* 4)
Rudolf, Astronom, geb. zu
Leipzig,
[* 7] studierte in
Bonn
[* 8] und
Leipzig, war am letztern
Ort 1863-74
Observator an der
Sternwarte,
[* 9] seit 1871 auch
Privatdozent an der
Universität, beteiligte sich 1868 an der deutschen Expedition
nach
Vorderindien zur
Beobachtung der totalen
Sonnenfinsternis,
[* 10] machte als freiwilliger Krankenpfleger 1870/71 den deutsch-französischen
Krieg mit, war aber 1874 genötigt, seine Thätigkeit an der
Sternwarte und der
Universität aufzugeben,
um die väterliche Verlagsbuchhandlung zu übernehmen; doch erbaute er sicht 882 eine kleine Privatsternwarte, auf welcher
er sich in der
Folge hauptsächlich mit Doppelsternmessungen beschäftigte. Er starb Seine selbständigen
Schriften
sind: »Messungen von 90
Doppelsternen am sechsfüßigenRefraktor der
LeipzigerSternwarte« (Leipz. 1864);
»Über die Helligkeitsverhältnisse der Jupiterstrabanten« (das.
1871);
auch gab er
Bessels »Gesammelte Abhandlungen« (das.
1876, 3 Bde.),
habilitierte
sich 1872 als
Privatdozent.
Schon in
Breslau hatte sich Engler mit der
FloraSchlesiens, mit systematischen
Studien über
Saxifragaceen, Escalloniaceen und Eunomaceen beschäftigt, in
München bearbeitete er eine
Reihe von
Familien für die
»Flora
brasiliensis«, lieferte auch mehrere andre systematischeArbeiten, namentlich über die
Araceen sowie Beiträge
zur Kenntnis der Antherenbildung der
Metaspermen, und machte in den
Alpen
[* 17]
Studien über die Pflanzenformationen und ihre Existenzbedingungen. 1878 ging
Engler als
Professor der
Botanik und
Direktor des botanischen
Gartens nach
Kiel,
[* 18] widmete sich hier der
Anlage des neuen botanischen
Gartens, setzte namentlich auch seine pflanzengeographischen und systematischen
Studien fort, bei welchen
er mehr, als bisher üblich war, die anatomischen Verhältnisse berücksichtigte.
[* 25]Litteratur (1884-89). Wenn auch die letzten fünf Jahre keineswegs eine besonders glänzende
Periode in der
Geschichte des englischen Schriftentums umfassen, so war doch die
Teilnahme des
Publikums am litterarischen
Leben immerhin groß. Städtische und Vereinsbibliotheken erheben sich allerwärts; die weitaus meisten gebildeten
Familien
besitzen eine mehr oder minder große Bücherei. Die zahlreichen litterarischen
Gesellschaften halten enge
Verbindung des Privatlebens
mit der Litteratur aufrecht, die
Wochen- und Monatsschriften erfreuen sich einer außerordentlich weitgreifenden
Verbreitung, und in diesen Beziehungen ist ein entschiedener Fortschritt bemerkbar.
Charakteristisch ist auch das Erscheinen und der große Erfolg wohlfeiler Sammlungen alter und neuer Meisterwerke: so
der von
ProfessorHenryMorley herausgegebenen
»National library«,
Cassels
»Red library«,
Scotts »Camelot classics« und
»Canterbury
ports«, Warnes »Chandons classics« und
»Landsdowne poets«. Auch eine
Reihe sorgfältig ausgewählter biographischer
Sammelwerke, die unter Mitwirkung anerkannter Schriftsteller seit
Jahren erscheinen und mit Erfolg fortgeführt werden
(»English
men of letters«,
»Great writers«,
»Great musicians«,
»Foreign writers«, »Eminent women«, »Statesmen«,
»Twelve
English statesmen«, »Englishmen of action«, »Exploreres
and exploration« 2c.) sind hier zu erwähnen.
¶
(Über die mit * bezeichneten Schriftsteller sind die betreffenden Biographien in vorliegendem Band
[* 28] zu vergleichen.)
