ungleichmäßig, sobald das
Terrain bewegt wird, so daß bei abwechselnd steigendem und fallendem
Terrain eine wellenförmige
Saat entsteht, da der Saatkasten eine geneigte
Lage annimmt und die
Löffel zu früh oder zu spät in die Trichter ausleeren.
Bei den ältern Drittsäemaschinen suchte man durch
Einstellung des Saatkastens mit
Hilfe einer
Kurbel
[* 2] diesem
Übelstand zu begegnen, und dies gelingt auch bei sehr aufmerksamen Arbeitern und in dem
Fall, daß das
Terrain nicht zu häufig
wechselt. Je mehr aber die Drillkultur Verbreitung findet, desto häufiger findet dieselbe auch auf hügeligem
Terrain Anwendung,
wo man von der
Arbeit der ältern Drillsäemaschine mit der sogen. Stellvorrichtung
für hügeliges
Terrain nicht befriedigt war.
Demnach sah sich in neuerer Zeit fast jede größere
Fabrik von Drillmaschinen genötigt, eigne
Maschinen zu konstruieren,
welche auch bei dem genannten Umstand eine gleichmäßige
Aussaat liefern. Hierzu werden zwei Wege eingeschlagen und zwar
1) die Benutzung von Säeapparaten, welche von der jeweiligen
Stellung des Saatkastens in ihrer Wirksamkeit
nicht beeinflußt werden. Es entsprechen dieser Anforderung die sogen. Schubräder, die durch
die
Weltausstellung in
Philadelphia
[* 3] 1876 bekannt geworden und ihr Vorbild in dem alten
Thorner Säerad finden, welches den
Samen
[* 4] mittels eines Zellenrades auswarf.
Anstatt der
Zellen sind die
Umfänge der neuern Schubräder in der
Regel mit
Rippen oder stumpfen
Zähnen
besetzt; dieselben arbeiten in einer
Kapsel oder einem stellbaren
Mantel. Die Aussaatmenge wird weder beim Bergauf- und Bergabfahren
noch beim
Fahren im Hang, wo Sich die
Maschine
[* 5] schief stellt, in bemerkenswerter
Weise beeinflußt. Die im
Bau von Drillmaschinen
hervorragenden
Fabriken von
Zimmermann u. Komp. in
Halle
[* 6] a.
S. und von Siedersleben u. Komp. in
Bernburg
[* 7] haben
diese
Maschinen zu einer allen Anforderungen entsprechenden
Konstruktion ausgebildet.
2) Der Saatkasten wird derartig aufgehängt, daß er unter allen Umständen, also namentlich wenn die
Maschine im Hang fährt,
in gleicher
Lage zu einer
Vertikalen verharrt. Es geschieht dies durch entsprechende Aufhängung des Saatkastens
und durch ein schweres
Gewicht, welches die normale
Stellung desselben erhält. Eine Änderung dieses Stellsystems besteht
darin, daß nur die Trichter, welche das von den Säeapparaten ausgeworfene Saatgut aufnehmen, ihre
Stellung im Saatkasten
entsprechend verändern, während dieser sich mit dem Hang neigt, bez. anhebt.
LetztereMethode, bei der Drillsäemaschine von
Fr.
Dehne in
Halberstadt
[* 8] in Anwendung, ist die zweckmäßigere, wie die
Praxis ergeben hat. Aber
trotzdem kann dieselbe nur bei steigendem oder fallendem
Terrain in der Fahrrichtung ihre Wirksamkeit entfalten, während
die
Maschine beim Schiefstellen des Saatkastens, d. h. bei seitlicher
Neigung desselben, nach wie vor ungleichmäßig
säet. Überhaupt ist das erstere
System (die Schubräder) auch aus dem
Grunde das empfehlenswertere, weil es stets gleichmäßig
säet, während bei dem zweiten
System erst das
Befahren des Hanges eingetreten sein, also eine ungleichmäßige
Aussaat bereits
stattfinden muß, wenn die
Einstellung des Saatkastens oder der Trichter für gleichmäßiges
Säen erfolgen
soll.
Auch verursacht der beweglich aufgehängte Saatkasten leicht Schwankungen, selbst wenn man, wie dies mehrfach versucht wurde,
Hemmungen anbringt, So daß z. B. beim
Durchfahren einer Bodenvertiefung bereits Änderungen der Saatmenge stattfinden. Die
erwähnte Verbesserung
der Drillsäemaschine ist namentlich aus dem
Grund von besonderer Wichtigkeit, weil man mit derselben
im stande ist, dia Drillkultur ohne jedes Bedenken auf hügeliges
Terrain auszudehnen, welches bisher noch zumeist der Handsaat
zufiel.
Maria, bulgar. Geschichtschreiber und Ethnograph, geb. 1838 zu
Panagjurischte, studierte in
Moskau
[* 9] und wirkt gegenwärtig als
Professor an der
UniversitätCharkow. Er veröffentlichte: »Über
die Abstammung des bulgarischen
Volkes und über die Anfänge der bulgarischen Geschichte« (1869);
als Kraftübertragungsmittel, s.
