Vielfach ist jedoch die Unzulässigkeit der Berufung gegen die erstinstanzlichen
Urteile der landgerichtlichen
Strafkammern als ein
erheblicher Mangel bezeichnet worden, und für die Wiedereinführung der in diesen
Strafsachen ist namentlich im deutschen
Anwaltstand eine
Bewegung entstanden. Der deutsche Anwaltstag hat sich einstimmig für die Wiedereinführung
ausgesprochen. Man verlangt dieselbe namentlich im
Interesse einer größern Gründlichkeit der
Entscheidung zur thunlichsten
Verminderung der
Gefahr ungerechter
Verurteilung, während die Gegner der Berufung dieselbe als mit dem
Grundsatz der
Mündlichkeit
und Unmittelbarkeit des
Verfahrens sowie der freien richterlichen Veweiswürdigung unverträglich bezeichnen.
Wiederholt ist im
Reichstag über diesen wichtigen Gegenstand verhandelt worden, und zwar waren es zuletzt
zwei
Anträge von Abgeordneten, welche die Grundlage der Beratungen bildeten. Ein
Antrag des klerikalen Abgeordneten
Reichensperger
will das
Rechtsmittel der Berufung dem
Staatsanwalt in gleicher
Weise wie dem Beschuldigten geben, während der
Antrag des freisinnigen
Abgeordneten Munckel die Staatsanwaltschaft im
Recht zur Berufung beschränkt wissen will. Nur durch die Anführung
neuer
Thatsachen oder Beweismittel soll nach Munckels
Vorschlag die von der Staatsanwaltschaft zum Nachteil des Beschuldigten
eingelegte Berufung gerechtfertigt werden können.
Munckel will ferner die gegenwärtige Zahl von fünf
Richtern bei der Besetzung der
Strafkammern beibehalten wissen, während
Reichensperger die Zahl der erstinstanzlichen
Richter auf drei reduzieren will. Die Berufung selbst will
Reichensperger nicht an ein
höheres
Gericht, sondern an Berufungskammern für
Strafsachen gehen lassen, welche bei den
Landgerichten gebildet und mit fünf
Richtern besetzt werden sollen. Munckel schlägt dagegen vor, die an den mit fünfRichtern besetzten
Strafsenat
des Oberlandesgerichts gehen zu lassen. Zu einer
Entscheidung ist es in dieser
Frage jedoch bisher nicht gekommen.
(spr. besannt).Walter, hervorragender engl. Schriftsteller, geb. 1838 zu
Portsmouth,
[* 3] bezog 1859 die
UniversitätCambridge, wo er sich akademische Auszeichnungen erwarb, lebte darauf, während sechs
Jahren eine Professur
bekleidend, auf der
InselMauritius, ward späterhin
Schriftführer des Palestine
ExplorationFund sowie des archäologischen
Instituts der Freimaurer und erwarb sich schon früh eine große Mannigfaltigkeit der Lebenskenntnis, besonders auch
der untern Volksklassen. Er lebt zu
Hampstead bei
London.
[* 4]
Sein Erstlingswerk waren die
»Studies of early
French poetry« (1868),
dem außer seinen Beiträgen zu
Zeitschriften »The French humorists« (1873),
folgten. Gemeinsam mit E.H.
Palmer veröffentlichte er die »History of
Jerusalem«
[* 5] (1871, neue
Ausg. 1890). Ganz
verschiedener Art war die
zuerst anonym und rasch in mehreren
Auflagen erschienene
Erzählung »The revolt of man« (1882), in
welcher er sich in phantastisch-humoristischer
Weise mit der
Frauenemanzipation befaßte.
Schon vorher hatte sich Besant mit
JamesRice (s. d., Bd.
17) zu einer an
Erckmann-Chatrian erinnernden litterarischen
Gemeinschaft verbunden, wie sie gegenwärtig
in
England, ausgenommen für die
Bühne, äußerst selten ist. Aus der
Reihe dieser gemeinsamen
»Besant-Rice novels« (seit 1871),
welche mit
Recht zu den bessern Erzeugnissen der neuern englischen Romanlitteratur zählen, seien besonders »Ready
Money Mortiboy«, eine Geschichte aus der Handelswelt, und das humorvolle »The
golden butterfly« erwähnt. Auch zwei
Dramen brachten die beiden
Autoren gemeinsam auf die
Bühne.