Der TodRobertBrownings, das hohe AlterLordTennysons erinnern daran, daß sich noch kein junger Nachwuchs zu ihrer Geltung erhoben
hat. Von jenem erschien am Anfang unsers Zeitraums »Tiresias, and other poems«, dem trotz einiger sehr
schöner Stücke, wie des kraftvollen »Despair«, kaum ein Achtungserfolg beschieden
war, später ein Seitenstück und Widerspiel zu seinem jugendlichen »Locksley
hall«. »Sixty years after« (durch JohannFeis trefflich verdeutscht und mit Freiligraths Übersetzung des frühern Gedichts
zusammen abgedruckt),
endlich 1887 eine »Jubilee ode«, wozu ihn seine Stellung als Hofpoet ebensowohl
wie seine warme Verehrung der Königin veranlassen mochte, LewisMorris, durch Früheres bereits vorteilhaft bekannt, hat neuerdings
seinen Verehrern »Songs of Britain« dargeboten. Er darf nicht mit WilliamMorris verwechselt werden, einem erklärten u. selbst
agitatorischen Sozialisten (nebenbei Leiter einer auf die Darstellung des Künstlerisch-Schönen gerichteten Möbelfabrik),
der eine Übersetzung der »Odyssee« (1887) veröffentlichte. Der Republikaner Algernon Swtnburne, der nunmehr seine früher
sehr weit getriebene »Fleischlichkeit« abgelegt hat, bot dem Publikum eine wohlgesäuberte Auswahl seiner Dichtungen (»Selections
from the poetical works«). Von ihm sind auch noch der »Midsummer holiday«
und eine dritte Serie von »Poems and ballads« zu verzeichnen. An
Schwung und Klang der Verse übertrifft er alle seine englischen Zeitgenossen, doch fehlt es auch ihm an gelegentlicher Dunkelheit
des Ausdrucks nicht.
Edwin Arnold, dessen »Light of Asia« von Arthur Pfungst (1887) ins Deutsche
[* 29] übertragen wurde, hat den »Indian idylls« einen
Band »Lotus and Juwels« (1887) folgen lassen und neuerdings, an den Tod seiner vielgeliebten Gattin anknüpfend,
den Band »In my Lady's praise« (1889) veröffentlicht, der neben einigem Gekünstelten manches Wahre
und Warme von großer Schönheit enthält. LordLytton, Sohn des unter seinem frühern NamenLyttonBulwer auch in Deutschland
[* 30] hochgeschätzten
Romanschriftstellers, ist seit langen Jahren ebensowohl als Dichter (unter dem NamenOwenMeredith) wie als
Politiker bekannt, hat es aber in der erstern Eigenschaft nicht auf die Höhe gebracht, zu welcher die Politik ihn erhoben.
SeinEpos »Glenaveril«, in Form und teilweise satirischer Richtung ein Nachbild von Byrons »Don Juan«, den es freilich an schneidender
Kraft
[* 31] und hoher Schönheit nicht erreicht, zeigt in gewissen Verschlingungen und Hinblicken auf soziale
Zustände unsrer Tage immerhin einige Selbständigkeit und Frische. Zu einer andern Dichtung: »After paradise, or legends of
exile« haben ihm Episoden aus der Geschichte unsrer Zeit als Vorwurf gedient. GeorgeMeredith, der in der Romanlitteratur jedenfalls
einen hoben, nach Ansicht seiner Verehrer sogar den höchsten Rang einnimmt, übrigens zu seinem eben genannten
Namensvetter in keinerlei Beziehung steht, hat seinen »Poems and lyrics of the
joy of earth« nun auch einen Band »Ballads and poems of tragic lite« folgen lassen und in neuester
Zeit einen weitern beigefügt: »A reading of earth«.
