Gegnern (Sklaven), geraubten Weibern, selbsterzogenen
Kindern und
Haustieren sowie an selbstgepflanzten
Bäumen.
HydeClarke hat
kürzlich nachgewiesen, daß in
Kleinasien,
Indien,
China,
[* 2] auf
Borneo, in
Melanesien u. a. O. seit uralter Zeit ein Eigentumsrecht
an
Bäumen anerkannt wird, selbst wenn sich dieselben auf fremdem
Grund und
Boden befinden, und er glaubt, daß
darin die ältesten
Spuren eines festen
Eigentums zu erkennen seien. Die
Wohnung, an welche man leicht geneigt ist, den ersten
Gedanken des
Grundeigentums zu knüpfen, gehört nicht dahin.
Als ein bloßes Schutzdach des häuslichen
Herdes ist auch die frei aufgerichtete
Hütte anfangs ein bewegliches der
Frau. Sie
hat die Verpflichtung, diese
Hütte aufzubauen und abzubrechen, wenn der Mann mit seinen
Herden weiterzieht;
ihm gehört der
Reichtum der
Herden und
Waffen,
[* 3] aber in der
Hütte seines
Weibes weilt er gleichsam nur als
Gast. Selbst wenn die
Behausung schon aus einem festen und verhältnismäßig kunstvollen Steinbau besteht, wie bei denEskimo,
hütet sich der bei
Jagd und Fischfang keine Anstrengung scheuende Mann, beim Hausbau auch nur die
Hand
[* 4] zu rühren: Hausbau
und Einrichtung gilt ihm als Frauensache. Es verschmolz sich dies auf das natürlichste mit der andern
Thatsache, daß auch
die
Kinder ehmals ausschließlich der
Mutter, die sie geboren und auferzogen hatte, zugehörten, der
Vater
galt als nicht einmal blutsverwandt mit ihnen. In spätern
Zeiten freilich änderte sich dies
Verhältnis vielfach vollständig,
die
Frau wurde geraubt oder gegen Vieh erkauft und dann mit ihren
Kindern zum völligen Eigentum des
Mannes, der nun damit nach Belieben
schalten und walten konnte.
Aber das frühere
Mutterrecht an
Hütte und
Kindern hat seine
Spuren noch vielen spätern Rechtsverhältnissen
aufgedrückt, sofern als das
Haus auch dann noch vielfach der
Frau verblieb, als mit dem
Ackerbau der
Begriff des
Grundeigentums
entstanden war.
Noch nach dem
»Sachsenspiegel« gehört der
Frau das
Haus zu eigen; sie baute es nicht mehr
selbst, aber der Mann brachte es ihr als
»Morgengabe«
und sie konnte damit nach Belieben schalten und walten, obwohl ihr der
Grund und
Boden, auf dem das
Haus stand, nicht gehörte.
Starb der Mann, so konnte sie das meist aus
Fachwerk
[* 5] bestehende
Haus wegnehmen und es auf demGrund und
Boden der Ihrigen aufstellen, der
Grund, auf dem es bisher gestanden, gehörte den
Erben ihres
Mannes.
Später wurden dann, im
Gegensatz zu dem
Zimmer oder Gezimmer der
Frau, Familien-Säle oder
-Hallen gebaut, die zum
Grundeigentum gehörten, und daran
schloß sich allmählich
Garten
[* 6] und
Gehöft, wodurch das Frauenhaus seinerseits überflüssig wurde. Ursprünglich
gehörte der
Grund und
Boden keinem Einzelnen, dann, indem der Wert durch Bearbeitung wuchs, dem Gemeinwesen, und aus diesem
ging zuerst
Hof,
[* 7]
Feld und
Garten, viel später und vielfach erst in unserm
Jahrhundert die
Weide
[* 8] und zuletzt der
Wald und das
Wasser
in den Privatbesitz über.
DieForsten und ihre Ausnutzung gehören bekanntlich noch jetzt vielfach den ländlichen und städtischen
Gemeinwesen oder dem
Staate. Die Geltendmachung der Eigentumsrechte des
Vaters an seine
Kinder verlegt
Äschylos am
Schlusse seiner
Orest-Trilogie) in die Heroenzeit nach dem Trojanischen
Krieg, unter heftigem
Widerspruch der
Frauen verkündet Apoll das »neue
Gesetz«.
amidonaphtholmonosulfosaures
Natron, wird nach der von
Grieß angegebenen
Methode
dargestellt, nach welcher
alle
Azofarbstoffe, die durch
Kombination einer Diazoverbindung mit Naphtholsulfosäure entstanden sind, bei Behandlung mit
Zinnsalz Amidonaphtholmonosulfosäure abscheiden. Es bildet große farblose
Kristalle,
[* 9] absorbiert an der
Luft unter Bräunung
Sauerstoff, wirkt stark reduzierend und wird in der
Photographie als Entwickler benutzt.
Diese macht sich um so mehr bemerkbar, als eine klare Abgrenzung der Wirkungsfelder und ein friedliches,
einmütiges Zusammenwirken der verschiedenen Schularten und Lehrerkreise im großen und ganzen nicht besteht, vielmehr unter
Humanisten und
Realisten fast durchweg
Spannung und Zwietracht herrscht, die namentlich durch die sehr verschieden begrenzten
Berechtigungen der einzelnen
Schulen für den
Heer- undStaatsdienst genährt wird.
