ein. Daneben unterrichtete er in der höhern
Mädchenschule seiner
Gattin und seit 1839 in der
Lehrerbildungsanstalt der
Gesellschaft
der
Freunde des vaterländischen
Schul- und Erziehungswesens. Seit 1848 beteiligte er sich eifrig am Vereinsleben der
Hamburger
und überhaupt der deutschen
Lehrer und erwarb gleichzeitig als
Leiter des
»Hamburger Schulblattes« (1852-66) in der
Lehrerwelt solches Ansehen, daß er in der allgemeinen deutschen
Lehrerversammlung 21mal (von der dritten an) mit dem Vorsitz
betraut ward. 1859 in die
HamburgerBürgerschaft und bald darauf auch von dieser zum Vorsitzer gewählt, hatte Hoffmann wesentlichen
Anteil an der Reorganisation des hamburgischen
Schulwesens durch das
Gesetz von 1870 und trat als
Schulrat
für das Volksschulwesen in die neue Oberschulbehörde ein, aus der er 1881 wegen zunehmender Kränklichkeit schied. Er starb in
Hamburg.
[* 2]
Konrad, Sprachgelehrter und mittelalterlicher Litteraturforscher, geb. im
KlosterBanz in
Oberfranken, erhielt seine Schulbildung in
Bamberg,
[* 3] studierte seit 1837 in
München
[* 4] und
Erlangen
[* 5] zunächst
Medizin,
ging dann zur
Philologie über und promovierte nach gründlichen
Studien in
Erlangen,
Leipzig
[* 6] und
Berlin
[* 7] 1848 in
Leipzig mit einer
Dissertation aus dem Altindischen. DieStudien auf dem Gebiete der Romanistik und Germanistik, auf
dem er
bald zu den führenden Geistern gehören sollte, vertiefte Hofmann bei einem Aufenthalt in
Paris
[* 8] 1850-51, wo er, an den
Bibliotheken
eifrig arbeitend, viele romanische Sprachdenkmäler abschrieb, um sie später sämtlich, teils in Einzelausgaben, teils in
einer
Chrestomathie herauszugeben.
NachMünchen zurückgekehrt, betrieb er seine
Studien an der von
Schmeller musterhaft eingerichteten Handschriftenabteilung
der königlichen
Hof- und Staatsbibliothek, an der er selbst ein Jahr (1853/54) angestellt war, in inniger
Verbindung von Germanistik
und Romanistik. Diese
Verbindung, durch welche die vielfältige Einwirkung der französischen
Dichtung auf die deutsche
Ritterpoesie
klargelegt ward, trug wesentlich zur
Erklärung und zum Verstehen manches deutschen Dichters bei.
Außerdem wußte Hofmann für seine Forschungen auch seine umfassenden Kenntnisse des
Sanskrits und einer Anzahl andrer
Sprachen,
seine Kombinationsgabe auf textkritischem Gebiet und seine ungewöhnliche Kenntnis mittelalterlicher
Realien in hohem
Maße
fruchtbar zu machen. Von
Schmeller selbst zu dessen Nachfolger empfohlen, wurde Hofmann 1853 zum außerordentlichen, 1856 zum
ordentlichen
Professor für altdeutsche
Sprachen ernannt; 1869 erhielt er auch die Vertretung des Altromanischen.
Nach neuen Studienreisen, die er auf
Kosten des
KönigsMaximilian II. 1857,1858 und 1859 nach
Paris,
London,
[* 9]
Oxford,
[* 10] St.
Gallen
und Bern
[* 11] unternommen hatte, blieb er dauernd in
München, wo er bis zu seinem (während des Sommeraufenthalts
in Waging bei
Traunstein) erfolgten
Tode eine sehr fruchtbare Lehrthätigkeit entwickelte. Seit 1853 gehörte Hofmann der königlich
bayrischen
Akademie der
Wissenschaften als Mitglied an, 1871 wurde er auch Mitglied der königlich dänischen Altertumsgesellschaft.
Seine litterarische Thätigkeit war eine ausgebreitete; die
Mehrzahl seiner
Arbeiten ist in den Sitzungsberichten
und
Denkschriften der
MünchenerAkademie der
Wissenschaften, in
Pfeiffers
»Germania«
[* 12] und Vollmöllers
»Romanischen Forschungen«
zerstreut. Diese kurzen Einzelschriften behandeln beinahe sämtliche wichtigern germanischen und romanischen Litteraturdenkmäler
und enthalten eine
Fülle von gelehrtem
Wissen, kritischem
Scharfsinn und fruchtbarer
Kombination. An selbständigen
Werken veröffentlichte er zuerst 1850 eine in
Gemeinschaft mit
Vollmar besorgte
Ausgabe des »Hildebrandliedes«. Dieser folgten:
»Amis et Amiles« und »Jourdain de Blaivies«
(Erlang. 1852,2. Aufl. 1882);
»Primavera y
Flor de Romances« (mit F.
Wolf, Berl.