Transmission^[= (lat.), Übersendung; im Erbrecht die Übertragung einer angefallenen, aber von dem Erben noch ...]
[* 13] (Bd. 17).
(Jaisalmer,Jeysulmere), ein unter britischem
Schutz stehender Radschputanastaat in
Britisch-Indien, umfaßt
42,506 qkm (772 QM.) mit 108,413 Einw. Das Land bildet einen
Teil der großen indischen
Wüste, ist sehr wasserarm, fast ohne alle
Industrie, aber gesund.
Die gleichnamige
Hauptstadt hat ein auf einem
Hügel erbautes
Fort mit dem
Palast des
Fürsten, mehreren Dschainatempeln und 10,965 Einw.
(Jolpaiguri),
Distrikt der
Division Radschschahye in der britisch-ind.
ProvinzBengalen, 7469 qkm (136 QM.)
groß mit (1881) 585.562 Einw., davon 208,513
Mohammedaner, welche vornehmlich
Reis und
Thee bauen.
ReichSiam, auf einer
Insel des Menamflusses, 80 km nördlich von
Bangkok,
[* 16] die
ehemalige
Residenz der Herrscher von
Siam, wurde 1767 von
Pegu erober: und zerstört.
Neben den
Ruinen der großartigenPaläste
und
Pagoden (jetzt in der üppigen
Vegetation nahezu überwuchert) ist die neue, unscheinbare Stadt mit ihren vielen Kaufläden
erbaut, die 40,000 Einw.
(Siamesen,
Chinesen,
Lao,
Malaien) zählt.
nicht zur
Aufführung gelangte. Einen großen Erfolg hatte sein Oratorium »Das verlorne Paradies«, welches 1878 von der
Stadt Paris
[* 21] preisgekrönt wurde. Dubois vertauschte die Kapellmeisterstelle von Ste.-Clotilde mit der von Ste.-Madeleine,
gab diese aber auf, als er 1871 Nachfolger Elwarts als Harmonieprofessor am Konservatorium ward, und übernahm die Organistenstelle
an der Madeleinekirche. Von seinen Werken sind noch hervorzuheben: die lyrische Szene »Der Raub der Proserpina«,
die komische Oper »Le
[* 22] pain bis« (»Das
Schwarzbrot«, auch »La Lilloise« betitelt),
ein Klavierkonzert, mehrere Orchestersuiten, Motetten (»Tu es Petrus«),
(spr. düschän),GuillaumeBenjamin (genannt Duchenne de Boulogne), Mediziner, geb. zu
Boulogne sur Mer, studierte in Paris, praktizierte dann als Arzt in Boulogne, siedelte aber 1842 nach Paris über, um sich vollständig
den frühzeitig begonnenen elektrotherapeutischen Studien zu widmen. Er gab die Methode der Lokalisierung des elektrischen
Stroms an, mittels welcher er denFaradischenStrom auf tief gelegene Teile zu lokalisieren vermochte, und
benutzte isolierte elektrische Erregung der einzelnen Muskeln
[* 23] zur funktionellen Prüfung derselben und zur genauen Bestimmung
ihrer vereinzelten oder kombinierten Wirkung.
FrederickTempleBlackwood, Earl von, legte im Herbst 1888 sein Amt als Vizekönig von Indien nieder, nachdem er
die Verwirrung und die Besorgnisse, welche die Projekte seines Vorgängers Ripon bei den englischen Einwohnern
erweckt hatten, beseitigt, den englischen Einfluß in
Afghanistan
[* 24] behauptet und Birma für das indische Reich gewonnen hatte,
und wurde zum Marquis von Dufferin und Ava sowie zum Earl von Ava erhoben. Im Dezember 1888 wurde Dufferin zum britischen Botschafter in Rom
[* 25] ernannt. Seine Gattin veröffentlichte: »Our vice-regal life in India« (2. Aufl., Lond. 1890, 2 Bde.).
und Riechstoffe, die Elementarstoffe oder chemischen Verbindungen, welche, wenn auch in unwägbaren Mengen der
Atemluft beigemischt, auf die! Nasenschleimhaut eine Wirkung äußern, die als ein bestimmter, oft sehr charakteristischer
Geruch empfunden wird. Aus dieser Erklärung geht hervor, daß jeder Riechstoff flüchtige Teile an die
Luft abgeben muß, obgleich die Thatsache dem Chemiker zuweilen unbegreiflich bleibt, wie z. B. bei der feuerbeständigen
Thonerde, die angefeuchtet den charakteristischen Töpfergeruch entsendet. Auch bei manchen organischen Verbindungen, wie z. B.
dem Moschus, sind die verflüchtigten Teile so unendlich klein, daß eine Probe, die seit Jahren ein Zimmer
mit dem kräftigsten Geruch angefüllt hat, kaum eine merkliche Gewichtsverminderung erkennen läßt. Die R. finden sich
im Mineral-, Pflanzen- und Tierreich und spielen in den beiden letztern eine erst in neuerer Zeit gewürdigte, äußerst wichtige
Rolle.