Angesichts dieser Sachlage
mußte naturgemäß das Bestreben erwachen, der
Spaltung im höhern
Schulwesen durch
Ausgleich der
Gegensätze entgegenzuwirken.
Seitdem durch die »Vorläufige
Instruktion« vom und die »Unterrichtsordnung« vom allen
vollberechtigten
Realschulen (erster
Ordnung) die
lateinische Sprache aufgenötigt, war eine
Annäherung dieser an dasGymnasium
sehr leicht dadurch zu erreichen, daß man den Unterrichtsplan für die Unterklassen beider Anstalten überein faßte und
so einen gemeinsamen Unterbau schuf, der Fortsetzung nach beiden
Richtungen gestattete und, wie z. B. an allen größern Gymnasien
der
ProvinzHannover,
[* 13] einen gegabelten Oberbau
(Bifurkation) sogar in derselben Anstalt tragen konnte.
DiesenGedanken,
der 1849 und 1873 auf den in
Berlin
[* 14] abgehaltenen Beratungen der einberufenen
Sachverständigen im
Vordergrund stand, haben die
neuen preußischen
Lehrpläne vom verwirklicht, indem bis auf Kleinigkeiten die Lehrordnung der
Human- und der Realgymnasien
in den dreijährigen Unterklassen nach diesen zusammenfällt. Allein neben ihm tauchte
¶
mehr
immer wieder auch der Wunsch auf, die Zwiespältigkeit der höhern Schulen durch eine allen Ansprüchen genügende Einheitsschule,
wie man gegenüber dem Gesamtgymnasium mit Bifurkation nach oben diese Form gern nannte, wieder abzuschaffen. Unter den Vorschlägen,
die darauf hinausgingen, hat namentlich (1872) der des Realschuldirektors Ostendorf (s. d., Bd.
17) Aufmerksamkeit erregt, der den fremdsprachlichen Unterricht mit dem Französischen beginnen und dann
durch Wahl zwischen dem lateinischen und dem Englischen die Trennung zwischen Gymnasium und eigentlicher Realschule, innerhalb
des erstern aber noch später durch Wahl zwischen dem Griechischen und dem Englischen die Trennung des Human- und des Realgymnasiums
gewinnen wollte.
Durch diese Einrichtung würde allerdings ein kunstvoller Aufbau hergestellt, der außer den beiden Gymnasien
auch die Oberrealschule mit umfaßte. Allein die vollständige Herstellung solcher Anstalten würde nur in großen Städten
wirtlich durchführbar sein, und für sämtliche andre Orte würde sie einen entschiedenen Bruch mit dem bewährten Herkommen
bedeuten, zu dem in den vorhandenen Schwierigkeiten kaum ein hinreichender Anlaß liegt. Durchgeführt
ist dieser Gedanke im wesentlichen seit 1878 im höhern SchulwesenSchwedens.
1) Ausscheidung von allem für die Aufgabe der Schule Unnötigen und Fachwissenschaftlichen aus dem Lehrstoff (Lateinsprechen,
lateinische Aufsätze, Griechischschreiben);
2) Verteilung der pädagogisch-didaktischen Aufgaben des fremdsprachlichen Unterrichts auf die einzelnen
Sprachen nach der Eigentümlichkeit einer jeden;
3) Herstellung einer möglichst fruchtbaren Beziehung der Unterrichtsgegenstände untereinander; Herbeiführung einer
bessern theoretischen und praktischen Vorbildung der Lehrer für das höhere Schulamt. Der Verein zählt manche bedeutende
Schulmänner zu seinen Mitgliedern und hat in Hannover (1886),Halle
[* 17] (1887).Kassel
[* 18] (1888),Jena
[* 19] (1889) besuchte
und belebte Versammlungen abgehalten; allein im großen und ganzen hat er den höhern Lehrerstand sowohl des Human- als des
Realgymnasiums und der lateinlosen Realschulen, die er nur in der Gestalt der sechsjährigen höhern Bürgerschule für den
gewerblichen Mittelstand belassen will, gegen sich.
Für das Gymnasium zwar wäre der große Gewinn, wenn in dessen Lehrplan die englische Sprache aufgenommen und gleichzeitig der
Unterricht in der Muttersprache, einschließlich der philosophischen Propädeutik, verstärkt werden könnte, durch Darangabe
des lateinischen Aufsatzes und der wenig fruchtbaren Übungen im Lateinsprechen nicht zu teuer erkauft. Aber der Gedanke, das
Griechische den Schülern der jetzigen Realgymnasien wieder aufzulegen, wird an der Abneigung der Lebenskreise, für welche
diese Anstalten vorwiegend arbeiten, scheitern, da vielmehr sogar das Latein dort wohl lediglich durch die Rücksicht auf
staatliche Berechtigungen aufrecht erhalten wird. Die staatlichen Unterrichtsbehörden stehen bisher der ganzen Bewegung abwartend
und mißtrauisch gegenüber, was um so berechtigter ist, da gleichzeitig mit den Vorschlägen des
Einheitsschulvereins
in den letzten Jahren so viele verschiedene Pläne der Schulreform (s. d., Bd.
17) hervorgetreten sind, daß jede Abweichung vom Bestehenden gegenwärtig doppelt bedenklich wäre. - Viel weiter gehende
Forderungen werden bier und da in Volksschulkreisen an das Schlagwort Einheitsschule geknüpft.
