzentwurf bestimmte daher: »Der Fürst ist befugt, im voraus
für den Fall einen Regenten, dem das ganze Domanialeinkommen zufallen soll, aus der Zahl der successionsberechtigten volljährigen
Agnaten des Fürstenhauses zu ernennen, daß der Thronerbe PrinzAlexander zur Lippe zur Zeit des Anfalls der Regierung an deren
eigner Übernahme durch körperliche oder geistige Schwäche verhindert sein sollte.« Die fernere Streitfrage,
ob nun die erbherrliche LinieLippe-Biesterfeld oder Schaumburg-Lippe als nächstberechtigt anzusehen sei, wurde hierbei nicht
entschieden und nur gegen die erstere von seiten der Regierung der Umstand geltend gemacht, daß in ihr wiederholt nicht ebenbürtige
Ehen geschlossen worden seien. Es war offenbar, daß die Regierung dem Fürsten das Recht sichern wollte,
aus dem fürstlichen HauseSchaumburg-Lippe den Regenten zu ernennen und dadurch in der Erbfolgefrage eine Art Vorentscheidung
zu fällen.
Darauf nahm der Landtag ohne weitere Erörterung die Erklärung an, daß noch dringender als die Vereinbarung neuer Regentschaftsbestimmungen
die verfassungsmäßige Fürsorge für den Fall erscheine, »daß nach dem Ausscheiden der jetzt regierenden Linie des Regentenhauses
infolge eines länger dauernden Thronstreits zwischen den Seitenlinien der Thron
[* 48] thatsächlich eine Zeitlang
erledigt bleibt und damit die Thätigkeit der öffentlichen Organe lahmgelegt, der ganze Staatsorganismus in seiner Existenz
zeitweilig gefährdet wird«. Die Regierung beschloß dagegen, von allen weitern Schritten zur gesetzlichen Lösung der Regentschafts-,
bez. Thronfolgefrage abzusehen. Dies veranlaßte die Opposition im Landtag, der Regierung im Januar 1891 ausdrücklich
ihre Mißbilligung darüber auszusprechen, daß es ihr bis jetzt nicht gelungen sei, geordnete und friedliche Zustände im
Lande herzustellen.
(in Hamburg
[* 49] Effektenliquidationsbüreau, in Frankfurt
[* 50] a. M. Kollektivskontro genannt), eine von dem
Liquidationsverein für Zeitgeschäfte an der Berliner
[* 51] Börse zu dem Zwecke geschaffene und jeweilig von der Bank des Berliner
Kassenvereins nach Vereinbarung mit dem Vorstand jenes Vereins nach Art einer Zentralabrechnungsstelle organisierte Einrichtung,
um die Abwickelung der am Ultimo zu erfüllenden Engagements zu erleichtern. Dem Verein gehören als Mitglieder alle Börsenbesucher
an, welche Zeitgeschäfte abzuschließen pflegen, während andre, welche nur gelegentlich sich mit solchen Geschäften befassen,
sich unmittelbar mit ihren Kontrahenten zu verständigen haben.
Die Mitglieder des Vereins geben am Nachmittag des vorletzten Börsentags vor Ultimo an dem Büreau
die von ihnen per ultimo
abgeschlossenen Käufe und Verkäufe auf besondern Abrechnungsbogen (Skontrobogen) auf, diese Bogen,
[* 52] von denen für jedes Effekt
ein besonderes Formular ausgegeben wird, enthalten die vollständige Liste der Mitglieder des Vereins. Da
mitunter zwischen zwei Spekulanten während des MonatsKäufe und Verkäufe abgeschlossen werden, so ergeben sich Saldi für
den Einzelnamen.
Aus den Saldi des ganzen Bogens, bez. aus der Gesamtsumme der zu liefernden und zu beziehenden Beträge
ergibt sich der Betrag, welchen das Mitglied netto zu beziehen oder zu liefern hat (der Saldo). Diejenigen,
welche mehr Stücke zu beziehen als zu liefern haben, fügen ihrem Skontro Empfangsbeläge über den Nettobetrag der zu erhaltenden
Stücke bei. Diese Beläge werden am nächsten Morgen als Lieferzettel an diejenigen ausgegeben, welche nach Ausweis ihrer
Skontri zu liefern haben.
