verloren. Doch behielt die
nationalliberale Partei die weit überwiegende Mehrheit in der
Kammer. Der
Landtag wurde vom
Großherzog selbst eröffnet. Er hatte sich vor allem mit der Beratung des
Staatshaushalts für 1891-94 zu beschäftigen. Die
ordentlichen
Einnahmen ergaben einen jährlichen Überschuß von 459,000 Mk. über die ordentlichen
Ausgaben (24,312,000 Mk. jährlich). Die außerordentlichen
Einnahmen waren um 7 Mill. höher als die
Ausgaben.
Richard,
Komponist, geb. zu
Graz,
[* 3] wurde zunächst
Ingenieur, als welcher er 1875 seine Staatsprüfung
ablegte, widmete sich aber im folgenden Jahre ganz der
Musik, wurde Chormeister des akademischen Gesangvereins
zu
Wien
[* 4] und war daneben 1878-80 als
Dirigent der
Wiener Singakademie thätig. Als
Komponist machte er sich vorteilhaft bekannt
durch zahlreiche
Lieder,
Gesänge für Männerchor und gemischten
Chor, durch größere Chorwerke
(»Rhapsodie aus
Rückerts Liebesfrühling«
u. a.),
Orchestervariationen und Orchesterbearbeitungen (deutsche
Tänze von
Schubert u. a.),
[* 6] In der
ProvinzAlgerien
[* 7] traten seit 1885 Heuschrecken in immer größerer
Menge verheerend auf,
so daß 1888/89 ein methodisch organisierter
Feldzug gegen sie unternommen wurde. Es handelte sich nicht um die
Wanderheuschrecke,
sondern um ein unserm
Heimchen
[* 8] nahe stehendes
Insekt, Stauronotus maroccanus, welches sich in den meisten an das
Mittelmeer
grenzenden
Ländern, besonders aber in
Kleinasien und
Cypern
[* 9] findet; seine ursprüngliche
Heimat ist
Marokko.
Da die Heuschrecken nicht auf der
Wanderung das Land überfallen hatten und dann weiterzogen, sondern ihre
Eier
[* 10] in den von ihnen heimgesuchten
Gegenden ablegten, so konnte planmäßig die Vernichtung derselben vorbereitet werden. Es wurden zunächst die Territorien
festgestellt, in welchen die Eiablage stattgefunden hatte, und sodann meist durch Araber von
August bis
September die Eikapseln gesammelt, wobei bei einem
Preise von 1
Frank 50
Cent. für je 20
Liter im ganzen 578,340
Fr. verausgabt
wurden.
Zur Vertilgung der im Frühjahr 1889 auskriechenden jungen
Brut, welche in den ersten
Tagen nicht fliegen
kann, sondern kriechend über die
Felder hinzieht, wurde die sogen. cypriotische Vertilgungsmethode angewendet. Es wurden
schmale
Ledertücher an Pfosten aufgespannt und mit diesen die
Felder, auf welchen die jungen Heuschrecken auskrochen, umgeben;
am
Fuße
der Ledertuchwände befanden sich in kurzen
Entfernungen voneinander mit Zinkblech ausgeschlagene
Gruben von 2 mLänge, 1 m
Breite
[* 11] und 1 m Tiefe;
die die
Wände hinaufkriechenden
Larven fielen von selbst herab oder wurden von Arabern mit
Besen in die
Gruben gekehrt, wo sie mit Stahlkeulen zerstampft wurden;
(Hidschâz), im administrativen Sprachgebrauch der
Türken das
Wilajet von
Mekka, die Westküste
Arabiens von der
Nordspitze des
Meerbusens von Akaba bis südlich von e'-Lîd und deren
Hinterland, soweit es den
Türken unterworfen ist. Nach
Snouck Hurgronje (s. d.) bezeichnet das
Wort Hidschas im
Arabischen ursprünglich eine gewisse
Beschaffenheit des
Bodenreliefs und wurde verschiedenen kleinen Gebieten beigelegt; denn große Gebiete belegen die Araber noch heute nicht
mit einem gemeinsamen
Namen. So ist auch für die Bewohner von
Mekka und
Dschidda der Hidschas in ihrem
Sinne nur die östlich von
Tâif gelegene Gegend.