In dem
noch mit
Rice begonnenen, nach dessen
Tod (1882) aber von Besant allein vollendeten sozialen
Roman
»All sorts and conditions of man,
an impossible story« (1882) und mit »The children
of
Gibeon« (1886) erreichte dann Besant eine höhere
Stufe seiner Wirksamkeit: mit dem erstgenannten
Roman,
in welchem er ein ergreifendes
Bild von dem
Los der Armenbevölkerung im
Ostende
[* 6]
Londons entwirft, gab
er den Anstoß zur Begründung
des
People's palace, einer Wohlthätigkeitsanstalt in großartigem
Stil, die 1887 eröffnet worden ist.
Von Besants übrigen
Romanen erwähnen wir: »The captain's room« (1883);
und »The eulogy of
Richard Jeffries« (1888). Besant ist
Herausgeber des großen Werkes »The surveys
of Western Palestine«, ein thätiges Mitglied der
Rabelais-Gesellschaft und Vorsitzender der 1887 begründeten Incorporated
Society of Authors.
Wladimir, russ. Nationalökonom, geb. 1828 zu
Wladimir, war anfänglich im
Finanzministerium beschäftigt,
studierte eifrig die westeuropäischen volkswirtschaftlichen Zustände und Litteratur, besonders die
Englands, und wurde mehrfach
zu amtlichen
Missionen in Rußland und nach dem
Ausland verwendet und bald zum Mitglied der kaiserlichen
Akademie der
Wissenschaften
in
Petersburg
[* 7] sowie zum
Senator gewählt. Er schrieb, abgesehen von zahlreichen Abhandlungen in russischen
Zeitschriften: ȃtudes
sur la physiologie sociale« (1857-59);
Emil, Nordpolfahrer, starb 30. März 1888 in
Stuttgart. ^[= (hierzu der Stadtplan), Haupt- und Residenzstadt des Königreichs Württemberg, des württembergisch ...]
[* 9]
*, Volksstamm auf der InselMadagaskar,
[* 14] in dem bergigen und rauhen Innern derselben, südlich vom 20." südl.
Br., zerfällt in zwei Gruppen: stämmige, kupferrote Leute, welche vornehmlich den nördlichen Teil bewohnen,
und eine schlankere Rasse mit gelblicher Hautfarbe und feinern, regelmäßigern Zügen im S. Ehemals von eignen Königen beherrscht,
sind die Betsileo seit Anfang dieses Jahrhunderts den Howa unterworfen, von denen sie arg bedrückt werden. Die Gesamtbevölkerung
wird von Mullens auf 300,000 Seelen geschätzt, während andre eine weit höhere Zahl angeben Die Howa
haben das Land in zwei Bezirke geteilt mit den Hauptorten Fianarantsoa mit 6000 und Ambositra mit 1500 Einw.
*, eine Landschaft von Madagaskar, an der Ostküste desselben zwischen dem Andemponafluß (14" 28' südl.
Br.) bis zur Mündung des Jesaka (21" südl. Br.), ein schmaler Küstenstreifen zwischen dem IndischenOzean
und der von Wohemar bis FortDauphin sich erstreckenden Kette, von welcher sich unzählige Flußläufe zum Meer hinabziehen,
wo ihre Mündungen, durch Alluvionen verstopft, große Sümpfe und Lagunen bilden. Die Küste verläuft von der Antongilbai im
N. ziemlich gleichförmig und hafenlos; von den ihr vorliegenden Inseln ist nur Ste.-Marie von Bedeutung.
Die Bevölkerung
[* 15] setzt sich aus einer Menge kleiner, den Howa ähnelnder Völkerschaften zusammen, welche gewöhnlich auch als
Betsimarka bezeichnet werden und in die beiden Abteilungen der Antewa und Worimo zerfallen, von welchen sich indes die hier
ebenfalls wohnenden Betanimena wesentlich unterscheiden. Die Howa haben, nachdem sie das Land in Besitz
genommen, dasselbe in elf Provinzen geteilt. Die wichtigsten Hafenplätze sind Tamatave, Foulpointe und Fenerivo, das erste
wichtigster Hafen und französischer Posten der Ostküste, während Ste.-Marie 1750 an Frankreich abgetreten, von diesem aber
erst 1821 besetzt wurde.
*, wichtigste Stadt des Distrikts Tschamparan der britisch-ind. ProvinzBengalen, am Harhafluß und an der Eisenbahn
nach Muzaffarpur, mit (1881) 21,263 Einw., hat einen großen Palast des Maharadscha von Bettia, eine römisch-kath. Kirche und Missionshaus
und jährlich eine große, von 30,000 Menschen besuchte Messe zu EhrenRamas.