Sind die Skontri alle rechtzeitig eingeliefert und richtig aufgestellt, so muß die Gesamtsumme aller
zu liefernden Stücke ebenso groß sein wie diejenige der zu empfangenden Stücke. Das Büreau steht alsdann glatt. Ergibt sich
jedoch für dasselbe ein Saldo, so liegt ein Fehler vor, für welchen der schuldige Teil eine Konventionalstrafe zu zahlen
hat. Kann aber der Fehler bis zu der der Einlieferung der Skontri nächstfolgenden Börse nicht ermittelt werden, so hat das
Büreau das Recht, im Falle ein Saldo abzunehmen bleibt, Lieferzettel an den Verein selbst auszugeben.
[* 54] Die Maßregeln der russischen Regierung zur Unterdrückung der lutherischen Kirche und
der deutschen Kultur in den baltischen Provinzen wurden 1890 fortgesetzt. Die Konsistorien und Superintendenturen von Riga,
[* 55] Reval
[* 56] und der InselÖsel wurden aufgehoben, den übrigen Konsistorien befohlen, ihre gesamte Korrespondenz nur in
russischer Sprache
[* 57] zu führen. Auch wurden die Konsistorien unter die Beschlüsse des heiligen russischen
Synods gestellt.
Der russischen Kirche wurde das Enteignungsrecht zum Bau russischer Gotteshäuser und Schulen verliehen und die »baltische Brüderschaft«,
welche sich die Bekehrung des lettischen und esthnischen Landvolks zum Ziel ihrer Bestrebungen machte, auf jede Weise begünstigt.
Unter diesen Umständen waren die Erfolge der Proselytenmachereien nicht unbedeutend. 1887 traten in
den drei baltischen Gouvernements 2360 Personen von der lutherischen zur russischen Kirche über.
Dagegen waren von den in den 40er Jahren bekehrten viele (120,000), namentlich seit 1864, wieder zum Luthertum zurückgekehrt,
und gegen diese richtete sich namentlich der Zorn der russischen Popen und Beamten. Die Erteilung des Abendmahls
an dieselben durch lutherische Geistliche wurde streng geahndet. Ferner wurden zahlreiche lutherische Geistliche mit Gefängnis
oder Verbannung bestraft, weil sie gemischte Ehen eingesegnet oder ihre Gemeindemitglieder verhindert hätten, sich freiwillig
der griechisch-orthodoxen Kirche anzuschließen u. dgl. m.
Besonders stachelten die Russen die Landleute auf, ihre Geistlichen der Schmähung der orthodoxen Kirche
zu beschuldigen, und auf solche Zeugnisse hin wurden mehrere Pastoren zu schweren Strafen verurteilt. In Mitau
[* 58] wurde am Gymnasium
die evangelische Schulandacht ohne weiteres vom Direktor, einem zur orthodoxen Kirche übergetretenen Tschechen, durch eine
griechisch-orthodoxe Gebetsfeier ersetzt, obwohl von
¶
mehr
473 Schülern nur 23 dem orthodoxen Glauben angehörten. Gleiche Maßregeln wurden den übrigen Lehranstalten angekündigt.
Wer gegen solche Bedrückungen der lutherischen KircheEinspruch erhob, wurde für intolerant erklärt. Auch den kleinern Städten
wurde für den innern Geschäftsgang der Gebrauch der russischen Sprache vorgeschrieben. Um jedem Ausbruch der immer mehr anschwellenden
Erbitterung zuvorzukommen, wurden die Gouverneure mit Formularen für sofortige Verschickung jeder verdächtigen Person versehen.
[* 60] Im Hafen von Livorno sind im J. 1889: 3754 beladene Schiffe
[* 61] von 1,274,895 Ton. ein- und 2885 beladene Schiffe von
1,089,920 T. ausgelaufen. Die Wareneinfuhr belief sich auf 542,126 T. im Werte von 70,1, die Ausfuhr auf
158,643 T. im Werte von 34,1 Mill. Lire (gegen 62 und 22,2 Mill. Lire im Vorjahr).