Leider gefällt er sich auch hier in Dunkelheit des Ausdrucks. Von RobertBrowning, dem kürzlich verstorbenen Meister dieses
schweren Übels neuenglischer Dichtung (als dessen Urheber doch wohl Shelley anzusehen ist),
with certain people of importance in their day" (1887). Eine »Popular
edition« seiner Werke (in 16 Bänden) begann 1888 zu erscheinen. Ein Ehrenplatz gebührt einer Dichterin deutscher Abkunft,
MathildeBlind, die in »The heather on fire« (1887)
die Geschichte der Austreibung hochschottischer Hüttenbewohner mit revolutionärem Feuer erzählt, in dem größern philosophischen
Gedicht »The ascent of men« (1889) aber sich
zu einer höhern Stufe aufschwingt. Hieran schließe sich ein andres großes Thema: »The judgement of Prometheus« von Ernest
Myers, der schon früher Lyrisches geliefert hat, übrigens zur Geisterseherei hinneigt. Von leichterm Gewebe
[* 32] sind des auf vielen
Feldernthätigen R.L.Stevenson »Underwood« (1887),
dessen Titel er dem alten BellJonson abgeborgt, und
des FräuleinsMary J. * Robinson »Songs, ballads and a garden play« (1888).
Die große Reihe poetischer Gaben, die nur auf das dringende Verlangen von Freunden der Dichter veröffentlicht werden, dürfen
wir billig übergehen.
Es ist keine neue Bemerkung, daß in der HeimatShakespeares das Drama als Buch, ebenso wie das Epos, von
dem weithin greifenden Roman in den Hintergrund gedrängt worden ist. Die Theater
[* 33] blühen mehr und mehr; aber die aufgeführten
Stücke werden selten gelesen, erscheinen meistens gar nicht im Buchhandel, während auf der andern Seite die selten erscheinenden
Buchdramen gar nicht auf die Bühne gelangen oder dort einen höchst spärlichen Erfolg haben, ihn meistens
auch kaum verdienen. Es sei als Verfasser solcher Lesedramen zunächst ein neuer Schriftsteller genannt, der sich noch unter
dem PseudonymMichaelField verbirgt. Er hat der altenglischen Geschichte und dem Kampf der Religionen einen bedeutenden, schwer
zu behandelnden Stoff entnommen:"Canute the Great«, und in der Lösung seiner Aufgabe Geist, Kraft und künstlerische
Gestaltung erwiesen, auch die wohlberechtigte Anerkennung gefunden. Auch seine andern Dramen: »Callirhoe«, »FairRosamund«, ein
Vorwurf (die Geliebte König Heinrichs II.),
der so oft den Balladendichter und seit Addison auch den Dramatiker angezogen hat,
»Brutus ultor«, »The father's tragedy«,
»Rufus«, »Loyalty and love«, alle seit 1884 erschienen, verdienen
Erwähnung. Der greise Tennyson erschien abermals mit einem Drama: »Becket« (Thomas aBecket),
hat damit aber fast noch weniger
Erfolg erzielt als mit seinen frühern Stücken aus der englischen Geschichte, und auch der vorübergehende Theatererfolg
von »The cup« ist wohl meist auf Rechnung des Schauspieldirektors
Irving zu setzen, der eine glänzende Bühnenausstattung lieferte; ebenso hatte »The
promise of May« nur einen Achtungserfolg. Bedeutender sind dagegen die StückeSwinburnes. Nachdem er seinen großen Dramencyclus
über Maria Stuart, der ihn 20 Jahre lang beschäftigt hatte, beendet, trat er als Rival des LordByron auf
mit »Marino Faliero«.
Vielleicht ist dieses Trauerspiel noch weniger als das seines großen Vorgängers für die Bühne geeignet, aber wie jenes
enthält es sehr glänzende Stellen. Mit seinem neuesten Drama: »Locrine«, greift er, wie Shakespeare im »Cymbeline«, auf die
schattenhafte altbritische Geschichte zurück. In derselben Richtung seien erwähnt: »The sentence«, ein
Trauerspiel aus der Zeit des Caligula, von AugustaWebster, die auch als lyrische Dichterin einen guten Namen hat, und des vielthätigen
AlfredAustin »PrinceLucifer«. Die Browning-Gesellschaft, nicht ein Theaterunternehmer, hat ihres Meisters¶
Ziemlich häufig sind die Bearbeitungen von neuerschienenen Romanen lebender englischer Schriftsteller, und diese haben den
Übertragungen aus dem Französischen einen Teil des von ihnen früher behaupteten Platzes abgewonnen.
Dahin gehören unter andern die Dramatisierungen von Büchern, die Haggard, Stevenson, Fergus Hume vom Stapel laufen ließen.