Ausgehend von des J. A. Comenius (1591-1670) Idee einer allgemeinen Schule, die dieser in Mutterschule (1.-6. Lebensjahr), Muttersprachschule
(7.-12.), Lateinschule (13.-18.), Akademie (19.-24.) abstufte, wünscht man dort das gesamte Unterrichtswesen der Nation nach
einem Plan aufzubauen, den folgende Beschlüsse der 17. Jahresversammlung des Vereins hessischer Volksschullehrer (1886) andeuten:
»1) Die Zersplitterung unsers Schulwesens wirkt schädigend und zersetzend auf unser Volksleben. Es ist daher zu erstreben,
daß alle deutschen Schulen ein einheitlich gegliedertes Ganze bilden. 2) Die deutsche Einheitsschule gliedere sich in folgender
Weise: a) Grundlegende Anstalt ist die Elementarschule, in welcher alle Kinder in den ersten vier Schuljahren
unterrichtet werden, b) Auf der Elementarschule bauen sich die Gelehrtenschule und die Volksschule auf. c) Die Gelehrtenschule
ist für diejenigen Schüler bestimmt, welche später die Universität oder technische Hochschulen besuchen. Dieselbe ist im
5.-8. Schuljahr eine einheitliche; dann teilt sie sich in Gymnasium und Realgymnasium, ll) Die Volksschule ist im 5. und 6. Schuljahr
eine einheitliche; dann teilt sie sich in die Volksschule mit fremden Sprachen und in die Volksschule ohne fremde Sprachen, e)
Die geteilte Volksschule umfaßt vier Schuljahre, doch so, daß in der Volksschule ohne fremde Sprachen in den beiden letzten
Schuljahren eine beschränkte Stundenzahl eintritt, die es dem Schüler ermöglicht, die Erlernung eines
Geschäfts zu beginnen. 3) Berechtigungen sind nur an den Abgang aus den obersten Klassen einer der vier abschließenden Schulanstalten
zu knüpfen«.
Vgl. »Schriften des Deutschen Einheitsschulvereins« (Hannov., seit 1887);
In Belgien
[* 21] soll nach dem Gesetz, betreffend die Bildung des Industrie- und Gewerberats
(loi instituant le Conseil de l'industrie et du travail), vom an jedem Ort, wo es zweckmäßig ist, ein Industrie-
und Arbeitsrat eingesetzt werden. Demselben fällt die Aufgabe zu, über die gemeinschaftlichen Interessen der Arbeitgeber
und Arbeiter zu beraten und entstehende Differenzen zu schlichten. Der Rat ist in so viele Sektionen einzuteilen,
als Industriezweige bestehen. Jede Sektion ist aus einer gleich großen Anzahl von Arbeitgebern und Arbeitern zusammengesetzt.
Die Bildung erfolgt in derselben Weise wie bei den Conseils de prud’hommes. Dieselbe ist, da der Wahlberechtigte 25 Jahre
alt sein, mindestens seit vier Jahren in demselben Bezirk und bei demselben Gewerbe beschäftigt gewesen
sein muß, für die Arbeiter nicht sehr günstig.
Von dem besonders
unter Trajan angelegten Castrum, das eine Bevölkerung
[* 26] von etwa 1500 Seelen hatte, sind neuerdings etwa 20 Gebäude bloßgelegt,
und noch gegen 70 sind auszugraben.
Die dabei gemachten Funde (Schmucksachen,
[* 27] Waffen, Geräte etc.), schon 3000 an der Zahl,
werden im Hauptmuseum zu Landshut
[* 28] aufbewahrt.
¶
Die Familie der Einsiedlerkrebse, bisher Hauptsächlich von den Küsten bekannt, ist in der Tiefe bis zu 3000 Faden
[* 31] vertreten. Abgesehen von der Entdeckung neuer Arten, bieten viele dieser Tiefsee-Einsiedlerkrebse ein biologisches Interesse. Die bekannte
Symbiose zwischen Einsiedlerkrebsen und Seeanemonen findet sich auch in der Tiefe, wie der bei 3000 Faden gefundene Pagurus abyssorum
beweist. Dagegen haben die Verhältnisse der Tiefsee in andrer Weise verändernd auf die Einsiedlerkrebse daselbst eingewirkt,
indem der Mangel oder wenigstens die große Seltenheit leerer Schneckenschalen auf dem Meeresboden die Einsiedlerkrebse daselbst
gezwungen hat, ihre Lebensgewohnheiten zu ändern.
Die einen haben sich wieder an ein freies Leben angepaßt, die andern nach anderweitigen Wohngelegenheiten umgesehen. Als
solche dienen ihnen hohle Bambusstücke, die sich, von den Flüssen ins Meer geschwemmt, beispielsweise
im KaribischenMeer am Meeresboden finden, oder sie machen sich selbst röhrenförmige Gehäuse, entweder aus Holzstücken oder
aus den mineralischen Bestandteilen des Bodenschlammes. Diese veränderte Lebensweise der der Tiefsee hat auch verändernd
auf die Form des Hinterleibes derselben eingewirkt.