(1856);
»Karls d. Gr. Pilgerfahrt«, anglonormännisch, kymrisch und englisch
(Münch. 1866);
Stella, Schauspielerin, geb. zu
Florenz,
[* 14] widmete sich, ohne eine dramatische
Ausbildung genossen
zu haben, der
Bühne, trat zum erstenmal als
Luise in
»Kabale und
Liebe« auf dem
Nationaltheater
zu
Berlin auf und gab dann
Gastrollen in
Straßburg
[* 15]
i. E. und in der
Schweiz.
[* 16] Darauf debütierte sie als Desdemona
auf dem Hofburgtheater zu
Wien,
[* 17] für das sie nach kurzer Thätigkeit engagiert wurde und dem sie noch gegenwärtig als
Vertreterin des
Faches der naiven und muntern Liebhaberinnen angehört. Seit 1889 ist sie mit dem frühern artistischen
Sekretär
[* 18] des Burgtheaters, dem Schriftsteller
Alfred v.
Berger, vermählt.
Lehranstalten. Die Zahl der höhern Lehranstalten in
Deutschland
[* 21] hat, wie der
Vergleich nachstehender Übersicht
(S. 421) mit der entsprechenden vom Jahre 1886 in
Band
[* 22] 8 dieses Werkes beweist, sich abermals vermehrt. Die Gesamtvermehrung
im
DeutschenReiche von 946 zu 983 beträgt 3,9 Proz. Die
Latein und
Griechisch treibenden Anstalten haben
sich von 446 (399 Gymnasien, 47 Progymnasien) auf 480 (423 Gymnasien, 57 Progymnasien) vermehrt oder um 7,6
Proz. Die
Latein treibenden Realanstalten sind von 243 (136 Realgymnasien, 107 Realprogymnasien) auf 238 (132 Realgymnasien, 106 Realprogymnasien)
gesunken, d. h. um 2,5 Proz.
Die lateinlosen Realanstalten sind von 170 (16
Oberrealschulen, 67
Realschulen, 87 höhere
Bürgerschulen) auf 177 (15
Oberrealschulen, 61
Realschulen, 101 höhere
Bürgerschulen) gestiegen oder um 4,1 Proz. Die
Vermehrung in
Preußen
[* 23] allein von 549 auf 570höhere Lehranstalten kommt der Gesamtvermehrung
mit 3,8 Proz. fast gleich. Sie verteilt sich aber
auf die drei
Gruppen ganz anders, die eigentlichen Gymnasialanstalten
(Latein und
Griechisch) erhoben sich von 292 (258 Gymnasien, 34 Progymnasien)
auf 312 (268 Gymnasien und 44 Progymnasien) oder um 6,9 Proz.; die
Latein treibenden Realanstalten stiegen von 173 (90
¶
mehr
Übersicht der höhern Lehranstalten im DeutschenReich (Mai 1890).
Realgymnasien,
83 Realprogymnasien) auf 174 (90 Realgymnasien, 84 Realprogymnasien), hielten sich also auf
wesentlich gleicher Höhe. Die lateinlosen Realanstalten dagegen sanken von 52 (13 Oberrealschulen, 17 Realschulen, 22 höhere
Bürgerschulen) auf 50 (10 Oberrealschulen, 18 Realschulen, 22 höhere Bürgerschulen), zeigen also eine Verminderung um 3,9
Proz. Wenn der preußische Minister v. Goßler in seiner großen Landtagsrede vom unter den Hauptpunkten
seines Programms für das höhere Unterrichtswesen aufstellte: »Bevorzugung von lateinlosen
Schulen mit kürzerer Unterrichtsdauer, namentlich zu ungunsten der lateintreibenden, insbesondere Gymnasien, höhern
Anstalten«, so muß man angesichts der obigen Zahlen erkennen, daß die Entwickelung gerade nach der Seite hin stattgefunden
hat, die man schon jetzt als einseitig überwiegend an- sieht.
Zweifellos liegt darin der Beweis, daß der Ruf nach Reformen auf diesem Gebiet nicht ganz unberechtigt ist. Aber das heißt
nicht, daß nun alle Anklagen gegen den bestehenden Zustand und gegen die einzelnen Schulformen berechtigt sind. Mit diesen
Zahlen besteht ganz wohl die vom Minister v. Goßler wiederholt vertretene Ansicht, daß es nicht sowohl
auf eine grundsätzliche Umgestaltung der einzelnen Anstalten als darauf ankomme, die Berechtigung der einzelnen Schulanstalten
hinsichtlich des Heerdienstes in geeigneterer Weise zu verteilen und namentlich das Recht auf den Einjährig-Freiwilligendienst
von dem Bestehen entweder der besonders dafür eingerichteten Prüfungvor der eigens bestellten Kommission oder der
Abgangsprüfung an einer berechtigten, mindestens sechsstufigen höhern Lehranstalt (höhern Bürgerschule etc.) abhängen
zu lassen.
