»Zur Geschichte des
Meerschaums« (2. Aufl., das. 1883)
u. a. Ziegler starb in
Wiesbaden.
[* 5]
6) Klara, Schauspielerin, geb. zu
München,
[* 6] debütierte 1862 in
Bamberg
[* 7] als
Jungfrau von Orléans,
sodann in derselben
Rolle auf dem
Münchener Hoftheater mit großem Erfolg und nahm darauf als erste Heldin ein
Engagement in
Ulm
[* 8] an, wo sie mit kurzer
Unterbrechung bis 1865 blieb. Sie ging hierauf an das neue Aktientheater in
München,
dessen
Direktion ihr
LehrerChristen übernommen hatte, und weihte das Unternehmen als »Isarnixe«
ein, nahm später ein
Engagement in
Leipzig
[* 9] an, kehrte aber schon nach Jahresfrist nach
München zurück, wo sie 1868 für das
Hoftheater engagiert ward.
in der Jägersprache das langsame Fortschreiten derHirsche,
[* 21]
Sauen und
Rehe;
zu
Holze ziehen sagt
man von der Jägerei, wenn solche sich durch die gehobenen
Tücher in ein
eingestelltes Jagen, vom Vorsuchsjäger, wenn sich
dieser mit dem Lauthund in den
Wald begibt, vom Hochwild, wenn dasselbe vom
Feld in den
Wald wechselt;
im Handelsverkehr s. v. w.
trassieren (einenWechsel);
Eduard, Schriftsteller, geb. zu
Tostedt in
Hannover,
[* 22] studierte zu
Göttingen
[* 23] und
Bonn
[* 24]
Theologie und
Philologie,
war 1844-48
Hauslehrer im
Haus des hannöverschen Bundestagsgesandten v. Lenthe zu
Frankfurt a. M. und lebte dann als Privatgelehrter
daselbst, seit 1855 auch an der Redaktion der »Oberpostamtszeitung«
beteiligt. Er starb Für seine
Erzählungen wählte Ziehen mit Vorliebe den
Hintergrund des hannöverschen Wendenlandes
und verlieh denselben durch treue Schilderung der uralten
Sitten und
Gebräuche der ursprünglich wendischen
Bevölkerung
[* 25] einen
kulturhistorischen Wert. Hier sind hervorzuheben: »WendischeWeiden« (Frankf. a. M. 1854);
welche sich
sämtlich durch lebendige
Züge und sorgfältige
Darstellung auszeichnen.
Außerdem veröffentlichte er das lyrisch-epische
Gedicht
»Eginhard und
Emma« (Frankf. 1860) und trat später unter demPseudonymEduard Ellersberg auch mit
dramatischen
Versuchen, z. B. dem
Lustspiel »Eine Damenverschwörung« und den
Schauspielen: »In stürmischer Zeit« und
»Gaston
von Ronac«, hervor.
KleineAkkordions haben für die rechte
Hand
[* 27] nur eine diatonische
Skala und für die linke
wenige Harmoniebässe, die eine freie
Modulation unmöglich machen;
Hauptstadt des
KreisesOststernberg, im preuß. Regierungsbezirk
Frankfurt, am Postumfließ, hat 2 evangelische
und eine kath.
Kirche, eine
Synagoge, ein Waisenhaus, ein
Amtsgericht, Wollspinnerei, Tuchwalkerei,
Färberei,
Korkfabrikation, Bierbrauerei,
[* 29]
Wasser-,
Dampf- und
Windmühlen, Ziegelbrennerei und (1885) 5769 meist evang. Einwohner;
eingeführt, die aus einer Papierpatrone mit Rundkugel von 9 mm und 1,2 g Ladung besteht, die unter Anwendung einer Messingpatronenhülse
mit Zündhütchen verschossen wird. Sie ist aus jeder Schußwaffe M/71 ohne weiteres verwendbar.
ein in den Organismen angenommenes Vermögen, in ihrer Entwickelung einem vorgesetzten, durch die Anfangsorganisation
gegebenen Ziel zuzustreben. Wie in einem pflanzlichen oder tierischen Embryo die Anlage vorhanden ist, sich
zu der von den Anfangsstufen oft sehr verschiedenen Endform zu entwickeln, von der er abstammt, so soll nach E. v.
Baers Zielstrebigkeitstheorie auch in den vorweltlichen Organismen bereits die bestimmt gerichtete Anlage gelegen haben, sich
zu den heutigen Formen zu entwickeln, z. B. in den fünfzehigen Ahnen der Pferde
[* 33] das Endziel der einhufigen
Renner. Da aber von vielen vorweltlichen Wesen doppelte und mehrfache Nachkommenlinien ausgegangen sind, so ergibt sich der
Schluß, daß die äußern Umstände auf die Weiterentwickelung doch mehr Einfluß haben müssen als die sogen.