Bei den frei lebenden Arten hat er sich außerordentlich verkürzt, und die Segmentierung ist verloren
gegangen, während die Endanhänge wohl entwickelt und symmetrisch sind; bei den Formen dagegen, welche ihren Hinterleib in
einem Bambusstab oder einer selbstverfertigten Röhre bergen, ist die von den Küstenformen her bekannte, der spiraligen Drehung
des zur Wohnung dienenden Schneckenhauses entsprechende Asymmetrie des Hinterleibes verschwunden, und derselbe
ist völlig symmetrisch geworden. Wie bei den in Schneckenhäusern wohnenden Einsiedlerkrebsen der Küste, ist auch bei denen
der Tiefsee der geschützte Hinterleib weich; da jedoch bei letztern die Wohnung von beiden Seiten offen und infolgedessen
das Ende des Hinterleibes gefährdet erscheint, ist dieses nicht spitz zulaufend und weich, sondern verbreitert
und mit festen Platten gepanzert. Die horizontale Verbreitung der der Tiefsee ist eine sehr weite.
in den Ländern, deren mittlere Jahrestemperatur unter dem Nullpunkt liegt, in einer gewissen Tiefe unter
der Erdoberfläche sich findende, beständig gefrorne und niemals auftauende Bodenschicht. Die Jahrestemperatur
in 1 m Tiefe beträgt 0,9° mehr als die mittlere Lufttemperatur T des betreffenden Ortes. Von dieser Tiefe an nimmt die Bodenwärme
um 2,97° für je 100 m zu, in 23 m Tiefe, wo die Temperatur das ganze Jahr hindurch konstant bleibt, ist diese ^[Formel].
Ist t = 0 oder T = -1,6° (rund -2°), so muß die thermisch neutrale Schicht beständig gefroren sein;
in geringerer Tiefe taut das Eis
[* 32] im Sommer oberflächlich auf. Die Isotherme von -2° kann man demnach als die Südgrenze des
Eisbodens ansehen, da indessen diese Linie für das Meeresniveau gezogen ist und die Temperatur um etwa
0,5° C. für je 100 m abnimmt, so kann für ein 400 m hohes Gebiet der Eisboden schon
mit der Isotherme von 0° zusammenfallen. Die Jahrestherme von -2° betritt bei der Mündung des Mesen (Weißes Meer)
[* 33] unter
dem Polarkreis das russische Gebiet, durchschneidet bei Bogoslowsk den 60.° nördl. Br.,
senkt sich östlich
bis zum 55.° und fällt im Amurland mit dem 50. Breitengrad zusammen, unter dem sie auch die Ostküste Asiens verläßt.
Kamtschatka wird etwa unter 58° nördl. Br. von ihr durchschnitten. Ganz Ostsibirien und ein großer Teil Westsibiriens nördlch
von 55-57° gehört dem Gebiet des Eisbodens an. In Amerika
[* 34] beginnt die Eisbodengrenze unter 64° am Nortonsund,
geht südlich vor FortSimpson vorbei, schneidet das Nordende des Winipegsees (54.°) und das Südende der Hudsonbai (51.°)
und endet auf Labrador zwischen Nain und Hoffnungsthal (56.°). Das Eindringen der Winterkälte ist von einer Reihe von Faktoren
abhängig, wie der Beschaffenheit des Bodens, Exposition, Entwässerung und ganz bestimmt von dem Zeitpunkt
des Eintreffens und der Menge des Schneefalles, ebenso wie die Tiefe, bis zu welcher der Boden im Sommer auftaut, größtenteils
vom Regen abhängt. In Jakutsk hat man in dem bis zur Tiefe von 116 m getriebenen Scherginschacht den noch nicht
durchbrochen und nach der Wärmezunahme in diesem Schacht berechnet, daß der gefrorne Boden bis zu 186 m Tiefe hinabreicht.
[* 40] Stahl mit einem Mangangehalt von 12 Proz. ist sehr schwer magnetisierbar.
Wenn 1 g Manganstahl durch eine magnetisierende Kraft
[* 41] den Magnetismus
[* 42] 1 annimmt, dann nimmt 1 g Silberstahl in dicken Drähten
den Magnetismus 3489, in dünnen 3141 an und 1 g Eisen sogar den Magnetismus 4395, bez. 3570. Die Magnetisierbarkeit des Manganstahls
steht also ganz außerordentlich hinter der des Eisens und des Silberstahls zurück, und es dürfte daher
der Manganstahl bei Schiffsbauten in höherm Grad zu verwenden sein, da er weniger störende Wirkungen auf die Kompasse auszuüben
verspricht. Bemerkenswert ist, daß im Manganstahl die Hälfte des Magnetismus dauernd zurückbleibt, während Silberstahl
selbst in dünnen Schichten nur etwa ein Viertel, Eisen etwa ein Neuntel als permanenten Magnetismus zurückhalten.
Die chemische Prüfung des Eisens ist ausschließlich eine quantitative, da bei den einzelnen Eisensorten nur die Menge der
stets sich gleichbleibenden Bestandteile wechselt. Zur Bestimmung des
¶
mehr
Kohlenstoffs löst man das Eisen in der Weise, daß der Kohlenstoff ungelöst zurückbleibt und zwar im Bunsenschen Element, indem
man ein gewogenes Eisen- oder Stahlstück zur positiven, ein Platinblech zur negativen Elektrode macht und beide in verdünnte
Salzsäure taucht. Ist nach etwa zwölf Stunden eine genügende Menge Eisen gelöst, so spült man das Eisenstück
gut ab, trocknet und wägt es. Den ausgeschiedenen Kohlenstoff bringt man auf ein Asbestfilter, wäscht, trocknet und bestimmt
die Menge desselben durch Elementaranalyse.
