mehr
später wieder aufgebaut und 1488 vom König Matthias Corvinus zur königlichen Freistadt erhoben.
später wieder aufgebaut und 1488 vom König Matthias Corvinus zur königlichen Freistadt erhoben.
Bezirksstadt in Bosnien, [* 2] Kreis [* 3] Travnik, an der Bosna, über die eine vom Prinzen Engen erbaute Brücke [* 4] führt, Station der Bosnabahn, mit (1885) 3073 meist mohammedan. Einwohnern, Franziskanerkloster, mehreren Moscheen, Strafanstalt, Papierfabrik und reichem Braunkohlenwerk.
(arab., Scheitelpunkt), der Punkt des Himmels (s. d.), welcher senkrecht über dem Scheitel des Beobachters liegt, der Schnittpunkt eines nach oben verlängerten ruhenden Bleilots mit der scheinbaren Himmelskugel.
Der ihm diametral entgegengesetzte Punkt des Himmels heißt Nadir oder Fußpunkt.
Zenithdistanz eines Sterns ist der Bogen [* 5] des Vertikalkreises zwischen dem Stern und dem Zenith;
Friedrich Albert von, Mediziner, geb. zu Dresden, [* 6] studierte in Leipzig [* 7] und Heidelberg, [* 8] wurde 1851 Prosektor am Stadtkrankenhaus in Dresden, 1855 zugleich Professor der pathologischen Anatomie und allgemeinen Pathologie an der dortigen chirurgisch-medizinischen Akademie. 1862 folgte er einem Ruf als Professor der pathologischen Anatomie und Staatsarzneikunde nach Erlangen. [* 9] 1887 wurde er unter Verleihung des bayrischen Kronenordens in den persönlichen Adelstand erhoben. Zenker entdeckte 1860 die Gefährlichkeit der Trichinen (s. Trichine). [* 10] Er schrieb: »Beiträge zur normalen und pathologischen Anatomie der Lunge« [* 11] (Dresd. 1862),
»Veränderungen der willkürlichen Muskeln [* 12] im Typhus« (Leipz. 1864),
»Krankheiten des Ösophagus« (in Ziemssens »Handbuch der speziellen Pathologie und Therapie«, das. 1877). Auch gibt er seit 1865 mit Ziemssen das deutsche »Archiv für klinische Medizin« heraus.
Apostolo, ital. Dichter und Schriftsteller, geb. zu Venedig, [* 13] machte sich namentlich durch seine Melodramen berühmt und begründete 1710 das »Giornale dei letterati d'Italia«, die erste italienische kritische Zeitschrift. Nachdem er in den nächsten Jahren in seiner Vaterstadt mehrere kleine Ämter bekleidet hatte, lebte er 1715-29 als Hofdichter und Historiograph zu Wien [* 14] in der Gunst Karls VI. Nach Venedig zurückgekehrt, widmete er sich ausschließlich litterarischen Arbeiten und starb Als Dichter hat sich Zeno durch seine Melodramen besonders um die Oper verdient gemacht, und er galt vor Metastasio für den besten Operndichter Italiens. [* 15]
Seine Operntexte zeichnen sich namentlich durch reiche Erfindung aus, doch ist die Handlung für ein lyrisches Drama häufig zu verwickelt und der Stil nachlässig. Seine dramatischen Werke wurden von Gozzi herausgegeben (Vened. 1744, 10 Bde.; Tur. 1795, 12 Bde.). Bedeutender denn als Dichter war Zeno als Litterarhistoriker, Kritiker und Bibliograph. Von seinen zahlreichen hierher gehörigen Arbeiten sind besonders zu erwähnen: die »Dissertazioni istorico-critiche e letterarie agli istorici italiani« (Vened. 1752-53, 2 Bde.);
das »Compendio del vocabolario della Crusca« (das. 1805, 2 Bde.; das. 1741-45, 6 Bde.);
die »Notizie letterarie intorno a' Manuzj« (vor der Ausgabe von Aldus' Übersetzung von Ciceros Briefen, das. 1736, 2 Bde.);
ferner die von ihm herrührenden Lebensbeschreibungen vor den Ausgaben verschiedener italienischer Schriftsteller, wie Paruta, Danila, Redi u. a. Auch verdankt man ihm eine vortreffliche, noch jetzt brauchbare Ausgabe von Fontaninis »Biblioteca dell' eloquenza italiana« (Vened. 1753, 2 Bde.).
Seine »Epistole« wurden von Monelli (das. 1785, 6 Bde.) herausgegeben.
Septimia, Gemahlin des palmyrenischen Königs Odänathos, durch Schönheit, Tapferkeit und griechische Bildung ausgezeichnet, übernahm nach dessen Tod (266 oder 267) an Stelle ihres unmündigen Sohns Vallabathus die Herrschaft über das Reich von Palmyra und breitete dieselbe über ganz Syrien und Ägypten [* 16] aus, so daß sich der römische Kaiser Aurelianus genötigt sah, ihren Sohn als Mitregenten anzuerkennen und ihr den Titel Kaiserin zuzugestehen. Da sich aber Zenobia gänzlich unabhängig zu machen strebte, zog Aurelianus gegen sie und eroberte 272 Palmyra. Die Kaiserin und ihr Sohn wurden gefangen genommen (s. Palmyra). Zenobia wurde in Rom [* 17] im Triumph aufgeführt, dann aber mild behandelt und mit einem Landgut bei Tibur beschenkt.
der erste bedeutende alexandrin. Grammatiker, aus Ephesos, [* 18] lebte in Alexandria als Erzieher der Söhne des Ptolemäos Philadelphos (um 285-247 v. Chr.) und Vorsteher der von diesem gestifteten Bibliothek. Aus den in dieser vorhandenen Abschriften besorgte er die erste kritische Rezension der Homerischen Gedichte und schuf damit die Grundlage für die spätern Arbeiten des Aristophanes von Bilanz, seines bedeutendsten Schülers, und des Aristarch.
Vgl. Pluygers, De Zenodoti carminum Homericorum editione (Leid. 1842);
Düntzer, De Zenodoti studiis Homericis (Götting. 1848);
Römer, [* 19] Über die Homerrezension des Zenodot (Münch. 1885).
