verglichen, sind die
Ausgaben für 1890/91 um 1,052,000 Mk. höher, die
Einnahmen um 553,000 Mk. niedriger veranschlagt. Die
Staatsschuld betrug 69,815,050
Mk. und hat gegen das Vorjahr um 377,900 Mk. abgenommen. Von der für die
Anlage des
Freihafens ausgeworfenen
Summe von 34½ Mill. Mk. waren 25 1/7 Mill. Mk.
verausgabt, und zwar 23 1/7 Mill. Mk. für Bremen,
[* 2] der Rest für Bremerhafen.
Zur Bremsung von Eisenbahnzügen sind in den letzten Jahrzehnten mehrfach elektrische
Bremsen
[* 3] versucht worden.
Gerade der
Gedanke der Verwendung der
Elektrizität
[* 4] zu diesem
Zweck hat etwas sehr Verlockendes, weil sie eine
ungemein schnelle Bewegungsübertragung von der
Lokomotive
[* 5] bis zum letzten
Wagen eines Eisenbahnzuges gestattet. Es ist daher
eine ganze
Reihe von elektrischen
Bremsen entstanden, welche jedoch nirgendwo dauernd und in größerm
Umfang Verwendung gefunden
haben.
Immerhin bieten sie in konstruktiver Hinsicht manches
Interessante. Bei der Achardbremse wird ein runder, stabförmigerElektromagnet
verwendet, der, um seine Längsachse drehbar, parallel zu einer Wagenachse aufgehängt ist. Die ringförmig verstärkt ausgeführten
Pole stehen dabei zwei auf der Wagenachse angebrachten
Scheiben gegenüber.
Soll gebremst werden, so wird ein
elektrischer Strom
durch den
Magneten entsendet; durch den
Magnetismus
[* 6] werden die
Pole gegen die
Scheiben fest angelegt, so
daß sie wie
Reibungsräder wirken, die
Pole von den
Scheiben in Drehung versetzt werden und auf ihre
Achse eine
Kette aufwickeln,
durch welche die Bremse angezogen wird.
Diese Bremse ist natürlich nicht selbstthätig. Ein mit derartiger Bremse ausgerüsteter Zug
ist 4 Jahre lang
zwischen
Tours
[* 7] und Les
Sables d'Or ohne
Störung gelaufen. Die Parkbremse wirkt durch eine
Stange, welche
durch ein auf einer Wagenachse befestigtes Exzenter fortwährend hin und her bewegt wird. An ihrem Ende, gegenüber einem
mit Sperrzähnen versehenen
Rade einer Kettentrommel, ist eine Sperrklinke angebracht, welche jedoch für gewöhnlich ausgerückt
ist und erst in den Bereich des Sperrrades kommt, wenn ein
elektrischer Strom geschlossen wird.
Dann wird das
Rad ruckweise umgedreht und eine zur Bremse führende
Kette auf die
Trommel aufgewickelt und so angezogen. Ein Gegensperrkegel
verhindert die Rückbewegung der
Trommel beim Rückgang des beweglichen Sperrkegels. Wird der elektrische
Strom unterbrochen,
so hört letzterer auf zu wirken, der Gegensperrkegel aber hält die Bremskette gespannt, also die in
Thätigkeit. Um die Bremse zu lüften, muß ein
Strom in einer zweiten Leitung entsendet werden, welcher den Gegensperrkegel aushebt.
Die Bremse arbeitet nur bei geringen Fahrgeschwindigkeiten befriedigend. Bei der Cardbremse nötigt ein
elektrischer Strom zwei
Trommeln zum
Eingriff ineinander; die eine wird von einer Wagenachse aus mittels einer
Kette beständig
in
Umdrehung erhalten, die andre trägt die Bremskette und legt durch ihre
Umdrehung die an. Hier wird also durch den elektrischen
Strom eine Art
Kuppelung
[* 8] eingerückt. In ähnlicher
Weise wirkt die Waldumer Bremse. Bei dieser liegt unter jedemWagen
eine wagerechte
Welle, welche den
Kern eines in einer
Trommel eingeschlossenen
Magneten bildet.
Einerseits trägt die
Trommel ein
Rad, welches durch eine endlose
Kette mit einer als
Trommel für die Bremskette dienenden Hilfswelle
verbunden ist. Anderseits trägt auch die
Welle (der
Kern) des
Elektromagneten ein
Rad, welches auf sie von
einer Wagenachse aus eine beständige Drehung überträgt.