Noch einfacher löst man das gröblich zerkleinerte Eisen in schwach erwärmter Lösung von Kupferammoniumchlorid, auch kann man
den Kohlenstoff mit Hilfe von Chromsäure zu Kohlensäure oxydieren und letztere im Kaliapparat auffangen.
Der Graphit bleibt ungelöst zurück, wenn man das Eisen in verdünnter Salz- oder Schwefelsäure
[* 44] löst und die Lösung bis zum
Sieden erhitzt; den Rückstand wäscht man mit heißem Wasser, verdünnter Kalilauge, dann mit Alkohol und Äther.
Bei graphitärmern Eisensorten bestimmt man den gebundenen Kohlenstoff kolorimetrisch, indem man fein
gesiebtes Eisenpulver in reiner Salpetersäure löst, die Lösung anhaltend auf 80° erwärmt und dann ihre Färbung mit derjenigen
einer Probelösung vergleicht, die man gleichzeitig und in gleicher Weise aus Stahl bereitet, dessen Kohlenstoffgehalt gewichtsanalytisch
bestimmt worden war. Zur Bestimmung des Schwefels löst man nach Eggertz eine abgewogene Eisenprobe in
verdünnter Schwefelsäure und läßt dabei den entwickelten Schwefelwasserstoff auf ein in dem nicht ganz luftdicht verschlossenen
Gefäß
[* 45] aufgehängtes blankes Silberblech von bestimmter Größe einwirken.
Die Gewinnung des Eisens bietet keine eigentümlichen Schädlichkeiten dar. Bei Verhüttung von Thoneisensteinen
entstehen Abwässer, welche Eisenvitriol und feinen Schlamm enthalten und deshalb vor dem Einlassen in öffentliche Wasserläufe
mit Kalk gereinigt werden müssen. Die Arbeiter an Hochöfen sind der strahlenden Hitze und der Einwirkung der Gichtgase ausgesetzt,
welche außer Kohlenoxyd und schwefliger Säure oft auch blei- und zinkhaltige Dämpfe führen, auch kommen
Explosionen vor, gegen welche die üblichen Sicherheitsvorrichtungen
[* 47] nicht immer hinreichenden Schutz gewähren.
Besondern Schutz bedürfen die Arbeiter an Dampfhämmern gegen umherfliegende glühende Eisen- und Schlackenteile. Über die
Beschäftigung von Frauen und jugendlichen Arbeitern in Walz- und Hammerwerken hat der Bundesrat besondere Bestimmungen
erlassen. Auch hat man in Drahtziehereien, in welchen zahlreiche Unfälle vorzukommen pflegen,
selbstthätige Drahtführungen zum Schutz der Arbeiter eingeführt. Die Abwässer dieser Industrie enthalten Säuren und Eisensalze
und sind mit Kalk zu behandeln.
In der Eisenblechfabrikation haben die Arbeiter unter dem beim Polieren der Bleche entstehenden Staub zu leiden. Man hat den
bisher benutzten Kalk durch Kleie ersetzt, welche nach der Benutzung noch als Schweinefutter verwertbar
ist. Auf Emaillierwerken können Bleivergiftungen vorkommen, gegen welche die üblichen Vorsichtsmaßregeln geboten sind.
Schmiede werden infolge der großen andauernden Muskelanstrengungen nicht selten herzkrank. Nadel-, Instrumenten-, Werkzeugschleifer
und Feilenhauer atmen einen feinen, scharfen Staub ein, welcher die Schleiferkrankheit erzeugt, der die Arbeiter sehr früh
erliegen. Englische
[* 52] Krankenhilfsvereine nehmen Schleifer gar nicht auf. Gute Saugvorrichtungen an den Schleifsteinen
können erheblichen Schutz gewähren.
ein von Friese
[* 54] als ganz besonders leicht resorbierbar empfohlenes Eisenpräparat. Zur Darstellung
desselben mischt man Eiweißlösung mit Eisenoxychloridlösung, tröpfelt, wenn nötig, sehr verdünnte Natronlauge bis zur
völligen Abscheidung des Eisenoxydalbuminats ein, wäscht den Niederschlag durch Dekantieren aus, läßt
ihn, abtropfen, löst ihn in verdünnter Natronlauge, fügt
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Zimtwasser, Weingeist und Kognak zu und verdünnt mit Wasser auf einen Eisengehalt von 4:1000. Die klare, rotbraune Flüssigkeit
reagiert kaum alkalisch und schmeckt schwach nach Eisen und Zimt. Ein ähnliches Präparat, Eisenpeptonatlösung, wird erhalten,
indem man Eiweiß durch Digerieren mit Salzsäure und Pepsin peptonisiert, die Lösung genau neutralisiert, mit Eisenoxychloridlösung
versetzt, das durch vorsichtigen Zusatz von verdünnter Natronlauge abgeschiedene Eisenpeptonat reinigt, in Salzsäure löst
und die Lösung mit Kognak versetzt und mit so viel Wasser verdünnt, daß 1000 Teile 4 Teile Eisen enthalten.