Unter den Elementen besitzen einige einen eigentümlichen Geruch, wie namentlich die Hlogene: Chlor, Jod
und Brom, welche anderseits dadurch ausgezeichnet sind, daß sie üble Gerüche organischen Ursprungs zerstören, also desodorisierend
wirken. In ihren einfachen Verbindungen, z. B. mit Wasserstoff oder Sauerstoff, besitzen sie noch einen starken, mehr chemisch
als stechender Schmerz auf die Nase
[* 26] wirkenden Geruch, während zusammengesetztere Verbindungen, wie z. B.
Chloroform, Jod- und Bromäthyl, ätherisch-obstartig riechen.
sagen dürfte, kürzer gesagt als Duftverderber auf. Seine Vereinigungen mit den Molekülen der Alkoholreihe, die sogen. Merkaptane,
sind durchgängig sehr übelriechend. Die riechenden Bestandteile der Zwiebel- und Laucharten sowie der Asa foctida sind analoge
Vereinigungen von Schwefel mit Kohlenwafserstoffverbindungen, u. merkwürdigerweise üben diese der Nase ziemlich unangenehmen
Gewürze auf den Gaumen einen so angenehmen Reiz, daß Lauch und Zwiebeln bei den entferntest wohnenden Völkern
als Zuspeise geschätzt werden und Asa foetida dazu dienen muß, noch den verwöhntesten PariserGaumen zu kitzeln.
Die unzähligen Kohl-, Rüben- und Retticharten, Senf, Kresse, Meerrettich und viele andre hierher gehörige
Pflanzen, enthalten sämtlich mehr oder minder große Mengen von Schwefelcyanallyl oder sehr ähnlichen Verbindungen, und wir
haben hier ein recht merkwürdiges Beispiel, wie ein bestimmter Geruchsstoff zum Familiencharakter einer größern Pflanzengruppe
gehört und sogar noch auf einige nahe verwandte Familien, die man von ihr abgezweigt hat, wie der Kapparideen,
Tropäoleen und Fumariaceen, übergreift.
Hinsichtlich des Tellurs hat man die Erfahrung gemacht, daß höchst geringe Mengen desselben, wenn sie
in Form geschmack- und geruchloser Verbindungen eingenommen wurden, dem Atem, der Hautausdünstung und allen Ausscheidungen
des Körpers wochenlang einen so entsetzlichen Geruch mitteilten, daß der Betreffende sich nicht in menschliche Gesellschaft
wagen konnte. Mehrere Metalle, die an sich geruchlos sind und häufig zu Werkzeugen und Küchengeräten Verwendung finden, wie
Zinn, Kupfer
[* 31] (Messing) und selbst Eisen,
[* 32] erzeugen schon beim bloßen Anfassen mit feuchten Fingern merkbare
Gerüc he.
Eine andre Gruppe bilden die ätherischen Öle
[* 33] von der allgemeinen
Formel C10H16 , die sogen. Kamphene,
zu denen Terpentin-, Wacholder-, Rosmarin-, Zitronen-, Bergamott-, Pomeranzen-, Neroliöl und viele andre aus Holz,
[* 34] Rinden, Blättern,
Blüten und Früchten gewonnene ätherische Öle gehören, die meistens angenehm duften, wenn auch manche,
wie das Terpentinöl, nur in stark verdünntem Zustand. Eine dritte hierher gehörige Gruppe bilden die Ätherarten, namentlich
die zusammengesetzten, welche aus einem Äther und einer organischen oder unorganischen Säure bestehen und einen häufig sehr
angenehmen obstartigen Geruch besitzen, so daß sie als sogen. Fruchtessenzen in der Likörfabrikation eine ausgedehnte Verwendung
finden. So duften bereits der Essig- und Salpeteräther recht angenehm, und durch Verbindung vieler organischer Säuren, wie
der Ameisensäure, Baldriansäure, Buttersäure und andrer für sich nicht gerade angenehm duftender Säuren, mit Methyl-, Äthyl-
und Amyläther hat man Verbindungen erzeugt, die in starker Verdünnung täuschend den Geruch verschiedener Obstarten (wie
Äpfel, Birnen, Ananas, Erdbeeren etc.) besitzen und möglicherweise in den betreffenden Früchten auch in
kaum nachweisbaren Spuren vorhanden sein mögen.
Über den chemischen Charakter der tierischen Geruchsstoffe kann bisher wenig Allgemeingültiges gesagt werden, da sie noch
zu wenig untersucht sind und zum Teil eine ziemlich komplizierte Zusammensetzung zeigen. Vor einigen Jahren
hat man Skolopender kennen gelernt, die stark nach Bittermandeln rochen und wirkliche Blausäure aushauchten, ja man hat von
am Meer lebenden Bombardierkäfern behauptet, daß ihre stark riechenden und die Finger gelb färbenden Schußwölkchen freies
Jod enthalten sollten. Doch klingt das ziemlich unwahrscheinlich.
Biologische Bedeutung der Pflanzendüfte.
