mehr
übernahm er 1888 im Ministerium Freycinet selbst dies Portefeuille. Baïhaut ist ein eifriger Schutzzöllner.
Seite 18.97 Jahres-Supplement 1890-1891
übernahm er 1888 im Ministerium Freycinet selbst dies Portefeuille. Baïhaut ist ein eifriger Schutzzöllner.
auf der niedrigsten Stufe organischen Lebens stehende Gebilde, welche nach Gestalt, Wachstum und Fortpflanzung zum Pflanzenreich zu zählen sind. Das einzelne Individuum repräsentiert den Wert einer (Pflanzen-) Zelle; [* 3] die nächsten, etwas höher organisierten Verwandten der Bakterien sind die Algen. [* 4] Schon Leeuwenhoek (1675) hat im Mundspeichel Bakterien gesehen, Ehrenberg suchte dieselben zu systematisieren und rechnete sie zum Tierreich. Cohn wies in den 50er Jahren die Zugehörigkeit der Bakterien zu den Pflanzen nach und teilte sie in Kugel-, Stäbchen- und Schraubenbakterien.
Ein lebhafter Streit wurde dann jahrelang darüber geführt, ob es wirklich verschiedene konstante Arten von Bakterien gebe, eine Systematik also möglich und berechtigt sei, oder ob nicht vielmehr die Bakterien die Fähigkeit besitzen, sich jeweils den Verhältnissen, unter welchen sie gerade leben, anzupassen und so unter wechselnder Gestalt und mit wechselnden Funktionen aufzutreten. Der Hauptvertreter dieser letztern Richtung war Nägeli. Eine Entscheidung der wichtigen Frage war nicht möglich, solange es nicht gelang, durch ein geeignetes Züchtungsverfahren die ihrer Gestalt nach verschiedenen Formen zu isolieren und dann ihren weitern Entwickelungsgang zu beobachten.
Das geeignete Verfahren einer solchen Trennung der einzelnen Bakterienkeime voneinander und der Züchtung derselben hat R. Koch in der Anwendung der festen Nährböden kennen gelehrt (s. Bakterioskopische Untersuchungen, Bd. 2). Vermittelst dieses Verfahrens ist dann festgestellt worden, daß es eine große Menge verschiedener Bakterienarten gibt, welche allezeit konstant bleiben und sich nach Gestalt, Lebenserscheinungen und Funktion aufs deutlichste voneinander unterscheiden.
Eine Systematik derselben im streng botanischen Sinn läßt sich indessen noch nicht aufstellen und man beschränkt sich zur Zeit noch auf die Unterscheidung, welche schon Cohn gegeben hat, in Kugelbakterien oder Mikrokokken, Stäbchenbakterien oder Bacillen und Schraubenbakterien oder Spirillen (auch Spirochaeten oder Vibrionen genannt). Als den Bakterien nach Form und Lebenseigenschaften sehr nahe verwandt, jedoch nach ihrem Entwickelungsgang von denselben verschieden, wären dann noch die Sproßpilze oder Hefen und die Schimmelpilze zu nennen.
Die Bakterien sind Zellen, welche aus einer Membran und aus Protoplasma bestehen; die Existenz eines Zellkernes wurde bisher in Abrede gestellt, doch haben neueste Untersuchungen (Ernst, Bütschli) es wahrscheinlich gemacht, daß wenigstens bei gewissen Arten dennoch ein Kern vorhanden ist; derselbe würde nach den genannten Forschern den größten Teil des Zellleibes ausfüllen. Die Größe der einzelnen Bakterienarten schwankt etwa zwischen 0,0002 und 0,02 mm; selbst die größern derselben stehen also ziemlich an der Grenze des mikroskopisch noch Sichtbaren.
Eine Anzahl von Bakterien ist mehr oder weniger lebhaft beweglich, ja die Art ihrer Bewegung hat schon an und für sich zuweilen etwas für die betreffende Spezies Charakteristisches. Die Bewegungen werden ausgeführt vermittelst sogen. Geißelfäden, welche sich an den Polen oder entlang den Seiten des Bacillenkörpers befinden. Andre Arten werden stets unbeweglich gesunden, an diesen lassen sich dann auch keine Geißelfäden nachweisen. In früherer Zeit war man der Meinung gewesen, daß das Aufhören der Beweglichkeit gleichbedeutend sei mit dem Tode der Bakterien; jetzt wird das erloschene Leben nur noch aus der erloschenen Vermehrungsfähigkeit geschlossen.
Die Fortpflanzung der Bakterien geschieht in den meisten Fällen durch Zweiteilung der Individuen (daher die Bezeichnung Spaltpilze); die Teilung erfolgt in querer Richtung. Bei manchen Bacillenarten wird jedoch eine echte Fruchtbildung beobachtet: in einer Reihe von Bacillen, welche durch wiederholte Querteilung der Individuen zu einem Faden [* 5] (sogen. Scheinfaden) herangewachsen sind, bilden sich unter geeigneten (Temperatur- und Ernährungs-) Bedingungen runde oder ovale glänzende Körper (Sporen), welche in regelmäßigen Abständen voneinander stehen, in andern Fällen treten ebensolche Körper im Innern der frei liegenden einzelnen Bacillen an einem oder beiden Enden oder in der Mitte derselben auf.
Solche Sporen besitzen eine weit größere Widerstandskraft als die betreffenden Bacillen selbst: zerfallen die letztern, so bleiben die Sporen am Leben;
sie können jahrelang und unter ungünstigsten Verhältnissen ohne äußere Lebensthätigkeit ihre Entwickelungsfähigkeit bewahren.
Sobald sie aber wieder auf günstigere Existenzbedingungen treffen, beginnt in ihnen neues Leben; sie wachsen zu Bacillen aus, welche gänzlich mit denjenigen übereinstimmen, aus welchen sie hervorgegangen sind. Die Sporen ertragen jahrelanges Eintrocknen, tagelange Einwirkung starker Desinfektionsmittel und manche stundenlang selbst ziemlich hohe Hitzegrade, ohne zu Grunde zu gehen. So bereiteten die Sporen der in der Gartenerde vorkommenden Bacillen dem Konservieren von Früchten große Schwierigkeiten, und die Sporen der Milzbrand- und der Tuberkelbacillen machen die Desinfektion [* 6] bei diesen Krankheiten zu einer der schwierigsten Aufgaben der Seuchenprophylaxis.