Die in neuerer Zeit entstandenen Bergbahnen wurden bei kürzern, geraden Strecken meist als Seilbahnen,
[* 58] bei
größern, gekrümmten Strecken meist als Zahnradbahnen ausgeführt. Ein Beispiel der erstern Gattung gibt die Drahtseilbahn auf
den Neroberg bei Wiesbaden,
[* 59] welche von dem am Fuß des Bergs gelegenen Vergnügungsort Beausite ausgeht
und bei einer Längenausdehnung von 430 m nach Überschreitung eines über das Nerothal führenden, aus fünf Bogen
[* 60] bestehenden, 110 m
langen Viadukts den Gipfel des Bergs ersteigt.
Die Fahrt wird mit einer Geschwindigkeit von 1,6-2 m in der Sekunde in zwei Wagen mit je 38 Sitz- und 12 Stehplätzen bewerkstelligt.
Das Übergewicht des bergab gehenden Wagens wird durch Wasser hergestellt, welches durch eine Dampfmaschine
[* 61] in das auf dem Berg
befindliche, die Seilscheibe
[* 62] enthaltende Betriebsgebäude gepumpt wird. Eine bemerkenswerte Zahnradbahn, nach dem SystemAbt,
auf den Monte Generoso geht von der Gotthardbahnstation und Dampferlandungsstätte Capolago, dem Südende des LuganerSees,
aus, wird eine Länge von 8,5 km erhalten und einen Höhenunterschied von 4368 m überwinden, welcher den derArth-Rigibahn
um 39 und den derViznau-Rigibahn um 58 m übertrifft. In Entfernungen von 2414 m und 5800 m vom Thal aus erreicht die Bahn die
bez. in 780 m und 1222 m Meereshöhe liegenden Zwischenstationen San Nicolau und Albergo, worauf sie die
auf 1695 m liegende Bergkuppe erklimmt, welche eine großartige Aussicht auf die Alpen
[* 63] und die lombardische Ebene gewährt.
Das Baukapital beträgt 2 Mill. Frank. Auch für die Befahrung der Schmittenhöhe von Zell am See aus ist eine Zahnradbahn geplant,
welche die ansehnliche Höhe von 1195 m zu überwinden hat. Durch Einlegung von Kurven soll die gerade Strecke im Verhältnis
von 7,75 : 4,5 km verlängert werden, um eine Ermäßigung der größten
Steigung auf 0,21 Proz. zu erzielen. Unter die kühnsten neuern Bergbahnen gehört die Pilatusbahn (s. d.). - Über weitere
Fortschritte im Eisenbahnwesen s. die folgenden Artikel.
Neuere Litteratur: Röll u. a., Encyklopädie des gesamten Eisenbahnwesens (Wien
[* 64] 1889 ff.);
Die erste Auskunftsstelle ist seitens der preußischen Staatseisenbahnverwaltung 1880 in
Berlin C (Stadtbahnhof Alexanderplatz) eingerichtet worden. Dieselbe erteilt mündlich oder schriftlich unentgeltlich
Auskunft über
Fahrpläne, Reisewege, Zuganschlüsse, Zollabfertigung, Beförderungsgebühr im Personen-, Gepäck-, Vieh- und
Güterverkehr im Gebiet der gesamten preußischen Staatseisenbahnverwaltung sowie der Reichseisenbahnen
in Elsaß-Lothringen
[* 65] und, soweit die vorliegenden Hilfsmittel ausreichen, auch in Betreff der übrigen in- und ausländischen
Eisenbahnen.
Ferner sind daselbst Tarife verkäuflich. Ähnliche Auskunftsstellen sind seitdem 1884 in Hamburg
[* 66] und Leipzig,
[* 67] 1885 in Frankfurt
[* 68] a. M. von der preußischen Staatseisenbahnverwaltung errichtet worden. Der Auskunftserteilung
über Reiseverhältnisse und zugleich für die Ausgabe zusammenstellbarer Rundreisehefte (s. Personengeldtarif)
dienen ferner die Auskunftsstellen in Berlin (Anhalt-DresdenerBahnhof) und in Köln
[* 69] (Zentralbahnhof). Dem Beispiel der preußischen
ist die sächsische Staatseisenbahnverwaltung durch Errichtung einer besondern Auskunftsstelle für ihren Bereich in Leipzig 1884 gefolgt.
Außerdem wird von den Eisenbahndienststellen (Fahrkartenausgabe- und Güterabfertigungsstellen) Auskunft über die Verkehrs-
und Tarifverhältnisse der eignen Verwaltung erteilt.
[* 70] Die Heizung
[* 71] der Eisenbahn-Personenwagen hat viel schwierigere Bedingungen zu erfüllen als diejenige in
feststehenden Gebäuden. Ein fahrender Eisenbahnwagen ist von allen Seiten den Witterungseinflüssen, besonders dem durch
die Fahrgeschwindigkeit entspringenden starken Zug,
ausgesetzt, hat sehr dünne, Wärme
[* 72] durchlassende Wände und infolge der zahlreichen
Fenster, Thüren und sonstigen Öffnungen unvermeidliche Undichtigkeiten und erleidet durch häufiges Öffnen
der Thüren und Fenster beträchtliche und unregelmäßige Wärmeverluste, auch ist die Wartung der Heizung erschwert.
