Wolframsäureanhydrid, gibt mit
Salpetersäure oder
KalilaugeWolframsäure und verbindet sich mit
Chlor nur beim Erhitzen. Mit
Sauerstoff bildet es ein
Oxyd WO2 , blaues
Oxyd W2O5 und Wolframsäureanhydrid WO3 . Man
stellt Wolfram und
Legierungen desselben mit
Eisen
[* 2] und
Mangan im großen dar, um dieselben in der Stahlfabrikation zu
benutzen. Der Wolframstahl und das
Minargent sind die wichtigsten Wolframlegierungen.
Wolframsäureanhydrid (Wolframtrioxyd) WO3 findet sich als Wolframocker, entsteht beim Erhitzen von an der
Luft
und wird aus Wolframsäuresalzen beim
Kochen der
Lösung derselben mit
Säuren abgeschieden. Zur
Darstellung behandelt man fein
gepulverten Wolfram (das
Mineral) mit
Salzsäure, zuletzt unter Zusatz von etwas
Salpetersäure, bis
Eisen
und
Mangan möglichst entfernt sind, löst den Rückstand in
Ammoniak, verdampft die
Lösung zur
Kristallisation und glüht das
wolframsaure
Ammoniak.
Wolframhaltige
Zinnerze behandelt man im Flammofen mit Rohsoda und erhält dann beim
Auslaugen mit
Wasser eine
Lösung, welche
wolframsaures
Natron, aber nur
Spuren von zinnsaurem
Natron enthält. Das wolframsaure
Natron Na10W12O41 bildet
farblose
Kristalle mit 28
MolekülenKristallwasser, mit 2
MolekülenWasser, ist hygroskopisch, leicht löslich
in
Wasser, schmeckt bitterlich herb, reagiert alkalisch, wird durch
Wasser nicht zersetzt und schmilzt bei Rotglut.
Wolframsaurer
Baryt wird aus einem löslichen
Barytsalz durch wolframsaures
Natron gefällt, ist blendend
weiß und als
Surrogat des
Bleiweißes empfohlen worden, da es ebensogut deckt,
nicht nachdunkelt, auch durch
Schwefelwasserstoff
nicht verändert wird. Als Wolframweiß wurde auch das wolframsaure
Zinkoxyd empfohlen, welches aus einer
Lösung von
Chlorzink
und
Chlornatrium durch wolframsaures
Natron gefällt wird und besser deckt als
Zinkweiß. Wolframsaures
Chromoxyd wird aus Chromchloridlösung durch wolframsaures
Natron gefällt, ist grün und kann wie auch das wolframsaure
Kupferoxyd
zur
Darstellung von Anilinschwarz benutzt werden.
Andre Wolframsäuresalze wurden als
Malerfarben empfohlen. Schmelzt man wolframsaures
Natron mit Wolframsäureanhydrid und glüht
das
Gemenge inWasserstoff oder
Leuchtgas,
[* 9] so entsteht wolframsaures Wolframoxydnatron Na2W3O9
, ein metallglänzendes, goldgelbes kristallinisches
Pulver, welches bei Ausschluß der
Luft Glühhitze
erträgt, durch
Säuren und
Alkalien nicht angegriffen, in hoher
Temperatur aber durch
Sauerstoff und
Chlor zersetzt wird. Es
ist als
Safranbronze (Wolframbronze, Wolframgoldbronze) in den
Handel gekommen, das entsprechende violette, im
Sonnenlicht kupferglänzende
Kalisalz als
Magentabronze und eine Mischung des letztern mit blauem Wolframoxyd als Wolframviolett.
Diese
Bronzen können mit der Metallbronze nicht konkurrieren, sollen aber neuerdings zur Erzeugung verschieden gefärbter
Gläser benutzt werden. Bei Behandlung von wolframsaurem
Natron mit
Phosphorsäure entstehen die
Natronsalze zweier Phosphorwolframsäuren,
welche als sehr empfindliche Reagenzien auf
Alkaloide benutzt werden. Erhitzt man
Wolframsäure sehr mäßig
in
Wasserstoff, oder behandelt man sie mit
Salzsäure und
Zink, oder erhitzt man wolframsaures
Ammoniak bei Luftabschluß, so
entsteht blaues Wolframoxyd W2O5 , ein intensiv blaues, in
Wasser unlösliches
Pulver, welches an feuchter
Luft in
Wolframsäure übergeht.
Man benutzt es als
Mineralblau
(Wolframblau, blauer
Karmin), mit
Wolframsäure gemischt als grüne und mit
Magentabronze gemischt als violette
Farben.