¶
[* 29] Die blaue Farbe des Himmels suchte schon Chappuis 1880 vom Ozon abzuleiten, nachdem er mit Hautefeuille das tief
indigblaue flüssige Ozon dargestellt hatte. Dieser Ansicht ist auch Hartley beigetreten. In einem 70 m langen Rohre genügt
ein Quantum von 2,5 mgOzon auf 1 qcm des Querschnitts, um eine himmelblaue Färbung hervorzubringen. Stark ozonisierter Sauerstoff
absorbiert die ultravioletten Strahlen und fluoresziert stark stahlblau. Das Himmelsblau würde demnach teils
beim Durchgang der Lichtstrahlen durch das blaue Gas, teils durch Fluoreszenz
[* 30] des Sauerstoffs und des Ozons entstehen. Jedenfalls
ist Ozon in genügender Menge in der Luft enthalten, um entfernte Gegenstände bläulich erscheinen zu lassen.
Otto, Geschichtsforscher, geb. zu Königsberg,
[* 37] studierte daselbst Philologie, erwarb mit der Dissertation
»De incantamentis et divinationibus amatoriis apud Graecos Romanosque« (Königsb. 1863) die philosophische Doktorwürde, habilitierte
sich 1869 als Dozent der alten Geschichte in Göttingen,
[* 38] ward 1872 außerordentlicher Professor in Prag,
[* 39] 1876 ordentlicher Professor
in Wien und 1885 in Berlin.
[* 40] Er schrieb: »Die Getreideverwaltung in der römischen Kaiserzeit« (Götting. 1869);
»Untersuchungen
auf dem Gebiet der römischen Verwaltungsgeschichte« (Berl. 1877, Bd.
1);
Litteratur. Die ist historische Litteraturist in den Jahren 1888-90, welche wir hier ins Auge
[* 42] fassen wollen,
durch eine große Anzahl von Werken darstellenden Charakters bereichert worden. Es sind teils Fortsetzungen schon früher
begonnener Werke, teils Monographien, welche einzelne Perioden behandeln oder Lebensbilder von bedeutenden Persönlichkeiten
geben wollen. Wir heben hier nur die wichtigern, auch für die Laienwelt interessanten Arbeiten hervor,
konnten es aber nicht unterlassen, besonders in der neuern Geschichte auf eine Reihe von Werken hinzuweisen, die neue, bisher
unbekannte Akten aus den Archiven an die Öffentlichkeit bringen und deren Verarbeitung dem künftigen Geschichtschreiber überlassen.
Von
G. Busolt, »Griechische Geschichte bis zur Schlacht bei Chaironeia«, ist ein zweiter Teil (Gotha
[* 43] 1888)
erschienen, welcher die Perserkriege und das Zeitalter des Perikles bis zum Beginn des Peloponnesischen Krieges schildert. Wie
schon im ersten, 1885 erschienenen Teile hat der Verfasser die Quellen mit großem Scharfsinn untersucht und zur Ergänzung
der nach dem Abbrechen des Herodoteischen Werkes recht lückenhaften ÜberlieferungStaatsverträge, Münzen
[* 44] und etwa bei den Dichtern vorkommende Hinweise auf historische Vorgänge herangezogen.
Gleichfalls dem 5. Jahrh. ist der zweite Band
[* 45] von A. Holm, »Griechische Geschichte« (Berl. 1889), gewidmet. Auch er versteht
den Stoff übersichtlich zu gruppieren und, was besonders für den Laien wesentlich ist, Hypothesen und mangelhaft
beglaubigte Nachrichten als solche kenntlich zu machen. Abweichend von frühern Darstellungen, sieht er in Aristides wie Themistokles
Anhänger der demokratischen Partei und nur persönliche Gegner. Historische Delbrück sucht in einer Schrift, »Die Strategie des Perikles,
erläutert durch die StrategieFriedrichs d. Gr.« (Berl. 1890),
die zuerst in den »Preußischen Jahrbüchern«
erschien, der bisher stets mißachteten militärischen Thätigkeit des PeriklesAnerkennung zu verschaffen. Wertvoll für den
Schluß des 5. Jahrh. istL. Whibleys preisgekrönte Abhandlung: »Political parties in Athens during the Peloponnesian war«
(Cambridge 1889),
worin neben den von jeher in Athen
[* 46] bestehenden beiden Parteien die Existenz einer Mittelpartei, der Nikias
angehörte, angenommen wird. Aus dem Nachlaß von AdolfSchmidt hat F. Rühl ein »Handbuch der griechischen Chronologie« (Jena
[* 47] 1888) herausgegeben, das sich jedoch nur mit dem attischen Kalender beschäftigt. Eine vortreffliche Darstellung derErziehung
der jungen Athener bis zum 20. Lebensjahr enthält P. Girards »L'éducation athénienne au V. et au IV.