Über die Bedeutung der Riechstoffe für das Leben der aromatischen Pflanzen tappte man vor wenigen Jahrzehnten
so völlig im Dunkeln, daß Moleschott meinte, der Blumenduft sei am nächsten den stark duftenden Exkrementen der Tiere zu vergleichen
und nicht einer Seele der Pflanzen«, wovon poetisch gestimmte Pflanzenfreunde und Botaniker, wie Th. Fechner und Ph. v.
Martius, geträumt hatten. Tyndall suchte vor einigen Jahrzehnten nach einer physikalischen Erklärung des Reichtums fast aller
Lippenblütler (Labiaten) an ätherischen Ölen, die er darin zu finden glaubte, daß diese Pflanzen, welche meist an trocknen
Bergwänden oder auf kahlen Felslehnen der Mittelmeerländer wachsen, eine Duftwolke über sich verbreiten, welche die Strahlen
der brennenden Sonne
[* 35] mildern und ihre ausdörrende Kraft
[* 36] von ihnen abhalten sollte. Er hatte nämlich festgestellt, daß sie
in Dampfform ein außerordentlich großes Aufsaugungsvermögen für strahlende Wärme
[* 37] besitzen, so daß z. B. Luft, die durch
einen mit Thymianöl getränkten Papiercylinder hindurchgesaugt wurde, 68mal, bei Rosmarinöl 75 mal und bei Änisöl gar
350mal soviel Sonnenwärme verschluckte als reine Luft. Allein nach und nach sind so viel verschiedenartige Vorteile der Duftabsonderung
für die Pflanzen ans Licht
[* 38] getreten, daß wir die Fälle gesondert betrachten müssen.
Niederste Pilzformen, wie die Bakterien, scheiden sehr häufig stark riechende Stoffe aus ihrer Nährflüssigkeit aus, und
die penetranten Gerüche mancher Fäulnisvorgänge beruhen offenbar auf Abspaltung von Ammoniak und andern
stark riechenden Verbindungen durch den Lebensprozeß der Spaltpilze. Da dieser je nach den verschiedenen Arten derselben
¶
mehr
ein sehr verschiedener sein kann, so erklärt sich dadurch auch die große Verschiedenheit der Fäulnisgerüche. Ein im Berliner
[* 40] hygienischen Institut ausgebildeter japanischer Arzt, Kitasato, hat sogar im vorigen Jahr einen besonders leicht auf Brot,
[* 41] Reis-
oder Kartoffelbrei zu ziehenden Moschuspilz der Gattung Fuxisporium entdeckt, dessen rötliche, später ziegelrot werdende
Kulturen einen deutlichen Moschusgeruch verbreiten, der sich auch durch Alkohol ausziehen läßt. Es ist
nicht wahrscheinlich, daß diese niedern Organismen von ihren Duft- u. Farbstoff-Entwickelungen irgend einen Vorteil haben
können, im Gegenteil erzeugen viele von ihnen stark riechende Stoffe, die, wenn sie sich in der Nährflüssigkeit anhäufen,
den Erzeuger töten, so z. B. hat E. BaumannSpaltpilze beobachtet, welche Phenol (Karbolsäure), den ärgsten
Feind ihres Lebens, hervorbrachten. Man kann in solchen Fällen nur sagen, daß durch die Verschiedenheit der erzeugten Duftstoffe
Verschiedenheiten des Lebensprozesses schon bei diesen ureinfachen Wesen angedeutet werden, und dieselbe Bewandtnis hat es
auch wohl mit dem Dufte, den gewisse Algen
[* 42] verbreiten, wie z. B. die Veilchen-Alge (Chroolepus hercynicus),
welche auf dem bekannten Veilchenstein lebt.
In den eigentümlich aromatischen oder auch für unsre Nasen abstoßenden Düften gewisser höherer Pilze
[* 43] hat man dagegen bereits
Anlockungsmittel für Fliegen,
[* 44] Käfer
[* 45] und andre Insekten
[* 46] vermutet, die in einer bestimmten, bisher noch nicht ermittelten Weise
entweder bei der Befruchtung
[* 47] oder der Verbreitung der Sporen mitwirken. Viele Pilze bilden den ständigen Versammlungsort zahlreicher
Insekten und den Wohnort ihrer Larven, die von dem Fleisch zehren, und manche, wie z. B. der bekannte Gichtschwamm (Phallus impudicus),
verbreiten einen so fürchterlichen Aasgeruch, daß sie ihren Standort schon auf weite Entfernungen verraten.
Im besondern unentbehrlich erscheint die Mitwirkung lebender Tiere für die Verbreitung gewisser unter der Erdoberfläche
wachsender Pilze, wie der Trüffeln und der Hirschbrunst (Elaphomyces cervinus), und dieselben verraten sich in der That den
Wildschweinen, Hirschen und gewissen Fliegen durch ihren aus der Erde empordringenden Duft, so daß sie herausgewühlt
oder auch von den Fliegenlarven in der Erde besucht werden.