Den bedeutendsten Erfolg hatte FrauFrancesBurnett mit der Dramatisierung ihrer trefflichen Erzählung »LittleLord Fauntleroy«.
Es sei hier auch erwähnt, daß mehrere Dramen von Ibsen auf die Bühne gebracht wurden, sicherlich Aufsehen
erregten, aber keineswegs einstimmigen Beifall fanden.
Unter der leichtern Ware, die vom Ausland eingeführt wurde, ist Mosers »Bibliothekar« zu erwähnen, der nach einigen Änderungen
als »The private secretary« schließlich zu einem Lieblingsstück des Publikums wurde. Für das Bedürfnis nach Spektakelstücken
mit viel Mord, Liebe, Fälschung, Humor und großen szenischen Effekten wird unter anderm vonSims
[* 35] (»The harbour
lights«, »Romany Rye« 2c.) gesorgt, neben welchem auch Pinero und der kürzlich verstorbene Albern zu nennen wären.
Auf dem Gebiet des Singspiels reichen sich, wie früher, Gilbert und Sullivan in anmutigen und schalkhaften Stücken die Hände.
Dahin gehören in den letzten Jahren: »Princess Ida«, »Ruddigore«, »The
yeoman of the guard«, vor allen aber der auch in Deutschland mit Beifall aufgenommene »Mikado«. Der SchauspielerIrving und seine
Gefährtin Ellen Terry beherrschen noch immer die Bühne. Trotz des berechtigten Vorwurfs, durch die Pracht der Bühne das litterarische
Interesse in den Hintergrund gedrängt zu haben, bleibt es immerhin sicher, daß Irving die Shakespeareschen
Dramen wesentlich im täglichen Leben der Nation festhält, wie dies in den 20 Jahren vor ihm niemand gethan.Und so sei ihm auch
ein Verdienst darin zugeschrieben, daß er Goethes »Faust« (in der Bearbeitung von W. G. Willis) dem englischen Publikum
vorgeführt hat. Diese Bearbeitung erweist sich in der That doch treuer, als man erwarten mochte; sicher haben durch die
Hunderte von Aufführungen Tausende einen großen Eindruck von Goethe erhalten, der ihnen vorher kaum ein Name war.
Überaus reichlich stießt auch jetzt noch der Dorn des englischen Erzählungstalents in der Prosadichtung,
doch müssen wir uns begnügen, nur das Hervorragende zu erwähnen. Vorausgeschickt sei, daß der kontinentale Sturm widerstrebender
Winde
[* 36] des Realismus, Naturalismus, Idealismusdieenglische Litteratur nur wenig berührt hat. Unbeachtet blieb er indessen nicht. Seine Wellen
[* 37] haben auch EnglandsUfer erreicht, aber sie haben keine wesentliche Störung hervorgebracht. Ein gesunder
Realismus ist hier längst aus dem Leben in die Litteratur übergetreten, da beide so eng sich in England berühren. Eben daß,
ohne jedes Schul-Schibboleth, jener Wirklichkeitssinn
bereits vorhanden,
hat England vor dem Gefallen an dem Schmutz, dem Anstößigen, der Verfaulung bewahrt, welche sich an ZolasNamen anknüpfen. Die rege Teilnahme der Frauen als Schöpferinnen und Leserinnen hat zu diesem Grundzug
beigetragen, während doch die große Vielseitigkeit des thatkräftigen Lebens des Engländers eine schale Prüderie nicht
zur Herrschaft kommen ließ. Bezeichnend ist, daß die Photographie der obern Klassen und der höhern Mittelklasse, deren sich
AnthonyTrollope nach Thackerays Vorgang so eifrig befliß, noch eifriger als sein humorvoller Meister, etwas
in den Schatten
[* 38] getreten ist, während Walter * Besant die humoristischen Bestrebungen des CharlesDickens weiter vertritt, und
daß zugleich eine helle Freude am Abenteuerlichen nicht nur, sondern eine starke Hinneigung zum Mystisch-Schauerlichen an den
Tag getreten ist, in welcher HughConway auf niedrigerm Gebiet sich bemerkbar gemacht, Stevenson und Haggard
auf viel höherm Niveau sich ausgezeichnet haben.