(Zeno), 1) Kaiser des oströmischen Reichs von 474 bis 491 n. Chr., stammte aus Isaurien (daher der Beiname Isauricus), wurde vom Kaiser Leo I. zu den höchsten Ehrenstellen erhoben und mit Ariadne, der Tochter des Kaisers, vermählt. Nach Leos Tod (474) folgte diesem zunächst sein gleichnamiger Enkel, Sohn Zenons und der Ariadne. Als aber dieser nach wenigen Monaten starb (nicht ohne Verdacht der Vergiftung durch seinen Vater), bemächtigte sich Zenon selbst der Herrschaft. Er ward zwar 476 durch Basiliscus, den Bruder seiner Schwiegermutter, aus Konstantinopel [* 20] vertrieben, es gelang ihm jedoch 477, sich wieder in den Besitz der Herrschaft zu setzen und auch andre Aufstände zu unterdrücken; er zeigte sich aber weder durch Tapferkeit noch durch sonstige Herrschertugenden des Glücks würdig, das ihn auf den Thron [* 21] erhoben hatte. Seine unrühmliche Regierung ist nur durch einen schimpflichen Vertrag, den er 475 mit dem Vandalenkönig Geiserich schloß, durch die Förderung des Abzugs der Ostgoten unter Theoderich (488) von Pannonien nach Italien [* 22] und durch den vergeblichen Versuch, den kirchlichen (monophysitischen) Streitigkeiten durch das Henotikon von 482 ein Ende zu machen, bezeichnet. Er starb 491.
2) Eleates, griech. Philosoph um 500 v. Chr., aus Elea in Unteritalien, Schüler des Parmenides, kam mit diesem zu den Panathenäen nach Athen [* 23] und hatte unter andern Perikles zum Schüler. Nach einem verunglückten Versuch, Elea von dem Tyrannen Nearchos zu befreien, soll er sich selbst die Zunge abgebissen haben, um nicht seine Genossen zu verraten, und in einem Mörser zerstampft worden sein. Von seinen in Prosa und Dialogen abgefaßten Schriften, die darauf ausgingen, die Wahrheit der Eleatischen Alleinslehre (apagogisch) dadurch zu erweisen, daß sie zeigten, daß die entgegengesetzte Annahme der Vielheit und ¶
Teilbarkeit der Dinge auf undenkbare Widersprüche führe, sind nur Fragmente erhalten. Unter seinen Beweisen sind die für die Unmöglichkeit der Bewegung und unter diesen selbst der sogen. Achilles oder Beweis, daß der größte Schnellläufer unter den Griechen eine Schnecke nicht einholen könne, weil sie, sobald er den Ort betrete, den sie vorher eingenommen, nicht mehr an diesem sei, und der weitere, daß der abgeschossene Pfeil ruhe, weil er, um zum Ziel zu gelangen, in jedem dazwischengelegenen Ort gewesen sein, solange er an diesem war, aber geruht haben müsse, also immerfort geruht habe, folglich nie an das Ziel gelangen könne, die berühmtesten.
Vgl. Wellmann, Zenons Beweise gegen die Bewegung und ihre Widerlegungen (Frankf. a. O. 1870);
Dunan, Les arguments de Zénon d'Élée contre le mouvement (Par. 1884).
3) Zenon der Stoiker, griech. Philosoph, der Stifter der stoischen Schule, gebürtig aus Kittion auf Cypern, [* 25] lebte um 340-260 v. Chr. Der Sohn eines Kaufmanns, widmete er sich vom 22. Lebensjahr an zu Athen ausschließlich zuerst als Schüler des Cynikers Krates, dann des Megarikers Stilpon, endlich der ältern Akademiker der Philosophie, lehrte unter großem Zulauf in der Stoa, weshalb seine Schüler Stoiker heißen, und machte im 98. Jahr seinem Leben freiwillig ein Ende.
Die Inschrift auf seinem Denkmal, welche lautete: »Sein Leben war seiner Lehre [* 26] gleich«, kennzeichnet das Wesen seiner Philosophie, welche der Weisheit vor dem Wissen den Vorzug einräumt und letzteres nur als (allerdings unentbehrliches, aber auch ausreichendes) Mittel zu jener betrachtet. Jene als tugendhaftes Handeln (Praxis des Guten) bedingt die Wissenschaft des Pflichtmäßigen, d. h. von der Vernunft Gebotenen (Theorie des Guten, Pflichtenlehre, Ethik); diese selbst, da das zweckmäßig und harmonisch gestaltete Weltganze als solches zugleich Werk und Offenbarung der alles ordnenden und beseelenden Vernunft als »Weltseele« ausmacht, bedingt die Wissenschaft von der (vernunftmäßigen) Natur (Theorie der Natur, Naturlehre, Physik); beide aber als Wissenschaften bedingen die weitere Wissenschaft von den Kriterien und Bedingungen des Wissens selbst (Theorie des Wissens, Wissenslehre, Logik).
Folglich setzt die Tugend als Zweck des Weisen alle drei vorgenannten (philosophischen) Wissenschaften in obiger Rangfolge, demnach die gesamte Philosophie, als Mittel ebenso voraus, wie sie selbst dessen Glückseligkeit infolge der aus dem Bewußtsein, pflichtmäßig gehandelt zu haben, fließenden Zufriedenheit zur natürlichen Wirkung, keineswegs aber (wie die mehr kluge als gute Tugend Epikurs) dieselbe zum Endzweck hat. Die praktische Richtung, welche das Wissen dem Handeln unterordnet, und der moralische Rigorismus, welcher die Tugend (ohne Rücksicht auf die Folgen) zum Selbstzweck macht, haben dieser Lehre, die von den Nachfolgern Zenons, Chrysippos, Kleanthes u. a., weiter ausgebildet wurde, unter den Römern Eingang und in den Besten derselben, Cato, Seneca, Marc Aurel u. a., Freunde und Anhänger gewonnen.
Vgl. Weygoldt, Zenon von Cittium (Jena [* 27] 1872);
Wellmann, Die Philosophie des Stoikers Zenon (1874).