Zielstrebigkeit.
Felix, franz. Maler, geb. zu Beaune (Côte d'Or), bildete sich auf der Kunstakademie in Dijon,
[* 34] unternahm
1845-48 Studienreisen in Italien
[* 35] und dem Orient und stellte 1849 zuerst in Paris
[* 36] aus, wo er seinen Wohnsitz nahm. Von seinen
Bildern, welche durch glänzende koloristische und Beleuchtungseffekte blenden, aber später in der Ausführung
sehr skizzenhaft und flüchtig wurden, sind zu nennen: Sonnenuntergang auf dem Nil;
Auch gab er mit zahlreichen hervorragenden Fachmännern das »Handbuch der speziellen
Pathologie und Therapie« (Leipz. 1875-84, 17 Bde.;
darin das »Handbuch der Hygieine und der Gewerbekrankheiten«, mit Pettenkofer, in 3 Teilen, 1882-87),
das »Handbuch der allgemeinen
Therapie« (das. 1880 bis 1884, 4 Bde.
in 9 Teilen) und seit 1865 mit Zenker das »Deutsche
[* 50] Archiv für klinische Medizin« heraus.
(spr. sihrikse), Stadt in der niederländ.
ProvinzZeeland, Hauptort der InselSchouwen, mit der Osterschelde durch einen Hafen verbunden, Sitz eines Bezirksgerichts und
eines deutschen Konsulats, war früher befestigt, hat 6 Kirchen, ein schönes Rathaus, ein Gymnasium, eine Bürger-, eine Zeichenschule,
eine große Wasserzisterne von 2000 Ton. Gehalt, Krapp- und Garancinfabrikation, Austernfang, Brauerei, Handel, Schiffahrt
und (1887) 7043 Einw. Zierikzee ist die älteste Stadt Zeelands und war früher bedeutende Handels- und Hansestadt.
eine ständische Einigung der österreichischen Lande unter dem HausHamburg
[* 58] mit Wahrung der protestantischen Freiheit zu erreichen.
Als er sich durch Khlesls reaktionäre Politik getäuscht sah, legte er sein Amt nieder, begab sich nach der Niederwerfung der
böhmischen Erhebung, die er nicht gebilligt hatte, in freiwillige Verbannung nach Breslau
[* 59] und starb in
Prerau. Seine wertvollen BriefegabBrandt heraus (Prag
[* 60] 1870-72).
(Ziesel, SpermophilusCuv.), Säugetiergattung aus der Ordnung der Nagetiere,
[* 65] der Familie der Eichhörnchen (Sciurina)
und der Unterfamilie der Murmeltiere (Arctonugina), kleine Tiere mit verhältnismäßig schlankem Leib,
gestrecktem Kopf, großen Backentaschen, in Pelz versteckten Ohren, kurzem, an der Endhälfte zweiseitig buschig behaartem Schwanz,
vier Zehen und kurzer Daumenwarze an den Vorder- und fünf Zehen an den Hinterfüßen. Von den zahlreichen auf die nördliche
Erdhälfte beschränkten Arten ist unsre Zieselmaus (SpermophiluscitillusWagn., s. Tafel »Nagetiere I«)
[* 66] 22-24 cm
lang, mit 7 cm langem Schwanz, etwa 9 cm hoch, oberseits gelbgrau, unregelmäßig rostgelb gewellt und fein gefleckt, unterseits
rostgelb, am Kinn und Vorderhals weiß und an der Nasenkuppe schwärzlich.
Die Zieselmaus findet sich namentlich in Osteuropa, dringt aber seit 40 Jahren in Schlesien immer weiter westlich
vor. Albertus Magnus kannte sie bei Regensburg,
[* 67] wo sie jetzt nicht mehr vorkommt. Die Alten nannten sie pontische Maus. Sie
lebt meist zahlreich und gesellig in trocknen, baumleeren Gegenden auf Ackerfeldern und weiten Grasflächen, gräbt einen
1-1,5 m tiefen Bau mit nur einem Gang
[* 68] und einem Kessel von 30 cmDurchmesser und bewohnt diesen allein. Im
Herbst trägt sie Wintervorräte ein, verstopft den Gang und gräbt einen neuen, der aber erst im nächsten Frühjahr nach
dem Winterschlaf geöffnet wird.