* (Bitul), Distrikt der DivisionNarbada in den britisch-ind. Zentralprovinzen, 10,114 qkm (184 QM.) groß mit (1881)
304,905 Einw. Das von Bergzügen eingeschlossene Land wird von mehreren Flüssen durchzogen, ist stark bewaldet, zeigt Spuren
von Steinkohle, ist aber wenig angebaut;
4)
FriedrichFerdinand, Graf von, österreich. Staatsmann, starb auf SchloßAltenberg bei Wien,
[* 16] wohin
er sich nach seiner Pensionierung zurückgezogen hatte. Nach seinem Tod erst erschienen die von Beust selbst herausgegebenen
Denkwürdigkeiten: »Aus drei Vierteljahrhunderten. Erinnerungen und Aufzeichnungen« (Stuttg. 1887, 2 Bde.),
welche indessen nur einen geringen geschichtlichen und litterarischen Wert besitzen, da sie offenbar
nur dem BedürfnisBeusts dienen, sich vor der Mitwelt in besseres Licht
[* 17] zu stellen.
In vorstehenden Zahlen sind nur die Lebendgebornen berücksichtigt Über die Totgebornen liegen nicht aus allen Ländern statistische
Beobachtungen vor In der gleichen Zeit starben durchschnittlich jährlich von je 1000 Personen der mittlern
in
Der Unterschied zwischen der Geburts- und Sterblichkeitsziffer jedes Landes ergibt die jährliche natürliche Bevölkerungsvermehrung
für je 1000 Personen.
Mit der natürlichen Bewegung der Bevölkerung stimmen indessen nicht die thatsächlich stattgehabten Änderungen
der Volkszahl überein. Denn zu den Geburten und Sterbefällen treten noch Ein- und Auswanderungen. In den meisten europäischen
Ländern überwiegt die letztere, während die Vereinigten Staaten
[* 22] von Nordamerika
[* 23] alljährlich einen erheblichen Zuwachs durch
Einwanderung erhalten. So hat Deutschland
[* 24] 1881 durch Wanderung rund 0,47 Proz. seiner Bevölkerung verloren, 1877 dagegen
nur 0,05 Proz. Sehr groß ist dieser Verlust durch Wanderung seit 1841 besonders in Irland gewesen.
Zur Litteratur: Jastrow, Die VolkszM deutscher Städte zu Ende des Mittelalters :c. (Verl. 1886). Beloch,
Historische Beiträge zur Bevölkerungslehre, 1. Teil: »Die Bevölkerung der
griechisch-römischen Welt« (Leipz. 1886).
(Kraftbedarf) der Fahrzeuge. Eine genaue theoretische Vorherbestimmung der Widerstände zwischen
Fahrzeug und Bahn ist in den meisten Fällen nicht möglich, teils weil die physikalischen Gesetze, nach welchen die Widerstände
wirken, noch nicht genügend erforscht, teils weil sie von mancherlei Zufälligkeiten, die rechnerisch
gar nicht zu berücksichtigen sind, beeinflußt werden. Dennoch ist man im stande, mittels Erlahrungszahlen, die durch Versuche
mit ausgeführten Fahrzeugen ermittelt sind, wenigstens annähernd die Größe der genannten Widerslände, bez. der zu ihrer
Überwindung erforderlichen bewegenden Kraft
[* 27] für ein zu erbauendes Fahrzeug vorherzudestimmen.
Durch Steigen oder Fallen der
[* 28] Bahn wird der Bewegungswiderstand stark modifiziert, weil beim Steigen der Bahn auch noch das
Gewicht der Fahrzeuge (einschließlich der Last) entsprechend der Neigung der Bahn gehoben werden muß (also der Fortbewegung
entgegenwirkt), beim Fallen derBahn jedoch die Fortbewegung unterstützt. Endlich wird der Widerstand auch
durch die Trägheit der zu transportierenden Massen beeinflußt, wenn die Fahrgeschwindlgteit wechselt, und zwar derart, daß,
um ein Fahrzeug aus dem Zustand der Ruhe in eine gewisse Geschwinddigkeit zu versetzen oder die Geschwindigkeit zu vergrößern,
eine größere Kraft aufzuwenden ist als bei gleichmüßiger Bewegung, während behufs Verringerung der
Geschwindigleit, bez. zum Anhalten eine geringere bewegende Kraft als bei gleichmäßiger Bewegung, oder gar keine Kraft, oder
gar eine der Bewegung entgegengesetzte Kraft aufzuwenden ist (z.B. die Kraft, der Bremsen
[* 29] oder Gegendampf).