Daß dies in Aussicht genommen, teilte der Minister v. Goßler im preußischen Abgeordnetenhaus andeutend mit und
verhieß gleichzeitig, daß eine größere Versammlung von Sachverständigen verschiedener Partei- und Lebensstellung zur gründlichen
Besprechung dieser Fragevor der endgültigen Entscheidung des Staatsministeriums berufen und gehört werden
sollte. Kurz zuvor hatte die schwebende Frage der praktischen Ausbildung der Lehrer an höhern Schulen ihren Abschluß
(s. Seminare für das höhere Lehramt) gefunden, ohne daß dadurch die öffentliche Meinung von der Schulreform abgelenkt
wäre.
an den Generalinspekteur des Militärerziehungs- und Bildungswesens.
Ich erachte es für notwendig, daß das Kadettenkorps auf der Grundlage, welche Se. Majestät der Kaiser und König Wilhelm I.,
Mein in Gott ruhender Herr Großvater, in nie rastender Fürsorge für die Wohlfahrt der Armee durch Einführung des Lehrplans
der Realgymnasien ihm gegeben, nach folgenden Gesichtspunkten noch eine weitere Ausgestaltung und Vertiefung
seiner Lehraufgabe erfahren soll:
¶
mehr
1) Zweck und Ziel aller, namentlich aber der militärischen Erziehung, ist die auf gleichmäßigem Zusammenwirken der körperlichen,
wissenschaftlichen und religiös-sittlichen Schulung und Zucht beruhende Bildung des Charakters. Keine Seite der Erziehung darf
auf Kosten der andern bevorzugt werden. Der wissenschaftliche Lehrplan des Kadettenkorps stellt aber nach MeinenWahrnehmungen
gegenwärtig zu weitgehende Anforderungen an eine große Zahl von Zöglingen.
Die Lehraufgabe muß durch Ausscheidung jeder entbehrlichen Einzelheit, insbesondere durch gründliche Sichtung des Memorierstoffes
durchweg vereinfacht werden, so daß auch minder beanlagte Schüler bei entsprechendem Fleiße dem Unterricht ohne Überanstrengung
folgen und den gesamten Lehrgang in der vorgeschriebenen Zeit zurücklegen können. Was der Unterricht
hierdurch an Ausdehnung
[* 28] verliert, wird er an Gründlichkeit gewinnen. Nach diesem Gesichtspunkt werden die Lehrer in allen Fächern
und auf allen Stufen ihre Methode fortan einzurichten haben.
2) Bei aller Vereinfachung muß der Unterricht hierdurch indessen noch mehr dahin nutzbar gemacht werden, daß die Kadetten
nicht allein die für den militärischen Beruf unmittelbar erforderlichen Vorkenntnisse und Fertigkeiten
gewinnen, sondern auch ein geistiges Rüstzeug erhalten, welches sie befähigt, selber dereinst in der Armee, der großen
Schule der Nation, sittlich erziehend und belehrend zu wirken oder, falls sie später in einen andern als den militärischen
Beruf übertreten, auch dort ihren Platz ausfüllen.
Im Religionsunterricht ist die ethische Seite desselben hervorzuheben und das Hauptgewicht darauf zu legen, daß die Zöglinge
in Gottesfurcht und Glaubensfreudigkeit zur Strenge gegen sich, zur Duldsamkeit gegen andre erzogen und in der Überzeugung
befestigt werden, daß die Bethätigung der Treue und Hingabe an Herrscher und Vaterland gleichwie die
Erfüllung aller Pflichten auf göttlichen Geboten beruht.
Der Geschichtsunterricht muß mehr als bisher das Verständnis für die Gegenwart und insbesondere für die Stellung unsers
Vaterlandes in derselben vorbereiten. Demzufolge wird die deutsche Geschichte, insbesondere die der neuern und neuesten Zeit,
stärker zu betonen, die alte Geschichte und die des Mittelalters aber vornehmlich in dem Sinne zu lehren
sein, daß der Schüler durch Beispiele auch aus jenen Epochen für Heldentum und historische Größe empfänglich gemacht wird
sowie eine Anschauung von den Wurzeln und der Entwickelung unsrer Kultur gewinnt.
Die Erdkunde,
[* 29] die politische wie die physikalische, hat, auf der untersten Stufe von der Heimat ausgehend,
zunächst den geschichtlichen unterricht auf den verschiedenen Lehrstufen zu ergänzen und zu unterstützen. Das weitere
Ziel des geographischen Unterrichts ist, daß der Schüler mit seinem Vaterland und dessen Eigenart aufs innigste vertraut wird,
aber auch das Ausland verstehen und würdigen lernt.
Das Deutsche
[* 30] wird Mittelpunkt des gesamten Unterrichts. Der Schüler ist in jedem Lehrgegenstand zum freien
Gebrauch der Muttersprache anzuleiten. In den deutschen Lehrstunden selbst gleichwie im Litteraturunterricht ist bei Auswahl
der Lesestücke, Vorträge und Aufsätze neben dem klassischen Altertum, seiner Sagen- und Kulturwelt, auch den germanischen
Sagen sowie den vaterländischen Stoffen und Schriftwerken ganz besondere Berücksichtigung zuzuwenden,
der Schüler aber auch mit dem geistigen Leben der andern wichtigen Kulturvölker der Gegenwart durch Einführung in einzelne
Meisterwerke ihrer Litteratur bekannt zu machen.