siècle avant J.-Chr.« (Par. 1889). Hinter den erwähnten Büchern über die Geschichte Griechenlands steht wegen Mangels an
Kritik erheblich zurück Historische Welzhofers »Geschichte des griechischen
Volkes bis zur Zeit Solons« (Gotha 1889).
Eine völlige Umwälzung in den hergebrachten Auffassungen der ältern römischen Geschichte bringt J. G. ^[JohannGustav]
Cuno zuwege, dessen 2. Band der Vorgeschichte Roms über »Die Etrusker und ihre Spuren im Volke und im Staate
der Römer«
[* 48] (Graudenz
[* 49] 1888) handelt, nachdem er vor einem Jahrzehnt im ersten Teile sich mit den Kelten beschäftigt hatte.
Wenn auch des Verfassers Resultate trotz seiner bestechenden Deduktionauf recht unsichern Füßen ruhen,
erwähnen wir sie: Etrusker und Latiner sind nahe verwandt, als Roms Mutterstadt ist Cäre anzusehen, und im römischen Staate
bildeten ursprünglich die Etrusker die herrschende Bevölkerung,
[* 50] während die Plebs sich aus Latinern zusammensetzte.
Danach wäre die Vertreibung der Tarquinier gleichbedeutend mit der Abschüttelung der etruskischen Herrschaft gewesen. Die
»Römische
[* 51] Geschichte« von W. Ihne liegt mit dem 8. Band, der 1890 erschienen ist, abgeschlossen vor. Sie
endet mit dem Sturz der Republik durch Augustus und hat in ihren beiden letzten Bänden den inzwischen verstorbenen ProfessorZumpt zum Verfasser. Der große Umfang des Werkes erklärt sich durch die Aufnahme des ganzen wissenschaftlichen
Apparats. Mit dem so oft behandelten Schauplatz der Varusschlacht beschäftigen sich Schierenberg (Frankf. a. M.
1888), E. Dünzelmann (Gotha 1889) und in einem
¶
das nach des Verfassers
TodeTh. Nöldeke herausgegeben hat. Einen viel tiefern Standpunkt nimmt G. Rawlinson, »History of Phoenicia«
(Lond. 1890), ein, das, obgleich auf einen weitern Leserkreis berechnet (es ist illustriert),
an kritischer Gründlichkeit
zu viel zu wünschen übrigläßt.
Den Übergang zum Mittelalter bildet M. J. ^[richtig: J. B. für John Bagnell] Bury, »History of the later Roman empire« (Lond.
1890), der in knappen Umrissen die Ereignisse von 395 bis Justinian und dann ausführlicher bis 800 mit
besonderer Berücksichtigung der innern Zustände des byzantinischen Reiches schildert. Im wesentlichen in dieselbe Zeit,
wenn auch in andre Gegenden, führt unsL.Lindenschmits »Handbuch der deutschen Altertumskunde«, dessen erster Band (Braunschw.
1889) die Altertümer der merowingischen Zeit behandelt. Abweichend von Arbois de Jubainville, der auch
in der 2. Aufl. seiner »Premiers habitants de l'Europe« (Bd. 1, Par.
1889) auf Grund der alten Schriftsteller die absonderlichsten Ansichten über die älteste BevölkerungEuropas aufstellt, stützt
sich Lindenschmit lediglich auf die Altertümer und Gräberfunde, von denen er selbst eine wertvolle Sammlung
im römisch-germanischen Zentralmuseum zu Mainz
[* 56] in mustergültiger Anordnung zusammengestellt hat.