Wird ein
Strom durch den
Elektromagneten gesendet, so wirken seine
Pole auf innerhalb der
Trommel parallel zur
Achse angebrachte, radial verschiebbare Eisenstäbe anziehend, und zufolge der so
hervorgebrachten
Reibung
[* 9] muß die
Trommel an der Drehung des
Elektromagneten teilnehmen und die Bremskette anspannen. Je
stärker der elektrische
Strom ist, desto starker wird auch die
Reibung der Eisenstäbe, somit die Anspannung der
Kette und
die
Wirkung der Bremse werden. Der Stromerzeuger, eine Dynamomaschine, steht auf der
Lokomotive. Bringt man am letzten
Wagen eine
zweite Elektrizitätsquelle an, so wird die Bremse selbstthätig. - Sawiczeski wollteElektromagnete unmittelbar
bremsend auf die
Kränze der
Räder wirken lassen; die
Wirkung war jedoch nur schwach.
Siemens und Boothby brachten unter jedem
Wagen eine Dynamomaschine an, welche mittels
Schraube ohne Ende einen auf der
Achse
der Bremshebel sitzenden Zahnbogen bewegte.
Marcel Deprez ordnete kräftige
Elektromagnete an, deren
Pole eine auf einer
Wagenachse sitzende Kupferscheibe umfaßten. Die
Ströme, welche bei der Bethätigung des
Magneten in der
Scheibe erregt wurden,
sollten sich der Drehung der
Scheibe widersetzen, also bremsend auf die
Achse wirken. Als Hilfskraft wendeten Westinghouse
und
Carpenter die
Elektrizität bei ihren Luftdruckbremsen an,
um an den einzelnen
BremsenVentile zu öffnen,
kamen aber nach der Erprobung der schnell wirkenden Funktionsventile (s.
Band
[* 10] 17, S. 167) wieder davon ab.
Nach neuern Forschungen ist der Erfinder der gummierten Postfreimarke der Buchhändler
JohnChalmers aus
Dundee
[* 13] (gest. 1853), welcher den in allen Einzelheiten ausgearbeiteten
Vorschlag unter Beifügung von Probestücken
gummierter
Freimarken dem britischen Schatzamt vorlegte. Der
Vorschlag gelangte im
November 1837 zur Kenntnis des mit der
Prüfung
der Rowland Hillschen Postreformvorschläge beauftragten
Ausschusses aus dem
Hause derGemeinen und wurde 1840 ausgeführt.
Die Durchlochung der Briefmarkenbogen zur bequemern Abtrennung einzelner
Stücke ist 1852 von dem
EngländerArcher erfunden
worden, welcher dafür eine Belohnung von 4000 Pfd. Sterl. erhielt.
In der ganzen
Welt sind zur Zeit etwa 13,000 verschiedene
Postwertzeichen verausgabt. Die amtliche Sammlung
des Reichs-Postmuseums enthielt im
Oktober 1890: 11,600
Stück. Das 50jährige
Jubiläum der Briefmarke ist 1890 durch drei
Ausstellungen:
in
Wien,
[* 14]
Magdeburg
[* 15] und
London,
[* 16] gefeiert worden, von denen die letztere besonders großartig war. Seit 1889 hat auch
Berlin
[* 17] eine
Briefmarkenbörse. - 1889/90 betrugen die Herstellungskosten der in derReichsdruckerei für die deutsche
Reichspost angefertigten
Postwertzeichen 1,905,535 Mk. Zur Zeit liefert das
Institut täglich 1,500,000
Stück Zehnpfennigmarken.
- Zur Litteratur: Krause, Lehrbuch der
Philatelie (Leipz. 1889);
Lietzow, Handbuch der Filatelie (2. Aufl., Berl. 1888 ff.);
Rothschild,
Histoire de la poste et du timbre-poste (4. Aufl., Par. 1878);
Von der Ansicht ausgehend, daß für belagerte Festungen, denen aller Verkehr mit der Außenwelt abgeschnitten, die Taubenpost
insofern von höchster Bedeutung werden kann, als noch durch Brieftauben Nachrichten in die Festungen gelangen könnten, welche unter
Umständen auf den Fortgang der Belagerung und die allgemeine Kriegslage von größtem Einfluß sein
würden, wenn die Zuverlässigkeit dieses Verkehrsmittels in dauernder Friedensorganisation Gewähr finde, wurde Deutschland
[* 23] der erste Staat, welcher das Brieftaubenwesen in seine Heereseinrichtungen aufnahm. Da die Taube für den Flug in einer bestimmten
Richtung dressiert wird, so muß man für eine solche so viel Tauben
[* 24] bereit halten, daß sie, kurz vor
Beginn einer Belagerung vom Heimatsschlag nach dem andern Endort der Fluglinie geschafft, für die mutmaßliche Dauer der
Belagerung den Nachrichtendienst versehen können. Man rechnet für eine Linie gewöhnlich 200-250 Tauben und muß dann für
jede Linie, auf welcher man Verkehr unterhalten will, diese Zahl Tauben bereit halten, so daß für vier
Linien ein Taubenschlag von 1000 Köpfen erforderlich ist. Sind alle Tauben in ihren Heimatsschlag zurückgekehrt, so bleibt
nur übrig, dieselben für weitern Verkehr mittels Luftballons wieder hinauszuschaffen.