(lat.), beurteilen, abschätzen, prüfen;
namentlich amtlich (als Zensor) über die Zulässigkeit einer Schrift zum Druck, eines dramatischen Werkes zur Aufführung etc. urteilen.
im alten Rom Name der zwei Beamten, die im J. 443 v. Chr. eingesetzt wurden, nachdem die Obliegenheiten und Rechte derselben bisher von den Königen und dann von den Konsuln ausgeübt worden waren. Die Veranlassung zur Einsetzung des Amtes der Zensoren, der Zensur, war, daß durch ein Gesetz des Jahrs 445 gestattet worden war, statt der Konsuln Konsulartribunen an die Spitze der Regierung zu stellen und zu dieser Würde auch Plebejer zu wählen, und daß die Patrizier dasjenige, was den Zensoren zugewiesen wurde, nicht zugleich in den Besitz der Plebejer gelangen lassen wollten.
Die Zensoren wurden in der Regel alle 5 Jahre gewählt, anfangs nur aus dem Stande der Patrizier, 351 aber gelangte zuerst ein Plebejer zu diesem Amt, und 339 wurde durch ein Gesetz des Diktators Publilius Philo bestimmt, daß immer einer von beiden Plebejer sein solle, worauf 131 zuerst der Fall eintrat, daß beide Plebejer waren. Zuerst bekleideten sie das Amt von einer Wahl zur andern 5 Jahre lang, aber schon 434 wurde ihre Amtsführung auf 18 Monate beschränkt, so daß also immer 3½ Jahre ohne Zensoren verliefen.
Ihr Hauptgeschäft und dasjenige, worauf sich wahrscheinlich ihre Wirksamkeit ursprünglich beschränkte, war die Schätzung (census) der Bürger nach Stand und Vermögen und die Einteilung derselben in Tribus und Centurien: sie hatten daher die Mitglieder des Senats zu bestimmen, die Ritter zu mustern, die Listen der Tribus und Centurien anzufertigen und nach Beendigung dieses Geschäfts das sogen. Lustrum (s. d.) abzuhalten, wobei das ganze Volk nach Ständen und Klassen gegliedert auf dem Marsfeld versammelt und durch besondere Opfer gesühnt wurde. An diese Abschätzung knüpfte sich eine Reihe wichtiger finanzieller und ökonomischer Geschäfte, insbesondere die Verpachtung der Zölle und der sonstigen Staatsgefälle, die Fürsorge für Bau und Instandhaltung der Tempel [* 28] und sonstigen öffentlichen Gebäude, der Straßen u. dgl., an. Von besonderer Bedeutung aber war die Aufsicht über die Sitten der Bürger, welche in ihrer Hand [* 29] lag, und welche sich über alles erstreckte, was der Wohlfahrt des Staats entgegen war oder die im Interesse des Staats zu fordernde bürgerliche Ehrenhaftigkeit beeinträchtigte, also z. B. schlechte Haltung vor dem Feind, Unbotmäßigkeit gegen Vorgesetzte, Mißbrauch der Amtsgewalt, falsches Zeugnis, Meineid, Verschleuderung des Vermögens, Luxus, Mißbrauch des hausherrlichen Rechts etc. Die Strafmittel, welche ihnen hierfür zu Gebote standen, bestanden hauptsächlich in öffentlicher Rüge (nota censoria), in Ausstoßung aus dem Senat, Entziehung des Ritterpferdes und Versetzung in die niedrigern städtischen Tribus oder unter die Ärarier, welche von allen Tribus ausgeschlossen waren und einen höhern Tribut zahlen mußten.
Dieses Strafgericht, welches sie wie ihre übrigen Befugnisse lediglich nach ihrer persönlichen Überzeugung ohne weitere Verantwortlichkeit ausübten, war es vorzüglich, was den Zensoren, meist gewesenen Konsuln, in der Blütezeit der Republik hohes Ansehen und bedeutenden Einfluß verlieh; es konnte daher auch niemand zweimal Zensor werden. Mit dem Verfall der Republik verfiel aber zugleich ihre Bedeutung. Wir finden daher, daß die Zensur im letzten Jahrhundert der Republik unregelmäßig wechselt und sogar längere Zeit, wie 86-70, ganz unbesetzt bleibt, daß mehrere Zensoren nicht dazu gelangen, das Lustrum zu stande zu bringen, daß 58 ihre Rügen und Strafen durch ein Gesetz des P. Clodius von einem förmlichen richterlichen Verfahren abhängig gemacht werden, wodurch ihre Wirksamkeit, obgleich das Gesetz 52 wieder aufgehoben ward, wesentlich beschränkt wurde, und daß sodann in der Kaiserzeit nur noch ausnahmsweise Zensoren vorkamen, da die Kaiser deren Befugnisse vermöge der ihnen verliehenen Praefectura morum oder ¶
Censoria potestas ausübten. Der letzte Fall, wo die Zensur von Privaten bekleidet wird, findet 22 v. Chr. statt; nachher ist sie nur noch 47 n. Chr. vom Kaiser Claudius mit Gajus Vitellius zusammen und 72 von Vespasian und Titus übernommen worden. Eine ganz besondere und einzeln stehende Maßregel war es, daß der Kaiser Decius (249-251) den nachmaligen Kaiser Valerian zum Zweck der Sittenaufsicht als Zensor ohne Kollegen einsetzte.
Vgl. de Boor, Fasti censorii (Berl. 1873). -
Zensoren nennt man auch bei einigen Banken, z. B. der französischen Bank, der österreichischen Nationalbank, die Mitglieder einer besondern Bankbehörde, des sogen. Zensurkomitees, welches speziell das Diskontgeschäft der Bank zu überwachen hat.
(lat.), zum Zensus (s. d.) ^[= (lat.), bei den Römern seit der Verfassung des Servius Tullius (s. d.) die in der Regel alle ...] gehörig, steuerbar, zinspflichtig.
(lat.), wörtlich Prüfung, Beurteilung eines Menschen und seiner Handlungsweise, daher auch das Urteil einer Prüfungsbehörde über die Kenntnisse und Leistungen eines Examinanden. Bei den Römern gab es eine eigne Zensur der Sitten durch eigens vom Staate dazu bestellte Beamte (s. Zensoren). Dieselben Anfänge wie im römischen Altertum hatte die Sittenzensur auch im Mittelalter des christlichen Abendlandes: sie war eine priesterliche Beaufsichtigung des Lebenswandels in der Gemeinde.