Inwieweit
Ich für jetzt eine teilweise Änderung der Lehrpläne des Kadettenkorps geboten erachte, wird Ihnen durch das Kriegsministerium
demnächst bekannt gegeben werden.
Ich habe durch Vorstehendes den zur Erziehung und Unterweisung der Kadetten berufenen Organen weitere Aufgaben zugewiesen, welche
an ihre Einsicht und Thätigkeit erhöhte Anforderungen stellen; Ich halte Mich aber überzeugt, daß es
ihrer bewährten Hingebung und Pflichttreue gelingen wird, die Aufgaben in Meinem Sinne und zu Meiner vollen Zufriedenheit
zu lösen.
Im J. 1889 hatte der bekannte Reisende und Schriftsteller PaulGüßfeldt in der »Deutschen Rundschau« (Berlin) seine Stimme zur
Frage des höhern Unterrichtswesens erhoben und durch seine gewandte Darstellung sich allgemeine Beachtung
erworben, die noch erhöht ward durch die Kunde, daß der Kaiser den VorschlägenGüßfeldts nicht fern stände. Diese schließen
sich dem Lehrplan der Gymnasien insoweit an, wie er beide alte Sprachen in seiner Idealschule beibehält.
Aber er will das Formale dieser Sprache
[* 32] nur so weit gelehrt wissen, wie nötig, damit die Klassiker unter
dem Beistand deutscher Übersetzungen verstanden werden. Für diejenigen, welche mehr bedürfen, lasse man die Hochschulen
sorgen. Das Schwergewicht der sprachlichen Bildung falle der Muttersprache und dem Französischen zu. Aber auch im Deutschen
soll verständige praktische Übung die besondere grammatische Schulung entbehrlich machen, und nur das
Französische bleibt übrig als eigentliches Hauptmittel der bewußten Einführung in den eigenartigen Organismus der sprachlichen
Regeln und Gesetze, obzwar auch hier alle Regeln nur durch die Macht der Beispiele sich einprägen, wozu, sowohl der Lehrer die
Sprache völlig praktisch beherrschen als auch die Schüler zum wirklichen Sprechen anleiten muß.
Das Englische
[* 33] soll nur in seinen ersten Grundlagen und gleichsam in spem futuri getrieben werden. In der Mathematik, der er
hohen Wert beilegt, kommt es Güßfeldt hauptsächlich auf strenge naturgemäße Schulung des Verstandes an; er meint aber,
daß für diesen Gegenstand das herrschende Klassensystem verlassen und eigne Stufen mit Abteilungen von
höchstens zwölf Schülern gebildet werden müssen. In der Naturkunde dringt er auf Pflege der Anschauung und Beobachtung, in der
Geschichte auf Erwärmung des Gemüts zu einer begeisterten Vaterlandsliebe. Um aber seine Wünsche wirklich erfüllt zu sehen,
hält er es für nötig, daß die Schule ihre Zöglinge nach Art der englischen Day-schools den ganzen
Tag für sich in Anspruch nehme, so daß ihr in viel weiterm Umfang als bisher die Erziehung und besonders auch die Körperpflege
einschließlich der täglichen Mahlzeiten zufällt (vgl. Jugendspiele). Das blendende Gemälde des geistreichen Mannes setzt
sich wunderbar zusammen aus einer Anzahl vortrefflicher pädagogischer Vorschriften, die aber der Hauptsache
nach längst Gemeingut der pädagogischen Theorie sind, und aus idealistischen Paradoxien, die unter den gegebenen Verhältnissen
und mit den gegebenen Mitteln in Deutschland höchstens als vereinzelte Versuche ausführbar sind.