Vor einigen Jahren gelang es dem Leiter des Militärbrieftaubenwesens in Italien,
[* 25] Kapitän Malagoli, für
die LinieRom-Civitavecchia, 65 km Luftlinie, Tauben für den Hin- und Rückflug abzurichten. Er ließ die Tauben in Rom
[* 26] sich
paaren, wo demnach ihr Heimatsschlag war, fütterte sie aber nur in Civitavecchia, von wo sie, nach der Fütterung frei gelassen,
nach Rom zurückkehrten. Da sie hier nichts zu fressen bekamen, flogen sie bald von selbst nach Civitavecchia
und gewöhnten sich bald an diesen regelmäßigen Hin- und Herflug. A. J. Bronkhorstjun. in Haarlem
[* 27] hat durch diese Fütterungsweise
bereits 1878 zwischen Haarlem und Leiden,
[* 28] etwa 27 km, und später zwischen Haarlem und Utrecht,
[* 29] etwa 46 km, einen regelmäßigen
Verkehr durch Hin- und Herfliegen unterhalten; 1889 haben acht Tauben diesen Weg in 2,5 Monaten 421mal hin
und zurück gemacht, wozu im Durchschnitt 2,5 Stunden erforderlich waren; die Tauben flogen auch bei Sturm, Schnee,
[* 30] Nebel und Regen.
Hoerter hat den Hin- und Rückflug zwischen Hildesheim
[* 31] und Hannover,
[* 32] 28 km, vom Juni 1888 bis täglich
bei jedem Wetter
[* 33] unterhalten. Auch die deutschen Militärbrieftaubenstationen haben diese Flugweise schon mit Erfolg gefördert,
welche, wenn sie auch auf größere Entfernungen gelingt und sich dauernd bewährt, eine wesentliche Umgestaltung des Brieftaubenwesens
herbeiführen wird.
Wie man allgemein annimmt, ist es die Heimatsliebe, welche die Tauben nach ihrem Heimatsschlag zurücktreibt,
wie es aber kommt, daß die Tauben, diesem Drange folgend, den Heimatsschlag oft aus sehr großer Entfernung (bis 1600 km)
wiederfinden, das ist noch nicht genügend aufgeklärt. Schneider glaubt durch Versuche, die er bei Pößneck angestellt, nachgewiesen
zu haben, daß der Orientierungssinn, das Zurechtfinden mittels des Auges, die Tauben leitet, doch fehlen
hierfür die Beweise bei
Flügen von Rom oder Madrid
[* 34] nach Köln und Belgien, oder von Königsberg
[* 35] i. Pr. nach Elberfeld
[* 36] (980 km).
Die Annahme, daß Tauben nicht fähig seien, hohe Berge und weite Meeresflächen zu überfliegen, und daß Kälte, Schnee, Regen
etc. ihnen den Orientierungssinn rauben, ist durch Flugversuche als irrtümlich erwiesen. In Italien werden
die Tauben für den Verkehr zwischen den Sperrforts in den Alpen
[* 37] schon seit Jahren dressiert, dabei ist beobachtet worden, daß
sich dieselben mit großer Sicherheit über die zwischenliegenden hohen Berge hinwegfinden, z. B. vom Thal
[* 38] der Dora Riparia
in das des Chisone oder der Stura und umgekehrt, wobei sie häufig den in diesen Thälern wehenden heftigen
Stürmen mutig und mit Erfolg trotzen.