Die genannten Gelehrten nehmen sämtlich die päpstliche Kanzlei in Rom als Entstehungsort der Fälschung an; weniger stimmen
sie in betreff der Zeit überein. Die erstgenannten plaidieren für 813-816,Martens nicht recht überzeugend für die Zeit
Hadrians I. (772-795), Friedrich endlich unterscheidet in der Urkunde einen ältern Teil, dessen Abfassung
er vor 653, und einen jüngern, den er vor 754 ansetzt. Lamprecht, »Die römische Frage von König Pippin bis auf Ludwig d. Fr.«
(Leipz. 1889),
tritt in betreff des ersten Teils der UrkundeFriedrichsAnsicht bei, die Abfassung des zweiten Teils verlegt
er in die Jahre 813-816. Scheffer-Boichorst (»Mitteilungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung«,
Bd. 10 u. 11) versetzt die Entstehung
der ganzen Fälschung in die Zeit Pauls I. (757-767),
A. Haucks »KirchengeschichteDeutschlands«
[* 60] (Bd. 1, Leipz.
1888) gibt eine aus besonnener Kritik beruhende und trotz des verwickelten Stoffes übersichtliche Darstellung der ältesten
Zeit bis auf Bonifaz. Eine populäre »Deutsche
[* 61] Geschichte«, welche die
Ergebnisse der neuern Forschung berücksichtigt, hat O. Kämmel (Dresd. 1889) geschrieben. Von G. Richters
»Zeittafeln der deutschen Geschichte im Mittelalter« ist die dritte Abteilung im Erscheinen begriffen; ein erster Band (Halle
[* 62] 1890) behandelt die Zeit der sächsischen und der ersten salischen Kaiser (bis 1056),
letztere aus der Feder von Historische Kohl. Noch
weiter, bis zum Ausgang des salischen Geschlechts, reicht M. Manitius' »Deutsche Geschichte unter den sächsischen
und salischen Kaisern« (Stuttg. 1889); der Verfasser zeigt große Vertrautheit mit dem Stoffe, berücksichtigt aber die innern
Verhältnisse nicht ausreichend. Eine umfangreiche Biographie des BischofsOtto I. von Bamberg,
[* 63] des Apostels der Pommern, hat G.
Juritsch (Gotha 1889) geliefert. Noch vor seinem Tode war es W. v. Giesebrecht vergönnt, die lange erwartete
zweite Abteilung von Band 5 seiner »Geschichte der deutschen Kaiserzeit« zu veröffentlichen.
Das Buch ist dem wichtigsten Lebensabschnitt FriedrichBarbarossas, der Zeit seiner Kämpfe mit Alexander III. und Heinrich dem
Löwen,
[* 64] gewidmet. Der Verfasser verlegt die vielbesprochene Zusammenkunft des letztern mit dem Kaiser nach
Chiavenna, ist aber auch nicht im stande, den Zeitpunkt genau festzustellen. Die »Jahrbücher der deutschen Geschichte« haben
durch E. Winkelmann, »KaiserFriedrich II.«, wovon Bd. 1 (Leipz.
1889) bis 1228 reicht, eine wesentliche Bereicherung erfahren. Der Verfasser hat hier den von ihm schon
in einer Monographie behandelten Stoff nochmals mit Benutzung neuen Urkundenmaterials bearbeitet und sich durch die annalistische
Anlage jener Sammlung in seiner Darstellung nicht beengen lassen; seine meist günstige Auffassung von Friedrichs Wirksamkeit
erscheint wohlbegründet. Th. Lindner behandelt im ersten Bande der »Deutschen Geschichte unter den Habsburgern und Luxemburgern«
(Stuttg. 1890) den Zeitraum von Rudolf vonHabsburg bis zu Ludwig dem Bayern
[* 65] mit gewohnter Gründlichkeit. Aus RankesNachlaß
haben A. Dove und G. Winter einen 9. Teil der »Weltgeschichte«
¶
mehr
herausgegeben. Darin findet sich zunächst unter dem Titel: »Zeiten des Übergangs zur modernen Welt (14.-15. Jahrhundert)« eine
leider nicht auf der Höhe der heutigen Wissenschaft stehende Fortsetzung des Hauptwerkes, ferner eine Sammlung von historischen
Vorträgen, die Ranke 1854 dem König Maximilian von Bayern in Berchtesgaden gehalten hat, und die zu den
schönsten Leistungen des genialen Mannes gehören.