Eine echte Fruchtbildung (Sporenbildung) findet bekanntlich auch bei den Schimmelpilzen statt; der Hergang ist dort indessen ein etwas andrer als bei den Bakterien. Die Hefen, welche relativ große, rundliche oder ovale Zellen darstellen, vermehren sich durch Sprossung, indem aus einer (großen) Mutterzelle zunächst eine kleinere Tochterzelle und aus dieser noch eine und wohl noch einige weitere Tochterzellen hervorgehen; sind diese zu einer gewissen Größe herangewachsen, so schnüren sie sich voneinander ab, um dann selbst wieder zu Mutterzellen zu werden.
Über den Ursprung der Bakterien bestand durch Jahrzehnte große Meinungsverschiedenheit, indem viele Forscher von der Vorstellung einer Urzeugung nicht ablassen wollten. Man glaubte an die Möglichkeit der Entstehung so niederer Lebewesen unmittelbar aus unorganisierter organischer Materie. Grund zu dieser Annahme gab die Beobachtung, daß in Flüssigkeiten, in welchen z. B. durch Kochen, wie man glaubte, alle organisierten Keime abgetötet waren, dennoch wieder Fäulnis oder Gärung eintrat, auch wenn dieselben vor Luftzutritt völlig geschützt waren.
Man hatte von der Widerstandsfähigkeit mancher solcher Organismen, besonders ihrer Sporen, keine genügende Vorstellung. Wird nach den jetzt geltenden Vorschriften eine Flüssigkeit, wie Milch, Fleischbrühe u. dgl., sterilisiert, so hält sich dieselbe geradezu unendlich lange Zeit: die Urzeugung tritt nicht ein. Nur wenn ein oder einige Keime bei der Abtötung übriggeblieben sind oder der Verschluß gegen das Eindringen von Keimen nicht genügend sicher hergestellt ist, kommt es zur Entwickelung neuer Bakteriengenerationen. Es sind also auch die Bakterien dem Gesetz unterworfen: omne vivum ex vivo. Wie die ersten in die Welt kamen, wissen ¶
wir nicht. Thatsächlich hat man schon in Schliffen aus den Wurzeln fossiler Koniferen [* 8] und in kariösen Zähnen ägyptischer Mumien Bakterien gefunden. Sie müssen auch schon bestanden haben, solange es organisierte lebende Materie überhaupt gegeben hat. Heute wissen wir, daß sich Bakterien auf der ganzen Bodenoberfläche der Erde, in jedem Wasser und in der Luft suspendiert finden, daß sie in allen den Nahrungsmitteln, welche wir in rohem Zustande genießen, in großer Menge lebend vorhanden sind, daß unsre Mundhöhle, [* 9] unser Darmkanal unzählige Bakterien beherbergen, und daß sich auch auf unsrer Körperoberfläche und in unsrer Kleidung stets zahlreiche Bakterien befinden.
Die meisten Bakterienarten sind in ihrem Ernährungsbedürfnis außerordentlich anspruchslos; alle aber bedürfen zu ihrer Weiterentwickelung einen gewissen Wassergehalt des Nährsubstrats und eine gewisse Menge von Eiweiß und Kohlehydraten, doch kann diese für viele Arten äußerst gering sein. So findet selbst im destillierten Wasser eine rasche und lebhafte Vermehrung mancher Bakterien statt. Selbstverständlich steigert sich aber die Bakterienentwickelung nach Zahl und Mannigfaltigkeit der Arten in Eiweiß oder andre organische Stoffe enthaltenden Flüssigkeiten, z. B. in Bouillon, Zuckerlösungen, Aufgüssen von Pflanzen, im Harn und andern normalen oder krankhaften Exkreten.
Außer der Nahrung bedürfen die Bakterien jedoch noch einer gewissen Temperatur, welche für die verschiedenen Bakterien verschieden ist, aber im allgemeinen zwischen 5 und 45° liegt; doch beginnen einige Arten erst zwischen 50 und 70° zu wachsen. Anderseits ist das Aufhören des Wachstums unterhalb 5° nicht gleichbedeutend mit dem Tode der Individuen; man findet vielmehr selbst im Eis, [* 10] ja im Gletschereis, reichliche Bakterienkeime, welche ihre Lebensfähigkeit durch ihre Vermehrung alsbald darthun, wenn man sie in geeignete Temperatur- und Ernährungsverhältnisse bringt.
Gewisse Arten sind indessen in ihrer Entwickelungsfähigkeit an viel engere Temperaturgrenzen gebunden, z. B. die auf das streng parasitische Leben im menschlichen oder tierischen Körper angewiesenen Tuberkel- und Rotzbacillen. Des Luftsauerstoffs bedürfen die meisten Bakterienarten mehr oder weniger (Aeroben), doch gibt es auch solche, welche denselben entbehren können (fakultative Anaeroben), oder welche nur bei Entfernung allen Sauerstoffs gedeihen (obligate Anaeroben). Das Licht [* 11] ist im allgemeinen den Bakterien nicht förderlich; es mehren sich in neuester Zeit die Beobachtungen, welche ergeben, daß manche unter der Einwirkung direkten Sonnenlichts rasch absterben.
So klein der Kreis [* 12] der Lebensvorgänge der Bakterienzelle auch ist, so gewaltige Wirkungen bringen die in ihrer Gesamtheit durch ihre ungeheure Vermehrungsfähigkeit hervor, u. mehrere der wichtigsten Vorgänge im Haushalt der Natur, in der Land- und Hauswirtschaft werden durch Bakterien eingeleitet, gefördert, beendet oder auch durch andre Arten derselben gestört und vernichtet. Auch für unsern Körper haben gewisse, unsern Darm [* 13] bewohnende ohne Zweifel wichtige Funktionen beim Verdauungsprozeß zu übernehmen, anderseits ist die schädliche Wirkung, welche die parasitischen Bakterien als Erreger der gefürchtetsten Infektionskrankheiten ausüben, von größtem Belang für unser Leben Ihren hauptsächlichsten Lebensgewohnheiten und Wirkungen nach trennt man die in Saprophyten (s. d., Bd. 14, S. 318) und Parasiten.