Die Zieselmaus erinnert in ihrem Wesen durchaus an das Murmeltier, sie fährt huschend über den Boden, springt
selten, klettert ungern und gräbt äußerst geschickt. Mit Vorliebe schleppt die Zieselmaus allerlei glänzende Dinge, wie Porzellan-
und Glasscherben, in den Bau. Sie nährt sich von zarten Kräutern und Wurzeln, allerlei Gemüse und Beeren, frißt aber auch
Mäuse und auf der Erde nistende Vögel.
[* 69] Das Weibchen wirft im April oder Mai 3-8 Junge, welche schon im
nächsten Jahr fortpflanzungsfähig sind. Wo die Zieselmaus sehr zahlreich auftritt, wird sie dem Ackerbau schädlich. Den Mardern,
Falken, Krähen, Trappen, Katzen
[* 70] und Rattenpinschern fallen viele zum Opfer. Man jagt sie des Pelzes und des wohlschmeckenden Fleisches
halber, hält das reinliche, sehr leicht zähmbare, schmucke Tierchen aber auch gern in Gefangenschaft,
die es sehr gut erträgt.
(Ziethen), 1) HansJoachim von, berühmter preuß. Reitergeneral, geb. 14. (24.)
Mai 1699 auf Wustrau in der GrafschaftRuppin, trat 1714 als Fahnenjunker in preußische Militärdienste,
nahm
aber, in der Beförderung zum Leutnant mehrmals übergangen, 1724 seinen Abschied und zog sich auf sein väterliches Gut
zurück. Schon 1726 trat er als Premierleutnant wieder in Dienst und zwar in ein Dragonerregiment, geriet aber mit seinem Rittmeister
in Händel und ward infolgedessen mit einjährigem Festungsarrest und später mit Kassation bestraft.
Auf Verwendung einiger Generale jedoch 1730 rehabilitiert und 1731 zum Rittmeister befördert, machte er 1735 unter dem Oberbefehl
des österreichischen Husarengenerals v. Baronay den Feldzug am Rhein gegen Frankreich mit und ward im Januar 1736 zum Major ernannt. 1741 Oberstleutnant
im Leibhusarenregiment, machte er sich um die Reorganisation der preußischen Reiterei hoch verdient und
erhob vor allem die leichte Kavallerie zu einer berühmten, in der Schlacht wie im Rekognoszierungsdienst gleich vorzüglichen
Truppe. 1742 streifte Zieten mit seinem Regiment bis Stockerau unfern Wien.
[* 71] 1744 drang er an der Spitze derAvantgarde in Böhmen ein,
rückte bis über Budweis vor, wofür er zum Generalmajor ernannt wurde, und deckte dann geschickt den
Rückzug hinter die Elbe, wobei er 12. Okt. bei Moldau-Tein ein heftiges Gefecht gegen 16,000 Mann zu bestehen hatte. 1745 unternahm
er es, sich bei Jägerndorf mit seinem Husarenregiment, das ähnliche Uniform wie ein österreichisches hatte, durch ein
österreichisches Korps von 20,000 Mann hindurchzuschleichen, um dem MarkgrafenKarl Befehle seines Königs zu überbringen.
Nach dem Frieden lebte er abwechselnd in Berlin und Wustrau und genoß die besondere GunstFriedrichs II., der seinen »alten
Vater Zieten« häufig besuchte. Er starb in Berlin. 1790 ward ihm vom PrinzenHeinrich auf dem Wilhelmsplatz in Rheinsberg
und 1794 von FriedrichWilhelm II. in Berlin ein Denkmal gesetzt; die Familie errichtete ihm ein solches
zu Wustrau. Das 3. Husarenregiment (in Rathenow)
[* 79] heißt ihm zu Ehren noch jetzt Zietenhusaren. Zieten war ein kleiner, hagerer
Mann von feinem Gliederbau; sein großes, blaues Auge
[* 80] drückte Gutmütigkeit, das nicht schöne Gesicht
[* 81] mit harten, groben
Zügen Charakterstärke aus. Mit tiefer Religiosität, die selbst Friedrich II. Achtung abnötigte, verband
Zieten einen seltenen Wohlthätigkeitssinn.
Vgl. Winter, Hans Joach. v. Zieten (Leip.
1885, 2 Bde.), und die
¶
Sein einziger Sohn, FriedrichEmil von Zieten, geb. 1765, war erst Husarenrittmeister, wurde später Landrat des RuppinerKreises, 1840 in
den Grafenstand erhoben und starb unvermählt auf Wustrau. Besitzungen und Grafentitel von
Zieten gingen auf eine mit der Zietenschen Familie verschwägerte Linie des HausesSchwerin
[* 84] über, deren jedesmaliger Majoratsherr
(jetzt GrafAlbert, geb. den NamenGraf von Zieten-Schwerin führt.