Von den im Auftrag der Historischen Kommission in München herausgegebenen Hanserezessen sind folgende Fortsetzungen erschienen:
von der ersten Abteilung Band 6 (Herausgeber K. Koppmann) über die Jahre 1411-18, von der zweiten Abteilung Band 5 (Herausgeberv. d. Ropp) über die Jahre 1460-66, von der dritten Abteilung Band 3 und 4 (Herausgeber D. Schäfer) über
die Jahre 1491 bis 1504. Zahlreich sind die Werke, die sich mit dem 16. Jahrh. beschäftigen.
Populäre, aber auf sorgfältigen Forschungen beruhende Darstellungen enthalten Egelhaaf, »Deutsche Geschichte im 16. Jahrhundert
bis zum AugsburgerReligionsfrieden«, wovon Bd. 1 die Jahre 1517-26
umfaßt, und M. Ritter, »Deutsche Geschichte im Zeitalter der Gegenreformation und des Dreißigjährigen Kriegs«, deren erster
Band den Zeitraum von 1555 bis 1586 behandelt.
Beide Werke gehören wie die schon erwähnten von Manitius und Lindner und die noch zu erwähnenden Bücher von R. Koser und
Historische v. Zwiedineck-Südenhorst der von letzterm herausgegebenen »Bibliothek deutscher Geschichte« an, die
auf 24 Bände berechnet ist. Sie bilden einen wohlthuenden Gegensatz zu J. ^[Johannes] Janssens »Geschichte des deutschen Volkes
seit dem Ausgang des Mittelalters«, wovon Bd. 6: »Kunst und Volkslitteratur bis zum Beginn des Dreißigjährigen Kriegs« (Freiburg
[* 67] 1888),
eine weitere Probe von des Verfassers Geschick, die Überlieferung für seine ultramontanen Tendenzen zu
verwerten, bietet. Wie zu erwarten, macht er die Reformation für den angeblichen Verfall der Litteratur und Kunst im 16. Jahrh.
verantwortlich, übersieht aber, daß damals schon ein merklicher Aufschwung im gesamten Geistesleben gegenüber dem 15. Jahrh.
eingetreten ist.
wonach Luthers bekannter Gönner als Vorkämpfer des evangelischen Glaubens gelten darf, obwohl er
sich zum Austritt aus der katholischen Kirche nicht erschließen konnte. Ferner St. Stoy, »Erste Bündnisbestrebungen evangelischer
Stände« (Jena 1888),
VonHistorische v. Treitschkes »Deutscher Geschichte im 19. Jahrhundert«
ist Bd. 4 (Leipz. 1889) erschienen.
Er behandelt das auf die Julirevolution folgende Jahrzehnt und weist unter anderm nach, daß FriedrichWilhelm III. sich den Einwirkungen Rußlands und Österreichs gegenüber selbständiger gehalten hat, als man bisher annahm;
doch erspart er ihm nicht den Vorwurf, daß er nicht schon beizeiten die Provinzialstände zu einen beratenden Reichstag erweiterte.
Historische v. Sybels »Begründung des DeutschenReiches durch Wilhelm I.« (Bd. 1-5, Münch. 1889-90) beruht auf den
in den preußischen Archiven aufgehäuften Akten, ministeriellen Erlassen und Gesandtschaftsberichten, die durch die Depeschen
fremder Mächte, Protokolle der Kammerverhandlungen, Zeitungsberichte und mündliche Mitteilungen ergänzt werden. Daß der
Verfasser die deutsche Geschichte vom
¶
mehr
preußischen Standpunkt aus ansieht, ist bei der Art seiner Quellen nicht verwunderlich. Nach einem Überblick über die deutsche
Geschichte seit 1815 behandelt er vom 2. Bande an die RegierungWilhelms I. ausführlicher und spricht z. B. über die Konfliktsjahre
mit anerkennenswerter Unbefangenheit. Bd. 3 enthält eine vortreffliche
Geschichte der schleswig-holsteinischen Verwickelung bis zum WienerFrieden 1864, Bd. 4 erzählt die Zuspitzung
des Konflikts zwischen Preußen und Österreich
[* 76] und Bd. 5 den Krieg von 1866; besonders interessant sind die Mitteilungen über
die politischen Schachzüge zwischen Bismarck und Napoleon III. und über die Beratungen im preußischen Kronrat.