Während die erstern auf beliebigem organischen Nährsubstrat in der Natur vorkommen und mit Leichtigkeit auf solchem gezüchtet werden können, sind die letztern Bewohner des lebenden menschlichen oder tierischen Körpers, auf dessen Kosten sie leben und sich vermehren; die Erscheinungen, unter welchen dies von statten geht, bedingen das Bild der verschiedenen Infektionskrankheiten. Unter den parasitischen Bakterien unterscheidet man noch fakultative und obligatorische Parasiten; die fakultativen können sich auch außerhalb des Tierkörpers vermehren (z. B. die Erreger von Cholera, Typhus, Milzbrand), die obligatorischen sind völlig auf das parasitische Leben in ihrem Wirte angewiesen, und nur durch ganz besondere Kunstgriffe und Methoden gelingt es, einige Arten derselben künstlich zu züchten (z. B. Tuberkelbacillen, Rotzbacillen). Es ist einleuchtend, daß die Vermehrung der saprophytischen Bakterien nicht ohne Rückwirkung auf die zersetzungsfähige Substanz, welche denselben zur Nahrung dient, bleiben kann, denn einmal werden derselben gewisse Stoffe entzogen, wodurch schon eine Spaltung der chemischen Bestandteile des Nährmaterials bedingt wird, und zweitens gehen die Stoffwechselprodukte der Bakterien, die zum Teil zu den Alkaloiden gehören, in das Nährmaterial über und können weitere chemische Verwandlungen und Wechselwirkungen herbeiführen.
Bei der Züchtung der Bakterien wird z. B. die hierzu verwendete Nährgelatine von gewissen Bakterienarten verflüssigt (peptonisiert), von andern nicht, was häufig als willkommenes Unterscheidungsmerkmal benutzt wird. Auf solchen Vorgängen beruhen die verschiedensten, oft überaus komplizierten Vorgänge der Gärung und Fäulnis. Von großer Bedeutung ist für den Verlauf jeder Gärung die spezielle Art der bei derselben zur Entwickelung gelangenden Mikroorganismen, und in der Gärungsindustrie hängt das ganze Gelingen des herzustellenden Nahrungs- oder Genußmittels davon ab, ob die richtigen Arten von Gärungserregern zur Entwickelung kommen. Es ist durch die zahlreichen und gründlichen Untersuchungen der berufensten Forscher, wie Pasteur, Cohn, Brefeld u. a., als erwiesen zu betrachten, daß die Mikroorganismen die alleinige Ursache jeder Gärung sind, und daß der Gärungsvorgang als eine physiologische Leistung der betreffenden Mikroorganismen zu betrachten ist.
Die alkoholischen Gärungen werden durch gewisse Hefearten, die sauern Gärungen (Milchsäure-, Buttersäure-, Essigsäuregärung) durch bestimmte Bakterien hervorgerufen. Schon hieraus ist zu ersehen, wie unberufene Gärungserreger die beabsichtigte alkoholische Gärung (z. B. bei Bier oder Wein) stören und neben ihr eine saure Gärung herbeiführen können. Die Verwendung von Hefereinkulturen ist daher ein Ideal der modernen Brauerei. Aber so einfach, wie diese Sache scheinen mag, ist sie nicht; man hat, besonders bei noch kompliziertern Gärungsvorgängen (Käsebereitung), gefunden, daß in den verschiedenen Stadien der Vergärung nicht bloß eine einzige Art von Hefen oder Bakterien den richtigen Gärungsverlauf hervorruft, sondern daß zwei oder mehrere Arten spezifischer Mikroorganismen entweder gleichzeitig auf das zu vergärende Material einwirken müssen (Symbiose), oder daß eine Art der andern zu folgen hat (Metabiose), wenn die Gärung gelingen, der Käse den gewollten Geschmack und die richtige Reife erhalten soll. Auch die Fäulnis, die Zerlegung stickstoffhaltiger Substanzen, vorzugsweise der Eiweißkörper, wird ausschließlich durch Bakterien hervorgerufen; es bilden sich bei dieser Spaltung der Eiweißkörper durch Bakterien stinkende Gase [* 14] sowie gewisse Alkaloide, über deren wahre Beschaffenheit man erst in jüngster Zeit die wichtigsten Aufschlüsse erhalten hat. Das Ende der durch die Bakterien ¶
bewirkten Fäulnis ist die Umwandlung der organischen Stoffe in unorganische: Ammoniak, salpetrige Säure und Salpetersäure, Vorgänge, welche als Nitration oder als Nitrifikation bezeichnet werden. Sie sind für Landwirtschaft und Hygiene von größter Bedeutung, denn auf ihnen beruht die Fähigkeit des Bodens, immer wieder von neuem faulige organische Substanzen aufzunehmen. Vermittelst der Nitration assimiliert der Boden den ihm gebotenen Dünger; ohne diese nitrierende Wirkung der Bakterien würde der gedüngte Boden ein stinkender Jauchesumpf werden.
Die vorhin erwähnten organischen Basen, Alkaloide, welche bei der durch Bakterien erzeugten Zerlegung organischer Substanzen entstehen und isoliert werden können, die Ptomaine, sind zum Teil harmloser Natur, zum Teil äußerst heftige Gifte und spielen dann eine Hauptrolle bei den meisten Fleisch-, Fisch- und Muschelvergiftungen. Neuestens ist es auch gelungen, aus den Reinkulturen spezifischer pathogener Bakterien die denselben eigentümlichen Ptomaine herzustellen, und damit hat man das eigentliche spezifische Krankheitsgift, durch welches diese Bakterien dem menschlichen Körper so verderblich werden, gewonnen; so erzeugt z. B. das Tetanin aus den Bacillen des Wundstarrkrampfs oder Tetanus Starrkrampf, das Typhotoxin aus Typhusbacillen sowie verschiedene Alkaloide aus den Cholerabacillen [* 16] auf der Darmschleimhaut lebhafte Entzündung.