1. Landfahrzeuge. Die Straßenfahrzeuge (Fuhrwerke). a) Die Bewegungswiderstände der Schlitten oder Schleifen bestehen bei
horizontaler Bahn im wesentlichen aus der zwischen den Kufen derselben und der Bahn hervorgerufenen Reibung,
[* 30] welche nach dem Zustand der sich reibenden Flächen sehr verschieden ist. Die folgende Tabelle gibt an, der wievielte Teil
von dem Gewicht der Schlitten samt Ladung unter verschiedenen Umständen, jedoch stets unter der Voraussetzung einer horizontalen
Bahn als Bewegungswiderstand zu rechnen ist (Widerstandskoeffizient des Schlittens).
Will man z. B. auf guter Schneebahn einen Schlitten mit hölzernen Kufen fortbewegen, der mitsamt der Ladung 1600 kg wiegt, so
ist der Bewequngswiderstand = 0,035 1600 = 56 kg, zu dessen Überwindung nach Bd. 1. S. 747 (unter
Voraussetzung einer Geschwindigkeit von 1 m pro Sekunde) ein Pferd
[* 31] reichlich genügt, statt dessen könnten auch sechs Männer
verwendet werden (die jedoch andauernd nur mit 0,8 m
¶
mehr
Geschwindigkeit ziehen könnten). In bedeutendem Maß wird der Vewegungswiderstand der Schlitten durch Steigen oder Fallen derBahn beeinflußt. Steigt die Bahn an, so kommt zu dem Widerstand, welcher mit Hilfe der Widerstandskoeffizienten ermittelt ist
und Bahnwiderstand genannt werden möge, noch diejenige Kraft hinzu, mit welcher die Gesamtlast, vermehrt um das
Gewicht des Motors, vermöge ihrer Schwere der Aufwärtsbewegung in schräger Richtung entgegenwirkt (die vertikale Schwerkraftkomponente).
Letztere wird mit genügender Genauigkeit erhalten, wenn man die Last mit dem Steigungsverhältnis der Bahn (d. h. dem echten
Bruch, welcher angibt, auf wieviel Meter horizontaler Länge die Bahn um 1 m ansteigt) multipliziert. Der Gesamtwiderstand
bei ansteigender Bahn ist daher die Summe des Bahnwiderstandes und der vertikalen Schverkraftkomponente. Fällt dagegen die
Bahn, so wirkt die Schwerkraftkomponente dem Bahnwiderstand entgegen und ist daher von diesem zur Ermittelung des Gesamtwiderstandes
abzuziehen.
Bei stark abfallender Bahn kann nun der Fall eintreten, daß die Schwerkraftkomvonente größer als der Bahnwiderstand
ist. Dann wird der Gesamtwiderstand negativ, d. h. es ist kein Widerstand, sondern im Gegenteil eine bewegende Kraft vorhanden,
welche den Schlitten mit beschleunigter Geschwindigkeit abwärts treibt. Zur Vermeidung zu großer Geschwindigkeiten müssen
dann die vorgespannten Menschen oder Tiere sich der Bewegung entgegenstemmen. Steigt mit Bezug auf das vorige Beispiel die
Bahn auf 80 m Länge um 1 m an (Steigungsverhältnis = 1/80), so ist die Schwerkraftkomponente = 1/80. 1600 - 20 kg und somit
der Bewegungswiderstand 56 + 20 - 76 kg, wozu noch, wenn ein Pferd von 300 kg Gewicht davorgespannt wird, 1/80.300 = 4 kg hinzuzurechnen
sind, so daß im ganzen eine Zugkraft von 80 kg auszuüben ist.
Hat die Bahn jedoch ein Gefälle von 1/30, so bleibt ein auf Bewegung wirkender Überschuß von 56 - (1600 + 300) / 30 = 56 - 63 =
-7 kg, gegen welchen das Pferd sich eventuell anstemmen muß. b) Die Bewegungswiderstände der Karren
[* 33] (zweiräderige
Fuhrwerke) und Wagen (vierräderige Fuhrwerke) bestehen zum kleinern Teil aus der Achsenreibung, vorzüglich aber in den Hindernissen,
welche die Fahrbahn darbietet. Rollen
[* 34] die Räder über weichen Boden hin, so drücken sie »Geleise« in denselben oder vergrößern,
wenn solche schon vorhanden, deren Tiefe.