Was man bei den Pilzen bisher nur durch Analogieschlüsse vermuten konnte, daß ihre Duftabsonderung Vermittler für ihre
Befruchtung und Verbreitung heranzuziehen bestimmt ist, unterliegt bei den Blütenpflanzen keinem Zweifel mehr. Lebhafte Farben undDüfte unterstützen sich hierbei gegenseitig, und der Zweck oder Nutzen verrät sich offen dadurch, daß
Pflanzen, deren Blüten vom Wind befruchtet werden, wie die Gräser,
[* 48] Kätzchenbäume u. a., in ihren Blüten weder eine besondere
Farbenpracht noch Duftreichtum entwickeln.
Die Wechselbeziehung verrät sich noch weiter darin, daß Blumen, die der Honigausbeutung durch Abend- und Nachtinsekten angepaßt
sind, erst des Abends zu duften beginnen und meist trübe oder schneeweiße, allenfalls hellblaue Farben
zeigen, wie Zaunwinde, Nachtviole, Türkenbund, Waldhyazinthe (Platanthera bifolia) u. v. a. Dabei zeigt sich eine enge Anpassung
der Duftfarbe an den betreffenden Besucherkreis. So verbreiten viele Aristolochiaceen, Balanophoreen, Stapeliaceen, Aroideen,
Rafflesiaceen u. a. Aasgerüche und locken dadurch zu ihren Blüten, die obendrein häufig wie faules Fleisch
gefärbt oder gefleckt sind, Scharen von Aasfliegen und andre Aasliebhaber herbei, welche die Befruchtung vollziehen.
AndreFliegen- und Käferpflanzen haben einen eigentümlichen Stallgeruch, wie z. B. die Eryngium-Arten. Die Bienen und Wespen
scheinen Pflanzen mit scharfen Gerüchen, wie die Lippenblütler, die wir als Küchenkräuter verwenden,
zu bevorzugen; die dem Besuch der Schmetterlinge
[* 49] angepaßten langröhrigen Blumen haben vielfach einen besonders würzigen
Lilien-, Nelken- oder Vanilleduft. Auch viele Früchte duften sehr stark, namentlich solche, die ungenießbare Steinkerne besitzen
und durch ihr duftendes FruchtfleischTiere anlocken, welche zur Verbreitung der Samen beitragen.
Daß aber die Pflanzendüfte nicht einzig der Anlockung von Tieren dienen, geht schon aus dem Umstand
hervor, daß nicht bloß die Blumen, sondern häufig die ganze Pflanze, Blätter, Rinde und Wurzeln, duften und mit kleinen Behältern
voller streng riechender ätherischer Öle durchsetzt sind. In Bezug auf diese Stoffe wie auf die giftigen Alkaloide, die viele
Pflanzen enthalten, schloß bereits ErasmusDarwin im vorigen Jahrhundert, daß sie denPflanzen als Schutzmittel gegen gefräßige
Insektenlarven und Wiederkäuer
[* 50] dienen möchten.
In der That sind die starken Düfte mancher Pflanzenblätter vielen Insekten widerlich und sogar tödlich; man braucht nur
an den stark aromatischen Walnußbaum zu denken, dessen Laub unter allen unsern Bäumen von Insektenfraß
am wenigsten leidet, oder auch an die Insektenpulverpflanze. An den scharfen Duft und Geschmack der Kiefern- und Tannennadeln
haben sich freilich viele Insekten gewöhnt. In ähnlicher Weise hat man die scharfen Duftstoffe der Rinden und Wurzeln vieler
Pflanzen gedeutet, und in anbetracht des Umstandes, daß namentlich die Wurzeln vieler Sumpfpflanzen scharfe
aromatische Stoffe enthalten, wie z. B. die Kalmus-, Ingwer-, Galanga- und Cypergraswurzeln, manche Allium-Arten u. a., hat man
geschlossen, daß sie namentlich gegen die im Sumpfboden besonders mächtigen Fäulnisorganismen Schutz bieten dürften. Die
streng aromatischen Harzflüsse unsrer Nadelhölzer
[* 51] und andrer Bäume sind in ähnlichem Sinn, da sie sich
an Wundstellen ergießen, von denen gewöhnlich die Angriffe der krank machenden Parasiten ausgehen, als natürliche Wundbalsame
gedeutet worden.
Biologische Bedeutung der tierischen Duftstoffe.
Auch im Tierreich fällt den Duftstoffen offenbar die doppelte Rolle der Anziehung und Abstoßung zu, natürlich mit dem Unterschied,
daß es sich hier nicht mehr um eine Wechselbeziehung zwischen Tier und Pflanze, sondern lediglich um eine
Wirkung zwischen den Tieren unter sich, um sogen. sympathische und antipathische Wirkungen handelt, von denen die erstern vornehmlich
in der geschlechtlichen Anlockung und für das gegenseitige Sichfinden aus der Entfernung eine wichtige Rolle spielen dürften.
Noch bei den Wirbeltieren zeigt die ungemeine, allen übrigen Gehirnsinnesteilen in der untern und ältern
Gruppe vorauseilende Entwickelung der Riechlappen, wie der Geruchssinn ehemals die erste Stellung unter den Sinnesorganen einnahm.