Reform unsers höhern Unterrichtswesens, nicht minder die starke Bewegung und Verwirrung, in welcher sich die öffentliche
Meinung über diese Reform befindet, drängen die unterzeichneten Lehrer der UniversitätHalle dazu, ihren Überzeugungen in
zwei für unsre Universitätsstudien entscheidenden PunktenAusdruck zu geben. 1) Die Idee unsrer deutschen Hochschule als universitas
litterarum, die Idee einer bei allem Auseinandergehen der Fachstudien gleichartigen und einheitlich fundamentierten
Bildungsschule erfordert durchaus eine einheitliche Vorbildung. Würde dieser schon nicht mehr ganz gewahrte Grundsatz, anstatt
wieder strenger festgehalten zu werden, noch weiter durchbrochen, dann würden unsre Studierenden fortan in zweierlei Bildungsklassen
zerfallen, für welche ein einheitlicher Unterricht nicht mehr möglich wäre. 2) Jene einheitliche Bildung,
auf welcher unsre Universitätsstudien ruhen, kann nur die historisch-klassische sein, wie das humanistische Gymnasium sie
gewährt. Die moderne Bildung und Wissenschaft hat, und zwar in allen ihren Fächern, seit den frühsten Zeiten des Mittelalters
an das Altertum angeknüpft, und insonderheit die Kulturentwickelung der letzten vier Jahrhunderte ist
aus dem Humanismus, aus der Beschäftigung mit dem klassischen Altertum erwachsen: sie läßt sich ohne die unausbleibliche
Folge der Verflachung von dieser ihrer Wurzel
[* 35] nicht lösen. Die historisch-klassische Vorbildung allein läßt den Einzelnen
den Bildungsgang der Menschheit nacherleben und gewährt ihm, ganz abgesehen von den für die verschiedenen
Fächer
[* 36] in verschiedenem Maße nötigen positiven Vorkenntnisse, diejenige idealistische und methodische Schulung, welche zur
eigentümlich-wissenschaftlichen Geistesarbeit, im Unterschied von den niedern Stufen des Lernens, befähigt. Darum würde
jede Beeinträchtigung des Charakters unsrer Gymnasien als der spezifischen Träger
[* 37] dieser historisch-klassischen Vorbildung,
jede wesentliche Verkürzung der klassischen und historischen Bildungsmittel zu gunsten moderner und realistischer
auf unsre Universitätsstudien und damit auf das geistige Gesamtleben unsers Volkes von unheilvollem Einfluß sein. Indem
wir uns in der Aussprache dieser Überzeugungen geflissentlich auf die uns unmittelbar berührenden Anliegen beschränken,
hoffen wir für dieselbe bei den bevorstehenden Beratungen um so mehr auf geneigtes Gehör.«
[* 38] Diese Erklärung
hat sich nachträglich die Mehrzahl aller deutschen Universitätsprofessoren wörtlich oder doch dem Hauptinhalt nach angeeignet;
wogegen eine nicht unerhebliche Minderzahl der akademischen Lehrer, namentlich der technischen Hochschulen, öffentlich die
Gymnasialbildung als nicht ausreichend für die höhern Studien der mathematischen, naturwissenschaftlichen und technischen
Berufssphäre bezeichnete.
So stand die Angelegenheit, die immer lebhafter und teilweise leidenschaftlicher in der Presse
[* 39] verhandelt
ward, als gegen Ende November eine wichtige Urkunde ans Licht
[* 40] trat, die, wie man nachträglich erfuhr, bereits seit Jahr und
Tag die preußische Regierung beschäftigt hatte, nämlich eine der obigen vom entsprechende
Schon längere Zeit hat Mich der Gedanke beschäftigt, die Schule in ihren einzelnen Abstufungen nutzbar zu machen, um der Ausbreitung
sozialistischer und kommunistischen Ideen entgegenzuwirken. In erster Linie wird die Schule durch Pflege der Gottesfurcht und
Liebe zum Vaterland die Grundlage für eine gesunde Auffassung auch der staatlichen und gesellschaftlichen
Verhältnisse zu legen haben. Aber Ich kann Mich der Erkenntnis nicht verschließen, daß in einer Zeit, in welcher die sozialdemokratischen
Irrtümer und Entstellungen mit vermehrtem Eifer verbreitet werden, die Schule zur Förderung der Erkenntnis dessen, was
wahr,
was wirklich und was in der Welt möglich ist, erhöhte Anstrengungen zu machen hat.
Sie muß bestrebt sein, schon der Jugend die Überzeugung zu verschaffen, daß die Lehren
[* 41] der Sozialdemokratie nicht nur den
göttlichen Geboten und der christlichen Sittenlehre widersprechen, sondern in der Wirklichkeit unausführbar und in ihren
Konsequenzen dem Einzelnen und dem Ganzen gleich verderblich sind. Sie muß die neue und die neueste
Zeitgeschichte mehr als bisher in den Kreis
[* 42] der Unterrichtsgegenstand ziehen und nachweisen, daß die Staatsgewalt allein dem
Einzelnen seine Familie, seine Freiheit, seine Rechte schützen kann, und der Jugend zum Bewußtsein bringen, wie Preußens
[* 43] Könige
bemüht gewesen sind, in fortschreitender Entwickelung die Lebensbedingungen der Arbeiter zu heben, von den
gesetzlichen ReformenFriedrichs d. Gr. und von Aufhebung der Leibeigenschaft bis heute.
Sie muß ferner durch statistische Thatsachen nachweisen, wie wesentlich und wie konstant in diesem Jahrhundert die Lohn- und
Lebensverhältnisse der arbeitenden Klassen unter diesem monarchischen Schutze sich verbessert haben. Um diesem Ziele näher
zu kommen, rechne Ich auf die volle Mitwirkung MeinesStaatsministeriums. Indem Ich dasselbe auffordern,
den Gegenstand in weitere Erwägung zu ziehen und Mir bestimmte Vorschläge zu machen, will Ich nicht unterlassen, nachstehende
Gesichtspunkte besonderer Beachtung zu empfehlen:
1) um den Religionsunterricht in dem angedeuteten Sinne fruchtbarer zu machen, wird es erforderlich sein, die ethische Seite
desselben mehr in den Vordergrund treten zu lassen, dagegen den Memorierstoff auf das Notwendigste zu
beschränken.