Geistliche und bischöfliche Gerichte belegten schon in der ersten Periode der fränkischen Monarchie bis zum 8. Jahrh. alle Vergehen gegen die christliche Religion und Moral und gegen die Kirchendisziplin mit Bußen und Strafen, in sehr schweren Fällen verhängten sie auch Interdikt und Exkommunikation (s. Censura ecclesiastica). In der zweiten Periode gingen aus diesen bischöflichen Sittengerichten die sogen. Send- oder Synodalgerichte hervor. Nach der Reformation errichteten auch die Protestanten kirchliche Sittengerichte in Gemeinden und Kirchspielen (Presbyterialgerichte, Kirchenkonvente etc.), die, wie viele katholische, sich bis zur französischen Revolution in hinschwindendem Zustand erhalten haben.
Aber auch Sittengerichte weltlicher Natur lassen sich seit dem Mittelalter bis auf die neueste Zeit noch erkennen: so hatten die Zünfte und Ritterorden ihre Sitten- und Ehrengerichte, und noch heutzutage bestehen für gewisse Berufsstände Ehrengerichte (s. d.). Über die jetzt abgeschaffte Bücherzensur s. Presse, [* 31] S. 332 f. Dagegen wird die Theaterzensur, d. h. das Recht der Polizei, von den aufzuführenden Stücken vorher Kenntnis zu nehmen und ihre Aufführung ganz oder teilweise aus Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Sittlichkeit zu untersagen, noch jetzt gehandhabt.
(lat.), bei den Römern seit der Verfassung des Servius Tullius (s. d.) die in der Regel alle fünf Jahre vorgenommene Schätzung der römischen Bürger nach ihrem Grundbesitz und ihre Einschreibung in die fünf Klassen und in die Centurien der Ritter. Hierauf beruhte die Verteilung der Steuern und die Einreihung der Bürger in die einzelnen Heeresabteilungen sowie überhaupt die politische Bedeutung der Einzelnen. Mit dem Zensus war in den ältern Zeiten eine allgemeine öffentliche Musterung verbunden, die jedesmal mit einem feierlich dargebrachten Sühnopfer (Lustrum) zur Entsündigung oder Reinigung des ganzen römischen Volkes beschlossen wurde.
Der Name dieses Sühnopfers wurde dann auch auf die fünfjährige Dauer der Zensusperiode übertragen. Auch im modernen Staat liegt mehrfach die Rücksicht auf das Vermögen bei Zuteilung öffentlicher Rechte zu Grunde, insofern das Wahlrecht an einen Zensus gebunden ist, d. h. wenn zur Ausübung desselben der Nachweis eines bestimmten Vermögens oder Einkommens, wie in England, oder eines bestimmten Steuerbetrags, wie in Deutschland, [* 32] erforderlich ist (s. Wahl und Wahlrecht). Im Mittelalter hieß Zensus der Zins, die Abgabe, welche Unterworfene ihren Siegern und Herren entrichten mußten. Gegenwärtig bezeichnet man damit (namentlich in England, Nordamerika, [* 33] Italien etc.) die amtliche Bevölkerungsaufnahme eines Staats nach Geschlecht, Alter, Konfession, Vermögensverhältnissen, Beruf (s. Volkszählungen).
Stadt im ungar. Komitat Bács-Bodrog, am rechten Theißufer, mit (1881) 21,200 ungarischen und serb. Einwohnern, bedeutender Viehzucht, [* 34] lebhaftem Handel, Fischerei [* 35] und Bezirksgericht. Zenta ist berühmt durch den glänzenden Sieg des Prinzen Eugen von Savoyen über die Türken
(lat.), hundertteilig.
(lat.), Bestrafung jedes 100. Mannes;
vgl. Dezimation. ^[= (lat.), Militärstrafe der alten Römer bei gemeinsamen Vergehungen, wo die Hauptschuldigen ...]
(v. lat. centum, hundert), der 100. Teil eines Maßes, z. B.
Zentiar, Zentigramm etc.
(franz. Centiare), Flächenmaß im Dezimalsystem, der 100. Teil des Ar = 1 qm.
s. Rose. ^[= (Rosa Tourn.), Gattung aus der Familie der Rosaceen, meist stachlige, aufrechte oder rebenartige ...]
der 100. Teil des Gramm (s. d.). ^[= (in offizieller Abkürzung: g; franz. Gramme), die dem metrischen Gewicht zu Grunde gelegte ...]
der 100. Teil des Liter (s. d.). ^[= (franz. litre), Einheit der Hohlmaße im metrischen System, = 1 Kubikdezimeter = 0,001 cbm. ...]
der 100. Teil des Meter (s. d.). ^[= (franz. mètre, v. griech. metron, Maß), das Grundmaß des neuen französischen (metrischen ...]
(v. lat. centum, hundert), in Deutschland, der Schweiz [* 36] und Dänemark [* 37] ein Handelsgewicht, meist von 100 Pfd. In Deutschland ist dasselbe jetzt überall gleich, nämlich, wie in den beiden andern Ländern, = 50 kg. Übereinstimmend damit ist der Zollzentner des Deutschen Reichs. Österreich [* 38] hat den sogen. metrischen Zentner von 100 kg eingeführt. Vor Einführung des deutschen Zollzentners hatte der Zentner in Preußen [* 39] und Sachsen [* 40] 110 Pfd. Ein Zentner oder 100 Pfd. des neuen deutschen Handelsgewichts = 106,9 Pfd. altes Gewicht in Preußen, = 80,286 Pfd. in Bayern, [* 41] = 89,28 Pfd. in Österreich, = 107 Pfd. 3 Lot 1,3 Quentchen in Sachsen. In England und Nordamerika heißt das unserm Zentner entsprechende größere Handelsgewicht Hundredweight oder Centweight (abgekürzt Cwt.); es enthält 112 englische Handelspfund = 50,8024 kg und wird in 4 Quarters à 28 Pfd. eingeteilt. In Frankreich, Spanien [* 42] und Portugal heißt der metrische Zentner (100 kg) Quintal, in Italien Centarello oder Centinajo, im Orient Kantar (Cantaro).
Georg Friedrich, Freiherr von, bayr. Staatsminister, geb. zu Straßenheim in der Pfalz, studierte zu Heidelberg und Göttingen, [* 43] ward 1779 zum Professor des Staatsrechts in Heidelberg, in der Folge zum Geheimrat ernannt und der pfalzbayrischen Gesandtschaft auf dem Kongreß zu Rastatt [* 44] beigegeben. Nach dem Tod Karl Theodors 1799 in das Ministerium nach München [* 45] berufen, that er viel für Verbesserung des Erziehungs- und Unterrichtswesens sowie für Beförderung der Volkskultur und Aufhebung von Klöstern. 1819 in den Freiherrenstand versetzt, ward er 1820 Minister und 1823 Justizminister. Er starb Die bayrische Konstitution von 1818 ist fast ganz sein Werk.