Bei sehr tiefem Sand oder Kot findet ferner ein Zusammenschlagen des Erdreichs über den Felgen der Räder
und bei aufgeweichten Wegen ein Festkleben der Räder am Boden statt. Aber auch bei festen Wegen tritt ein Zusammendrücken,
bez. eine Abnutzung der Fahrbahn ein. Alle diese Umstände machen sich als Bewegungshindernisse geltend, die von der Zugkraft
überwunden werden müssen. Hierzu kommen noch die Hindernisse, die durch Unebenheiten der Bahn (hervorstehende Steine etc.)
und durch Winddruck hervorgerufen werden. Die Summe aller dieser Widerstände hat man dadurch ermittelt, daß man beladene
Wagen mittels Zugtiere in Bewegung gesetzt und die dazu aufgewendete Kraft, welche als den Widerständen gleich anzunehmen
ist, mittels Kraftmesser (Dynamometer,
[* 35] s. Bd. 5, S. 264) gemessen hat. Dahin gehende Versuche sind von Edgeworth, Rumford, Bevan,
Macneill, Corrèze und Manès, Minard, Kossak, der bayrischen Artillerie und von Morin angestellt worden. Namentlich die Ergebnisse
er von letzterm vorgenommenen Versuche gelten als maß
gebend. Die Bewegungswiderstände der Räderfahrzeuge bei verschiedenem Zustand oer Fahrstraßen, verschiedenen
Raddurchmessern und verschiedenen Fahrgeschwindigkeiten sind nach den VersuchenMarins in folgender Tabelle zusammengestellt
und zwar wieder als Teile der Last, einschließlich der Fuhrwerke (Widerstandskoeffizienten). Hierbei ist eine horizontale
Fahrstraße, eine Radfelgenbreite von 100-200 mm und ein Achsendurchmesser von 65 mm vorausgesetzt.
Will
man z. B. einen mit Ladung 5000 kg wiegenden Frachtwagen auf einer wie bei I, 5) beschaffenen Chaussee fortschaffen, so
beträgt der Widerstand 5000 / 22 = 227 kg, die erforderliche Zugkraft kann nach Bd 1, S. 747, von vier Pferden bei 1 m
Geschwindigkeit dauernd geleistet werden.
¶
mehr
Im übrigen haben die Morinschen Versuche ergeben, daß der Widerstand, welchen ein gutes Steinpflaster oder eine fest zusammengefahrene
Schotterstraße der Bewegung der Wagen entgegensetzt, nahezu im direkten Verhältnis der Last, im umgekehrten Verhältnis zum
Raddurchmesser steht und dagegen beinahe unabhängig von der Anzahl der Räder und der Felgen- oder Radreifenbreite
ist. Auf weichem oder zusammendrückbarem Boden sowie auch auf frisch beschotterten Straßen nimmt dieser Widerstand ab, wenn
die Reifenbreite größer genommen wird.
c) Eisenbahnfahrzeuge. Bei den: Bewegungswiderstand der Eisenbahnfahrzeuge sind zu unterscheiden:
Widerstand auf gerader horizontaler Strecke, Widerstand in Kurven, Widerstand auf Steigungen. Der Widerstand der Eisenbahnwägen
und Tender auf gerader, horizontaler Strecke, bestehend im wesentlichen aus der Achsenreibung, der rollenden Reibung zwischen
Rädern und Schienen, aus den durch die Unebenheiten der Bahn (z. B. die Schienenstöße) dargestellten Hindernissen
und dem Luftwiderstand, läßt sich mit Einschluß des Kurvenwiderstandes annähernd darstellen durch den Ausdruck W1 =
Q (0,003 + 0,0002) v² ^[W_1 = Q (0,003 + 0,00002 v^(2), wenn Q die
Bruttolast (Ladung und Wagen) in Kilogrammen und v die Zugsgeschwindigkeit in Metern pro Sekunde bedeutet.