Die Untersuchungen dieser Stoffe zielen in letzter Linie praktisch darauf ab, durch genaue Kenntnis derselben zunächst auf dem Wege des Laboratoriumversuchs geeignete Gegengifte zu finden. Eine weitere Gruppe von höchst giftigen Stoffwechselprodukten der Bakterien, welche aber ihrer chemischen Natur nach keine Alkaloide, sondern eiweißartige Körper darstellen, wurden von Brieger und Frankel beim Studium der Ptomaine der Diphtheriebacillen entdeckt. Diese Forscher konnten dann auch noch aus den Reinkulturen von Typhus-, Cholera-, Milzbrand-, Wundstarrkrampfbacillen sowie aus dem Erreger der Eiterungen, Staphylococcus pyogenes aureus, ähnliche Stoffe herstellen, welche sie Toxalbumine nannten.
Endlich hat Buchner Untersuchungen veröffentlicht, welche beweisen, daß in gewissen Fällen weniger die Stoffwechselprodukte der krankheitserregenden Bakterien bei den Infektionskrankheiten Fieber und Eiterungen hervorrufen, sondern daß diese Wirkung spezifischen Giftstoffen zuzuschreiben ist, welche die absterbenden oder abgestorbenen Leiber der Bakterienzellen enthalten. Manche Bakterien sind ausgezeichnet durch die Bildung von Farbstoffen, während andre phosphoreszierende Substanzen erzeugen.
Die Lebensdauer der Bakterien ist für die einzelnen Arten verschieden; in den künstlichen Kulturen findet ein fortwährendes Kommen und Gehen von Generationen statt, und in Kulturen von einigen Wochen sind stets viele abgestorbene Individuen vorhanden; anderseits ist die sich auf Jahre erstreckende Lebensfähigkeit der Bacillensporen schon oben hervorgehoben. Aber auch die vegetativen Formen (so genannt im Gegensatz zu den Dauerformen, den Sporen) mancher Bacillen, und zwar gerade vieler pathogenen, zeichnen sich durch große Lebenszähigkeit aus; so ist beobachtet, daß sich Tuberkelbacillen in getrocknetem Auswurf bis 6 Monate, Rotzbacillen 3 Monate, Typhusbacillen 2 Jahre in getrockneten Kulturen lebensfähig erhalten haben.
Abschwächung der Bakterien. Von vielen Bakterien ist bekannt, daß sie unter gewissen Bedingungen ihre hauptsächlichsten Eigenschaften ganz oder teilweise einbüßen, d. h. daß sie in ihren Wirkungen abgeschwächt werden, ohne daß sie in ihrem Aussehen oder in ihren Wachstumserscheinungen dabei eine merkliche Änderung erfahren. Solches ist sowohl bei gärungserregenden als auch bei krankheitserregenden Bakterien beobachtet. Die Einflüsse, welche eine solche Abschwächung herbeizuführen vermögen, sind hauptsächlich Hitze sowie auch chemische Substanzen, welche in höhern Graden, bez. in stärkerer Konzentration oder bei längerer Dauer der Einwirkung das Absterben der betreffenden Bakterien herbeiführen würden, aber bei richtiger Wahl nur eine Schwächung im angedeuteten Sinne verursachen.
Wird bei der experimentellen Prüfung die Temperatur für die Abschwächung nur um wenige Zehntelgrade unrichtig gewählt, so kann dieselbe mißlingen, d. h. die Bakterien werden nicht im beabsichtigten Grade abgeschwächt oder sie sterben ab. Merkwürdigerweise überträgt die künstlich abgeschwächte Kultur ihre Eigenschaften auch auf alle weitern Generationen. So kann man z. B. durch Abschwächung der Milzbrandbakterien, indem man verschiedene Kulturen derselben verschiedenen Hitzegraden in verschieden langer Dauer aussetzt, solche Kulturen erhalten, welche nur noch Mäuse, aber keine Kaninchen, [* 17] nur noch Kaninchen, aber keine Hämmel mehr töten etc. Alle so erhaltenen Kulturen übertragen diesen verminderten Grad der Giftigkeit auch auf die später aus ihnen hervorgehenden Bakterien.
Auf diesen hochwichtigen Thatsachen, deren erste Kenntnis man Pasteur verdankt, beruhen die von demselben eingeführten Schutzimpfungen gegen Hühnercholera, Milzbrand, Rauschbrand, Schweinerotlauf und Hundswut (vgl. auch Immunität, Bd. 17). Bei der letztgenannten Krankheit, deren vielleicht bakterielle Erreger man noch nicht kennt, wird ein etwas andres Verfahren zur Abschwächung eingeschlagen: Stücke des Rückenmarks von mit Tollwut geimpften Kaninchen (man weiß, daß das Rückenmark der geimpften Tiere das Gift enthält) werden durch verschieden langes Trocknen in ihrer Giftigkeit abgeschwächt.
Eine weitere Art der Abschwächung besteht nach Pasteur darin, daß man das betreffende Krankheitsgift auf für diese Krankheit wenig empfängliche Tiere verimpft. Ist dies mehrfach wiederholt worden, so erhält man durch Züchtung mit dem letztgeimpften Tiere eine Kultur von in bestimmtem Grade abgeschwächten Bakterien. Selbstverständlich zeigen Kulturen aus der Reihe dieser geimpften Versuchstiere heraus die verschiedenen Zwischenstufen der Giftigkeit zwischen der zuletzt erhaltenen und derjenigen Kultur, von welcher man ausgegangen war.
Endlich wurde auch eine Abschwächung der infektiösen Eigenschaften mancher pathogener Bakterien beim fortdauernden Weiterzüchten auf den künstlichen Nährstoffen beobachtet; so verlieren Rotzbacillen, wenn sie durch eine Reihe von Generationen auf Agar-Agar gezüchtet sind, ihre Giftigkeit; auch bei andern pathogenen Bakterien ist dies schon beobachtet worden. Die Tuberkelbacillen halten dagegen ihre infektiösen Eigenschaften sehr fest. Nach einer Mitteilung Kochs beim zehnten internationalen medizinischen Kongreß, 1890, haben sich Tuberkelbacillen, welche er seit 9 Jahren im Reagenzglas fortgezüchtet hat, in ihrer Wirkung nur sehr wenig vermindert.