Die Forderungen, die man an eine gute Wagenheizung stellen muß, sind: Herstellung einer gleichmäßigen Temperatur von etwa
10-12° C. und Innehaltung derselben gegenüber allen zufälligen Störungen, Vermeidung von Rauch, Ruß,
Staub, schädlichen Dünsten u. schlechten Gerüchen, Gewährung vollständiger Feuersicherheit sowohl bei regulärem Betrieb
als bei Eisenbahnunfällen, Vermeidung einer Erschwerung des Eisenbahnbetriebs. Eine allseitig befriedigende Lösung hat die
Frage der Wagenheizung noch nicht gefunden.
Folgende Arten derselben sind in Anwendung: Die Ofenheizung, in Anwendung bei großen, ungeteilten Räumen
(Salonkoupees, Wagenräume vierter Klasse), benutzt meist in der Mitte des zu heizenden Raums oder in der Scheidewand zweier
Räume aufgestellte gußeiserne Mantelfüllöfen für Koks-, Steinkohlen- oder Preßkohlenfeuerung. Ihre Vorzüge, Einfachheit
und Billigkeit bezüglich Anlage, Unterhaltung und Bedienung, werden reichlich aufgewogen von den Mängeln, unvollkommene Regulierung
der Erwärmung, Rauch- und Rußbildung, Feuergefährlichkeit, besonders bei Unfällen, und vor allem sehr
ungleichmäßige Erwärmung in horizontaler als vertikaler Richtung.
Dennoch ist diese Heizung nach einigen neuern Verbesserungen (Absaugen der kalten Luft vom Fußboden mittels besonderer Saugvorrichtungen,
Zuführung frischer Luft zum Ofen mittels Luftfänger und Beschickung des Ofens von außen) für ungeteilte Wagenräume,
insbesondere bei Nebenbahnen, wegen ihrer Billigkeit zu empfehlen. Eine gänzliche Beseitigung der Mängel erscheint unmöglich,
weil diese im System begründet sind. Die Luftheizung ist gekennzeichnet durch einen unterhalb des Wagenfußbodens liegenden
Heizkörper (Ofen), der mit Koks, Steinkohlen oder
¶
mehr
Kohlenziegeln geheizt wird und mit geschlossenen Kanälen umgeben ist. Die diesen durch Luftfänger zugeführte Luft erhitzt
sich an den Ofenwandungen und Rauchkanälen und steigt in besondern Leitungen in den Wagen auf, wobei die Ausströmung der
warmen Luft unter den Bänken stattfindet. Die verbreitetste Heizung dieser Art ist die sogen. Schweizerheizung
nach dem System Macy-Pape. Die Vorzüge der Luftheizung sind: stetiger Luftwechsel im Wagen, Regulierbarkeit des Zutritts der
warmen Luft und Verminderung der Feuersgefahr infolge der geschütztern Lage der Öfen.
Dagegen sind als schwer wiegende Fehler der bisherigen Konstruktionen zu nennen: ungenügende Erwärmung bei starkem Frost
infolge unzulänglicher Größe der Rost- und Heizfläche, beträchtlicher Wärmeverluste und zu langsamer
Bewegung in den Leitungen, ungleichmäßige Verteilung der Wärme in den einzelnen Koupees infolge des Bestrebens der Luft, möglichst
senkrecht aufzusteigen. Zu erwarten ist eine Vervollkommnung der Luftheizung in dem Grade, daß ihre Anwendung für Nebenbahnen
an Stelle der unvollkommenen Ofenheizung und der zwar befriedigend wirkenden, aber sehr teuern Preßkohlenheizung
in Aussicht genommen werden kann.
Die Preßkohlenheizung beruht auf der Erwärmung durch im Wageninnern (gewöhnlich unter den Sitzen) liegende und von außen
zu beschickende eiserne Heizrohre, wobei als Heizmaterial eine besonders präparierte Preßkohle (ein durch ein organisches
Bindemittel vereinigtes Gemisch von Holzkohlenpulver u. Salpeter dient. Die Zuführung der Verbrennungsluft
erfolgt durch die an der Außenseite des Wagens liegende Einschiebethür, die Abführung der Rauchgase entweder ebendaselbst
oder durch ein besonderes Rauchrohr. Die Preßkohlenheizung eignet sich nur fürWagen mit querliegenden Sitzen. Sie gestattet,
bei genügender Größe der Heizfläche eine für alle Fälle ausreichende Wärmemenge aufzuspeichern, und
läßt die erwärmte Luft unmittelbar über dem Fußboden zwischen den Sitzen einströmen, während sie gegenüber der Dampfheizung
den Vorteil der Einzelheizung hat. Dagegen bestehen ihre Schwächen im Vergleich zur Dampfheizung in geringerer Feuersicherheit,
Mangel an Sicherheit gegen übermäßige Erhitzung der Heizkörper und deren Folgen (Ansengen der Sitze, Staubverbrennung,
üble Gerüche), Schwierigkeit der Regulierung, im Vergleich zu allen übrigen Heizungsarten in dem Erfordernis
eines besondern, mit gewissen Vorsichtsmaßregeln aufzubewahrenden und nur nach umständlichen Vorbereitungen zu verwendenden
Brennmaterials und in den hohen Betriebskosten.