Bei den Wasserwirbeltieren freilich fiel Geruchs- und Geschmackssinn noch in eins zusammen, da sich bei den stets unter Wasser
lebenden Tieren dampfförmige Duftstoffe nicht geltend machen können, obwohl, wie sogleich zu erwähnen
sein wird, auch den Wassertieren riechende Absonderungen eigentümlich sind. Im allgemeinen aber bezieht sich das hier zu
Bemerkende auf Lufttiere, bei denen der Wirkungskreis der Düfte naturgemäß erst zur vollen Ausdehnung
[* 52] gelangt.
Übelriechende antipathische
¶
mehr
Riechstoffabsonderungen dienen in weiten Kreisen der Tierwelt als bequemste Verteidigungs- und Abschreckungsmittel. Sehr viele
Tiere, namentlich Amphibien und Reptilien, strömen, wenn sie gefangen werden, den übeln Knoblauchsduft aus, welcher der Knoblauchkröte
ihren Namen gegeben hat, und einen solchen, vermutlich von der ganzen Oberhaut abgesonderten Angstduft hat man auch häufig
bei vor Gericht stehenden menschlichen Verbrechern beobachtet. Sehr zahlreiche Tiere haben aber einen besondern
Apparat ausgebildet, um Stoffe, die einen lange anhaftenden und unerträglichen Geruch besitzen, in größerer Menge in Vorrat
zu halten und im Augenblick der Gefahr in bald flüssiger, bald dunstförmiger Gestalt auszustoßen. Am meisten bekannt und
verrufen in dieser Richtung sind die Stinkmarder- (Putorius-), Stinkdachs- (Mydaus-) und Stinktier- (Mephitis-)
Arten, welche aus neben dem After liegenden Drüsen dem Angreifer manchmal mehrere Meter weit eine Flüssigkeit entgegenspritzen,
die so übelduftend ist, daß ein von ihr besudelter Mensch am besten thut, die Kleider gleich wegzuwerfen.
Nächstdem sind die Bombardierkäfer (Brachinus-Arten) am bekanntesten, kleine Raubkäfer, die im stande
sind, durch explosionsartig aus dem After hervorgeschossene Wölkchen eines blauen, salpetrig riechenden und ätzenden Dunstes
ihre Verfolger wiederholt zurückzuschrecken. Man hat beobachtet, daß ein solches kleines Tier (Brachinus crepitans) seinen
100mal größern Verfolger, den Puppenräuber (Calosoma inquisitor), 20mal nacheinander zum Stillstehen brachte, und
dadurch entgeht er ohne Zweifel oft der Gefahr, ergriffen zu werden.
Aber diese nämliche Fähigkeit ist den meisten Raubkäfern eigen und dient somit Tausenden von Käferarten zum Schutz, die
nicht so hörbar bombardieren. Die größern Laufkäfer-(Carabus-)Arten senden den Schuß auch auf erhebliche Entfernungen,
während verschiedene Wasserraubkäfer, z. B. die Schwimmkäfer (Dyticus-Arten), aus feinen Poren der Flügeldecken
einen höchst unangenehm riechenden und erst durch mehrmaliges Waschen von den Fingern zu entfernenden Stoff absondern.
Bei den kleinen Drehkäferchen unsrer Wasserflächen (Gyrinus natator) ist der Duft so stark, daß, wenn ein Sammler mehrere
Stück in ein offenes Glas
[* 54] gethan hat, man den Geruch auf 500-600 Schritt spüren soll. Übrigens ist die
Duftabsonderung wohl bei allen Raubkäfern für menschliche Nasen unangenehm, und der oben erwähnte Puppenräuber verbreitet,
wenn man ihn fängt, einen fast betäubend zu nennenden Geruch nach Bittermandelöl oder Nitrobenzol. Unter den übrigen Käfern
führt die ganze Abteilung der Dämmerungskäfer (Tenebrionidae) im Volksmund den Namen der Stinkkäfer;
sie stoßen aber die übelriechende Flüssigkeit vielfach nicht aus dem Hinterteil, sondern aus dem Mund hervor.
Bei mehreren Arten der kleinen Marienschäfchen (Coccinella) tritt, wenn man sie angreift, eine gelbe, unangenehm nach Opium
duftende Flüssigkeit aus den Fußgelenken, und ähnlich verhalten sich die Maiwürmer (Meloë-Arten), die dieserhalb
auch Ölmutter genannt werden. Von den übrigen Insektenklassen sind besonders die Wanzen verrufen, doch gibt es auch unter
den Fliegen, Ameisen, Schmetterlingen und Geradflüglern, namentlich unter den Schaben, viele Arten, die ihrer Ausdünstung wegen
von allen Insektenfressern gemieden werden und dann Anlaß zu Nachahmungen ihrer Tracht, geben (Mimikry-Erscheinungen).