Daneben steht noch der philosophische Roman mit Pater (»Marius the Epicurean«) und die Romane der mehr oder weniger radikalen
Freidenker, welche dem althergebrachten religiösen Anstrich des Romanlebens gewaltig zusetzen, der historische Roman und
der Seeroman. Zur Seite läuft die alte Liebes- und Familiengeschichte, fröhlich oder traurig, einher und ist nicht in allen
ihren Erzeugnissen unbedeutend. Es gibt treffliche Sittengemälde aus dem In- und Ausland, die tägliche Berührung mit dem
Orient und den Kolonien liefert reichlich Stoffe und verhindert die Versauerung und Verdumpfung des Philistertums,
zu dem es dem Engländer sonst an Anlage nicht fehlt.
In erster Reihe haben sich die alten Lieblinge bewährt:ThomasHardy mit »Wessex tales« und »The Woodlanders«;
WilliamBlack mit
»Sabina Zembra«, »The strange
adventures of a house boat«, einem Gegenstück zu seinem längst erschienenen »Strange adventures of a
phaeton«, und in jüngster Zeit mit »In far Lochaber«;
JamesPayn mit »A prince of the blood«, »By Proxy«, »The
talk of the town«;
GeorgeMeredith mit »Diana of the cross ways«, an dem seine Verehrer
die Feinheit der psychologischen Darstellung rühmen, der aber doch nicht die gebildete Mehrheit zu gewinnen verstanden hat.
Seinen größten Erfolg hatte er aber mit »All sorts and conditions of men« schon deshalb, weil der Roman zur Gründung des People's
Palace in London
[* 40] geführt hat. Von jüngern traten auch Stevenson und Rider Haggard in die erste Reihe. R.L.Stevenson brachte
in den Bukaniergeschichten: »The treasure island« ein Meisterwerk in der Art von
Defoes »Robinson Crusoe«, wie auch »The black arrow«, gefiel sich aber
dann in dem mysteriösen, alle Voraussetzungen des wirklichen Lebens verleugnenden »Dr. Jekyll and Mr. Hyde« und »New Arabian
nights« im
¶
mehr
Gruseligen. * Haggard, dessen erste Bücher ziemlich unbeachtet vorübergingen, errichtete sich mit »King Solomon's mines« (mit
der Fortsetzung »Allan Quatermain«),
besonders aber mit dem genialen »She« auf dem mysteriösen Boden des dunkeln Kontinents,
den er lange selbst bewohnt hat, ein bleibendes Denkmal (weiteres in der Biographie). Den vorübergehenden Erfolg, den
ein Sensationsroman des Australiers Fergus M. Home: »The mystery of a hansom cab«, als Buch und Drama gefunden, verdankt derselbe
hauptsächlich der ungeheuersten Reklame und wohl auch seiner Eigenschaft als litterarische Gabe aus Australien.
[* 42] Des Verfassers
zweiter Versuch: »MadameMidas«, war indessen erfolglos.
Dagegen hat sich eine Schriftstellerin deutscher Abkunft, OliveSchreiner, Tochter eines Missionärs, mit
»An African farm« sogleich einen geachteten Namen gemacht. Als Verfasser einer langen Reihe anonymer Romane, in denen das Wunderbar-Unwahrscheinliche
bis auf die Spitze getrieben ist, allerlei revolutionärer Einfälle und Strömungen nicht zu gedenken (»Mehalah«,
»Court royal« u. a.),
ergab sich zu allgemeinen: Erstaunen der würdige Landpfarrer SabineBaring-Gould,
der auch Reisebeschreibungen, 15 Bände »Lives of the Saints« und zwei wohlgemeinte, wenn auch nicht fehlerfreie Bücher über
Deutschland herausgegeben hat. In seinem neuesten Buch: »Arminell«, erklingen die wunderlichsten Töne. Die immer lesenswerte,
gedankenreiche FrauLynnLinton brachte »Through the long night«; die erstaunlich produktive
FrauOliphant: »Queen Eleanor and Fair Rosamond«, »Madam«, »A house dividend against itself«, »Oliver's
bride«, »Effie Ogilvie«, »The
son of his father«, »The second son« und »Joyce«.