Wolframsäure wurde 1781 von
Scheele im
Tungstein entdeckt, 1784 erhielten die Gebrüder
d'Elhuyar dieselbe
Säure aus dem
Wolframit und stellten auch das
Metall daraus dar. Die Wolframindustrie datiert seit den Bemühungen
von Oxland (1848), wolframsaures
Natron im großen darzustellen. Auf der
LondonerAusstellung 1862 zeigte
dieselbe eine überraschende
Entwickelung, seitdem aber haben die verschiedenen Wolframpräparate kaum an Bedeutung gewonnen.
vonEschenbach, neben
Gottfried von Straßburg und
Walther von der Vogelweide der bedeutendste
deutsche Dichter des
Mittelalters, wurde in der zweiten Hälfte des 12. Jahrh. aus dem altadligen
Geschlecht, das von dem fränkischen
Städtchen
Eschenbach seinen
Namen führte, geboren. Über seine Lebensschicksale ist wenig bekannt. Aus mehreren Andeutungen
in seinen Gedichten geht hervor, daß er nicht der erstgeborne Sohn seines
Hauses war und dadurch der
Armut anheimfiel.
kritisch herausgegeben in LachmannsAusgabeWolframs; San Marte übersetzte sie in »Leben und Dichten Wolframs von Eschenbach«
(2. Bd., 1. Buch). In allen sprechen sich lebhaftes und starkes Gefühl und ehrenfeste Gesinnung aus. Von seinen größern Werken
ist vor allen »Parzival« (vollendet um 1210) zu nennen. WolframsQuelle
[* 12] war nach seiner eignen Aussage eine
doppelte: er kannte das uns erhaltene Gedicht des Chrétien de Troyes: »Le
[* 13] conte del graal«, außerdem aber ein andres, noch
nicht wieder aufgefundenes Werk eines Provençalen, Kyot. Wolfram von Eschenbach bezeichnet ausdrücklich Kyots Darstellung als die richtigere.
Man hat behauptet, allerdings ohne zwingenden Grund, daß dieser Kyot nur von Wolfram erdichtet sei, um
damit seine Abweichungen von Chrétien zu rechtfertigen. Seine Dichtung enthält in den zwei ersten Büchern die Vorgeschichte
des Helden, die Geschichte von ParzivalsVater Gahmuret, der, ein jüngerer Sohn des HausesAnjou, in heidnischen Landen eine Königin,
Belakane, erwirbt. Sie gebiert ihm einen Sohn, Feirefiz; er aber, vom Drang nach Abenteuern getrieben,
verläßt sie und kehrt nach Frankreich zurück, wo er in Herzeloide eine zweite Gattin findet.
Auch von dieser scheidet er und zieht aufs neue gegen die Heiden, um im Kampf mit ihnen zu fallen. Herzeloide gebiert einen
Sohn, Parzival, den sie, um ihn vor gleicher Gefahr zu schützen, in der Einöde erzieht. Allein der in
ihm schlummernde ritterliche Sinn treibt ihn in die Welt; er kommt an Artus' Hof, erwirbt die schöne Kondwiramur zur Gemahlin,
verläßt sie aber, um seine Mutter aufzusuchen. Er gelangt in die Burg des Gral, unterläßt jedoch die den
verwundeten Gralkönig Amfortas erlösende Frage. In Artus' Tafelrunde feierlich aufgenommen, erfährt er durch eine Gralbotin
seine Schuld und zieht nun aufs neue aus, den Gral zu suchen.
Durch den Einsiedler Trevrizent von seinem Zweifel an Gott bekehrt, ist er nach vielen Kämpfen, zuletzt mit seinem Freund Gawan
und seinem Halbbruder Feirefiz, endlich würdig, das Gralkönigtum zu erlangen. Einen nicht unbeträchtlichen
Teil des Gedichts nehmen die Abenteuer Gawans ein, welcher, der Typus eines höfischen Ritters, einen Gegensatz zu dem innerlich
tiefern Parzival bildet. Die auf die höchsten Fragen des Daseins, das Verhältnis des Menschen zu Gott, gerichtete Idee des Gedichts
macht dasselbe zu einem psychologischen Roman von hohem Interesse.
Ein zweites Gedicht Wolframs ist der unvollendete »Willehalm«, eine Episode aus dem LebenWilhelms des Heiligen von Orange. Seine
Quelle war das altfranzösische Heldengedicht »La bataille d'Aliscans«, welches nur einen Teil des
großen Sagencyklus von »Guillaume au court nez« umfaßt. Ulrich von dem Türlin (1253-78) glaubte den
»Willehalm« Wolframs von vornherein ergänzen zu müssen, und Ulrich von Türheim (um 1250) dichtete die letzten Thaten, die
Mönchwerdung und den TodWilhelms hinzu, beides unbedeutende Machwerke.