Unsre Widderchen-(Zygaena-)Arten besitzen solche Aussonderungen. Auch bei vielen Insektenlarven findet
sich
dieses Verteidigungsmittel bereits ausgebildet. Rührt man die Larve unsers gemeinen Pappelkäfers (Chrysomela populi)
an, so treten aus 18 kegelförmigen Erhöhungen auf dem Rücken ihrer mittlern Ringe ebenso viele Tröpfchen einer höchst unangenehm
riechenden milchweißen Flüssigkeit hervor, die nach vorübergegangener Gefahr wieder aufgesaugt werden.
Der schon grün und schwarz geringelten Raupe unsers Schwalbenschwanzes wächst, wenn man sie beunruhigt, plötzlich ein schön
orangerotes Gabelhorn aus dem Hinterkopf, welches einen starken Fenchelgeruch verbreitet und jedenfalls ein Verteidigungsmittel
gegen kleine Feinde, wie Mücken und Schlupfwespen, vorstellt. AndreRaupen haben gleich den Schaben und den kurzflügeligen
Raubkäfern (Staphyliniden) solche hervorstülpbare Dufthörner am hintern Leibesende. Diese Beispiele ließen sich ins Unendliche
vermehren.
Viel weniger bekannt als die antipathischen Gerüche sind die sympathischen Duftstoffe, welche namentlich die Weibchen in
bestimmten Zeiten aussondern und damit die Männchen aus weiten Entfernungen zu sich heranlocken; sie sind in vielen Fällen
viel zu schwach, um von unsern Nasen wahrgenommen zu werden. Daß es indessen in vielen Fällen doch nur
der von den Weibchen ausgestreute Geruch sein kann, welcher die Männchen herbeizieht, sieht man schon daraus, daß vielfach
nur die Männchen stärker entwickelte Geruchswerkzeuge und zwar bei den Insekten stärker entwickelte Fühler haben
als die Weibchen.
Man kann dies besonders schön unter den Schmetterlingen bei den Spinnern und unter den Käfern bei den Lamellikorniern sehen,
sofern die Fühlerblätter, die den Duft auffangen, z. B. bei unsern Maikäfermännchen und noch auffallender bei dem sogen.
Walker
[* 55] (Polyphylla Fullo), viel größer entwickelt sind als bei den Weibchen. Bei Nachtschmetterlingen
kann man die Sache auch praktisch erproben, indem man ein Weibchen in einem Käfig aufhängt, welches in der Regel dann bald
von Männchen umschwärmt wird, so daß die Methode der seltenern Arten zum Fang benutzt werden kann.
Bei manchen Insekten sind die Weibchen ungeflügelt, und in einzelnen Fällen kommen sie gar nicht aus
der Erde oder ihren sonstigen Schlupfwinkeln heraus, sondern strecken nur einen kleinen Teil ihres Körpers hervor; dennoch
wissen die Männchen sie zu finden. Selbst im Puppenzustand ist dieser Geruch bei manchen Schmetterlingen schon ausgeprägt,
und man hat wiederholt beobachtet, daß weibliche Chrysaliden, z. B. Seidenraupenpuppen,
schon vor dem Ausschlüpfen Männchen anlockten.
Umgekehrt sind bei den Tagschmetterlingen oft die Männchen mit einem deutlichen, selbst der menschlichen Nase erkennbaren
Duft versehen, ja sie besitzen, wie FritzMüller 1876 entdeckte, besondere Duftorgane, die aus pinselartigen Anhäufungen von
Haar- und Schuppengebilden der Flügel bestehen, die für gewöhnlich nicht offen der Luft ausgesetzt sind,
sondern in einem Umschlag des innern Flügelrandes oder mitten auf der Oberseite der Flügel in kleinen Furchen oder Taschen
liegen, aber daraus hervortreten und sich sträuben können, wo sie dann als die denkbar besten Verbreiter solcher Duftstoffe
in die Luft thätig sein können. Sind die Gebilde aus eigentlichen Schuppen zusammengesetzt, so pflegen
diese doch verlängert und am obern Ende fransenartig zerteilt zu sein, um den wahrscheinlich in flüssiger Form aufsteigenden
Duftstoff besser zu verdunsten. In vielen Fällen ist dieser Duft bisam- und moschusartig,
¶
mehr
wie bei mehreren unsrer Schwärmer, in einzelnen Fällen aber schön vanilleartig und bei den Männchen von Papilio Grayi so
angenehm würzig, daß dieser Falter den von Jean Paul den Schmetterlingen im allgemeinen beigelegten Namen »Blumen der Duft« mit
doppeltem Recht verdient und dazu einladet, wie ein duftender Blumenstrauß verwendet zu werden. Die Duftpinsel
der europäischen Arten wurden namentlich von Dalla Torre untersucht. Auch aus den andern Insektenklassen sind einzelne sehr
angenehm duftende Arten bekannt, z. B. eine prächtig nach Rosen duftende Hummel (Bombus fragrans) aus Südeuropa.
Feinsinnige Beobachter haben schon längst ähnliche Beziehungen wie bei den Tieren auch beim Menschen wahrgenommen, und Goethe
hat bekanntlich sowohl im ersten als im zweiten Teil des »Faust« mehrfache Anspielungen auf die berauschende
und berückende Wirkung des weiblichen Dunstkreises auf Männer wie des männlichen auf Personen weiblichen Geschlechts gemacht.