Mit ihr darf nicht verwechselt werden der kürzlich verstorbene Laurence Oliphant, Diplomat, Satirist, Romanschreiber, Religionsschwärmer,
Reisender und Weltmann, als Schriftsteller oft ebenso klar wie verworren. Sein letzter Roman war »Massolam«;
es gesellt sich darin sein altes Erzählertalent mit interessanten Erinnerungen aus Syrien, wo er denAbend seines Lebens zubrachte,
und haarsträubendem Mystizismus.
Auf der Seite geistiger Freiheit in Religionssachen steht Frau Humphry *Ward, die Gattin eines Geistlichen, mit ihrem Buch »Robert
Elsmere«, welches seinen außerordentlichen Erfolg neben dem eignen Verdienst auch dem Angriff verdankt,
dem es von seiten des frommen HerrnGladstone ausgesetzt war. Während hier der Geistliche selbst es ist, den wachsende Überzeugung
aus der Gemeinschaft derKirche und damit aus dem Vertrauen der Gattin treibt, ist in »JohnWard, preacher« von Fräul. Deland
der Konflikt gerade umgekehrt.
Beide Bücher sind für die neuere Geistesentwickelung in England höchst bezeichnend. Fräul. * Bayly hat unter dem Namen Edna
Lyall ihrem beliebten Roman »Donovan« mehrere andre von gleich gesunder Richtung folgen lassen. Th. A. * Guthrie, unter dem Schriftstellernamen
T. Anstey bekannt, der als einer der allerersten seit etwa acht Jahren in »Vice versa« das Phantastische
wieder in die englische Novellistik einführte, wo es sich seither vielleicht übermäßig breit macht, brachte zwei ernste,
aus dem wirklichen Leben gegriffene Romane: »The giant's robe« und »A
fallen idol«; in letzterm gibt er sich wieder drolliger Laune hin. In humoristisch-phantastischer Weise
behandelt er in »The tinted Venus« einen Gegenstand, den HeinrichHeine in die »Götter im Exil« eingeflochten. F. W. Robinson,
der seit 1854 etwa 40 Romane veröffentlicht hat,
Kriminalgeschichten
und andres, brachte »The youngest MissGreen«, der jüngere, fruchtbare ChristieMurray eine höchst originale
Landgeschichte: »Aunt Rachel«, dem er »Old Blazer's hero« und »The weaker vessel« folgen ließ. ClarkRussel
setzt die Reihe seiner beliebten Seegeschichten fort mit »The frozen pirate«,
»The golden hope« und »The death
ship«, Mabel Robinson fand ihren Stoff in Irland mit »The plan of campaigne«;
Der tüchtige
Naturforscher Grant * Allen fühlt sich gedrungen, Sensationsromane zu schreiben: »Babylon«, »The devil's die«, »This
mortal coil«;
der inzwischen verstorbene alte Soldatenfreund JamesGrant verherrlichte seine Bergschotten in »The master of
Aberfeldie«, in dem er den Stoff dem ägyptischen Feldzug von 1882 entnahm;
Die unverwüstliche FrauBraddon mag mit »Like and unlike« und »The
fatal three« ihre Verehrer befriedigt haben. In diesem Sinn ist auch das Buch »Wanda« von Ouida zu erwähnen, welcher auf dem
Kontinent merkwürdigerweise immer noch eine höhere Bedeutung zugeschrieben wird als in England. Als Zolaist oder Naturalist
erwies sich GeorgeMoore, dessen skandalöses Buch »Confessions of a young man« die größte Entrüstung hervorrief.
Hieran schließe sich die Veröffentlichung des hochwichtigen Briefwechsels zwischen Goethe und Carlyle
(1887, beinahe gleichzeitig in London, Berlin und Boston
[* 45] erschienen). Auch sonst ist die Carlyle-Litteratur beträchtlich gewachsen,
zunächst durch die »Early letters« (2 Bde., 1886) und weitere »Letters«
(abermals 2 Bde., 1888),
eröffnete mit dem ersten Bande der »English Writers« eine umfassende Geschichte der englischen Litteratur in Einzeldarstellungen.