Hauptartikel waren in der Einfuhr:Getreide
[* 62] und Mehl
[* 63] (13,3 Mill. Lire), Tabak
[* 64] (7,2), Steinkohle (5,2), Fische
[* 65] (4,7), Häute und
Felle (2,5), Schafwolle (2,2), Roheisen (1,8),
Petroleum (1,5);
österreichisch-ungarischer. Gegen die größte österreichische Seeschiffahrtsgesellschaft, den Lloyd, sind
in jüngster Zeit aus Handelskreisen über die Höhe der Frachtsätze, Unzulänglichkeit der Schiffsräume, ferner in Bezug
auf die Regelmäßigkeit der Dampferverbindungen, Vervollständigung der überseeischen Routen etc., Klagen
erhoben worden. Auf diese Verhältnisse im Verein mit den hohen Tarifen der Südbahn ist die befremdliche Thatsache zurückzuführen,
daß die österreichische Ausfuhr im Orientverkehr mehrfach den Weg über die Nordseehäfen statt über die eignen
Hafenplätze an der Adria einschlägt.
Nachdem insbesondere durch den neuestens von Hamburg aus in Kraft
[* 66] getretenen sogen. deutschen Levanteverkehr
eine beträchtliche Verwohlfeilung der Frachten von Deutschland
[* 67] nach dem Mittelmeergebiet, ja selbst nach den Häfen des SchwarzenMeers herbeigeführt wurde, erschien die Lage des österreichisch-ungarischen Handels undVerkehrs im Orient ernstlich bedroht,
und die allgemeine Aufmerksamkeit wandte sich dieser Angelegenheit um so mehr zu, als die Erhaltung dieser
Verkehrsbeziehungen eine Lebensfrage für Industrien.
HandelÖsterreich-Ungarns bildet. Die Regierung machte deshalb ihren Einfluß auf die in Betracht kommenden Transportunternehmungen
geltend, um die Konkurrenz der deutschen Levantelinie für den österreichischen Verkehr durch Herabsetzung der bestehenden
Tarifsätze thunlichst zu paralysieren. Zugleich wurde mit Rücksicht auf die ablehnende HaltungUngarns
gegenüber einer eventuellen Erhöhung der Subvention des österreichisch-ungarischen Lloyds die Umwandlung dieser Unternehmung
in eine rein österreichische von der österreichischen Regierung in Erwägung gezogen und behufs Lösung des bestehenden Lloydvertrags
die Verhandlung mit der ungarischen Regierung eingeleitet.
Hierzu bot die prekäre finanzielle Lage des Lloyds die Veranlassung, welcher die Geschäftsjahre 1889 und 1890 mit
einem Verlustsaldo von 440,000, bez. 60,000 Gulden schloß, zugleich aber einer teilweisen Erneuerung des Schiffsparkes dringend
bedarf. Es scheint in Aussicht genommen zu sein, dem Lloyd nach Umwandlung in ein rein österreichisches Unternehmen und der
sonst erforderlichen Umgestaltung der Organisation und Verwaltung eine ausgiebigere Subvention österreichischerseits
zuzuwenden, wogegen Ungarn
[* 68] die durch Auflösung
des Lloydvertrags frei werdende Jahressubvention künftig der ungarischen Seeschiffahrtsgesellschaft
Adria, welche sich verhältnismäßig in günstigen finanziellen Verhältnissen befindet (1889 erzielte sie einen Reingewinn
von 187,000 Guld.), zuweisen dürfte.
Nikolai Ssemjónowitsch, russ. Schriftsteller, geb. im
GouvernementOrel, erhielt seine Erziehung zuerst im Gymnasium zu Orel, dann die weitere Ausbildung in Kiew.
[* 69] Hierauf war er eine Zeitlang Geschäftsreisender seines Oheims, des Engländers Scott, wodurch er Gelegenheit erhielt, mit
den verschiedensten Personen in Beziehung zu treten und allerlei Verhältnisse kennen zu lernen, die seinen feinen Beobachtungssinn
künstlerisch lebhaft anregten.