Für die Lokomotiven kann man denselben Ausdruck gebrauchen, wenn man zur Berücksichtigung der Reibungswiderstände
der Maschinenteile (Kolben, Kreuzköpfe, Kurbelstangen) den einfachen Betrag des Lokomotivgewichts in Rechnung stellt. Auf Steigungen
und Gefallen kommt noch, genau wie bei den Straßenfahrzeugen, die vertikale Schwerkraftkomponente hinzu, welche sich ergibt
als das Produkt aus der Bruttolast und dem Steigungsverhältnis (bez.
dem Gefälle) und demgemäß dargestellt wird durch den Ausdruck W1 = ± 1/n Q ^[W_1 = ± 1/n Q], wobei das +Zejchen für
Steigungen, das -Zeichen für Gefälle zu setzen ist und 1/n das Steigungsverhältnis bedeutet. Man hat somit den Gesamtwiderstand
W = Q (0,003 + 0,0002) v² ± 1/n Q ^[W = Q (0,003 + 0,0002)
v² ± 1/n Q] für Wagen und 7/6 Q (0,003 + 0,0002) v² ± 1/n Q ^[7/6 Q (0,003 + 0,0002)
v² ± 1/n Q] für Lokomotiven. Hierbei ist nur der eigentliche Bahnwiderstand geringer als beim Wagentransport, während
der Steigungswiderstand genau ebenso, als wenn dieselbe Last Q auf Straßenfuhrwerk befördert würde,
mit der Steigung wächst. Der Gesamtwiderstand der Eisenbahnfahrzeuge wird sich daher um so mehr demjenigen der Straßenfuhrwerke
nähern, je stärker die zu überwindenden Steigungen sind. BeimFahren auf einer guten Chaussee ist nach obiger Tabelle der
Widerstand bei scharfem Trab = 1/40 obiger Tabelle der Bruttolast Für die selbe Geschwindigkeit (3,5 m pro
Sekunde) würde der Bahnwiderstand beim Eisenbahntransport nur 0,003 -^
0,00002 . 3,5 . 3,5
= etwa
1/300 sein, d. h. die Kraft zum Fortschaffen von Lasten auf sehr guten Straßen ist ungefähr 1/40 . 300 = 7½ mal so
groß wie auf Eisenbahnen. Dieses günstige Verhältnis der Eisenbahnen wird jedoch bei steigender Bahn bedeutend verschlechtert.
Bei einem Steigungsverhältnis 1/40 ist der Fuhrwerkswiderstand 1/40 + 1/40 = 1/20 und der Widerstand auf Eisenbahnen = 1/300
+ 1/40 = 17/6,0 = 1/35, also ersterer nur noch 1/20 . 35 = 1¾ mal so groß
als letzterer. Der Widerstand W stellt zugleich die Zugkraft der Lokomotive
[* 37] dar, welche bei gewöhnlichen Eisenbahnen nur dadurch
auf den Zugübertragen wird, daß die gleitende Reibung (Adhäsion) zwischen den Treibrädern und den Schienen mindestens ebenso
groß wie die Zugkraft selbst ist. Es muß also ein genügend großer Teil des Lotomotivgewichts als
sogen. Adhäsionsgewicht auf den Treibrädern lasten, um diese Adhäsion erzeugen zu können.
Die Adhäsion beträgt etwa ⅛ des Adhäsionsgewichts, so daß man umgekehrt bei bekannter Zugkraft das Adhäsionsgewicht
gleich dem achtfachen Werte derselben findet. Wenn eine Lokomotive von 40,000 kg Gewicht einen Zug
von 150,000
kg bei einer Steigung von 1/120 nur einer Geschwindigkeit von 10 m pro Sekunde bewegen soll, so ist der Widerstand des Ganzen
oder die erforderliche Zugkraft der Lokomotive, bez. die Adhäsion der Treibräder = 150,000 (0,003 + 0,0002 . 100) + 150,000/120
7/6 40,000 (0,003 +0,00002 . 100) + 40,000/120
= 2566 kg. Hieraus ergibt sich das erforderliche Adhäsionsgewicht = 8 . 2566 = 20,528 kg, also
ungefähr die Hälfte des Lokomotivgewichts. Mit der Ermittelung des Bewegungswiderstandes der Eisenbahnfahrzeuge haben sich
eine große Reihe von Forschern beschäftigt, so Pambour, Harding, Gooch, Redtenbacher, Clark, Welkner, Vuillemin, Dieudonné,
Guebhard u. a.
Il. Wasserfahrzeuge (Prahme, Kähne, Boote, Schiffe).