(Zahlzeichen), schriftliche Zeichen zum Ausdruck der Zahlen. Ein sehr nahe liegendes Hilfsmittel besteht in der
Benutzung der Buchstaben des Alphabets als Ziffern, wie wir dies bei den alten Griechen seit dem 5. Jahrh. v. Chr.
finden. Dieselben ergänzten zu dem Zweck ihr (ionisches) Alphabet durch 3 Episemen (Buchstaben eines ältern Alphabets), nämlich
ϛ oder Vau, ϥ oder Koppa und ϡ oder Sampi, welche hinter ε, π und ω gesetzt wurden. Die Buchstaben α, β, γ, δ, ε,
ϛ, ζ, η, θ bedeuteten die Einer 1, 2,... 9, ferner ι, κ, λ, μ, ν,
ξ, ο, π, ϥ die Zehner 10, 20,... 90 und ρ, σ, τ, υ, φ, χ, ψ, ω, ϡ die Hunderte 100, 200,... 900. Abgesehen von der
großen Menge der Zeichen, hat dieses System den Mangel, daß die Entstehung der Vielfachen von 10 oder 100 aus
diesen Zahlen und einem andern Faktor nicht erkennbar ist.
Die Darstellung größerer Zahlen mittels weniger Ziffern erfolgt nach verschiedenen Prinzipien. Das gewöhnlichste ist das additive
Prinzip: man hat für 1, 10, 100, 1000 etc. besondere Zeichen, die man in entsprechender Zahl niederschreibt. Damit man diese
Zeichen nicht zu oft wiederholen muß, gibt man auch den Zahlen 5, 50, 500 etc. eigne Zeichen. Hierher gehört das Ziffersystem,
welches auf ältern griechischen Inschriften im Gebrauch ist: die Einheit wird mit einem Strich I bezeichnet;
für 5, 10, 100, 1000 und
10,000 werden Anfangsbuchstaben der ZahlwörterPente, Deka, Hekaton, Chilioi, Myrioi benutzt;
50, 500, 5000 und
50,000 werden durch das Zeichen für 5 ausgedrückt, in welches man die Zeichen für 10, 100, 1000 und 10,000 einschreibt.
Es ist also I = 1, II = 2, ^ = 5, ^III = 8, ∆ = 10, ∆∆∆ = 30, ∆∆∆II = 32, ^ = 50, H = 100,
^ = 500, X = 1000, M = 10,000. Bei Anwendung dieses Prinzips gehen die höhern Stufenzahlen den niedern im Sinn derSchrift
voraus, doch findet sich hiervon im Ziffernsystem der Römer
[* 85] eine Ausnahme.
Dasselbe hat die einfachen Zeichen I = 1,
V = 5, X = 10, L = 50, C = 100, IↃ oder D = 500, CIↃ oder M = 1000; es ist also nach dem additiven Prinzip MDCCCLXXVIII
=
1878. Man setzt aber auch die niedere Zahl links vor die höhere und gibt dadurch der erstern eine negative
Bedeutung: IX = 9, XL = 40, XC = 90. Abweichend sind im römischen Ziffersystem: CIↃↃ = 5000, CCIↃↃ = 10,000, CCIↃↃↃ
= 50,000, CCCIↃↃↃ = 100,000, CCCCIↃↃↃↃ = 1 Mill. Ein andres Prinzip besteht darin, durch unter oder über die
Ziffern gesetzte Zeichen den Zahlwert zu vervielfachen.
Dasselbe findet Anwendung bei den spätern griechischen Buchstabenziffern für die Tausende, welche durch
dieselben Buchstaben wie die Einer, nur mit untergesetzten Strichen bezeichnet werden: ᾳ = 1000, βͺ = 2000 bis ιͺ = 10,000
oder eine Myriade. Nach einem dritten Prinzip wird der Wert durch vorangestellte Koeffizienten vervielfacht. So bezeichnen z. B.
Pappos und Diophant 2 Myriaden = 20,000 durch βΜυ, während αΜυβ = 10,002 ist. Weiter ist zu erwähnen
die im frühern Mittelalter in Europa
[* 86] vorkommende Schreibweise mit Kolumnen, die mit I, X, C etc. überschrieben sind, und in
welche man die Anzahl der Einer, Zehner, Hunderte etc. einträgt; sind für eine Stufe keine Einheiten vorhanden,
so bleibt die betreffende Kolumne leer; vgl. nebenstehend die Schreibweise von 542, 540, 502 und 42. Es bedarf nur
noch eines Zeichens für eine leere Stelle, der Null, um die Kolumnen entbehren zu können und die jetzt bei uns übliche Schreibweise
zu erhalten, bei welcher jede Ziffer durch den Platz, den sie einnimmt, ihren Wert (Positions- oder Stellenwert)
erhält.