Von Einzelwerken erwähnen wir ein sehr eingehendes Werk von AlfredNutt: »Studies on the legend of the Holy Grail«; George Saintsbury:
»History of Elizabethan literature«, wobei zu bemerken ist, daß es unter
den verschiedenen litterarischen GesellschaftenLondons auch eine Elizabethan Society gibt;
Lady Wilde sammelte die »Ancient legends of Ireland«.
Der sonderbare Streit, ob Bacon die DramenShakespeares geschrieben,
war inEngland eigentlich kein Streit, indem das Buch von Ignatius Donnelly: »The great cryptogram« und seine
Vorlesungen beinahe spurlos vorübergingen. Die kleine Gemeinde seiner Anhänger hat sich in der Bacon-Gesellschaft einen Mittelpunkt
geschaffen. Ein ägyptischer Prinz, Ibrahim Hilmy, hat ein Buch über die »Literature of Egypt and the Soudan« veröffentlicht.
Ein nützliches Handbuch bietet sich in des Buchhändlers W. S. Sonnenschein »The beat books: a reader's
guide«, welches etwa 25,000 Bücher verzeichnet.
Wenn auch nicht von gleicher Bedeutung, doch vielfach für den Kenner englischen
Lebens interessant, sind des Malers W. P. Froth
»Autobiography and
reminisceanses«, die so viel Beifall fanden, daß er
ihnen eine zweite Sammlung folgen ließ. Etwas weiter zurück greifen die zwei höchst anziehenden Briefsammlungen von Thackeray,
die »Letters of GeneralGordon to his sister«, DanielO'Connells Briefwechsel und die Fortsetzung von Grevilles
»Memoiren«. Ferner sind hier anzureihen: »Macaulay« von dem Positivisten Coster Morison;
In der ersten Reihe stehen hier Gardiner, Stubbs, Kinglake, Lecky und Freeman. * Gardiner hat nach langen Studien
und nach Veröffentlichung zahlreicher Monographien in 10 Bänden sein großes Werk »History of England from the accession of
James I. to the outbreak of the civil war, 1603 to 1642« vollendet. Von der sich daran anschließenden »History
of the great civil war« sind bisher 2 Bände erschienen. Über einige kleinere Werke des thätigen Schriftstellers
vgl. seine Biographie (Bd. 17). BischofStubbs, früher Professor an der UniversitätOxford,
[* 47] als Autorität über die englische
Verfassungsgeschichte anerkannt, veröffentlichte neuerdings »Lectures on the
study of mediaeval and modern history«. A. W. Kinglake hat 1887 mit 2 Bänden, dem 7. und 8., endlich sein
Riesenwerk »The invasion of the Crimea« zu Ende geführt, das er bereits 1863 begonnen,
als das Interesse an jenen Ereignissen noch viel lebendiger war. Hat sich auch der Kreis
[* 48] der teilnehmenden Genossen seitdem
ziemlich gelichtet, so wird das Werk als wichtige und umfassende Quellenschrift doch dauernden Wert behalten.
Ein andres großes Geschichtswerk, William H.
Leckys »History of England in the XVIII. century«, 1878 begonnen, hat sich mit dem 5. und 6. Band seinem Ende genähert. Obwohl
Irländer und Patriot, zeigt sich Lecky in diesen Bänden, die sich vielfach mit seinem Heimatsland beschäftigen,
doch keineswegs der neuerdings von Gladstone beliebten Auffassung günstig, vielmehr der Parnellschen Agitation entschieden
abgeneigt. Englische A. Freeman gab »The chief periods of European history, with an essay on Greek
cities under Roman rule« heraus. »The revolutions of 1848/49 in Italy, Austro-Hungary
and Germany« sind in einem dicken Band von C. Englische Maurice behandelt, mit großem Fleiß, aber doch so, daß
eine
¶
mehr
Überarbeitung des deutschen Teils wünschenswert erscheint. G. M. Theal, durch örtliche Studien begünstigt, gibt uns die
»History of South Africa, 1486-1691« deren Fortsetzung bis zur Neuzeit von Interesse sein wird, Kate Norgate eine Geschichte
von »England under the Angevin kings«, Kapitän Bingham die »Letters and despatches of the firs Napoleon«,
PercyGrey die »History of the United States«. Der tüchtige Edmund Ollier hat mit dem 4. Band, kurz vor seinem Tode, die schön
und gewissenhaft gearbeitete »Universal history« vollendet.
die kurzgefaßte »Irish history for English readers«
von W. S. Gregg, im ganzen den Agitatoren günstig, doch mit größerer Mäßigung geschrieben, als diese selbst zeigen;
»Two centuries of Irish history, 1691 to 1870«, eingeleitet und herausgaben von dem HistorikerJamesBryce, welcher sich der Partei der Homeruler günstig zeigt.