[* 38] Die theoretische Ermittelung der Bewegungswiderstände
der Wasserfahrzeuge ist wegen der außerordentlich verwickelten Natur derselben ganz besonders schwierig, so daß man trotz
über ein Jahrhundert langer Bemühungen aus zahlreichen Versuchen noch keine allgemein gültige Formel gefunden hat, nach welcher
man den Bewegungswiderstand vorausbestimmen könnte. Überhaupt wird man nie zu einer Formel gelangen,
in welcher der Bewegungswiderstand in so einfachem Verhältnis von der zu transportierenden Last abhängig erscheint, wie dies
bei den Formeln für Landfuhrwerke der Fall ist (vgl. z. B. die obige für Eisenbahnfahrzeuge),
und aus welcher man direkt entnehmen kann, welchen Teil der Last die Zugkraft betragen muß, weil der
Schiffswiderstand in zu hohem Maß von den Verhältnissen des Schiffs abhängig ist.
Nach der ältern sogen. Verdrängungstheorie besteht der Hauptteil des Widerstandes in den der Verdrängung des Wassers entgegenwirkenden
Kräften, d. h, in einem Druck, den der vordere Teil eines Schiffs auszuüben hat, um das Wasser zu zerteilen,
und in einer Saugwirkung, die der hintere Teil des Schiffs ausüben muß, um das Wasser wieder zusammenzuschließen. Der Widerstand
zeigt sich demgemäß in den nach dieser Theorie aufgestellten Formeln abhängig von dem größten eingetauchten Querschnitt
des Fahrzeugs, weil dieser
¶
mehr
gewissermaßen für die Größe der Verdrängung maßgebend erschien. Nach der neuern sogen. Stromlinientheorie
dagegen (welche davon ihren Namen hat, daß man sich das Wasser in lauter Faden
[* 40] oder Stromlinien zerlegt denkt) würde in einer
idealen reibungslosen Flüssigkeit von einem tief untergetauchten Körper gar kein widerstand hervorgerufen, weil dabei zur
Verdrängung des Wassers eine Arbeit nicht erforderlich ist, indem der durch die Ablenkung der Stromfäden
von der geraden Linie erzeugte Druck nach hinten durch den nach vorn gerichteten Druck der sich wieder zusammenschließenden
Stromfäden vollkommen aufgehoben wird.
Wird dagegen derselbe Körper in einem der Wirklichkeit entsprechenden, nicht reibungslosen Fluidum tief untergetaucht
bewegt, so entsteht Widerstand infolge der Flächenreibung und, wenn der Körper nicht sehr schlank ist, durch Wirbelbildung.
Bewegt sich endlich der Körper wie ein Schiff
[* 41] auf der Oberfläche einer nicht reibungslosen Flüssigkeit, so entsteht außerdem
Reibung und Wirbel bildenden Widerstand noch ein Wellen
[* 42] bildender Widerstand. Der Reibungswiderstand rührt von der Adhäsion
der Wasserteilchen an der benetzten Oberfläche des Schiffs her, ist außer von dem Inhalt dieser Fläche auch von ihrer Länge
und ferner von ihrem Zustand (glatt oder rauh) sowie von der Schiffsgeschwindigkeit abhängig, während er von der Schiffsform,
vorausgesetzt, daß dieselbe in samten Linien verläuft, und von der Größe des Wasserdrucks so gut wie
gar nicht beeinflußt wird, bei gut gebauten Schiffen beträgt der Reibungswiderstand stets mindestens die Hälfte des Gesamtwiderstandes
und zwar bei geringern Geschwindigkeiten bis zu 3-4 m pro Sekunde 80-90 Proz. und bei den größten Geschwindigkeiten noch 50-70
Proz. desselben, wenn die Flächen rein und glatt, wird aber noch größer, wenn die Flächen rauh sind
(z. B. bei Seeschiffen durch Bewachsen mit Seetieren).
Der Wirbelwiderstand, welcher eine Wirbelbildung im Kielwasser hervorbringt, beträgt bei gut gebauten Schiffen etwa 8-10 Proz.
des Reibungswiderstandes, kann dagegen durch schlechte Schiffsformen, besonders wenn die Hinterschiffe nicht schlank genug
sind, bedeutend stärker werden. Der Wellenwiderstand wird durch die Oberflächenstörung verursacht.