Auch zwischen dem 67 km in See vor Tönning liegenden Feuerschiff und Tönning besteht seit Jahren Taubenpostverbindung,
im Oktober 1883 konnte das Feuerschiff, welches, von einem Orkan losgerissen, abtrieb, dadurch gerettet werden, daß vier losgelassene
Tauben in 58 Minuten die Nachricht nach Tönning überbrachten. In Italien haben Flugversuche bei Temperaturen bis zu -14,6°
keinen Unterschied in der Flugsicherheit gegen höhere Temperaturen erkennen lassen. In Frankreich hat
man mit günstigem Erfolg Taubenschläge auf Kriegsschiffe gesetzt, in welchen sich die Tauben bald vollkommen heimisch machten
und sich selbst an den Geschützdonner gewöhnten, so daß sie während des Schießens ihren Schlag auf Deck aufsuchten.
Man erwartet deshalb Nutzen von der Taubenpost nicht nur im Verkehr der Handelsschiffe auf See, sondern auch
in der Kriegsmarine selbst während des Gefechts, sowohl für den Verkehr von Schiffen nach dem Lande als von hier nach Schiffen
in See und zwischen Schiffen eines Geschwaders, die wegen großer Entfernung durch Signale sich nicht mehr verständigen
können. In Italien sind 1888 bei einer großen Belagerungsübung vor Verona
[* 41] von hier nach Rom (415 km), Ancona
[* 42] (285 km), Alessandria
(200 km), Piacenza (115 km), Bologna (109 km) Brieftauben mit Erfolg verwendet worden. Es wurden Fluggeschwindigkeiten bis zu 95 km
in der Stunde beobachtet, die Durchschnittsgeschwindigkeit betrug 55 km; sie hängt von vielen Umständen
ab, kann aber zu 1 km in in der Minute im allgemeinen angenommen werden.
Von 271 bei diesen Übungen aufgelassenen Tauben gingen nur 23 verloren, verhältnismäßig die wenigsten auf den größten
Entfernungen, man schreibt das Verlorengehen deshalb weniger dem Verfliegen, als vorwiegend lokalen und zufälligen
Ursachen, namentlich dem Abfangen durch Raubvögel
[* 43] zu. Ob das Bestreichen der Tauben mit stark riechenden Ölen oder das Anbinden
einer leichten Bambuspfeife an die Steuerfedern die Raubvögel abschrecken wird, darüber fehlt es noch an hinreichenden Erfahrungen.
Das Abschießen durch den Feind ist weniger zu befürchten, da die Tauben in der Regel nicht unter 150 m
Höhe fliegen, noch weniger Erfolg verspricht das Abfangen durch gezüchtete Falken, das in Rußland umfangreich versucht wurde.
Die Belastung der Tauben mit Depeschen kann bis zu 1 g hinaufgehen. Für die
¶
mehr
Herstellung der photomikroskopischen Depeschen hat sich am besten weißes Hautpapier (Pellure) in 8 oder 16facher Verkleinerung
unter Anwendung von Eisensalzen statt Silbersalzen, in Rücksicht auf die Feinheit und Durchsichtigkeit des Papiers am besten
bewährt. Die Depesche wird, in eine Federpose eingeschlossen, an einer Schwanzfeder festgebunden.
Durch Dekret vom ist das Brieftaubenwesen dem Generalstab unterstellt. Ein Dekret vom regelt die Teilnahme
an den vom Staate veranstalteten Wettflügen der Tauben. An denselben dürfen nur solche Taubenbesitzer
teilnehmen, welche einen eignen Taubenschlag besitzen, in demselben mindestens 10 Paar Brieftauben unterhalten und Mitglieder eines
behördlich bestätigten Brieftaubenvereins sind. Es bestehen in Frankreich jetzt etwa 80 Privattaubenvereine.
Vgl. Hörter, Handbuch über die Behandlung und Zucht der Brieftauben (Hamb. 1890);
Bungartz, Modellbrieftaubenalbum (Leipz. 1888);
Derselbe, Der Brieftaubensport.