Bald darauf widmete er sich ganz litterarischer Thätigkeit. Das erste Werk, welches seinen Namen bekannt machte, war der 1864 erschienene
Roman »Ohne Ausweg«, ein hervorragendes Sittenbild aus der russischen Gesellschaft, in welcher radikale und nihilistische Elemente
bereits ihre zerstörende Kraft zu üben begannen, und das eins seiner besten Werke geblieben ist. In demRoman »Die Geistlichen« enthüllte er in scharf gezeichneten Bildern das Leben der russischen Geistlichkeit, und der große Roman:
»Bis aufs Messer«
[* 70] schildert ausführlich den Zwiespalt und die Parteiungen im Lager
[* 71] der russischen Intelligenz.
Außerdem hat eine Reihe andrer Erzählungen geschrieben, die auch mehrfach alte Legendenstoffe behandeln.
ist eine vollkommen selbständige künstlerische Natur, die von Originalitätssucht nicht ganz frei ist, in der aber ein tiefer
sittlicher Ernst steckt, welcher sich mit einer ansehnlichen Begabung für die Schilderung und Zergliederung der Erscheinungen
russischen Lebens verbindet. Eine Gesamtausgabe seiner Werke erschien in 10 Bänden (Petersb. 1890).
[* 79] In der Lokomotivenfabrik von Neilson und Komp. in Glasgow
[* 80] sind vor kurzem für die mexikanischen Eisenbahnen
mehrere Lokomotiven von besonders großer Leistungsfähigkeit nach dem System Fairlie erbaut worden. Diese Lokomotiven ruhen
auf zwei beweglichen Radgestellen mit je 6 Rädern von 1,07 m Durchmesser. Die Cylinder haben bei 0,56 m
Länge einen Durchmesser von 0,406 m. Der Radstand jedes Gestelles beträgt 2,515 m und der gesamte äußerste Radstand 9,885
m. Die größte zulässige Dampfspannung im Kessel ist auf 11,7 Atmosphären festgesetzt. Die Wasserbehälter haben einen Fassungsraum
von 12,800 Lit., und die Kohlenräume können 5-6 Ton. Brennmaterial aufnehmen. Das Gesamtgewicht der Lokomotive bei
vollständiger Ausrüstung beträgt 92 Ton., also etwas mehr als 15 T. auf die Achse. Man veranschlagt die Förderlast dieser
auf wagerechter Bahn mit 3600 Ton., dies entspräche einem Zuge von 240 Wagen von je 15 T.
Um die Belästigung der in der Nähe der Eisenbahn wohnenden Bevölkerung
[* 81] und der Reisenden nach Möglichkeit
zu vermeiden, sind vom preußischen Eisenbahnminister Vorschriften für die Ausstattung der Lokomotive mit Dampfpfeifen gegeben worden.
Danach sollen künftig Tenderlokomotiven für kleinere Züge und zum Rangierdienst mit kleinen Pfeifen von verhältnismäßig
geringer Tonstärke, Personen- und Güterzuglokomotiven dagegen mit zwei Dampfpfeifen ausgerüstet werden,
deren eine einen schwachen Ton gibt, während die andre, größere, nur zum Geben von weithin hörbaren Signalen dient.
Zugelassen ist dabei, daß an Stelle der DoppelpfeifenDampfpfeifen mit Doppelton treten können, sofern dieselben sich auf
die Dauer bewähren. Nach Brettmann scheinen letztere jedoch zur Einführung nicht geeignet, solange
für die Hervorbringung der beiden verschiedenen Töne kein andres Mittel gefunden ist als die verschiedene Öffnungsweite
des den Dampf zur Pfeife zulassenden Ventils, bez. der mehr oder weniger große Ausschlag des zur Bewegung des Ventils dienenden
Handgriffs nach einer und derselben Richtung.
Als Grund hierfür wird angegeben, daß der Lokomotivführer beim Geben des Signals seine Aufmerksamkeit
viel zu sehr auf die außerhalb der Lokomotive vorgehenden Dinge zu richten habe, als daß er dabei mit Sicherheit einen bestimmten
Hub des Pfeifenhebels innehalten könnte, weshalb man bei Lokomotiven, die mit doppelt tönenden Pfeifen ausgerüstet sind,
fast niemals den schwachen Ton für sich, sondern in der Regel einen Doppelton zu hören bekomme, d. h.
momentan einen schwachen und unmittelbar darauf einen starken Ton. Nach Brettmann bleibt nur übrig, zwei Pfeifen anzunehmen,
die aber mittels eines einzigen Handhebels in Thätigkeit zu setzen sind und zwar derart, daß
beim Drehen des Hebels nach
rechts die starke, beim Drehen nach links die schwache Pfeife ertönt.