(lat.), im Mittelpunkt befindlich, den Mittelpunkt bildend, nach dem Mittelpunkt hinwirkend, darauf bezüglich;
zentralisieren, etwas so ordnen und einrichten, daß alles Einzelne von einem Zentralpunkt abhängt, von einem solchen aus geleitet und ¶
bestimmt wird, besonders in der Staatsverwaltung (s. Zentralisation).
[* 47] (Mittelamerika, s. Karte »Westindien und Zentralamerika«),
das schmale Verbindungsglied zwischen Nord- und Südamerika, [* 48] umfassend die fünf Freistaaten: Guatemala, [* 49] Salvador, [* 50] Honduras, [* 51] Nicaragua [* 52] und Costarica, die früher Einen Staatenbund bildeten, später aber sich trennten (s. unten), ferner Britisch-Honduras und Panama, mit zusammen 547,270 qkm und 3,037,377 Einw. Bodenbeschreibung etc. s. Amerika [* 53] und die Spezialartikel.
Geschichte. Die Ostküste von Zentralamerika hatte schon Kolumbus auf seiner vierten Reise 1502 besucht, die Westküste entdeckte Ponce de Leon 1516. Pedro de Alvaredo, nach der Eroberung Mexikos von Cortez hierher geschickt, unterwarf 1524 die Indianer und erbaute die Stadt San Jago de los Caballeros de Guatemala (Guatemala Vieja). Wohl nie ging die Eroberung eines Landes leichter und unblutiger vor sich und fügten sich die Eingebornen so willig einer neuen Herrschaft und einer neuen Religion, die hier von Las Casas gepredigt wurde.
Einige indianische Distrikte, insbesondere die Mosquitoküste, blieben frei. Im übrigen stand über dem ganzen Lande die Audiencia von Guatemala und ein Generalkapitän (der erste war der erwähnte Pedro de Alvaredo 1527), von dem in den fünf Provinzen besondere Statthalter abhingen. In der Revolutionszeit blieb Zentralamerika am längsten dem Mutterland treu, und erst 1821 erklärten sich die sieben Provinzen Guatemala, San Salvador, Honduras, Nicaragua, Costarica, Chiapas und Quezaltenango für unabhängig.
Die provisorische Regierung schwankte zwischen einem Anschluß an Kolumbien, [* 54] Mexiko [* 55] und die Vereinigten Staaten [* 56] von Nordamerika. Endlich wurde die Republik der »Vereinigten Staaten von Zentralamerika« proklamiert. Es fehlte indessen auch jetzt nicht an Meinungsverschiedenheiten und Streitigkeiten unter den verschiedenen Parteien; man machte alle möglichen Experimente mit der Verfassung und Verwaltung des Landes und richtete dadurch eine so gründliche Verwirrung in den staatlichen und kirchlichen Verhältnissen an, daß es endlich zum offenen Bürgerkrieg kam, aus dem 1839 der Zerfall des ganzen Staats in fünf kleine, alles politischen Zusammenhanges entbehrende, den frühern Provinzen entsprechende Republiken: Guatemala, Honduras, Salvador, Nicaragua und Costarica, hervorging.
Der Versuch 1851 von seiten der Republiken Honduras, San Salvador und Nicaragua, welche eine Art Konföderation geschlossen hatten, Guatemala zum Beitritt zu zwingen, endete mit der Niederlage der Verbündeten. Weiteres s. die einzelnen Staaten.
Vgl. Reichardt, Centroamerika (Braunschw. 1851);
Baily, Description of Central America (Lond. 1850);
Squier, The states of Central America (New York 1858; deutsch von K. Andree, Leipz. 1865);
Scherzer, Zentralamerika in seiner Bedeutung für den deutschen Handel etc. (Wien 1857);
Gonzalez, Geographia de Centro-America (2. Aufl., Salvador 1878);
Reisebeschreibungen von Scherzer (Leipz. 1864), Fröbel (Lond. 1859), Marr (Hamb. 1863), Belly (Par. 1867, 2 Bde.), Morelet (deutsch, Jena 1871);
H. Bancroft, History of Central America (San Francisco 1881-87, 3 Bde).
s. Zentralbehörden. ^[= Bezeichnung für die obersten Landesbehörden, welchen die untern Verwaltungsbehör ...]
[* 57] (hierzu die Karte »Zentralasien«),
der von A. v. Humboldt an die Stelle mehrerer vorher gebräuchlicher (Große und Kleine Bucharei, Freie Tatarei) gesetzte Name für das Gebiet, welches vom Kaukasus im W., Sibirien im N., China [* 58] im O. und Indien im S. begrenzt wird, eine Begrenzung, die indes von F. v. Richthofen als unhaltbar nachgewiesen wurde. Letzterer beschränkt Zentralasien auf die Länder zwischen dem Altai im N., Pamir [* 59] im W., dem Hochland von Tibet im S. und der Wasserscheide der Riesenströme von China (Jantsekiang und Huangho), dann dem Chingangebirge im O.; diesem Kern sind die übrigen Länderstrecken Zentralasiens, »deren Gewässer durch Flüsse [* 60] nach dem Meer oder nach den seeartigen Überresten desselben auf dem Festland (Kaspisches Meer, Aralsee) geführt werden«, wie das Hochland Iran, als »peripherische Gebiete« angeschlossen.
Somit ist Zentralasien das zusammenhängende, kontinentale Gebiet der, geologisch betrachtet, alten abflußlosen Wasserbecken, ein Land, in dem die lange Existenz der letztern die durch den Charakter der Abflußlosigkeit veranlaßten besondern Erscheinungen im vollsten Maß zur Entwickelung kommen ließ. Ausgeschieden vom eigentlichen Zentralasien sind hierdurch die peripherischen Gebiete, welche alle Länderstrecken umfassen, deren Gewässer durch Flüsse nicht nach dem Meer, sondern nach den seeartigen Überresten desselben auf dem Festland, nach dem Kaspischen Meer, Aralsee etc. geführt werden.