Deutsche Einzelstaaten.
Bevor wir uns zu den Darstellungen über einzelne Perioden der preußischen Geschichte wenden, erwähnen
wir eine populäre (reichlich mit Abbildungen ausgestattete) Darstellung der »Geschichte des preußischen Staates« von E. Berner,
welche im Erscheinen begriffen ist. Trotz der Kürze der Darstellung merkt man überall die gründliche Sachkenntnis des Verfassers.
Von dem vortrefflichen Werke des amerikanischen Gelehrten Historische Tuttle, »History of Prussia«, sind 3 Bände
(Bost. 1885-88) erschienen, welche bis zum Beginn des Siebenjährigen Krieges reichen und eine bei einem Ausländer doppelt
anerkennenswerte Bekanntschaft mit der einschlägigen Litteratur offenbaren.L.Schmids »Die älteste Geschichte des erlauchten
Gesamthauses Hohenzollern« liegt mit dem 3. Bande (Tübing. 1888) abgeschlossen vor; darin wird der Nachweis
geliefert, daß die fränkische und die schwäbische Linie der Hohenzollern von Friedrich III., Grafen von Zollern und Burggrafen
von Nürnberg,
[* 77] abstammen.
eingehen
können. Die »Urkunden und Aktenstücke zur Geschichte des GroßenKurfürsten« erhalten eine unschätzbare
Ergänzung durch die von O. Meinardus herausgegebenen »Protokolle und Relationen des brandenburgischen GeheimenRats aus der Zeit
des KurfürstenFriedrichWilhelm«. Der 1. Band (Publikationen aus den preußischen Staatsarchiven, Bd. 41,
Leipz. 1889) reicht nur bis in den April 1643; er wirft auch auf die Gestalt des vielgeschmähten
GrafenSchwarzenberg ein neues Licht, und das Urteil über diesen wird sich bald günstiger gestalten. R.
Schück, »Brandenburg-Preußens Kolonialpolitik unter dem GroßenKurfürsten und seinen Nachfolgern« (Leipz. 1882,2 Bde.),
enthält eine sehr anschauliche Schilderung jener folgenschweren Schlacht;
von dem Werke des russischen
Obersten Masslowski: »Die russische Armee im Siebenjährigen Kriege«, liegen zwei Abschnitte in deutscher Bearbeitung vor, nämlich
»Der FeldzugApraxins in Ostpreußen,
[* 82] 1756 bis 1757«, übersetzt von A. v. Drygalski (Berl. 1888) und Thilo
v. Trotha, »Zur Geschichte der russisch-österreichischen Kooperation am Feldzug von 1759« (Hannov. 1888);
wie dort die Grundlosigkeit
des auf Apraxin ruhenden Verdachts des Verrats erwiesen wird, so werden hier manche gegen Soltikow erhobenen Vorwürfe entkräftet.
aus den Jahren 1823-24. Ein anziehendes Buch, das unter andern die Schlachten
[* 83] von Ligny und Waterloo
[* 84] aus eigner Anschauung
schildert, heißt »Kriegerleben des
Joh.
v. Borck, weiland königlich preußischer Oberstleutnant (1806-15)«, bearbeitet von Leszczynski (Berl. 1888). Ch. Auriols »Défense
de Dantzig en 1813« (Par. 1888) enthält das Tagebuch des französischen Ingenieurgenerals v. Campredon, das während der
Belagerung abgefaßt ist, und bietet wesentliche Berichtigungen zu Thiers. Großes Aufsehen haben die »Erinnerungen aus dem
Leben des Generalfeldmarschalls Historische v. Boyen« erregt, die F. Nippold in 3 Bänden (Leipz. 1889-90) herausgegeben
hat; sie reichen bis zur Schlacht bei Leipzig und sind wegen der liberalen Anschauungen des Autors und seines freimütigen, wenn
auch zuweilen einseitigen
¶
Für die Geschichte der einzelnen preußischen Landesteile kommen in Betracht: O. Schwebel, »Geschichte
der Stadt Berlin« (Berl. 1888,2 Bde.),
die von der großen Belesenheit des Verfassers zeugt, aber in der Benutzung der QuellenKritik manchmal noch vermissen läßt.