Letzterer hat auch über die Vereinigten Staaten
[* 52] von Nordamerika
[* 53] eine Reihe von Monoraphien verschiedener Autoren eingeleitet. Unter dem Titel: »The present position of European polotics« veröffentlichte
SirCharlesDilke, der noch vor kurzem zur Stellung eines Ministers des Auswärtigen berufen schien, ein durch
große Sachkenntnis ausgezeichnetes Buch, das in einer andern SchriftDilkes: »The British Army«, eine Ergänzung findet. Ein
hiermit zu erwähnendes Werk des Obersten Maurice, Bruders des oben genannten Historikers: »The balance of military powers of
Europe«, fand rühmlichen Beifall.
Über Rußland selbst schrieb ein in London lebender, durchaus als Autorität geltender Russe, Mitarbeiter der »Times« und verschiedener
Monatsschriften, unter dem Pseudonym Stepniak: »The Russian peasantry: their agrarian condition, social
life and religion«. Im russenfreundlichen Sinn veröffentlichte W. T. Stead, der sensationssüchtige Leiter
der »Pall Mall Gazette«: »The truth about russia«, die Ergebnisse
einer Reise nach Rußland, auf welcher er von der offiziellen Welt begünstigt ward.
McCoan, der erst jetzt (1889) das Material veröffentlicht, zu dessen Ansammlung ihm ungewöhnliche Gelegenheiten
zu Gebote standen, und das sich zu einer schweren Anklageschrift wider den vorigen Chedive gestaltet; »The campaign of the
Cataracts 1884/85« von Oberst Buttern u. a. Den Büchern des unternehmenden Reisenden Stanley (»Through the dark continent«
und »The Congo«) sind viele Schriften über jene Teile Afrikas gefolgt. Das neueste derselben: »River life
of the Congo« von J. R.
Werner, der nicht den Beschränkungen des EminRelief Commitee unterworfen, gibt ein mannigfach trübes Bild der dortigen Zustände.
In dieses Kapitel gehört auch »The history of a slave« von
dem Reisenden H. H. Johnstone. Andres auf Zeitgeschichte Bezügliche findet sich in unsern Abschnitten »Biographie«, »Staatsgeschichte«
u. dem hier folgenden. Zur Zeitgeschichte gehört auch die Streitschrift »The
fatal illness of Frederick Noble« des viel genannten ArztesSirMorellMackenzie, der gegenwärtig an einem neuen Buch: »Six months
residence at the court of the CrownPrince and the German Emperor«, arbeitet.
Reisebilder.
Auch auf dem Gebiet der Reisebeschreibungen, von jeher ein Hauptzweig der englischen Litteratur, waren die letzten Jahre sehr
ergiebig. In erster Linie stehen zwei Bücher des Historikers JamesAnthonyFroude: »Oceana« und »The
English in the West Indies«. Anziehend durch glänzenden Stil, weiten Blick, originelle Bemerkungen und neueröffnete
Einsichten, durch die politische Reife des schon alternden Verfassers, haben gleichwohl beide Widerspruch hervorgerufen, jenes
von seiten mehrerer Wortführer der australischen Kolonisten, dieses von seiten eines Negers, J. J. Thomas vonTrinidad (»Froudacity;
WestIndian fables explained«),
welcher des Reisenden wenig schmeichelhafte Darstellung (»Froude Audacity«)
der Folgen der Sklavenemanzipation bekämpft. Über den jetzt besonders anziehenden Teil Afrikas liegt ein um fassendes Werk
vor von ProfessorDrummond: »Tropical Africa«; über Südafrika,
[* 56] wo der Verfasser 20 Jahre
gelebt hat: »Incwadi Yami« von J.