DiesenBedingungen entspricht die in der
[* 77]
Figur dargestellte Doppelpfeife. Sie besteht aus zwei nebeneinander auf einem gemeinschaftlichen
Dampfzuführungsrohr a aufgestellten Ventilpfeifen, über welchen ein gemeinschaftlicher Bewegungshebel b liegt, der mit
den Ventilstangen c und c1 durch Bolzen verbunden ist. Die Ventile selbst bilden die Stützpunkte für
den Hebel,
[* 82] wenn er bewegt wird. Wird er an dem freien Ende bei d abwärts bewegt, so wird das Ventil
[* 83] v1 der (schwachen) Pfeife
nach oben gezogen, d. h. nur fester auf den Sitz gedrückt, das der stärkern Pfeife dagegen (v) geöffnet. Wird das Hebelende
d nach oben bewegt, so wird das Ventil v aufwärts gegen seinen Sitz gepreßt und v1 geöffnet. Im erstern
Falle ertönt also die starke, im letztern die schwache Pfeife. Der Hebel b muß natürlich durch geeignete Zwischenhebel und
Zugstangen mit dem vom Lokomotivführer zu bewegenden Handgriff verbunden werden.
In letzter Zeit sind wieder viele Bestrebungen gemacht, Fahrzeuge mit Gaskraftmaschinen
[* 84] zu betreiben (Gaslokomotiven).
Hierzu ist vor allen Dingen dafür zu sorgen, daß auf dem Fahrzeug ein hinreichender Vorrat von Speisegas untergebracht wird.
Bei Anwendung von Leucht- oder Fettgas müssen große Gasspeicher am Fahrzeug angebracht sowie Vorrichtungen zum Komprimieren
des Gases vorhanden sein, um die nötige Gasmenge unter starkem Druck aufspeichern zu können.
Der ganze Betrieb wird dadurch umständlich. Man ist deshalb davon zurückgekommen und hat neuerdings den Betrieb mit karburierter
Luft ins Auge
[* 85] gefaßt, d. h. mit einem Gemenge von Luft und Kohlenwasserstoffdämpfen (meist Benzindämpfen), welches dadurch
erhalten wird, daß man Luft durch einen Raum streichen läßt, in welchem Benzin etc. verdampft wird (Vergaser).
Erforderlich ist dazu die Aufstellung eines Vergasers auf dem Fahrzeug und die Mitschaffung einer größern Menge flüssigen
Kohlenwasserstoffs. Trotzdem wird die ganze Einrichtung immer noch praktischer und weniger umständlich als bei Anwendung
verdichteten Gases. Auch wird der Betrieb ungleich unabhängiger von der Zeit und örtlichen Verhältnissen
als der Betrieb mit Gas. Zu den Fahrzeugen dieser Art gehört der Benzinwagen (Bd. 17, S. 113).
De la Hault in Brüssel
[* 86] verwendet zum Betrieb von Straßenfahrzeugen eine Maschine
[* 87] mit schwingendem Cylinder. Der in einem Gaserzeuger
verdampfte Kohlenwasserstoff mischt sich mit der Luft, die durch die saugende Wirkung einer schwingenden
Luftpumpe
[* 88] durch den Gaserzeuger hindurchgeführt wird. Die so erhaltene karburierte Luft wird, durch nochmaligen Zutritt von
Luft verdünnt, von der Luftpumpe angesaugt, dann komprimiert und einem Zwischenbehälter zugeführt, aus welchem die Ladung
in erforderlichen Mengen in den Arbeitscylinder tritt, um dort, mittels elektrischer Funken entzündet,
zur Verbrennung zu kommen und den Kolben vorwärts zu treiben. Dieser wirkt mittels Kolbenstange auf eine Antriebswelle, welche
auf einer Seite ein Schwung-
rad trägt, auf der andern durch Zahnräderpaare von verschiedenem Übersetzungsverhältnis auf eine Zwischenwelle einwirkt,
von welcher die Bewegung auf die Treibräderübertragen wird. Die Einrückung oder Ausrückung der Zahnräderpaare geschieht
mittels Kuppelungen
[* 90] und zwar so, daß immer nur je ein Paar zur Wirkung kommt, während die andern leer laufen. Mit
Hilfe dieser Zahnradübersetzungen kann man die Geschwindigkeit des Motors nach Bedarf verändern.