Zwischen beiden liegt sodann an vielen Stellen eine Zone des Überganges, wo in den jüngsten Perioden Teile der abflußlosen Gebiete in abfließende verwandelt worden sind (oberes Indusbecken in Hochtibet, Kuku-Norbecken scheint nachzufolgen) oder das Umgekehrte stattgefunden hat (Pangkongsee in Westtibet). Hauptländer dieser peripherischen Gebiete sind Russisch-Turkistan mit dem transkaspischen Teil von Hoch-Iran. Das Innere von Zentralasien besteht aus vielen großen und kleinen, äußerst flachen Senkungen, in denen das niederfallende Wasser entweder sehr bald vom Boden aufgesogen wird, oder sich zu Bächen vereinigt, die entweder bald versiegen, oder bis zur tiefsten Senkung fortfließen, oft eine Reihe von Becken miteinander verbindend.
Ist die Depression [* 61] ringsum geschlossen, so breitet sich ein Salzsee oder Salzsumpf aus, der periodisch austrocknet. Die Randgebiete, welche die Becken voneinander trennen, bestehen im allgemeinen aus den nach der Abtragung (Abschwemmung) großer Gesteinsmassen übriggebliebenen Resten der Gebirge oder Glieder [* 62] von Gebirgen, welche ursprünglich zu der Anordnung der Becken Veranlassung gaben. Man sieht meist nur einförmige, flach gerundete Rücken; unmerklich steigt man vom Salzsee auf dem Steppenboden nach dem Scheiderücken auf, um ebenso unmerklich nach dem Ufer eines vielleicht viel größern und tiefer gelegenen Beckens hinabzuschreiten. So führt der ganze Weg zwischen Urga in Südsibirien nach Kalgan in China über weite Mulden und flache Rücken.
Als mächtige Bergmasse steigt bis in die Schneeregion empor und gipfelt in Alpenformen das Thianschangebirge, das die Mongolei im N. von Ostturkistan und der Gobi im S. trennt. Der Steppenboden läßt sich in folgende vier Gruppen bringen:
1) die gelberdige oder Lößsteppe aus zerreibbarer, lockerer, dem Lehm einigermaßen ähnlicher Erde, bald braungelb, bald von ins Schwärzliche gehender Färbung durch die Vermengung mit verwesenden Pflanzen. Diese Steppe ist der Vegetation günstig, gibt die besten Weideplätze und nimmt die größte Fläche ein;
2) die Sandsteppe, richtiger Sandwüste, besteht aus feinem, jeder Vegetation feindlichem Sand; sie findet sich hauptsächlich im Tarimbecken (Ostturkistan);
3) die Kiessteppe besitzt den Wüstencharakter nicht in gleichem Maß wie der fliegende Sand, läßt aber Gras nur sparsam sprossen, wo sie Regen empfängt (Gobisteppe), ist im ganzen ¶
Maßstab [* 64] 1:12.000000 ¶
von geringerer Ausdehnung [* 66] als die beiden vorigen;
4) die Stein- oder Schuttsteppe ist dadurch gekennzeichnet, daß in der lockern, feinerdigen Substanz der Lößsteppe scharfkantiger Gebirgsschutt in wechselnder Menge eingeschlossen ist. Die Vegetation findet hier Bedingungen ähnlicher Art wie in der gelberdigen Lößsteppe, wenn auch die Anwesenheit der Steine eine gewisse Verteilung veranlaßt. - Das Klima [* 67] ist im Sommer überall sehr heiß, Schnee [* 68] bleibt im S. selten lange liegen. In der Mongolei und in den Steppen weht im Winter heftiger austrocknender Nordwestwind oft Wochen hindurch mit erschrecklicher Heftigkeit. Schneegestöber macht den Aufenthalt höchst unangenehm, erst Ende Mai oder Anfang Juni fällt der letzte Schnee. Regenfall ist hier im Sommer reichlich; dagegen charakterisiert große Trockenheit die Länder südöstlich des Thianschan, worin sich die Nähe Hochasiens bemerkbar macht. Frühling und Herbst fehlen in den Steppen.
An Produkten ist dieses weite Gebiet sehr arm. Wachstum ist durchgehends bedingt durch künstliche Bewässerung; ergiebige Ernten werden daher nur in wenigen bevorzugten Gegenden erzielt. Die fruchtbarsten Teile sind die Flußufer im Tarimbecken. Der Ackerbau wird hier noch mit höchst unvollkommenen Geräten betrieben; die Nomaden sind Viehzüchter. Groß ist der Reichtum an Wild; der Thianschan beherbergt das Riesenschaf (Ovis Polii) und einen Vultur indicus, der durch seine Größe wahrscheinlich Anlaß gab zu dem fabelhaften Vogel Greif [* 69] in Marco Polos Reisebericht.
Die Bevölkerung [* 70] Zentralasiens zeigt wie das Land eine überraschende Zusammengehörigkeit. Ursprünglich wohnten hier Indogermanen, die sich noch bis heute in abgelegenen Thälern erhalten haben, wo sie ihr Leben von etwas Feldbau, Viehzucht und Jagd fristen. Die große Masse, das tonangebende Volk, gehört heute zum türkisch-tatarischen Stamm (Kirgisen, Mongolen, Uzbeken, Turkmenen, s. d.); fleißige Ackerwirte sind die Nachkommen der altiranischen Kolonisten, die Tadschik und Sarten (s. d.). Über die Zahl der Bewohner besitzen wir durch die Erweiterung der russischen Besitzungen im Transkaspischen Gebiet ziemlich verläßliche Schätzungen.
Die Einwohnerzahl von Russisch-Turkistan wird 1885 auf 3,426,324 angegeben, im Generalgouvernement der Steppe auf 1,900,774, so daß der russische Anteil an Zentralasien 5,327,098 Einw. zählt. Die Staaten Chiwa und Bochara zählen 2,800,000 Einw., das Tafelland Iran mit dem Hauptland Persien [* 71] 7 Mill., die Hochthäler im Quellgebiet des Amu Darja und Sir Darja sind zu 1 Mill. anzunehmen, für die Mongolei gelten 2 Mill. als annähernd richtig, die Dsungarei, ausschließlich der russisch gebliebenen Teile, ist zu höchstens 200,000, das wieder China unterworfene Ostturkistan zu etwas über ½ Mill. anzunehmen.