Taschenbuch für Brieftaubenzüchter (das. 1888);
Malagoli, Il colombo
viaggiatore (Rom 1887) und Colombaie militari (das. 1888-89), beides Sonderdrucke aus der »Rivista
militare italiana«; Richou, La poste par pigeons (Par. 1888);
Übersetzung aus
Malagoli (Berl. 1889); Roeder, Die Brieftaube und die Art ihrer Verwendung zum Nachrichtendienst (Heidelb. 1890); Rosoor,
La colombophilie (Jahrbuch, Tourcoing 1891).
im Landpostbestelldienst wurden 1881 zunächst in beschränkter Zahl versuchsweise mit Fuhrwerk ausgerüstet,
damit wochentäglich zweimalige und sonntäglich einmalige Bestellungen wenigstens nach den verkehrsreichern Landorten ausgeführt
werden konnten. Die Wagen der fahrenden Landbriefträger sind zweiräderig oder vierräderig, in der Regel aber einspännig
und werden von der Postverwaltung hergegeben und unterhalten, wogegen die Beschaffung und Unterhaltung
der Pferde
[* 77] und Geschirre den Landbriefträgern gegen feste Vergütung übertragen ist.
Die zweiräderigen Wagen gewähren einer zweiten, die vierräderigen noch zwei weitern PersonenRaum zur Mitfahrt. Das Personengeld
verbleibt dem Landbriefträger, darf aber nur nach den behördlich genehmigten festen Sätzen erhoben
werden. Die Einrichtung der fahrenden Landbriefträger bewährte sich derart, daß sie zu einer dauernden gemacht wurde.
Ihre hauptsächlichsten Vorteile sind: Beschleunigung des Bestellungs- und Beförderungsdienstes;
Schaffung billiger Reisegelegenheiten für die Landbewohner;
Erleichterungen
des Paketverkehrs nach und von dem Lande;
Schutz der Ladung gegen Witterungseinflüsse, endlich erhöhte
Sicherheit. Im J. 1890 waren 2000 fahrende Landbriefträger vorhanden.
Die Gesamtzahl der bei den Landpostfahrten gegen Bezahlung
beförderten Personen berechnet sich auf jährlich 215,000, die daraus erwachsende Gesamteinnahme an Personengeld auf jährl.
rund 100,000 Mk. Die Gesamtzahl aller für Landbewohner eingegangenen Postsendungen im J. 1889 betrug
rund 340 Mill., von denen 300 Mill. den Empfängern bestellgeldfrei zugeführt wurden. An der Bestellung waren die fahrenden
Landbriefträger mit 70 Mill. Stück beteiligt.
Ludwig, Mediziner, geb. zu Glatz,
[* 78] studierte in Breslau und Straßburg, wurde 1876 Assistent an der medizinischen
Klinik zu Bern,
[* 79] 1879 zu Berlin, habilitierte sich 1881 an der Universität in Berlin und wurde 1887 zum außerordentlichen
Professor ernannt. hat sich besonders um die medizinische Chemie verdient gemacht. Er studierte namentlich die Stoffwechselprodukte
der Bakterien und bewies, daß letztere namentlich durch die basischen und
¶
mehr
eiweißähnlichen giftigen Substanzen, welche sie selbst erzeugen, die Toxine und Toxalbumine, ihre schädlichen Wirkungen
entfalten. Brieger schrieb: »Über Ptomaïne« (Berl. 1885-86,3 Bde.).
Willem Gerard, niederländ. Historiker, geb. zu Leiden, wo er studierte, wirkte
als Gymnasiallehrer in seiner Vaterstadt und in Zütphen und wurde 1859 Professor in der philosophischen Fakultät an der UniversitätUtrecht. Als niederländischer Grammatiker (»Nederlandsche spraakleer«, 3. Aufl.,
Leid. 1864, u. a.) und Litterarhistoriker steht er in hohem Ansehen, nicht minder verdient
machte er sich um die niederländische Geschichtsforschung, besonders durch seine Untersuchungen über
die Zeit der holländischen Grafen. In der mit O. v. Rees und v. Vloten besorgten Fortsetzung von Arends »Geschiedenis des vaderlands«
bearbeitete er die Zeit bis zum WestfälischenFrieden. Auch veröffentlichte er neben zahlreichen Reden und andern Vorträgen:
»Voorlezingen over de geschiedenis der Nederlanden«
(Leiden 1863-80,3 Bde.).
Benedetto, ital. Ingenieur, geb. 1833 zu Turin,
[* 81] studierte aus der dortigen Universität, trat in das Geniekorps der
Marine ein und wurde nach größern Reisen im Ausland erst zum Direktor der Werft von Livorno,
[* 82] später zum Abteilungschef im Marineministerium
ernannt. Zum Generalinspektor des Marine-Ingenieurkorps aufgerückt, ist er es, der die Pläne der neuen
großen italienischen Kriegsschiffe Duilio und Dandolo entworfen hat. 1876 übernahm er unter Depretis das Marineministerium
und wurde für Livorno in die Deputiertenkammer gewählt, wo er später Turin vertrat. Im März 1878 trat er vom Ministerium
zurück, übernahm dasselbe abermals auf kurze Zeit unter Cairoli im Oktober 1878 und zum drittenmal unter
Depretis im Frühjahr 1884. Mit Brin, der die Leitung der italienischen Marine auch unter Crispi behalten hat, errang die mehr
technische, hauptsächlich auf die Hebung
[* 83] des Schiffsmaterials gewandte Richtung die Oberhand über die mehr militärisch-seemännische;
seine Verwaltung ist deshalb auch Gegenstand heftiger Angriffe geworden.