Eine Veränderung der Maschinenkraft wird durch Veränderung des Karburierungsgrades der Ladung herbeigeführt. Hierzu dient
eine Reguliervorrichtung, mittels welcher die Menge der nach dem Gaserzeuger streichenden Luft geregelt wird. Den Gaserzeuger
bildet ein kastenförmiger, durch einen abnehmbaren Deckel geschlossener Behälter, in welchem mehrere
Reihen mit Zeug bezogener Hürden angeordnet sind, deren Zeugbezug in die Karburierflüssigkeit taucht.
Die Hürden ruhen auf Blechwänden, welche so gestellt sind, daß zwischen ihnen vielfach hin- und hergehende Kanäle gebildet
werden. Unterhalb der Hürden sind Rohre angebracht, durch welche die verbrauchten heißen Verbrennungsgase aus dem
Arbeitscylinder streichen, so daß die von den Hürden angesaugte Flüssigkeit erwärmt und verdampft wird. Die Dämpfe treten
in die erwähnten Zickzackkanäle und werden von der durch diese hindurchstreichenden Luft aufgenommen und mitgeführt.
Bei der Gaslokomotive von E. Stevens wird die Gaskraftmaschine
[* 91] nicht direkt zum Antreiben der Räder, sondern zum Verdichten
(Komprimieren) von Luft gebraucht, welche sodann, in einer besondern Luftmaschine zur Wirkung kommend, den Wagen bewegt. Ein stehender
Gasmotor dient zum Betrieb eines Luftverdichters und einer Wasserpumpe und erhält das erforderliche Betriebsgas aus
einem Vergaser, welcher nach Art eines Lokomotivkessels eingerichtet ist. Ein mit den zu vergasenden Kohlenwasserstoffen erfülltes
Gefäß ist nämlich von einer großen Anzahl Röhren
[* 92] durchzogen, durch welche die vom Gasmotor abziehenden
heißen Verbrennungsgase streichen.
Die dabei erzeugten Kohlenwasserstoffdämpfe sammeln sich in einem oberhalb angebrachten Dome und bilden mit hindurchgeführter
Luft die zur Speisung des Gasmotors dienende karburierte Luft. Der vom Motor betriebene Luftverdichter saugt Luft aus der
Atmosphäre an und treibt sie in verdichtetem Zustand in einen Luftsammler, aus welchem sie in die nach Art einer Zwillingsdampfmaschine
eingerichtete Luftmaschine tritt, welche sich von den gewöhnlichen Lokomotivmaschinen hauptsächlich nur durch das Betriebsmittel
unterscheidet.
Die in der Luftmaschine verbrauchte und dabei infolge der Expansion abgekühlte Luft entweicht durch einen
Kühlapparat. Dieser dient dazu, das in dem Kühlmantel des Cylinders des Gasmotors erwärmte Wasser wieder so weit abzukühlen,
daß es von neuem zur Kühlung des Cylinders der Gasmaschine gebraucht werden kann, und gleicht einem stehenden Röhrenkessel,
dessen Röhren innen von der aus dem Luftmotor entweichenden kühlen Luft und außen von dem zu kühlenden
Wasser bespült werden, wobei ein Wärmeaustausch stattfindet.
Bevor das warm gewordene Kühlwasser der Gasmaschine in den Kühlapparat eintritt, durchläuft es einen Wassermantel der Luftmaschine,
um diese so weit zu erwärmen, daß bei der Expansion der arbeitverrichtenden LuftTemperaturen unter 0° vermieden werden,
welche sonst bei Luftmaschinen leicht durch Eisbildung störend auftreten. Es findet also ein fortwährender
Umlauf des Wassers von der Gasmaschine zum
Luftmotor, weiter zum Kühlapparat und wieder zurück zum Gasmotor statt.