Dieses System nun, in welchem sich jede ganz beliebig große Zahl mittels der 10 Ziffern 0, 1, 2 etc.
bis 9 ausdrücken läßt, stammt von den Indern her, bei denen es zuerst im 5. Jahrh. n. Chr. auftritt.
Nach dem Abendland ist es von den Arabern gebracht worden, daher auch unsre Ziffern gewöhnlich »arabische«
genannt werden. Diese Ziffern, doch zum Teil in Formen, die beträchtlich von den jetzigen abweichen, und ohne die Null, findet
man schon in Handschriften aus dem 11. und 12. Jahrh.; mit dem Prinzip des Stellenwertes aber ist das christliche
Abendland hauptsächlich durch den »Liber Abaci« (1202) des Pisaners LeonardoFibonacci (s. d.) bekannt geworden. In Italien scheint
das neue Ziffersystem schon im 13. Jahrh. von den Kaufleuten benutzt worden zu sein, aber noch
im 14. und 15. Jahrh. findet man es in nicht mathematischen Schriften selten; allgemeiner werden die neuen
Ziffern in Schrift und Druck erst seit Mitte des 16. Jahrh. Mit den Ziffern kam auch das arabische Wort für die Null, sifr, zu uns, das,
im Lauf der Zeit seine Bedeutung ändernd, in »Ziffer« übergegangen ist.
Vgl. Treutlein, Geschichte unsrer Zahlzeichen (Karlsr. 1875).
von europäischen: holländische (besonders Amersforter ^[richtig: Amersfoorter]), ungarische,
Ukermärker und Pfälzer.
Die gesündesten, festesten und in der Farbe schönsten Blätter dienen zum Deckblatt, während die
Einlage mit dem sie zunächst umgebenden Umblatt
¶
mehr
meist aus einer geringern Sorte, aus nicht zu Deckblättern tauglichem Tabak
[* 89] und Abfällen vom Schneiden des Deckblattes angefertigt
wird. Der sortierte Tabak wird in feuchten Kellern ausgebreitet oder mit Wasser befeuchtet und übereinander geschichtet, damit
er gleichmäßig mild und weich wird; dann werden die Blätter von den Hauptrippen befreit, die zum Deckblatt
bestimmten glatt übereinander gelegt und gepreßt. Schwachrippige Blätter können ohne weiteres zum Umblatt benutzt werden.
Der zur Einlage bestimmte Tabak wird dann wieder sorgfältig getrocknet, während die Decken aus feuchten Blättern geschnitten
werden müssen. Beliebte Kombinationen sind zur Zeit Brasileinlage mit Ambalema-, Seadleaf- oder Carmendecker, Manila-, Java-
oder Sumatradecker mit Havana-, Cuba- oder Felix-Brasileinlage. Für die billigern Zigarrensorten verwendet
man vorzüglich Deckerabfälle als Einlage und verarbeitet sie mit entsprechenden Umblatttabaken, während als DeckerDomingo,
kolumbische Sorten, ordinäre Java und deutsche Tabake benutzt werden.
Bei der Anfertigung der Zigarren nimmt der Wickelmacher so viel Einlage, wie zu einer Zigarre
nötig ist, in die linke Hand, ordnet das Material ein wenig und legt das Bündelchen auf das Umblatt, wickelt dies darum und
rollt den Wickel mit der flachen Hand einigemal auf dem Tisch hin und her, um ihm einige Festigkeit
[* 90] zu geben. Der Zigarrenmacher
rollt schließlich das Deckblatt um die Zigarre und hat darauf zu achten, daß die Rippen der Blätter sich
möglichst der Länge nach an die Zigarre anlegen.
Die Spitze wird mit besonderer Sorgfalt gedreht und erhält durch einen aus Stärkemehl und Zichorien bestehenden Klebstoff
die nötige Festigkeit. Zigarrenwickelmaschinen konnten bisher nur für ordinäre, höchstens Mittelware Anwendung finden.
Die Zigarrenwickel, welche bisher von den Wickelmädchen durch Rollen
[* 91] fertig gemacht wurden, vollendet man jetzt häufig durch
Pressen und Erwärmen in zweiteiligen Formkasten, welche gewöhnlich 20 Wickel fassen, mit einer Schraubenpresse zusammengepreßt
und 24 Stunden auf 35-40° R. erwärmt werden.