Das gibt eine Gesamtbevölkerung von rund 19 Mill. auf dem weiten Raum von 300,000 QM. Verhältnismäßig dicht bevölkert sind nur die Haupthandelsstädte und ihre Umgebungen. Die Religion ist durchweg der Islam, dagegen herrscht große Mannigfaltigkeit in der Sprache. [* 72] Persisch wird im SW., türkisch-tatarisch im Zentrum, mongolisch im O. gesprochen. Der Lebensweise nach sind die Bewohner der Flußufer seßhaft, die der Steppen dagegen Nomaden. Die seßhafte Bevölkerung bewohnt zum Teil höchst ärmliche Lehmhütten, in den Haupthandelsstädten fehlt es aber nicht an prächtigen Gebäuden.
Die zahlreichen Befestigungen bestehen aus Erdmauern, die europäischen Waffen [* 73] keinen Widerstand zu leisten vermochten. Für Verkehrswege ist erst seit der russischen Beherrschung Zentralasiens, nun aber auch viel gethan worden (vgl. Turkistan). Das Vorrücken der russischen Grenzen [* 74] in Turkistan bis hart an den Hindukusch erregte die ernsteste Aufmerksamkeit Englands, das für seine indischen Besitzungen einen Kriegsfall zu befürchten begann. Die Forsythsche Expedition von 1873 nach Kaschgar im westlichen Zentralasien und den Pamirhochthälern, dem Grenzgebiet Zentralasiens gegen Russisch-Asien, erwies, daß in Indien ein russischer Angriff auf Zentralasien nicht zu fürchten sei. Dagegen ist Rußland nach seiner Lage und seinen Macht- und Handelsverhältnissen die Aufgabe gestellt, Zentralasien sich zu erschließen und von hier auf China und Persien einen Druck auszuüben, aber weiter nach S. nicht vorzudringen. Rußland ist sich dieser Aufgabe vollkommen bewußt; sie findet in zahlreichen Werken, Abhandlungen und Zeitungsartikeln beredten Ausdruck. Eine »Karte der russischen Eroberungen in Zentralasien« ist dem Artikel Russisches Reich (S. 81) beigegeben.
Weiteres s. auch im Art. Asien, [* 75] Entdeckungsgeschichte.
Vgl. A. v. Humboldt, Asie centrale (Par. 1843, 3 Bde.; deutsch von L. Mahlmann, Berl. 1844, 2 Bde.);
Khanikow, Mémoire sur la partie méridionale de l'Asie centrale (Par. 1863);
Mac Gregor, Central Asia, compiled for political and military reference (Kalkutta [* 76] 1871, wichtiges anglo-indisches Sammelwerk);
H. Rawlinson, England and Russia in the East (2. Aufl., Lond. 1875);
Wenjukow, Die russisch-asiatischen Grenzlande (deutsch, Leipz. 1874);
Vambéry, Zentralasien und die englisch-russische Grenzfrage (das. 1873, geschichtlichen Inhalts);
F. v. Hellwald, Zentralasien (das. 1874);
Derselbe, Die Russen in Zentralasien (neue Ausg., Augsb. 1878);
v. Richthofen, China (Berl. 1877 ff.);
Boulger, England and Russia in Central Asia (Lond. 1879, 2 Bde.);
Marvin, Reconnoitring Central Asia, between Russia and India (2. Aufl., das. 1885);
Edwards, The Russian projects against India (das. 1885);
Moser, Durch Zentralasien (Leipz. 1887, Reiseschilderungen);
Curzon, Russia in Central Asia in 1889 (Lond. 1889).
Unter den Karten von Zentralasien ist Walkers »Map of Central Asia« (mehrfach aufgelegt) hervorzuheben.
ein um einen Mittelpunkt gruppierter Bau, welcher über diesem Mittelpunkt seine Hauptentwickelung findet. Gehören hierher schon die Steinkreise (Cromlechs) der Kelten, die heiligen Reliquienbehälter (Stupas oder Topes) der Buddhisten, die runden Tempel, Grabmäler und Thermen der Römer, so bezeichnet Zentralbau im engern Sinn in der ältesten christlichen Baukunst [* 77] denjenigen Kirchenbaustil, welcher durch einen quadratischen oder regelmäßig achteckigen oder runden Mittelbau, der mit einer Kuppel überwölbt und von einem niedrigern Bogengang rings umgeben ist, charakterisiert wird.
Diese Bauart fand neben der Form der Basilika [* 78] bis ins 10. Jahrh. hinein häufig Anwendung, wurde aber im Abendland von dem romanischen und gotischen Stil, welcher sich in der Regel rechteckiger Grundrisse bedient, verdrängt. Der Renaissance- und Barockstil nahm den Zentralbau für Kirchen wieder auf, wofür Santa Maria della Salute in Venedig und die Karlskirche in Wien bezeichnende Beispiele sind. Im Morgenland, vorzugsweise in Konstantinopel, wo die Sophienkirche (s. Tafel »Baukunst VII«, [* 79] Fig. 9-12) den bedeutendsten altchristlichen Zentralbau bildete, fand er eine weitere Ausbildung in den Moscheen des Islam; s. Baukunst, S. 490 u. 491.
(Zentralämter), Bezeichnung für die obersten Landesbehörden, welchen die untern Verwaltungsbehörden unterstellt sind.
Den ¶
Zentralämtern (Ministerien) sind die Mittelämter (Provinzial-, Bezirks-, Kreisbehörden) unterstellt, von welchen dann wiederum die untersten Verwaltungsbehörden ressortieren.