Die schädlich wirkenden Bakterien können unschädlich gemacht werden radikal durch Abtötung, Sterilisierung oder mehr palliativ durch Entwickelungshemmung. Die völlige Abtötung der Bakterien gelingt mit absoluter Sicherheit durch halbstündige Einwirkung von strömendem Wasserdampf von 100°; desgleichen durch genügend langes Kochen; die Dauer ¶
richtet sich nach der Größe und Beschaffenheit des zu kochenden Gegenstandes. Auch halbstündige Einwirkung trockner Hitze von 150° genügt in gewissen Fällen. (Näheres hierüber sowie über die chemischen Desinfektionsmittel vgl. Desinfektion, Bd. 17.) Die Entwickelungshemmung ist zwar ein Notbehelf, welchen wir anwenden, wo die Abtötung nicht ohne Schädigung des zu sterilisierenden Gegenstandes stattfinden könnte, aber dieser Notbehelf leistet in vielen Fällen alles, was man beanspruchen kann.
Entwickelungshemmung wird erzielt durch Kälte oder durch chemische Mittel, welche zwar nicht stark genug sind, die Bakterien zu töten, in deren Gegenwart aber doch die letztern sich nicht zu vermehren im stande sind. Die Entwickelungshemmung durch Kälte benutzt man z. B. beim Konservieren von Nahrungsmitteln; auch Chemikalien werden zum selben Zwecke verwendet (z. B. Zusatz von Salicylsäure zu Früchten, Konserven etc.). Bei Infektionskrankheiten läßt sich eine Abtötung der betreffenden pathogenen Bakterien im Körper nicht erzielen, da die Abtötungsmittel in solcher Stärke [* 19] angewandt werden müßten, wie sie der menschliche Organismus nicht ertragen würde; aber auch die Versuche, mit entwickelungshemmenden Mitteln die Infektionskrankheiten zu bekämpfen, haben lange zu keinen günstigen Resultaten geführt, und in dieser Richtung hat die Bakteriologie den anfänglich in sie gesetzten Hoffnungen bisher noch nicht entsprochen. Erst jüngst hat R. Koch auf dem zehnten internationalen medizinischen Kongreß in Berlin [* 20] die Aussicht eröffnet, daß man der Tuberkulose vermittelst eines solchen entwickelungshemmenden Mittels werde beikommen können, und in seiner Mitteilung vom hat er die Anwendungsweise seines Mittels gegen Tuberkulose bekannt gemacht (vgl. Tuberkulose). In Folgendem geben wir eine Übersicht der wichtigsten Bakterien.
Bacillus prodigiosus ist ausgezeichnet durch die intensiv blutrote Farbe, welche die Kulturen annehmen. Er findet sich zuweilen auf Nahrungsmitteln ein, so aus Brot, [* 21] Kartoffeln, Fleisch, Milch. Die Keime gelangen aus der Luft auf diese Substanzen und wachsen hier, indem sie sich ins Millionenfache vermehren, zu großen, roten Inseln heran. Der Bacillus prodigiosus ist ein Kurzstäbchen, d. h. kaum länger als breit; seine Länge beträgt etwa 0,001 mm. Er läßt sich auf jedem Nährmaterial züchten; das Eintrocknen hält er sehr lange aus.
Eigenbewegung besitzt er nicht. Eigentümlich ist den Kulturen noch ein widerlicher Geruch nach Heringslake. Der Kartoffelbacillus interessiert besonders durch sein konstantes Vorkommen auf den Kartoffeln und durch seine ungewöhnlich große Widerstandsfähigkeit, vermöge welcher er in nicht ganz sorgfältig sterilisierten Kartoffeln angelegte Kulturen überwuchert und zerstört. Es gibt verschiedene Arten dieser Kartoffelbacillen; einer derselben beginnt erst bei 50-70° zu wachsen.
Der Heubacillus findet sich in Luft und Wasser, im Staube, in den obern Bodenschichten und besonders regelmäßig im Heu; schon hieraus geht hervor, daß er im stande sein muß, in getrocknetem Zustande zu leben. Er bildet in der That sehr widerstandsfähige Sporen; die lebhaft beweglichen Stäbchen sind 0,006 mm lang. In der Luft besonders häufig vorkommend und für gewisse Gärungen von Bedeutung sind zu nennen die Sarcinen, Mikrokokken, welche sich durch eigentümliche Art der Zellteilung nach allen Richtungen auszeichnen, so daß immer eine Gruppe von solchen Organismen zusammen ein Bild liefert wie ein geschnürter Warenballen; ferner die Hefen.
Sowohl Sarcinen- als Hefekulturen haben oft intensive, schöne Farbe: gelbe und orangegelbe Sarcine, rosa, schwarze, weiße Hefe. [* 22] Die für die Biergärung wesentlichen Hefen sind einige Saccharomyces-Arten, insbesondere Saccharomyces cerevisiae. Die Brotgärung wird durch Saccharomyces minor vermittelt. Der Milchsäurebacillus, von Hueppe aus Milch isoliert, erzeugt, in keimfrei gemachte Milch gebracht, durch Spaltung des Milchzuckers Milchsäure und Kohlensäure. Er ist jedoch nicht der einzige Organismus, welcher die Milch sauer machen kann. Er bildet kurze, unbewegliche Stäbchen, welche an einem Ende Sporen hervorbringen, zwischen 10 und 45° gedeihen und die Nährgelatine nicht verflüssigen.
Der Buttersäurebacillus (Clostridium butyricum), 0,003-0,01 mm lange, dicke, lebhaft bewegliche Bacillen, welche Sporen bilden. Sie erzeugen große Mengen von Buttersäure und sind streng anaerob. Oidium lactis, ein fast auf jeder Milch vorkommender Fadenpilz, hat auf die Milchgärungen keinen Einfluß. Bacillen der blauen Milch: Zuweilen stellt sich in Milchwirtschaften eine Krankheit der Milch ein, das Blauwerden;
dabei bekommt die Milch, wenn sie beginnt sauer zu werden, auf der Oberfläche große, intensiv blaue Flecke, welche nach wochenlangem Stehen etwas mehr schiefergrau werden.
Diese Erscheinung wird hervorgebracht durch spezifische Bacillen;
dieselben sind 0,0014-0,004 mm lang und 0,0001 mm breit, langsam beweglich;
sie wachsen bei Zimmertemperatur auf Gelatine und Kartoffeln;
Sporenbildung findet nicht statt, dagegen vermögen die vegetativen Bacillen mehr als ein halbes Jahr an der Luft getrocknet lebensfähig zu bleiben;
gegen Hitze sind sie weniger widerstandsfähig, sie werden schon in einer Minute abgetötet durch Erhitzung auf 80°. Bacillus violaceus kommt zuweilen im Trinkwasser vor;
er ist ausgezeichnet durch einen schönen, intensiv dunkelvioletten Farbstoff, welchen die Kulturen bilden;
eine besondere Bedeutung kommt demselben nicht zu;
seine Anwesenheit im Wasser ist ungefährlich.