Die meisten der so zugerichteten Wickel können schon in diesem Zustand geraucht werden; sie brauchen
weniger Lager,
[* 92] und bei der Fabrikation wird Tabak erspart. Die Zigarren, welche infolge zu fester Wickelung keine Luft haben, quetscht
man zwischen zwei Brettchen oder mit einer kleinen Maschine, bei welcher die Zigarren durch zwei Paar sich drehende, horizontal liegende
Walzen, deren Achsen rechtwinkelig gegeneinander gerichtet sind, hindurchgehen. Die Benennung der Zigarrenfaçon
wird meist aus dem Spanischen entlehnt: Imperiales, Regalia, Trabucos, Panatelas, Conchas, Comunes, Londres, Entre actos, Virginia
(namentlich in Italien und Österreich,
[* 93] mit einem Strohhalm im Innern, den man vor dem Rauchen entfernt; ähnlich die Veveyzigarren
in der Schweiz)
[* 94] etc. Nach der Färbung bezeichnet man die Sorten mit: amarillo, colorado claro, colorado,
maduro, oscuro, denen die englischen Bezeichnungen: yellow, lightbrown, superfine brown, fine brown, brown entsprechen.
Die fertigen Zigarren werden getrocknet, sorgfältig sortiert und dann verpackt. Sie gewinnen durch Ablagern infolge
einer Nachgärung, und wenn man sie in einem luftdicht verschließbaren Kasten aufbewahrt, in welchem
gleichzeitig, von den Zigarren sorgfältig getrennt, gebrannter Kalk oder Chlorcalcium liegt. Der Kalk zerfällt allmählich zu Pulver,
und das Chlorcalcium zerfließt, worauf das Material erneuert werden muß. Bei zu schnellem Trocknen oder zu langem Lagern verlieren
die Zigarren an Aroma.
Die gelben
Flecke, welche häufig als Zeichen besonderer Güte der Havanazigarren angesehen worden sind,
sollen durch schnelles Trocknen von Tautropfen in der Sonnenglut entstehen und stehen dann natürlich in keinem Zusammenhang
mit der Güte der Zigarren. Man ahmt sie nach durch Besprengen mit Salpetersäure, aber die mürben Flecke, welche die letztere hervorbringt,
sind leicht von den echten zu unterscheiden. Die Zigarretten (Cigarrettas) bestehen aus sehr fein geschnittenem
Tabak, welcher in ungeleimtes, sehr dünnes Papier gewickelt wird.
Von den zahlreichen Sorten nehmen die in der Havana fabrizierten Zigarren die erste Stelle ein. Sie werden aus einem vorzüglichen
Rohmaterial nach einem von dem unsrigen in manchen Punkten abweichenden Verfahren höchst sorgfältig hergestellt.
Man ist nicht imstande, bei uns aus importiertem Havanatabak gleich gute Zigarren herzustellen, und man sucht den
Grund teils in der Annahme, daß ein so vorzüglicher Tabak, wie er in der Havana verarbeitet wird, überhaupt nicht zur Ausfuhr
gelange, teils in der Fermentation, welche der Tabak auf der langen Seereise erleidet, teils aber auch
in dem minder sorgfältigen europäischen Verfahren.
Der Tabak fermentiert zuerst nach dem Schnitt in Haufen und dann nach der Verpackung in Seronen. Die kräftigen, schweren Sorten
läßt man bisweilen acht Monate liegen, ehe sie verarbeitet werden. Die Einlage wird feucht entrippt, in Zugluft etwas abgetrocknet
und dann recht fest inFässer verpackt, in welchen sie, mit Stengeln bedeckt, 3-6 Monate liegen bleibt. Diesem Verfahren soll
der Tabak vor allem den angenehmen und aromatischen Geschmack verdanken. Er wird einen Tagvor der Verarbeitung aus den Fässern
genommen und im Schatten
[* 95] abgetrocknet.
Da aber die Einlage gewöhnlich von geringer Qualität ist, so läßt man das Wasser, in welches sie eingetaucht
wird, einige Zeit mit sehr kräftigen Stengeln stehen und gießt dann 1-2 Flaschen sehr starken Wein hinzu. Die vorzüglichsten
Havanazigarren sind etwa: Regalia Imperiales, große Zigarren vom schönsten Deckblatt (Arbeitslohn 12-15 Doll. pro Mille);
Millares
comunes, die gangbarste Sorte aus dunkeln Blättern von schlechter, unegaler Farbe, erhalten durch Pressen ein besseres Ansehen,
sind sehr kräftig und aromatisch;
Vegueros, Pflanzer- oder Landzigarren, aus den schönsten, kräftigsten
Blättern von den Pflanzern selbst verfertigt, aber auch in viel geringerer Güte in der Havana nachgeahmt.
Von dem besten
Tabak erntet man selbst in guten Jahren nur 1 Proz. des Gesamtertrags; dazu gewinnt man 8 Proz.
erster Qualität mit einigen Fehlern, 12 Proz. Secunda, 20 Proz.