2) Die vaterländische Geschichte wird insonderheit auch die Geschichte unsrer sozialen und wirtschaftlichen Gesetzgebung
und Entwickelung seit dem Beginn dieses Jahrhunderts bis zu der gegenwärtigen sozialpolitischen Gesetzgebung zu behandeln haben,
um zu zeigen, wie die Monarchen Preußens es von jeher als ihre besondere Aufgabe betrachtet haben, der
auf die Arbeit ihrer Hände angewiesenen Bevölkerung
[* 44] den landesväterlichen Schutz angedeihen zu lassen und ihr leibliches und
geistliches Wohl zu heben, und wie auch in Zukunft die ArbeiterGerechtigkeit und Sicherheit ihres Erwerbes nur unter dem Schutz und
der Fürsorge des Königs an der Spitze eines geordneten Staates zu erwarten haben.
Insbesondere vom Standpunkte der Nützlichkeit, durch Darlegung einschlagender Verhältnisse, wird schon der Jugend klargemacht
werden können, daß ein geordnetes Staatswesen mit einer sichern monarchischen Leitung die unerläßliche Vorbedingung für
den Schutz und das Gedeihen des Einzelnen in seiner rechtlichen und wirtschaftlichen Existenz ist, daß
dagegen die Lehren der Sozialdemokratie praktisch nicht ausführbar sind, und wenn sie es wären, die Freiheit des Einzelnen
bis in seine Räumlichkeit hinein einem unerträglichen Zwange unterwerfen würden. Die angeblichen Ideale der Sozialisten
sind durch deren eigne Erklärung hinreichend gekennzeichnet, um den Gefühlen und dem praktischen Sinne
auch der Jugend als abschreckend geschildert werden zu können.
3) Es versteht sich von selbst, daß die hiernach der Schule zufallende Aufgabe nach Umfang und Ziel für die verschiedenen
Stufen der Schulen angemessen zu begrenzen ist, daß daher den Kindern in den Volksschulen nur die einfachsten
und leicht faßlichen Verhältnisse dargeboten werden dürfen, während diese Aufgabe für die höhern Kategorien der Unterrichtsanstalten
entsprechend zu erweitern und zu vertiefen ist. Insbesondere wird es darauf ankommen, die Lehrer zu befähigen, die neue Aufgabe
mit Hingebung zu erfassen und mit praktischem Geschick durchzuführen. Zu diesem Ende werden die Lehrerbildungsanstalten
eine entsprechende Ergänzung ihrer Einrichtung erfahren müssen.
¶
mehr
Ich verkenne nicht, welche Schwierigkeiten der Durchführung dieser Aufgabe sich entgegenstellen werden, und daß es einer
längern Erfahrung bedarf, um überall das Richtige zu treffen. Aber diese Bedenken dürfen nicht abhalten, mit Ernst und Ausdauer
der Durchführung eines Zieles näher zu treten, dessen Verwirklichung nach Meiner Überzeugung für das Wohl
des Vaterlandes von hervorragender Bedeutung ist. Das Staatsministerium wolle hiernach die nötigen Erörterungen in die Wege
leiten und nach Abschluß derselben an Mich berichten.
Das preußische Staatsministerium hatte sich bereits in seiner Sitzung vom über diese königlichen
Wünsche schlüssig gemacht und begleitete nun (es ist nicht bekannt, warum erst jetzt) die Veröffentlichung der Kabinettsorder
mit den damals vereinbarten, vom gesamten Ministerium unterzeichneten und vom Kaiser genehmigten Vorschlägen. Wegen
des ersten Teiles derselben, der sich mit dem niedern Schulwesen beschäftigt, s. Volksschule; der zweite,
das höhere Schulwesen betreffende Abschnitt lautet, wie folgt:
1) In Ansehung des Religionsunterrichts sind für sämtliche Arten der höhern SchulenVerordnungen im Sinne der Allerhöchsten
Order vom zu erlassen. Den höhern Schulen, insbesondere den Gymnasien, wird einzuschärfen sein, daß der Religionsunterricht
so zu erteilen ist, daß der Nachdruck auf die lebendige Annahme und innerliche Aneignung der Heilsthatsachen
und Christenpflichten gelegt und die apologetische und ethische Seite besonders berücksichtigt wird. Unter merklicher Verringerung
des Lehrstoffs, namentlich durch Ausscheidung des zur Aneignung religiöser Streitfragen führenden kirchen- und dogmengeschichtlichen
Stoffes ist der Unterricht, soweit er sich auf Geschichte stützt, auf die für das kirchlich-religiöse
Leben bleibend bedeutsamen Vorgänge zu beschränken. Wegen des katholischen Religionsunterrichts wird das Geeignete
seitens der Unterrichtsververwaltung veranlaßt werden.