Die Ablenkung der Stromfäden vom Vorderteil des Schiffs bringt eine Verzögerung der Bewegung der Stromfäden mit sich. Diese
hat eine Druckvermehrung zur Folge, welche sich in einer Niveauerhöhung, einer Welle (Bugwelle), äußert. In der Mitte des
Schiffs haben die Stromfäden ihre größte Geschwindigkeit, so daß dort eine Druckabnahme eintritt, welche
eine Niveausenkung, ein Wellenthal, herbeiführt, während durch die nochmalige Verzögerung der Stromfaden wiederum eine
Druckvergrößerung eintritt und somit eine zweite Welle (Heckwelle) gebildet wird. Die
Bugwelle sucht das Schiff rückwärts, die Heckwelle vorwärts zu treiben, wirkt daher der Druck beider auf das Schiff
gleich groß, so würde der Wellenwiderstand = 0 sein. In Wirklichkeit ist aber die Bugwelle immer stärker als die Heckwelle,
so daß der Willenwiderstand sich als der Drucküberschuß der Bugwelle über die Heckwelle darstellt. Diese Druckdifferenz
hängt im wesentlichen ab von der Länge des Vorder- und Hinterschiffs zu der Geschwindigkeit und zwar in der
Weise, daß für jedes Schiff entsprechend seinen Längendimensionen eine Grenze der Geschwindigkeit besteht, über welche hinaus
ein geringer Zuwachs an Geschwindigkeit von einer unverhältnismäßig starken Zunahme des Wellenwiderstandes begleitet ist.
Diese Grenze ist nach
Nussel erreicht, wenn die Geschwindigkeit = 3,63 √(l1 + l2) m pro Sekunde
wird, wobei l1 und l2 die Längen des Vorder- und Hinterschiffs in Metern sind. Nicht unbedeutend ist übrigens der Einfluß
der Schiffsschrauben auf den Wellenwiderstand, indem sie dadurch, daß sie das Kielwasser heftig nach hinten werfen, die Bildung
der Heckwelle stören, also den Wellenwiderstand vergrößern. Da nach der Stromlinientheorie die Reibungswiderstände
überwiegen, so erhalten die hierher gehörigen Formeln als wesentlichen Faktor die benetzte Oberfläche des Schiffs.
Auf der Verdrängungstheorie beruhende Formeln sind aufgestellt von Compaignac, Mansel, Nystrom, Tredgold, Guede und Jay, Thornycroft,
Middendorf, Riehn, Isherwood, Bourgois, Dupun de Lome, während Rankine, Kirk, Fronde, Tidemann und Rauchfuß ihren Formeln die
Stromlinientheorie zu Grunde gelegt haben. Die Formel von Compaignac, welche zu überschläglichen Berechnungen des Bewegungswiderstandes
benutzt werden kann und bei langsamer Bewegung einigermaßen zutreffende Resultate ergibt, stellt den Widerstand der durch den
Ausdruck ζ . F (v² / 2 g) Ɣ, wobei F die eingetauchte Fläche des größten Schiffsquerschnittes (Hauptspants) in
Quadratmetern, v die Geschwindigkeit des Schiffs in Metern, relativ gegen das Wasser, ζ das Gewicht eines Kubikmeters Wasser,
F die Beschleunigung der Schwere = 9,81 und ζ ein gewisser von der Form des Schiffs abhängiger Koeffizient ist. Hierbei ist
zu setzen
für Prahme, die überall gleich breit und vorn u. hinten von vertikalen Flächen begrenzt sind
ζ = 1.1
bei prismatischen Fahrzeugen mit schräg aufwärts gerichteten Vorder- und Hinterflächen
Die Formel von Rankine setzt den Widerstand W = 0,202 v² . O ^[W = 0,202 v² . O] Kilogramm, wenn v die Geschwindigkeit
in Metern und O die benetzte Schiffsoberfläche bedeutet. Diese Formel gilt nur für gut gebaute Seeschiffe. Andre gebräuchliche
und genauere Formeln sind komplizierter. Für ein Seeschiff, dessen eingetauchte Hauptspantfläche F = 20 qm, dessen benetzte
Oberfläche O = 500 qm und dessen Geschwindigkeit v = 3 m pro Sekunde (ca. 6 Seemeilen in der Stunde) beträgt,
würde nach der Formel von Compaignac (wenn ζ = 0,1 und Ɣ = 1000 angenommen wird) der Widerstand W = 0,1 . 20 . (9 / (2 . 9,81)) . 1000 = 917 kg
betragen, während er nach der Formel von Rankine sich zu W = 0,2 . 2 . 9 . 500 = 909 kg berechnet. Bei 0,3
m Geschwindigkeit würde sich nach beiden Formeln ein Widerstand von rund 9 kg ergeben.