Tertia etc. Seit langem werden aber auf Cuba Havanazigarren aus allen möglichen Sorten importierter Tabake hergestellt, und
die Quantität dieser Imitation soll die der echten noch um ein Beträchtliches übersteigen. Bei uns benutzt man Havanablätter
als Deckblatt und nimmt dazu als Einlage feinen Rollenkanaster, Havana, Cuba, Puerto Rico, Brasil oder Maryland;
man verarbeitet aber auch Havana als Einlage und deckt mit Puerto Rico oder Domingo. Auf diese Weise entstehen ungemein zahlreiche
Sorten, die mit sehr willkürlich gewählten Namen bezeichnet werden. Die Havanasorten Silva, Ugues, Upmann, Cabannas, Dos Amigos
sind nach den Firmen der bedeutendsten Fabriken benannt. Die
¶
mehr
Manilazigarren besitzen ein nicht spiralförmig, sondern der Länge nach umgelegtes und mit einem narkotischen Gummisaft angeklebtes
Deckblatt. - Die Sitte, Tabaksblätter zusammenzurollen und in dieser Form zu rauchen, fanden die Entdecker Amerikas bei den
Eingebornen. Durch die Spanier kam sie nach Europa, wo man anfangs die Zigarren aus Cuba bezog, bald darauf aber
die eigne Fabrikation unter dem Schutz des Monopols begann. In Deutschland
[* 97] wurden die Zigarren zu Anfang des 18. Jahrh. durch die
französischen Heere bekannt; allgemeinen Eingang fanden sie aber erst weit später, denn als der Tabaksfabrikant Schlottmann 1788 in
Hamburg eine Zigarrenfabrik nach spanischem Muster anlegte, war man wenig geneigt, seine Ware zu kaufen,
weil Zigarren damals lediglich noch in der Form von Geschenken gebräuchlich waren. Acht Jahre später wurde freilich das Zigarrenrauchen
in HamburgMode, und seitdem hat sich dieser Industriezweig schnell entwickelt. Am bedeutendsten ist derselbe für Deutschland
jetzt in Bremen
[* 98] und den nahegelegenen Grenzorten Hannovers, in Sachsen,
[* 99] Westfalen
[* 100] und der badischen Pfalz.
Weiteres und Litteratur s. Tabak.
ein rätselhaftes Wandervolk, das über ganz Europa, einen großen Teil Asiens und über Nordafrika zerstreut
lebt und seit seinem ersten Bekanntwerden in Europa zu Anfang des 15. Jahrh. Sprachforscher, Geographen und Geschichtschreiber
lebhaft beschäftigt hat. Die Namen, mit denen dieses Volk von andern bezeichnet wird, sind sehr mannigfaltig.
Am verbreitetsten ist die mit dem griechischen Atsinkanos oder Athinganos zusammenhängende Benennung, die bulgarisch Atzigan
lautet und mit geringen Abweichungen bei allen slawischen Völkern und den Litauern sowie bei den Deutschen (Zigeuner), den Rumänen
(Tzigan), den Ungarn (Czigany) und den Italienern (Zingaro, Zingano) vorkommt.
Denselben Ursprung hat das türkische Tschingiané. In Spanien heißt der Zigeuner Gitano, ein Name, welcher sowie das englische
Gipsy und das albanische Jevk auf dem Irrtum beruht, als sei Ägypten
[* 101] die Heimat der Zigeuner. Bei den Franzosen heißen die Zigeuner Bohémiens,
wohl deswegen, weil die ersten in Frankreich bekannt gewordenen Zigeuner aus Böhmen kamen. Daneben bestehen die NamenHeidenen (Heider)
und Tatern. Das erwähnte griechische Wort Athinganos war der Name einer Sekte, die im frühen Mittelalter in Phrygien und Lykaonien
zahlreich vertreten war, und die Zigeuner erhielten bei den Griechen diesen Namen wahrscheinlich deswegen, weil
sie aus jenen Provinzen nach den westlichen Teilen des byzantinischen Reichs kamen.
Andre bringen die Zigeuner mit den Sigynoi Herodots (V, 9) in Verbindung, ohne zu bedenken, daß, während der Zusammenstellung von
»Zigeuner« mit Athinganos nichts im Weg steht, die Ableitung des Wortes Zigeuner von Sigynos lautlichen Schwierigkeiten
begegnet. Nach M. J. ^[MichaelJan] de Goeje ist der Name Zigeuner von dem persischen Tsjeng abzuleiten, das ein musikalisches Instrument
bezeichnet. Ebenso mannigfaltig sind die Namen, mit denen die Zigeuner sich selbst benennen; nur die Bezeichnung Rom
[* 102] (der altindische
Name einer unreinen Kaste, dann s. v. w. Mensch, Mann) ist den Zigeunern aller Länder bekannt. - Die Sprache
[* 103] der Zigeuner ist ihrem Kerne nach unzweifelhaft indoeuropäisch und hängt mit dem Sanskrit zusammen.