Bedeutender als seine medizinischen Arbeiten sind aber seine Forschungen auf dem Gebiet der Ethnologie Amerikas, mit welcher
er sich schon als Student (namentlich auf einer Reise durch Florida 1856-57) eingehend beschäftigt hatte. 1884 wurde er zum
Professor der Ethnologie und Archäologie an der Academy of natural sciences in Philadelphia ernannt, 1886 Vizepräsident
der American association for the advancement of science und Vorsitzender der anthropologischen Sektion dieser Gesellschaft. 1885 hatte
ihm,
als dem ersten Amerikaner, die PariserSociété américaine de France ihre Medaille verliehen.
Ein besonderes Verdienst erwarb sich Brinton durch Gründung einer Verlagsanstalt, welche sich unter seiner
Leitung ausschließlich der Drucklegung und Herausgabe von Originalwerken zum Studium der Sprachen und Kulturen der eingebornen
RassenAmerikas widmet. Außer diesen und zahlreichen Arbeiten in Zeitschriften veröffentlichte er: »The FloridianPeninsula:
its literary history, Indian tribes and antiquities« (1859);
ist durch das deutsch-englische Abkommen vom beträchtlich erweitert worden.
Die Südgrenze geht vom Nordufer der Mündung des Umbaflusses zum Jipesee, durchschneidet die Landschaften Taveta und Dschagga
und führt am nördlichen Abhang des Kilima Ndscharo entlang, sodann in gerader Linie zum Victoria Nyanza,
[* 87] den sie unter 1°
südl. Br. erreicht. Sie durchschneidet den See und führt auf dem Westufer zur Grenze des Congostaats, wobei
jedoch der Mfumbiroberg den Engländern zufällt.
Die Nordgrenze beginnt an der Mündung des Jubaflusses, dessen nördlichem Ufer sie folgt. Weiter aufwärts ist sie nur allgemein
bestimmt, indem sie das britische Gebiet von den unter italienischem Einfluß stehenden Ländern in Abessinien bis zu den Grenzen
[* 88] Ägyptens trennen soll. Als Westgrenze ist die westliche Wasserscheide des Nils angenommen. Deutschland verzichtet
auf sein Schutzrecht über das Sultanat Witu, und Großbritannien
[* 89] erkennt die Souveränität des dortigen Sultans über das
Gebiet zwischen Kipini (am Osi) und der Insel Kweihu an. Letztere Bestimmung hat, wie vorauszusehen war, das Vordringen der
Engländer nicht lange aufhalten können.
Nach dem Tode des Sultans Fumo Bakari von Witu begab sich der englische Generalkonsul in Sansibar
[* 90] dorthin und schloß einen Vertrag
ab, wodurch das Witugebiet unter englische Verwaltung tritt (vgl. Witugebiet). Die Südgrenze des britischen Gebiets weicht
bis zum Victoria Nyanza wenig von der früher vereinbarten ab, nur jenseit des Sees ist sie bis zum Congostaat
weitergeführt, und die wichtigen LandschaftenUganda und Unjoro sind den Engländern zugefallen. Im Prinzip ist ihnen das Nilgebiet
bis zu den GrenzenÄgyptens überlassen, was für die Zukunft von unberechenbarer Bedeutung werden kann.
Hirnwindung. Der französische Anthropolog PaulBroca hat zuerst festgestellt, daß in der
dritten (untern) Windung des Stirnlappens des Großhirns (Brocasche Windung) die als Mechanismus der Sprachbildung wirkenden
Nervenzentren enthalten sind. Krankheitsprozesse dieses Hirnteils erzeugen Sprachlosigkeit (Aphasie); bei den Anthropoiden
ist die dritte Stirnwindung nur angedeutet, bei allen übrigen Tieren fehlt dieselbe gänzlich. An dem Gehirn
[* 91] von durch
Rednertalent ausgezeichneten Personen hat Rüdinger eine bedeutende Entwickelung der Brocaschen Windung konstatiert. Entsprechend
dem Vorwiegen der Thätigkeit der linken Großhirnhälfte über diejenige der rechten, wie solche bei den meisten Menschen
durch den vorzugsweisen Gebrauch der rechten Hand
[* 92] sich äußert, soll bei den meisten Menschen die linksseitige dritte Stirnwindung
eine
¶
mehr
bedeutendere Ausbildung erlangen als die rechtsseitige.