Unter dem Namen Bacterium termo vereinigte man früher alle lebhaft beweglichen Bacillen, welche man in faulenden Flüssigkeiten fand; jetzt bezeichnet man mit diesem Namen eine der vielen zur Fäulnis in ursachlicher Beziehung stehenden Arten, welche sich durch Hervorbringung grünlicher Verfärbung der faulenden Flüssigkeiten, auch der Gelatine, auszeichnet und letztere verflüssigt. Alle vorstehend genannten Bakterien färben sich leicht mit den in der Mikroskopie gebräuchlichen Anilinfarben.
Schon lange bevor es gelang, die Bakterien durch Züchtung in Reinkulturen dem nähern Studium über ihre Bedeutung zugänglich zu machen, hatte man die Vermutung, daß dieselben zu den Infektionskrankheiten in gewissen Beziehungen stehen. Diese Annahme gewann zuerst Gestalt in der Geburtshilfe durch Semmelweis' Lehre [* 23] von der infektiösen Natur des Kindbettfiebers, sodann in der Chirurgie bezüglich der Wundinfektionskrankheiten. Man sah aber noch lange die Fäulnis der Wund- etc. Sekrete als die eigentliche Ursache der Infektion an, und Listers antiseptische Wundbehandlung, welche den größten Fortschritt in der Chirurgie unsers Jahrhunderts bedeutet, richtete sich gegen die noch mehr geahnten als gekannten Wundinfektionsbakterien. Erst Kochs Untersuchungsmethoden haben Klarheit in die Frage nach dem Vorgang bei der Wundinfektion gebracht, ¶
und es sind mit Hilfe dieser Methoden die einzelnen spezifischen pathogenen Arten aufgefunden worden. Dieselben sind folgende:
Streptococcus erysipelatos, Kettenkokkus des Rotlaufs, der Erzeuger der Wundrose oder des Rotlaufs, von Fehleisen aus rotlaufkranker Haut [* 25] gezüchtet, kleine, runde Zellen, welche sowohl im Gewebe [* 26] als in künstlichen Kulturen sich kettenförmig aneinander lagern. Werden sie in Fleischbrühe gezüchtet, so findet man lange Ketten solcher Kokken, welche unter dem Mikroskop [* 27] sehr zierliche Bilder geben. Die Reinkulturen erzeugen, auf den Menschen übertragen, Rotlauf. Dieser Versuch wurde zu Heilzwecken unternommen, weil man beobachtet hatte, daß zuweilen bösartige Geschwülste zurückgingen, wenn die Patienten sich zufällig einen Rotlauf erworben hatten.
Staphylococcus pyogenes aureus und albus, der gelbe und der weiße eitererregende Traubenkokkus, sind die häufigsten Erreger von Eiterungen und zwar leichtester bis schwerster Art; bei der Blutvergiftung und geschwürigen Herzentzündung (Endocarditis ulcerosa) wie beim Furunkel oder der Entzündung des Nagelgliedes findet man diese Mikrokokken. Die Kulturen sind oft von weißer, oft von schön orangegelber Farbe; ein weiterer Unterschied zwischen beiden besteht nicht. Die Kokken sind noch etwas kleiner als die Erysipelkokken, ordnen sich aber niemals in Ketten, sondern in traubenförmigen Haufen. Der Staphylokokkus widersteht dem Eintrocknen lange Zeit und wird auch durch Kochen erst nach mehreren Minuten getötet.
Streptococcus pyogenes, der eitererregende Kettenkokkus, findet sich gleichfalls häufig in denselben Fällen wie Staphylococcus, oft mit diesem zusammen, oft auch allein; er ist ferner der Erreger der meisten Mit- und Nachkrankheiten, welche bei schweren andern Infektionskrankheiten, z. B. bei Pocken, Scharlach, Diphtherie, Typhus, vorkommen. Von Streptococcus erysipelatos ist er nicht zu unterscheiden, wahrscheinlich sind die beiden identisch und besteht der Unterschied nur in der Wirkung, je nachdem er sich in den Organen ansiedeln kann oder in den oberflächlichen Schichten unsrer Haut. In seiner Widerstandskraft verhält er sich ähnlich wie Staphylococcus. Die genannten Bakterienarten sind überall außerordentlich verbreitet, in der Luft, in unsern Kleidern, in unserm Körper, in unsrer Mundhöhle etc. Überall lauern dieselben, bis eine kleine Hautverletzung u. dgl. ihnen Eingang verschafft. Ihre große Verbreitung hat veranlaßt, daß man fast bis vor 15 Jahren glaubte, die Eiterung sei bei jeder Wunde eine notwendige Reaktion.
Die Tetanusbacillen erzeugen die verderblichste aller Wundinfektionskrankheiten, den Wundstarrkrampf. Diese Bacillen, bez. deren sehr widerstandsfähige Sporen finden sich in jeder Gartenerde. Sie sind streng anaerob; ihre Reinzüchtung macht daher besondere Schwierigkeiten und ist erst vor kurzem gelungen. Sie wachsen auf Gelatine, gut in Wasserstoffgas, aber nicht in Kohlensäure. Meist kommen sie vereinigt mit andern Erdbakterien vor, von welchen sie nur durch wiederholtes stundenlanges Erhitzen auf 80° getrennt werden können. Dies halten die Tetanusbacillen aus, die andern sterben ab. Ihre Form ist eigentümlich stecknadelförmig, da jeder Bacillus an einem Ende eine Spore trägt. Aus diesen Bacillen isolierte Brieger das oben erwähnte giftige Tetanin. Alle genannten Bakterien der Wundinfektionskrankheiten nehmen die Anilinfarben leicht an.