Dies erhellt aus der Materie sowie der Form dessen, was allen Zigeunermundarten gemeinsam ist. Die Sprache der Zigeuner steht durch
ihre Lautgesetze, durch die Stammbildung sowie durch die Bezeichnung der Kasus den heutigen arischen SprachenIndiens in dem Grad nahe, daß sie mit Fug und Recht an die neuindischen Sprachen arischen Ursprungs (s. Indische Sprachen) angereiht
wird. Was sich im Zigeunerischen in Lautverhältnissen Abweichendes findet, mag darin seinen Grund haben, daß nicht alle
arischen Idiome des unermeßlichen Indien an allen Lautwandlungen teilgenommen haben.
Die Abweichungen im Verbum können teils auf ähnliche Weise, teils, wie z. B. das Imperfektum, als Neubildungen erklärt werden.
Aus dem hier über die Sprache Gesagten ergibt sich, daß die Heimat dieses Volkes in Indien zu suchen ist; wenn man sie in die
nordwestlichen Gegenden dieses Landes versetzt, so ist dies eine Hypothese, welche durch vielfache Übereinstimmung
der in jenem Teil Indiens gesprochenen Mundarten mit dem Zigeunerischen einigermaßen gestützt werden kann.
Wann aber die Zigeuner aus ihrer indischen Heimat ausgezogen, läßt sich nicht bestimmen. Aus der Übereinstimmung des Zigeunerischen
mit den heutigen arischen SprachenIndiens in so vielen wichtigen Punkten ergibt sich, daß die Auswanderung
erst zur Zeit der Bildung der letztern vor sich gehen konnte, also nach der Periode des Prâkrit, das noch die alte Deklination
kennt, da man kaum geneigt sein wird, anzunehmen, das Zigeunerische habe sich, losgelöst von den nächst verwandten Idiomen,
in derselben Weise wie diese entwickelt. Es können demnach die Zigeuner weder mit den Sintiern Homers noch mit den Sigynen Herodots
identifiziert werden. In Europa und zwar in Byzanz erscheinen sie zuerst 810 unter dem KaiserNikephoros unter dem mehrfach
erwähnten Namen Athinganoi.
Unter der Zigeunersprache versteht man das von den Zigeunern aus Indien mitgebrachte Sprachgut. Da dieser
allen Zigeunern gemeinsame Kern mit Zuthaten aus den Sprachen aller jener Völker vermengt ist, unter denen sich die Zigeuner lange
genug aufgehalten, so ergibt sich daraus eine Anzahl von Mundarten, deren man inEuropa etwa 13 annehmen kann: die griechische,
die rumänische (zu welcher die Sprache der südrussischen Zigeuner gehört), die ungarische, die böhmische,
die deutsche, die polnische, die russische, die finnische, die skandinavische, die englische, die italienische, die baskische
und die spanische.
Diese Mundarten, aus deren Aufzählung sich die Verbreitung der Zigeuner in unserm Weltteil ergibt, weichen voneinander teilweise
so sehr ab, daß beispielsweise ein ungarischer Zigeuner einen deutschen nur mit Mühe, einen englischen
oder spanischen gar nicht verstehen würde. Zu den Verschiedenheiten im Wortschatz treten die Abweichungen in der Form, indem
manche Zigeunermundarten die zigeunerische Form in Deklination und Konjugation aufgegeben und durch die dem Volk, unter dem
sie leben, eigne ersetzt haben.
Während der griechische Zigeuner von dai, Mutter, den Plural daiá bildet, lautet derselbe dem spanischen Zigeuner dais; den
den übrigen Zigeunermundarten wie dem Neugriechischen und Bulgarischen fehlenden Infinitiv ersetzt der spanische Zigeuner durch
die Form auf ar: penar, sagen. Wenn uns der allen Zigeunermundarten gemeinsame Kern die Heimat der Zigeuner in
Indien hat finden lassen, so zeigen uns die Zuthaten den Weg, den sie auf ihrer Wanderung aus Indien bis zum Eismeer und zum
Atlantischen Ozean sowie nach Sibirien eingeschlagen haben. Persische und armenische Bestandteile, die überall nachgewiesen
werden können, zeigen uns den Weg und die Etappen in Asien.
[* 104] Die griechischen Elemente, die in keiner europäischen
Mundart fehlen, beweisen, daß alle Zigeuner
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