Die Gasheizung ist nur vereinzelt und zwar als Zentralheizung durch den ganzen Zug
ausgeführt. Dieselbe ist umständlich, kostspielig,
nicht ungefährlich und erschwerend für den Betrieb, daher für allgemeine Verwendung nicht geeignet. Die Warmwasserheizung
ist in Europa
[* 74] nur selten im Gebrauch, dagegen in Amerika sehr verbreitet, besonders nach BakersSystem. Ein innerhalb oder außerhalb
jedes Wagens untergebrachter Ofen enthält eine Wasserheizschlange, von welcher aus das Wasser in einem Rohr
nach einem auf dem Wagendach liegenden Expansionsgefäß aufsteigt, um sich von da aus in die Heizrohre zu verteilen, deren
Leitung mit stetigem Gefälle (eine Hauptbedingung für die regelmäßige Wasserzirkulation) nach dem Ofen zurückführt.
Die Warmwasserheizung gibt eine hinreichende, gleichmäßige und angenehme Erwärmung ohne Luftverschlechterung, beansprucht
jedoch bei großem Gewicht einen großen Raum für ihre Unterbringung und eine sehr aufmerksame Bedienung,
ist auch ebenso feuergefährlich wie die Ofenheizung. Deshalb wird sie allmählich durch die Dampfheizung ersetzt. Die Dampfheizung
ist die einzige bis jetzt mit Erfolg angewendete Form der Zentralheizung. Die Dampfentnahme findet jetzt allgemein von der
Lokomotive
[* 75] statt, die Aufstellung besonderer Kessel in der Mitte des Zugs hat sich nicht bewährt.
Der der Lokomotive entnommene Dampf
[* 76] wird, nachdem sein Druck durch ein Reduktionsventil oder einfacher durch einen Drosselhahn
auf 2 bis höchstens 3 Atmosphären reduziert ist, durch eine unter dem ganzen Zug
hingehende Leitung geführt, von welcher aus
er in die unmittelbar über dem Fußboden der Wagen, und zwar bei Sitzwagen unter den Sitzen, angebrachten
Heizkörper aus geschweißten oder gelöteten Rohren gelangt. Durch Hähne kann der Dampfzutritt zu den Heizkörpern, also
auch die Temperatur im Wagen, geregelt werden.
Die Kuppelung
[* 77] der Leitungsrohre von Wagen zu Wagen erfolgt meist durch Gummischläuche mittels einheitlich
durchgeführter Verbindungsstücke. Das in den tiefsten Punkten dieser Verbindungsschläuche sich ansammelnde Kondensationswasser
wird mittels gewöhnlicher Hähne oder selbstthätig wirkender Ventile abgelassen. Am Schluß des letzten Wagens wird ein Schlußhahn
eingesetzt, welcher während der Fahrt so weit geöffnet bleibt, daß außer dem Kondensationswasser ein schwacher Dampfstrahl
ausgeblasen wird, um einen regelmäßigen Dampfzufluß zu den Heizkörpern zu sichern.
Die Dampfheizung hat schätzenswerte Vorzüge. Es läßt sich mit ihr bei nicht allzu langen Zügen eine durchweg gleichmäßige
und auch bei starkem Frost vollkommen genügende Erwärmung der Wagenräume ohne Belästigung der Reisenden durch strahlende
Wärme und übelriechende Dünste sowie ein rascher Ersatz bei starken Wärmeverlusten erzielen. Die ganze
Heizeinrichtung läßt sich überall bequem einbauen und ist vor allen Dingen vollkommen feuersicher.
Dagegen erfordert die Dampfheizung die möglichst einheitliche Durchführung dieses Heizsystems und eine sorgfältige Wartung
und Instandhaltung, sie vermindert die Leistungsfähigkeit der Lokomotivkessel zuungunsten ihrer eigentlichen Aufgabe, indem
sie bis zu 10 Proz. seiner Gesamtleistung für Heizzwecke beansprucht, die
Wärmeverluste durch Abkühlung in den Leitungen sind sehr beträchtlich, die ungeschützt liegenden Hähne und Ventile sind
dem Einfrieren oder dem Festsetzen infolge von Kesselsteinansätzen ausgesetzt, das Anheizen geht, besonders bei langen Zügen,
langsam vor sich.
Das zuweilen vorkommende Platzen der Kuppelungsschläuche ist nicht von Belang, weil durch stets mitgeführte
Reserveschläuche schnell Ersatz geschaffen werden kann. Zur Beseitigung der angeführten Mängel sind eine große Zahl von
Vorschlägen aufgetaucht und zum Teil auch ausgeführt worden. Bei den meisten derselben ist jedoch die Beseitigung bestimmter
Übelstände durch die Aufgabe gewisser Vorzüge der Dampfheizung erkauft worden. Deshalb sind z. B. die
auf die Beschleunigung des Anheizens abzielenden selbstthätigen Vorrichtungen meist wieder abgeworfen worden. Bewährt hat
sich für diesen Zweck nur die Anbringung einfacher, von Hand zu bewegender Hähne im höchsten Punkte der Heizkörper, welche
beim Anheizen zwecks Entweichung der die Erwärmung verzögernden eingeschlossenen Luft so lange offen gehalten werden,
bis Dampf ausströmt. Behufs Verminderung der Wärmeverluste sucht man die außerhalb der Wagen liegenden Leitungsrohre durch
Umhüllung mit schlechten Wärmeleitern
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