2) In Ansehung des Geschichtsunterrichts sind für sämtliche Arten der höhern SchulenVerordnungen im Sinne der Allerhöchsten
Order vom zu erlassen.
a) Der Unterricht in der vaterländischen Geschichte ist bis zum Regierungsantritt SeinerMajestät durchzuführen
und von der Zeit des (GroßenKurfürsten ab gegen seinen bisherigen Umfang zu erweitern.
b) Die wichtigern Thatsachen sind schon in den mittlern Klassen der höhern Lehranstalten vorzuführen.
c) In dem Geschichtsunterricht ist die Entwickelung unsrer sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse,
insbesondere vom Beginn dieses Jahrhunderts bis zur gegenwärtigen socialpolitischen Gesetzgebung (Alters- und Invalidenversorgung
1889), darzustellen.
d) Diese Unterweisung ist in der ersten Klasse der Vollanstalten ausführlicher zu gestalten. Die Belehrung über die Verderblichkeit
der Socialdemokratie hat hierbei, ohne in eine Erörterung der sozialistischen Theorien einzutreten, an der Hand
[* 46] des gesunden Menschenverstandes zu erfolgen. Die Unmöglichkeit der sozialdemokratischen Bestrebungen ist an den positiven
Zielen der Sozialdemokratie nachzuweisen und für jugendliche Gemüter faßlich zu gestalten.
e) Infolge der zu a) bis d) vorgesehenen Ausdehnung des Geschichtsunterrichts wird der anderweitige Lehrstoff der Geschichte
entsprechend vermindert.
f) Die geschichtlichen Lehr- und Hilfsbücher sind durch den entsprechenden Lehrstoff seitens
geeigneter
Schulmänner und Gelehrten zu ergänzen.
3) Auf die Durchführung des Grundsatzes, daß die Geschichte und Litteratur nicht formell und gedächtnismäßig, sondern
inhaltlich und ethisch erläutert werde, ist mit Nachdruck hinzuwirken.
4) Die Prüfungsordnung für die Kandidaten des höhern Schulamts ist im Sinne vorstehender Anordnungen
zu revidieren.
Mit der Ausführung dieser Beschlüsse beauftragte gleichzeitig der Kaiser den Kultusminister, und dieser berief zu dem Zwecke
für den Anfang Dezember 1890 den längst in Aussicht gestellten Vertrauensrat zur eingehenden Verhandlung
der obschwebenden Beschwerden und Reformvorschläge. Bei der Auswahl hatte sichtlich der Gesichtspunkt geleitet, Vertreter
der verschiedenen Schularten und litterarische Verfechter verschiedener Standpunkte gleichmäßig zu Worte kommen zu lassen.
Die Konferenz bestand aus folgenden Mitgliedern:
44) Dr. Zeller, Professor, Geh. Regierungsrat in Berlin. Unter den Berufenen war der GeheimratKoch, weil zu sehr mit seiner inzwischen
ans Licht getretenen weltberühmten Erfindung beschäftigt, nicht erschienen. Unter den Erschienenen galten,
der allgemeinen Annahme nach, der Geheimrat Hinzpeter als früherer Lehrer und Erzieher und der Dr. Güßfeldt als bevorzugter
Reisebegleiter für die nächsten eingeweihten Vertreter des Kaisers; wie der Erfolg gelehrt hat, doch nur teilweise mit Recht.
Dieser Versammlung waren nun folgende Fragen seitens des Ministers v. Goßler vorgelegt:
1) Sind die heute bestehenden Arten der höhern Schulen in ihrer gegenwärtigen Sonderung beizubehalten, oder empfiehlt sich
eine Verschmelzung von a) Gymnasien oder Realgymnasien, b) Realgymnasien und Oberrealschulen?
2) Läßt sich für die bestehenden drei Schularten (gymnasiale, realgymnasiale, lateinlose) oder für zwei derselben
ein gemeinsamer Unterbau herstellen? Empfiehlt es sich für den letztern Fall: a) die zur Zeit schon für die untern Klassen
der Gymnasien und Realgymnasien bestehende Gemeinsamkeit bis zur Untersekunda inkl. auszudehnen,
während von Obersekunda aufwärts der Lehrplan der Oberrealschulen eintritt? (Verbindung des Realgymnasiums mit dem Gymnasium);
b) oder das Latein an den Realgymnasien bis zur Untertertia hinaufzuschieben und die drei lateinlosen untern
Klassen zu einer höhern Bürgerschule aufwärts zu ergänzen? (Verbindung des Realgymnasiums mit der höhern Bürgerschule.)
3) Empfiehlt es sich, im Lehrplan der Gymnasien die den alten Sprachen gewidmete Stundenzahl einzuschränken und es so zu ermöglichen,
daß die Unterrichtsstunden in den untern Klassen herabgesetzt, das Englische fakultativ eingeführt und
das Zeichnen über Quarta hinaus obligatorisch gemacht wird? Ist mit jener Einschränkung zugleich der lateinische Aufsatz als
Zielleistung und die griechische schriftliche Versetzungsarbeit für Prima in Wegfall zu bringen?
4) Empfiehlt es sich, im Lehrplan der Realgymnasien die 1882 angeordnete Verstärkung
[* 67] des Latein beizubehalten,
oder ist eine Verminderung desselben und eine Herabsetzung der Gesamtstundenzahl, insbesondere in den untern Klassen, herbeizuführen?