Tuberkelbacillen, von Koch 1881 entdeckt und als Erreger der Tuberkulose nachgewiesen. Schlanke, unbewegliche Stäbchen von 0,0015-0,0035 mm Länge; sie sind von allen andern Bakterien (mit Ausnahme der Leprabacillen) sehr leicht zu unterscheiden dadurch, daß sie sich gegen die zur Untersuchung gebrauchten Anilinfarben anders verhalten: sie nehmen dieselben langsamer auf, halten sie aber fester, und dadurch gelingt es, die Tuberkelbacillen mit einer andern Farbe zu färben als alle sonstigen im Präparat vorhandenen Bakterien;
untersucht man also Lungenauswurf, welcher Bakterien aller Art enthält, so kann man etwa darin enthaltene Tuberkelbacillen durch diese Doppelfärbung leicht erkennen.
Die Tuberkelbacillen sind streng obligatorische Parasiten; ihre künstliche Züchtung gelingt nur auf erstarrtem Blutserum oder auf Agar-Agar (s. Bakterioskopische Untersuchungen, Bd. 2) mit Glycerinzusatz im Brutschrank bei 37,5°. Sie wachsen äußerst langsam; die Kultur braucht zu ihrer vollen Entwickelung 14 Tage. Der Nachweis, daß sie wirklich die Erreger der Tuberkulose sind, wurde dadurch erbracht, daß es gelang, mittels dieser Reinkulturen bei Tieren Tuberkulose zu erzeugen.
Bacillen der Lepra oder des Aussatzes; dieselben haben, wie schon erwähnt, mit den Tuberkelbacillen das eigentümliche Verhalten gegen die Anilinfarben gemein, auch unterscheiden sie sich sonst in ihrem Aussehen gar nicht von denselben, nur sieht man sie in Gewebsschnitten meist innerhalb der Gewebszellen liegen, während die Tuberkelbacillen vorwiegend außerhalb der Zellen gefunden werden. Durch ein andres Färbeverfahren, die sogen. Gramsche Methode, können sie jedoch von den Tuberkelbacillen unterschieden werden. Eine künstliche Züchtung der Leprabacillen ist noch nicht mit Sicherheit geglückt.
Bacillen der Diphtherie, von Löffler entdeckt und als Erreger dieser Krankheit nachgewiesen. Sie bilden Stäbchen von der Länge der Tuberkelbacillen, sind aber etwa doppelt so dick, mit abgerundeten Enden; sie sind unbeweglich und tragen keine Sporen. Sie nehmen die meisten Anilinfarben nur schwer auf, dagegen färben sie sich rasch und intensiv mit alkalischer Methylenblaulösung. Sie wachsen zwar auf (15proz.) Gelatine bei 24°, entarten aber schnell auf diesem Nährboden; sehr üppig gedeihen sie dagegen auf mit Traubenzucker versetztem Rinderblutserum. Löffler fand die Diphtheriebacillen stets in den diphtherischen Auflagerungen.
Bacillen der Lungenentzündung. Es sind hier zwei verschiedene Bakterienarten beobachtet worden, die eine wurde von Friedländer, die andre von A. Fränkel aus dem Auswurf an Lungenentzündung erkrankter Personen isoliert. Die beiden Organismen sind sich ziemlich ähnlich: Kurzstäbchen (daher wurden beide anfänglich für Mikrokokken gehalten), welche meist zu zweien vereinigt in einer Gallerthülle, der sogen. Kapsel, liegen. Der Friedländersche Bacillus gedeiht auf Gelatine bei Zimmertemperatur, der Fränkelsche nur bei Bruttemperatur auf Agar-Agar. Der Bacillus Fränkel hat mehr Wahrscheinlichkeit für sich, der wahre Erreger der Lungenentzündung zu sein; doch ist auch bezüglich des Friedländerschen Mikroorganismus nicht unwahrscheinlich, daß er bei gewissen Formen der Lungenentzündung eine ursachliche Bedeutung besitzt.
Bacillen der asiatischen Cholera, von der deutschen Kommission zur Erforschung der Cholera unter Kochs Leitung 1883 in Indien entdeckt, bilden gekrümmte Stäbchen; sie sind streng genommen keine Bacillen, sondern Spirillen, was an längern Verbänden derselben deutlich wahrzunehmen ist. Die Anilinfarben nehmen sie nicht besonders leicht an, doch ¶
können sie mit alkoholischer Fuchsinlösung schön gefärbt werden. Auf Gelatine wachsen die Cholerabacillen leicht bei Zimmertemperatur; Sporenbildung ist nicht beobachtet, auch sind die Bacillen meist sehr empfindlich und gehen schon beim Eintrocknen rasch zu Grunde. Unter gewissen Bedingungen scheint jedoch ausnahmsweise ein längerer Widerstand beim Eintrocknen vorzukommen.
Bacillen des Darmtyphus. Klebs, Eberth, Koch und Gaffky fanden in der Milz und den Lymphdrüsen von Typhusleichen kurze, plumpe Bacillen in kleinen isolierten Herden beisammenliegend, und Gaffky konnte dieselben in Reinkulturen züchten; man findet diese Bacillen regelmäßig in Typhusleichen vor. Es sind lebhaft bewegliche Stäbchen von 0,002-0,003 mm Länge, welche von den Anilinfarben nur mit besondern Zusätzen bereitete Lösungen leicht aufnehmen. Sie wachsen auf Gelatine leicht, ohne dieselbe zu verflüssigen, bei Zimmertemperatur. Eine Übertragung auf Tiere gelingt nicht, weil Tiere für den menschlichen Darmtyphus überhaupt nicht empfänglich sind. Eine Sporenbildung findet anscheinend nicht statt; doch halten die vegetativen Zellen wenigstens das Eintrocknen sehr lange aus (zwei Jahre sind beobachtet). Gegen Hitze u. Desinfektionsmittel sind die Typhusbacillen ziemlich empfindlich.
Spirillen der Febris recurrens werden regelmäßig bei dieser Krankheit im Blute angetroffen. Die Übertragung derselben durch Überimpfung von Blut auf Affen [* 29] ist Koch und Carter gelungen, dagegen sind alle Versuche, diese Organismen rein zu züchten, um sodann durch Übertragung der Krankheit durch die Kultur die ursachliche Bedeutung der Bacillen zu erweisen, fehlschlagen.