Vgl. Rüdinger, Beitrag zur Anatomie des Sprachzentrums (Stuttg. 1882).
Moritz, deutscher Geschichtschreiber, geb. zu Prag,
[* 97] studierte daselbst und in Wien, wirkte sodann als
Journalist, widmete sich seit 1873 geschichtlichen Studien in Venedig,
[* 98] wo er seitdem lebt. Er schrieb: »PapstJulius II. und
die Gründung des Kirchenstaats« (Gotha
[* 99] 1878);
»Geschichte des Kirchenstaats« (das. 1880-82,2 Bde.);
[* 103] zerlegbare. Um dauerhafte, ohne Hilfe geschulter Handwerker und besonderer Hebezeuge aufstellbare Überbrückungen,
wie sie in überseeischen unkultivierten Ländern erforderlich werden, oder um Notbrücken für Bau- und Kriegszwecke zu schaffen,
welche leicht wieder ab- und an andrer Stelle aufgeschlagen werden können, hat Eiffel zerlegbare Brücken aus Stahl konstruiert,
welche sich zur Überführung von Fußwegen, Straßen und Eisenbahnen von 0,4-1,5 m Geleisweite eignen und je nach der
Spannweite und Belastung verschieden angeordnet werden. Die Hauptträger dieser Brücken werden aus dreieckigen End- und Mittelgliedern
[* 93]
(Fig. 1) zu zwei- oder vierteiligem Fachwerk
[* 104] (Fig. 2 u. 3) mit einer oder zwei Wandungen
durch eigne Bolzen
[* 93]
(Fig. 4) zusammengesetzt, welche zur Erleichterung des Einführens einen vor dem Gewinde
kegelförmig abgedrehten Schaft und eine behufs gleichmäßig festen Anliegens an den Eisenteilen so ausgebohrte Mutter erhalten,
daß eine genaue Führung durch den Schaft bewirkt und eine Anwendung besonderer Unterlagplatten vermieden wird.
Die hinterindischen Wegbrücken besitzen 3 m Breite
[* 105] und durchweg zweiteiliges Fachwerk bei einwandiger
Trägeranordnung, während ihre Spannweiten von 3 zu 3 m bis zu 27 m wachsen. Bis 21 m Spannweite beträgt die Trägerhöhe
1,56 m, während sie bei größern Spannweiten um 0,5 m vermehrt wird. Die Querträger derselben liegen auf besonders ausgesparten
Lagerflächen der Knotenbleche des Untergurts und stehen zwecks Verstrebung der Hauptträger an beiden
Seiten etwas vor, während die Fahrbahnträger zwischen je zwei an die Querträger genietete Winkellappen, um anBolzen zu
sparen, nur eingeschoben werden.
Bei den Brücken vollspuriger Eisenbahnen erhalten die Träger
[* 106] bereits von 15 m ab doppelte Wände und werden
für Spannweiten bis 45 m und 5,9 m Trägerhöhe mit unten oder oben liegender Brückenbahn hergestellt. Die Aufstellung der
Brücken erfolgt entweder mit Hilfe leichter, unter der ganzen Brückenöffnung zu errichtender Baugerüste, oder durch Überschieben.
Anwendungen solcher Brücken sind in Frankreich, Portugal,
[* 107] Italien und Österreich gemacht worden, wobei sich
dieselben bewährt haben.
Ludwig, Bildhauer, geb. zu Lutheran bei Lübz in Mecklenburg-Schwerin, erlernte seit
seinem 17. Jahr das Tischlerhandwerk und begab sich als Geselle auf die Wanderschaft. 1866 kam er nach Berlin, wo er in die
Modellierklasse der Bauakademie trat und bald in seinem Landsmann Fr. Eggers einen teilnehmenden Förderer fand, mit dessen
Hilfe er sich von 1867 bis 1869 auf der Kunstakademie und im AtelierSiemerings weiterbilden konnte. Auf
Eggers' Veranlassung gewährte ihm der FeldmarschallGrafMoltke 1871 eine Sitzung zu einer Porträtbüste (für KaiserWilhelm
I. in Bronze
[* 109] gegossen), und daraus erwuchs ihm 1873 der Auftrag zu dem Moltke-Denkmal für Parchim, einer 2,80 m hohen Bronzestatue,
die 1875 vollendet wurde.