Im J. 1821 veröffentlichte Cadet-Devaux eine »Dissertation de l'athomosphère de la femme et de sa puissance«, worin allerlei
Beispiele von der Wirkung der weiblichen Atmosphäre auf Männer und ihrer Veränderung durch Krankheiten
angeführt wurden, worauf A. Galopin 1885 ein Buch: »Le parfum de la femme et le sens olfactif dans l'amour« herausgab.
G. Jäger in Stuttgart
[* 57] hatte sich mit diesen Verhältnissen näher beschäftigt und dabei gefunden, daß, ähnlich wie bei
den Schmetterlingen, auch bei dem Menschen die Haargebilde als eigentliche Träger
[* 58] und Verbreiter des Individualgeruchs
zu betrachten seien. Er glaubte dies sogar durch den Versuch beweisen zu können, indem er durch Meßinstrumente eine Erhöhung
der Nerventhätigkeit bei Leuten nachwies, die an dem Haar
[* 59] oder Kopfputz geliebter Personen gerochen hatten.
Diese Ansichten wurden von vielen Philosophen, z. B. von Bacon von Verulam, adoptiert und auch im Volk sehr populär, wie die
bekannte Volksheilmethode des Einhüllens einzelner kranker Glieder
[* 61] oder des ganzen Körpers in das Fett frisch geschlachteter
Tiere beweist. Bacon wies als Beweis auf das hohe Alter, welches Lehrer durch den beständigen Verkehr mit
frischer Jugend zu erreichen pflegen, und sprach von einem Überströmen der Lebensgeister dabei. Auch der Mißbrauch, den man in
frühern Jahrhunderten mit dem frischen Blut Enthaupteter trieb, und die ganze Paracelsische Theorie von der Zauberwirkung der
»Mumie«, h, irgend welcher animalischen Körperstoffe, gehört in diesen Ideenkreis.
Bekanntlich hat Jäger in Stuttgart diese Ansichten neu belebt und ist dabei von der bekannten Thatsache ausgegangen, daß die
Fleisch- und Albuminstoffe der verschiedenen Tiere einen verschiedenen Geschmack und Geruch besitzen, der besonders hervortritt,
wenn dieselben mit starken Säuren oder Alkalien behandelt werden. Es entwickelt sich dann in der Regel
der Geruch, welchen die Fäkalien des betreffenden Tiers besitzen, und es läßt sich in diesem Sinn von Klassen-, Gattungs-,
Art- und Individualgerüchen sprechen, sofern z. B. das Fleisch der Fische
[* 62] bei aller Verschiedenheit im einzelnen durch solche
Behandlung Gerüche von einer gewissen Gemeinsamkeit dem Vogel- oder Säugetierfleisch gegenüber liefert.
Daher präge sich in diesen von dem Eiweißmolekül abspaltbaren Art- und Gattungsgerüchen die durch kein andres chemisches
Verfahren nachweisbare Spezifizität des lebenden Körpers aus, und so unterschieden sich wieder die Rassen einer Art, z. B.
des Menschen, durch einen besondern Duft (Völkergeruch), der den Angehörigen der fremden Rasse mehr und
unangenehmer auffällt als denen der eignen, die ihn nicht mehr bemerken. Dadurch erklärten sich aber auch manche Erscheinungen
des Rassenhasses, gerade so wie verschiedene Instinkte der Tiere durch den bloßen Geruch geweckt werden, z. B. die Wut einer
Katze,
[* 63] wenn man sie mit der Hand
[* 64] berührt, die unmittelbar zuvor das Fell eines Hundes gestreichelt hat.
Das geht nun weiter, sofern die Ausdünstungsstoffe wieder bei einer und derselben Person durch Alter, Konstitution, Befinden
und namentlich durch Affekte beeinflußt werden. Ein lebender Körper dufte besser, wenn derselbe sich in gehobener, fröhlicher
Stimmung als unter dem Einfluß deprimierender Affekte, wie Furcht, Angst, Wut, Haß etc., befindet. Es spiegle
sich demnach auch die ganze seelische Individualität mit allen ihren Stimmungen in den ausgesonderten Duftstoffen, und diese
Ansicht äußerten schon die alten Juden, indem sie aus
Jes. 11, 3-4. schlossen, der Messias werde die Gerechten und Ungerechten
nach ihrem Geruch unterscheiden.
Sie sollen sogar einen falschen Messias, Bar-Kochba, im 2. Jahrh. unsrer Zeitrechnung verleugnet haben, weil er diese Fähigkeit
nicht besessen habe und nicht einmal schwere Verbrecher von rechtlichen Leuten nach dem Geruch unterscheiden konnte. Offenbar
hat sich aus diesen und ähnlichen Anschauungen auch die bekannte, oftmals auf Märtyrergebeine übertragene
Lehre
[* 65] von dem »Geruch der Heiligkeit« entwickelt, welchen Görres in seiner »Christlichen Mystik« von der völligen Harmonie des
geistigen und körperlichen Lebens der Heiligen ableiten wollte.
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