[* 80] Bewegung eines Körpers, der, nachdem ihm eine Anfangsgeschwindigkeit erteilt worden, der Einwirkung einer Kraft [* 81] überlassen wird, die stets nach einem festen Mittelpunkt (Zentrum) hingerichtet ist. Der Körper, der vermöge seiner Trägheit in der Richtung AB (s. Figur) mit der ihm innewohnenden Geschwindigkeit in gleichförmiger Bewegung fortzugehen strebt, wird durch die nach dem Mittelpunkt O wirkende Kraft, welche man Zentralkraft oder auch Zentripetalkraft nennt, von der Linie AB abgezogen; ist AC die Strecke, um welche diese Kraft ihn dem Zentrum nähert in der Zeit, während welcher er vermöge der Trägheit von A nach B gelangen würde, so findet man den Ort D, welchen er nach dieser Zeit thatsächlich einnimmt, als Durchschnittspunkt der Linien CD und BD, die beziehungsweise parallel mit AB und BD gezogen werden (s. Parallelogramm der Kräfte). [* 82]
Der Weg, welchen der Körper von A bis D zurücklegt, ist eigentlich bogenförmig gekrümmt, fällt aber um so genauer mit der geraden Verbindungslinie AD zusammen, während eines je kleinern Zeitraums man die Bewegung betrachtet. Nimmt man daher diesen Zeitraum hinlänglich klein an (und man kann ihn sich ja so klein denken, als man immer will), so darf der Weg von A bis D als geradlinig angesehen werden. Während eines zweiten gleichgroßen Zeitteilchens würde der Körper vermöge seiner Trägheit unter Beibehaltung seiner in D vorhandenen Richtung und Geschwindigkeit die Strecke DE zurücklegen, welche gleich AD ist, wenn er nicht durch die von D nach O hin wirkende Zentralkraft von der Linie DE um die Strecke DF abgezogen und nach dem Eckpunkt G des Parallelogramms DEGF zu gehen genötigt würde, welche er auf dem Weg DG erreicht.
Ebenso wird er während des dritten gleichgroßen Zeitteilchens, statt die mit DG gleiche und gleichgerichtete Strecke GH infolge seiner Trägheit zu durchlaufen, nach dem Eckpunkt K des Parallelogramms GHKJ gelangen etc. Der Körper durchläuft also unter dem Einfluß der ihn unausgesetzt nach dem Zentrum O hinziehenden Zentralkraft die krummlinige Bahn ADGK, welcher die gebrochene Linie ADGK um so näher kommt, je kleiner die der Betrachtung zu Grunde gelegten Zeitteilchen angenommen werden.
Die Bewegungsrichtung, welche der Körper in jedem Punkt seiner gekrümmten Bahn besitzt, wird angegeben durch die in diesem Punkt an die Bahn gelegte Berührungslinie (Tangente). Die geradlinige Bewegung, welche der Körper längs dieser Tangente infolge seines Beharrungsvermögens annehmen würde, wenn in irgend einem Augenblick die Zentralkraft aufhörte zu wirken, nennt man deswegen seine Tangentialbewegung. Die vom Mittelpunkt O nach dem bewegten Körper gezogen gedachte gerade Linie, nach welcher die Kraft wirkt, heißt der Leitstrahl oder Radius vector des Körpers.
Während der Körper von A nach D übergeht, durchstreicht sein Leitstrahl den Flächenraum AOD, beim Übergang von D nach G den Flächenraum DOG etc. Diese Flächenräume, welche eigentlich von den krummlinigen Bahnstücken AD, DG etc. begrenzt sind, unterscheiden sich von den Dreiecken AOD, DOG etc. um so weniger, je kleiner die zugehörigen gleichen Zeitteilchen sind. Man erkennt nun leicht, daß die Dreiecke AOD und DOG, weil sie beide dem Dreieck [* 83] DOE an Flächeninhalt gleich sind, auch unter sich flächengleich sind, und so überhaupt jedes folgende Dreieck mit dem vorhergehenden. Es ergibt sich also der folgende Satz: bei jeder Zentralbewegung beschreibt der Leitstrahl in gleichen Zeiten gleiche Flächenräume. Dieses allgemeinste Gesetz der Zentralbewegung heißt das »Prinzip der Erhaltung der Flächen«.
für das deutsche Reich, ein seit 1873 in Berlin [* 84] erscheinendes amtliches Wochenblatt zur Veröffentlichung aller Ausführungsbestimmungen (Verordnungen, Reglements, Bekanntmachungen), welche im Anschluß an die Reichsgesetzgebung ergehen.
In dem Zentralblatt, welches vom Reichsamt des Innern herausgegeben wird, werden auch statistische Mitteilungen, Einzelentscheidungen, Ernennungen u. dgl. veröffentlicht.
nach der Annahme vieler Geologen der feurig-flüssige Erdkern, der von der erkalteten und dadurch fest gewordenen Erdrinde wie von einer Schale umgeben und der Grund sowohl der nach innen zunehmenden Erdwärme als der vulkanischen Erscheinungen sein soll. S. Erde, S. 746, u. Vulkane. [* 85]
in zusammengesetzten Staaten die gemeinsame oberste Staatsbehörde.
Deutsche [* 86] Zentralgewalt hieß eine 1848 von der Nationalversammlung zu Frankfurt [* 87] a. M. eingesetzte oberste Regierungsgewalt, welche bis zur Vollendung der Reichsverfassung die vollziehende Gewalt des damals in der Bildung begriffenen deutschen Bundesstaats ausüben sollte, aber nur bis zum Mai 1849 bestand. S. Deutschland, Geschichte, S. 889.
heißt die Beilage zum »Preußischen Staats- und deutschen Reichsanzeiger«, in welcher alle Handelsregister-, Marken-, Muster- und Patenteintragungen veröffentlicht werden.
(Central India, früher Central India Agency, Zentralindischer Agenturbezirk), der offizielle Name für die von den Zentralprovinzen, Bombay, [* 88] Radschputana, den Nordwestprovinzen und Bengalen eingeschlossenen 6 größern und 80 kleinern indischen Tributärstaaten, welche unter die politische Direktion eines vom Vizekönig von Indien direkt ressortierenden Agenten gestellt sind. Zentralindien umfaßt ein Areal von 194,838 qkm (3538 QM.) mit (1881) 9,261,907 Einw., wovon 7,800,396 Hindu, 891,424 Naturanbeter, 510,718 Mohammedaner etc. Administrativ ist Zentralindien eingeteilt in neun politische Agenturen: Bagelkhand, Bandelkhand, Bhil, Bhopal, Deputy Bhil, Guna, Gwalior, Indor und Western Malwa. Der britische Agent, welcher über eine starke Truppenmacht verfügt, residiert in der Stadt Indor.
(lat.), dasjenige System, diejenige Einrichtung, wonach alle Funktionen eines größern Organismus möglichst in einem Haupt- und Mittelpunkt zusammengefaßt werden und alle Fäden thunlichst in Einer Hand zusammenlaufen; im Gegensatz zur Dezentralisation, der möglichsten Selbständigkeit der einzelnen Glieder eines größern Ganzen. Zentralisation bedeutet namentlich ein Regierungssystem, bei ¶