Die Mikrokokken der Gonorrhöe wurden von Neißer regelmäßig im Trippereiter nachgewiesen, von Bumm auf menschlichem Blutserum bei Bruttemperatur gezüchtet, auch Übertragung von der Reinkultur aus mit Erfolg ausgeführt. Es sind große, meistens zu zweien vereinigte und an der Vereinigungsstelle abgeplattete Kokken; ihr Hauptcharakteristikum ist ihre Lage innerhalb der Harnröhrenepithelzellen. Sie färben sich leicht mit allen Anilinfarben, entfärben sich aber wieder bei dem Gramschen Färbeverfahren.
Unter den Infektionskrankheiten der Tiere wurden gleichfalls schon mehrere als durch Bakterien erzeugt nachgewiesen. Die betreffenden Mikroorganismen sind folgende: Milzbrandbacillen. Sie sind die am längsten bekannten und am eingehendsten studierten Mikroorganismen; sie wurden 1849 von Pollender im Blut erkrankter Rinder [* 30] aufgefunden, und 1863 erklärte Davaine dieselben als die Ursache des Milzbrandes. Die Reinzüchtung, Übertragung der Reinkulturen auf Tiere und damit der endgültige Beweis ihrer ursachlichen Bedeutung wurde von R. Koch erbracht.
Die Milzbrandbacillen sind die größten der bekannten pathogenen Bacillen; ihre Form ist stets so gleichmäßig und charakteristisch, daß dieselben schon bei der mikroskopischen Untersuchung allein (ohne Zuhilfenahme der Züchtungsmethoden) sicher erkannt werden können. Die 0,005-0,02 mm langen und 0,001-0,0125 mm breiten Stäbchen sind unbeweglich; sie färben sich sehr leicht und intensiv mit den gebräuchlichen Anilinfarben. Die Bacillen wachsen bei Zimmertemperatur auf Gelatine, indem sie dieselbe verflüssigen.
Bei 20-34° (am besten bei 30°) bildet der Milzbrandbacillus Sporen;
die Stäbchen wachsen zunächst zu langen Fäden aus, innerhalb dieser bilden sich in regelmäßigen Abständen, d. h. stets in der Mitte jedes Einzelgliedes, eirunde glänzende Körper;
sind diese ausgereift, so zerfällt der Bacillenfaden, wodurch die Sporen frei werden;
diese können entweder (wenn die günstigen Ernährungsbedingungen anhalten) sofort wieder zu Bacillen auskeimen, oder sie bleiben liegen und halten sich jahrelang keimungsfähig.
Die Auskeimung der Sporen zu Bacillen kann im tierischen (oder auch im menschlichen) Körper von statten gehen, nicht aber die Entwickelung der Sporen aus den Bacillen. Dieser Vorgang ist an die Anwesenheit reichlichen Sauerstoffs geknüpft. Die Milzbrandsporen sind mit die widerstandsfähigsten, welche man kennt, und nur wenige Desinfektionsmittel sind stark genug, sie zu vernichten.
In der Gestalt den Milzbrandbacillen sehr ähnlich ist eine andre pathogene Art: der Bacillus des malignen Ödems. Die Krankheit ist ziemlich selten, etwa so selten wie der Wundstarrkrampf, mit dessen Bacillen die genannten gemein haben, daß sie sich in jeder Erde, jedem Staub, Schmutz finden, und daß sie nur ohne Sauerstoff leben können. Ihre Sporen kommen an Widerstandsfähigkeit denen des Milzbrandes und des Tetanus gleich.
Die Rotzbacillen, die Erreger der Rotzkrankheit der Pferde, [* 31] wurden von Löffler in den Geweben erkrankter Pferde nachgewiesen und aus diesen durch Reinzüchtung gewonnen; sie sehen den Tuberkelbacillen nach Gestalt und Größe ziemlich ähnlich, sind jedoch ein wenig dicker als diese. Sie sind unbeweglich und lassen sich schwierig färben, am besten mit alkalischem Methylenblau. Sporenbildung ist bei denselben nicht nachgewiesen. Eingetrocknet halten sich die Bacillen aber mehrere Monate lang infektionsfähig. Sie wachsen nur bei Bruttemperatur auf Hammel- oder Rinderblutserum, auch auf Agar-Agar mit Glycerinzusatz und auf Kartoffeln; auf dem letztgenannten Nährboden bilden sie einen sehr charakteristischen bernsteingelben Belag. Löffler konnte mit den Reinkulturen bei Pferden typischen Rotz erzeugen; auch Meerschweinchen und Feldmäuse sind für die Impfung [* 32] empfänglich.
Die Bacillen des Schweinerotlaufs, gleichfalls von Löffler aus der Haut und den Muskeln [* 33] am Rotlauf verendeter Schweine [* 34] gezüchtet und auf Tiere verimpft, von Schütz auf Schweine erfolgreich übertragen, sind die kleinsten pathogenen Bacillen, nur 0,0008 mm lang und etwa 0,0002 mm dick. Ob sie Eigenbewegung besitzen, ist noch nicht sicher entschieden; auch nicht, ob sie Sporen bilden. Sie färben sich leicht und wachsen bei Zimmertemperatur auf Gelatine. Noch eine andre Seuche als der Rotlauf wird bei Schweinen durch Bakterien hervorgerufen, die von Löffler und Schütz so benannte Schweineseuche; sie ist vielleicht identisch mit der Wildseuche, vielleicht auch mit der Schweinediphtherie Dänemarks und Skandinaviens; die amerikanische Schweineseuche (hog cholera) scheint jedoch durch andre Bakterien bedingt zu sein.
Die genannten Seuchen haben zu den teilweise noch bestehenden Schweine-Einfuhrverboten Anlaß gegeben. Die Bakterien der Schweineseuche sind dicke Bacillen mit abgerundeten Enden und einer hellen Lücke im Innern (die helle Lücke ist jedoch nicht als Spore zu deuten). Ihre Länge beträgt 0,001-0,0012 mm, häufig liegen sie zu zweien, manchmal bilden sie auch längere Verbände, kurze sogen. Scheinfaden. Sie sind unbeweglich, wachsen auf Gelatine bei Zimmertemperatur und färben sich leicht mit Anilinfarben. Außer für Schweine wirken sie noch auf viele andre (Versuchs-) Tiergattungen krankheitserregend. Sporenbildung ist nicht nachgewiesen. Die Bakterien der Hühnercholera stimmen in allen wesentlichen Punkten mit den vorigen überein, von denen sie nur mit Mühe zu unterscheiden sind. ¶