Falls der Behälter für die verdichtete Luft ebenfalls doppelwandig ausgeführt ist, kann das Wasser auch noch durch diesen
Mantelraum hindurchgeleitet werden. Die verbrauchten Gase
[* 93] der Gaskraftmaschine werden nach ihrer Wirkung
im Vergaser durch einen Schornsteinins Freie geleitet. Zum Dämpfen des mit dem Austreten der Gase verbundenen Geräusches, welches
bei einer Verwendung der Lokomotive zu Straßenbahnzwecken mit Rücksicht auf den andern Wagenverkehr (Scheuen der Pferde)
[* 94] vermieden
werden muß, ist in den Schornstein ein besonderer Apparat eingeschaltet.
Derselbe besteht aus einem siebartig durchlochten Rohre von dem lichten Durchmesser des Schornsteins, um welches in einigem
Zwischenraum konaxial ein zweites Rohr aus nicht gelochtem Blech gelegt ist. Der Raum zwischen beiden Rohren ist mit unverbrennbarem
Faserstoff (Asbest od. dgl.) ausgefüllt, durch welchen die
Übertragung der beim Auspuff auftretenden Gasschwingungen nach außen gehemmt werden soll. Die bei
dieser Gaslokomotive zwischen dem eigentlichen (primären) Motor und den Triebrädern eingeschaltete Luftmaschine zieht zwar
jedenfalls den Wirkungsgrad der ganzen Lokomotive etwas herab, gestattet aber die Anwendung von einfachen Umsteuerungen, wie sie bei
den gewöhnlichen Lokomotiven gebräuchlich sind, so daß die Bewegungsrichtung der Lokomotive ebenso leicht
und sicher geändert werden kann wie bei diesen, während die Umsteuerung
[* 95] bei den direkt mit Gasmotoren betriebenen Lokomotiven
noch Schwierigkeiten macht.
Ein eigentümliches Fahrzeug wurde von Wald u. Rigal in Paris
[* 96] vorgeschlagen. Die Fortbewegung desselben erfolgt mittels einer
schweren, im Innern des hohlen Radkranzes des Treibrades enthaltenen Flüssigkeit durch gepreßtes Gas.
Dadurch, daß diese Flüssigkeit durch den auf sie ausgeübten und aufwärts wirkenden Gasdruck gezwungen wird, sich in dem
Radkranz zu verschieben, bringt sie das Rad aus dem Gleichgewicht,
[* 97] und infolge des Bestrebens des Rades, seine Gleichgewichtslage
wiederherzustellen, kommt es in Drehung und bewirkt so die Fortbewegung des Wagens.
Der hohle Radkranz ist durch Ventile in mehrere (vier) Teile zerlegt, die sich in der Nähe der Ventile zu Kammern erweitern.
Alle diese Ventile schlagen nach derselben Richtung hin auf, nämlich entgegengesetzt der Drehungsrichtung des Rades. Neben jedem
Ventil, und zwar auf der Seite, nach welcher das Ventil aufgeht, mündet in jede der Kammern ein radiales
Rohr, welches zur Gaszu- und Ableitung dient und zu dem Zwecke durch eine an der Radnabe angebrachte Kreisschiebersteuerung
abwechselnd mit dem Gaserzeuger und der äußern Luft in Verbindung gesetzt wird. Es sei angenommen, das Triebrad solle sich,
von einer bestimmten Seite aus gesehen, nach rechts drehen, wobei auch der Wagen von links nach rechts
laufen würde, so müßten nach obigem alle Ventile im Hohlraum des Rades nach links aufschlagen und die radialen Rohre links
neben den Ventilen in die Kammern einmünden. Es sei ferner vorausgesetzt, es befinde sich eine der vier
Kammern (Nr. 1) gerade in ihrer tiefsten Stellung und sei mit Flüssigkeit gefüllt, die sich im Gleichgewicht befindet, also
zu beiden Seiten des tiefsten Punktes der Kammer gleich hoch steht. Wird jetzt das radiale Rohr (Nr. 1) dieser Kammer mit dem
Gaserzeuger in Verbindung gesetzt, Nr. 2 ganz geschlossen und Nr. 3 und 4 nach
dem Freien hin geöffnet, so drückt das Gas das Ventil (Nr. 1) dieser
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