In denJahren 1871-76 entstanden außer einigen Porträtbüsten die Gruppen: der Liebesbote und erfüllter
Traum, ein Pegasus für das Stadttheater in Frankfurt
[* 110] a. M., die Reliefs: Brant von Korinth
[* 111] nach Goethe und Familienglück. Nachdem
er 1876-77 eine Studienreise nach Italien gemacht, widmete er sich in den nächsten Jahren bis 1880 vorzugsweise dekorativen
Arbeiten für öffentliche und Privatgebäude, von denen die liegenden Figuren des Tages und der Nacht an der
Fassade des AnhalterBahnhofs (in Kupferniederschlag) und neun Thonreliefs mit Darstellungen gewerblicher Thätigkeit für die
Fensterbrüstungen des Kunstgewerbemuseums in Berlin die hervorragendsten sind.
ChristianWalther, dän. Schriftsteller und
Bibliograph, geb.
1831, bestand 1857 das philologische Amtsexamen und wurde 1863 zum Oberbibliothekar an der königlichen
Bibliothek, gelegentlich des Universitätsjubelfestes 1879 zum Doktor der Philosophie ernannt. Seine hauptsächlichsten Arbeiten
sind: »Frederik Rostgaard« (1870-71,2 Bde.);
Er lieferte auch mehrere bedeutende bibliographische Arbeiten (»Bibliotheca danica, 1482-1830«, Kopenh. 1872 ff.)
und war Mitherausgeber der »Dänischen Sammlungen für Personalgeschichte, Litteraturgeschichte und Topographie« (1865-79),
für die er viele Beiträge verschiedenen Inhalts lieferte. Auch hat er Holbergs »Episteln« mit Kommentar herausgegeben (1865-75).
Karl Debrois van, Musikschriftsteller, geb. zu Brünn
[* 115] aus einer ursprünglich
niederländischen Familie, kam schon als Kind mit seinen Eltern nach Wien, wo er zunächst die Rechte studierte, sich aber bald
ganz der Kunst und Litteratur widmete und eine rege schriftstellerische Thätigkeit für Musikzeitschriften entwickelte. Er
trieb dabei theoretische Studien unter Rufinatscha und gab bis 1862 gegen 30 Werke heraus, meist Lieder
und Klaviersachen und eine Bearbeitung der Bachschen Soloviolinsonaten für Klavier allein. Die folgenden Jahre richtete er
seine Studien auf Philosophie und Naturwissenschaften, bis er mit zwei Arbeiten von hohem ästhetischen Werte: »Technische und
ästhetische Analyse des wohltemperierten Klaviers« (Leipz. 1868,2. Aufl.
1889) und einer kritischen Monographie über R. Schumann (in Kolatscheks »Stimmen der Zeit«, 1868),
das
musikalische Gebiet wieder betrat und sich seit dieser Zeit auch wieder der Komposition zuwandte. In die Öffentlichkeit drangen
allerdings nur noch einige Klaviersachen und ein Vortrag: »Die Entwickelung der Klaviermusik von Bach bis Schumann« (Leipz. 1880),
während zahlreiche andre, besonders größere Chorkompositionen noch der Veröffentlichung harren. Bruyck lebt
zu Waidhofen an der Ybbs.
HeinrichGustav, pädagog. Universitätslehrer und Schriftsteller, geb. zu Königsberg i. Pr., studierte
dort namentlich unter Herbart und ließ sich 1830 als Privatdozent an der UniversitätLeipzig
[* 118] nieder. 1831 nach Jena
[* 119] übergesiedelt,
übernahm er dort die Gräfesche Privatanstalt für Knaben und bekleidete zugleich seit 1835 die damals
eben errichtete Professur für Pädagogik bis zu seinem TodeSein Hauptwerk, das in der Herbartschen Pädagogik bedeutenden
Einfluß ausgeübt hat: »Notwendigkeit pädagogischer Seminare auf der Universität und ihre zweckmäßige Einrichtung« (Leipz.
1836),
gab W. Rein neu heraus (das. 1887). Brzoska begründete die Zeitschrift »Zentralbibliothek der
¶