5) Empfiehlt es sich a) an Orten, wo sich nur gymnasiale oder realgymnasiale Anstalten befinden, in den drei untern Klassen
nach örtlichem Bedarf neben und statt des Latein einen verstärkten deutschen und modern fremdsprachlichen
Unterricht einzuführen? b) an Orten, wo nur lateinlose höhere Schulen sind, in den drei untern Klassen nach örtlichem Bedarf
lateinischen Unterricht anzugliedern? c) alle siebenstufigen Anstalten (Progymnasien, Realprogymnasien, Realschulen) auf sechsstufige
zurückzuführen? d) den Lehrplan der Realschulen und höhern Bürgerschulen gleich zu gestalten, so daß unbeschadet
der anders gearteten methodischen Behandlung des Lehrstoffs und Abschlusses des Bildungsganges die Fortsetzung desselben auf
der Oberrealschule erleichtert wird?
6) Empfiehlt es sich, an den auf einen neunjährigen Lehrgang angelegten Anstalten mit Rücksicht auf die Schüler, welche
vor Vollendung desselben in das Leben treten, einen frühern relativen Abschluß nach dem 6. Jahreskurse
eintreten zu lassen?
7)
Sind zur Förderung eines erfolgreichen Unterrichts anderweitige oder neue Normen über die Maximalfrequenz der Klassen, über
die zulässige Schüler- und Klassenzahl der Gesamtanstalt, über die durchgängige Trennung der Tertien und Sekunden in je
zwei Klassen nach Jahreskursen sowie über das Maß der Pflichtstunden der Lehrer wünschenswert?
8) Inwieweit ist es, auch bei Verminderung der Gesamtzahl der Schulstunden, möglich, durch intensiven methodischen
Unterricht die Hauptarbeit in die Schule zu verlegen, namentlich in den untern Klassen?
9) Was hat zur weitern Hebung
[* 68] des gegenwärtig meist in zwei Wochenstunden und vielfach an große Abteilungen erteilten Turnunterrichts
zu geschehen, und welche sonstigen Einrichtungen zur körperlichen Ausbildung der Jugend sind zu pflegen?
10) Kann die Reifeprüfung entbehrt werden? Verneinenden Falls, sind Vereinfachungen einzuführen und welche?
11) Welche Änderungen sind bei der wissenschaftlichen Ausbildung der künftigen Lehrer an höhern Schulen erforderlich?
12) Durch welche Mittel vermögen die höhern Lehranstalten in möglichster Übereinstimmung mit der Familie
auf die sittliche Bildung ihrer Schüler einzuwirken?
13) Welche Änderungen empfehlen sich im Berechtigungswesen a) bei den auf einen neunjährigen Lehrgang angelegten Anstalten?
b) bei den höhern Bürgerschulen (zu erwägen nach den Berufsarten)?
14) Wenn in Zukunft an den höhern Bürgerschulen vermöge des frühern Abschlusses ihres Lehrganges die
Berechtigung zum einjährig-freiwilligen Dienst früher als an andern höhern Schulen erworben werden kann, auch im sonstigen
Berechtigungswesen Änderungen zu gunsten der höhern Bürgerschule eintreten, so wird das Bedürfnis derselben wachsen. Welche
Maßregeln werden zur Befriedigung desselben zu ergreifen sein? (Verbindung höherer Bürgerschulen mit bestehenden Anstalten,
Umwandlung eines Teiles der letztern, staatliche oder staatlich unterstützte Neueinrichtung höherer
Bürgerschulen.)
Nachträglich wurde noch eine 15. Frage gestellt, betreffend die Kontrolle des Unterrichts und der Erziehung an den höhern Schulen
und die erforderlichen Aufsichtsorgane (s. unten, S. 428).
Die gemeinsame Arbeit begann am 4. Dez. mit einer feierlichen Sitzung, in der auch der Kaiser erschien und
in einer nachdrucksvollen Rede seine persönliche Stellung zur Sache darlegte. Bei aller warm ausgesprochenen Anerkennung des
Kultusministers verbarg der jugendliche Herrscher unter Bezugnahme auf die eigne Erfahrung während des Besuchs des Gymnasiums
zu Kassel nicht seine Bedenken gegen den bestehenden Zustand des höhern Schulwesens. Daß unter den bestehenden
Schularten die Misch- und Mittelform des Realgymnasiums sich seines Beifalls nicht erfreute, war aus dem Gehörten leicht
zu entnehmen. Ebenso, daß nach des Monarchen Ansicht überhaupt die höhern Schulen nicht das Nötige für die Pflege deutschnationalen
Sinnes und jugendlicher, auch körperlicher Frische leisteten, vielmehr die Jugend mit Lernstoff überbürdeten,
der überdies am Gymnasium zu einseitig aus der räumlichen und zeitlichen Ferne des Altertums hergenommen würde.
Unter dem lebhaften Eindruck dieser Ansprache begab die Versammlung sich an die Arbeit, die vom 4.-17. Dez. dauerte, und deren
Schlußergebnis die amtliche Redaktion der Verhandlungen (erschienen Ende Februar 1891) in folgenden Sätzen
zusammenfaßt:
¶