Band 1 reicht bis 1640, Band 2 bis zur Gegenwart; interessant ist die Erklärung der NamenBerlin als »Tummelplatz
des Federviehes« und Kölln als »Dorf auf Pfählen«, beide aus dem Wendischen. Eine vortreffliche Geschichte von »Potsdam
[* 86] und
Sanssouci« hat der durch seine gründlichen Forschungen in der märkischen Geschichte bekannte G. Sello (Bresl.
1888) verfaßt; er greift auf die alte Erklärung des NamensPotsdam »unter den Eichen« zurück.
Demselben Gelehrten verdankt man auch die Herausgabe von Band 2 der Chroniken der westfälischen und niederrheinischen Städte
(»Chroniken der deutschen Städte«, Bd. 21, Leipz.
1889),
der meist Quellen zur Geschichte der SoesterFehde enthält. K. Menzel hat seine »Geschichte von Nassau«, die Fortsetzung
des vielbändigen Werkes von Schliephake, im 3. Bande (1889), dem 7. des Gesamtwerks, bis zum Regierungsantritt des HerzogsWilhelm (1816) geführt und damit beendigt. Obwohl mehr in das Gebiet der Kunstgeschichte gehörig, verdient
doch auch hier erwähnt zu werden das mit vortrefflichen Abbildungen und Tafeln ausgestattete Werk von Steinbrecht, »Preußen
zur Zeit der Landmeister; Beiträge zur Baukunst
[* 89] des DeutschenRitterordens 1230-1309« (Berl. 1888), worin die jenem Zeitraum
angehörenden Ordensburgen und Kirchen in Preußen besprochen und an künstlerischem Werte über die Bauten
der folgenden Zeit gestellt werden. Aus der historischen Litteratur über die kleinern StaatenDeutschlands erwähnen wir:
B. Erdmannsdörffer, »PolitischeKorrespondenzKarlFriedrichs vonBaden«,
[* 90] deren 1. Band (Heidelb. 1888) die Jahre 1783-92 umfaßt;
darin sind wichtige Aktenstücke über
die Entstehung des Fürstenbundes und BadensStellung zu Frankreich
und andern Mächten mitgeteilt. S. Riezler hat von seiner »Geschichte Bayerns« den 3. Band (Gotha 1889) veröffentlicht, der
den Zeitraum 1347-1508 behandelt.
deren Herausgabe wir A. v. Schloßberger verdanken. Zum Schlusse machen wir noch auf zwei Schriften zur Geschichte der Hansestädte
aufmerksam: M. Hoffmann, »Geschichte der Freien und Hansestadt Lübeck«,
[* 92] deren erste Hälfte (Lübeck 1889) mit Sachkenntnis
deren Geschichte bis zum Schlusse des Mittelalters behandelt;
Österreich. Die in der Heeren-Ukertschen Sammlung seit 1884 erscheinende »Geschichte Österreichs« von
A. Huber ist um einen dritten Band (Gotha 1888) vermehrt worden. Derselbe schildert die Entstehung der modernen Großmacht
Österreich, die nach einer Periode tiefsten Verfalls durch die Vereinigung mit Ungarn
[* 94] und Böhmen (1527) im wesentlichen den
heutigen Umfang erreichte. Der Herzog von Broglie, der aus frühern Schriften als erbitterter Feind Friedrichs
d. Gr. von Preußen bekannt ist, hat wieder einige seiner in der »Revue des DeuxMondes« veröffentlichten Aufsätze zu einem
Buche: »MarieThérèse impératrice« (Par. 1888,2 Bde.),
vereinigt, worin mit gleicher Parteilichkeit ein Zeitraum des österreichischen Erbfolgekriegs (1744-46) geschildert wird;
zu einer recht lesbaren Charakteristik des österreichischen Staatsmannes.
Päpste. Der Abbé O. Delarc liefert in dem Werke »Saint
[* 97] Grégoire VII et la réforme de l'Église au XI. siècle«, wovon Band 1 und 2 (Par.
1889) nur GregorsLeben bis zu seiner Erhebung auf den päpstlichen Stuhl behandeln, eine recht breit angelegte Darstellung über
jene welthistorische
¶