»Willehalm« steht hinter dem »Parzival« weit zurück, obgleich Sprache
[* 14] und Verskunst vorgeschritten erscheinen. Ungleich höher
steht wieder der nur in wenigen Bruchstücken vorliegende, von Wolfram selber nicht vollendete »Titurel«,
der nicht mit dem »JüngernTiturel« verwechselt werden darf, als dessen Verfasser Wolfram von Eschenbach früher ebenfalls galt. Den
eigentlichen Inhalt des ganzen Gedichts sollte wohl die Geschichte der Liebe Schionatulanders und Sigunes bilden, die schon
im »Parzival« als eine liebliche Episode hervortritt.
den Dichter des sogen. »JüngernTiturel«, der die Fragmente des »Titurel« zu einem großen Gedicht vervollständigte, das unter
WolframsNamen ging. Noch im 15. Jahrh. waren »Parzival« und »Titurel« gelesen und wurden bereits 1477 gedruckt. Dann für Jahrhunderte
verschollen, wurden erst in der Mitte des 18. Jahrh., namentlich durch
Bodmer und Breitinger, WolframsDichtungen wieder bekannt; doch sagte weder des erstern moderne Bearbeitung des »Parzival« (Zür.
1753) noch die des »Wilhelm von Orange« in Hexametern dem Geschmack des größern Publikums zu. Erst die neueste Zeit erhob Wolfram von Eschenbach wieder
zu der ihm gebührenden Ehrenstelle.
enthält neben schätzbarem Material viel Irrtümliches, da sie den »JüngernTiturel« noch als ein Werk Wolframs ansieht.
Ein richtigeres und tiefer greifendes Verständnis des »Parzival« eröffnete Lachmann in seiner »Auswahl
aus den hochdeutschen Dichtern des 13. Jahrhunderts« (Berl. 1820). Auch die erste kritische Ausgabe von Wolframs Werken gab
Lachmann (Berl. 1833, 4. Ausg. 1879),
eine Ausgabe des »Parzival« allein mit erklärenden Anmerkungen Bartsch (2. Aufl., Leipz.
1875-77, 3 Bde.). Neuhochdeutsche Übersetzungen besorgten San Marte (in »Leben und Dichten Wolfram von Eschenbachs«,
Magdeb. 1836-41, 2 Bde.; 3. Aufl.,
Halle
[* 16] 1886, 2 Bde., und »Wilhelm von Orange«, das. 1873) und Simrock (»Parzival und Titurel«, Stuttg. 1842, 2 Bde.; 6. Aufl.
1883).
Flecken im bayr. Regierungsbezirk Oberbayern, Bezirksamt München
[* 20] II, an der Lotsach
^[richtig: Loisach], 563 m ü. M., hat 4 Kirchen, ein Amtsgericht, ein Forstamt, eine Glasfabrik, Bierbrauerei,
[* 21] eine Dampfsägemühle,
Holzflößerei und (1885) 1586 fast nur kath. Einwohner.
Dorf im preuß. Regierungsbezirk und Landkreis Kassel,
[* 22] 4 km nordöstlich von Kassel, in schöner Lage
an der Fulda,
[* 23] hat eine evang. Kirche, hübsche Anlagen, eine Kaltwasserheilanstalt, Pferdezucht
[* 24] und (1885) 1454 Einw.
Stadt in Kärnten, Hauptort des Lavantthals, am Fuß der Koralpe, an der Eisenbahn Unterdrauburg-Wolfsberg gelegen,
besuchter Sommerfrischort, Sitz einer Bezirkshauptmannschaft und eines Bezirksgerichts, hat ein Schloß des
GrafenHenckel von Donnersmark mit Park und Mausoleum, ein Kapuzinerkloster, eine Fachschule für Tischlerei, Braunkohlengruben,
Fabrikation von Sensen, Bleiweiß,
[* 26]
¶
[* 31] 0,6-1,6 m tiefe, kegelförmige Gruben mit einem aufwärts gerichteten, oben zugespitzten Pfahl in der Sohle,
werden schachbrettförmig auf dem Glacis oder im Vorterrain der Schanzen als Annäherungshindernis angelegt,
doch zieht man in neuerer Zeit die wirksamern Drahthindernisse vor. Wolfsgruben auch s. v. w.
Fallgruben.
Wilhelm, dramat. Schriftsteller und Journalist, geb. zu
Odessa,
[* 35] studierte 1838-45 in Leipzig
[* 36] Philosophie und Philologie, trat litterarisch zuerst mit der Schrift »Die schönwissenschaftliche
Litteratur der Russen« (Leipz. 1843) auf, der späterhin »Rußlands
Novellendichter«, mit biographisch-kritischen Einleitungen (das. 1848-51, 3 Bde.),
1) Weiler mit Bergschloß bei dem Marktflecken Freiung, im bayr. Regierungsbezirk Niederbayern, hat ein Bezirks-
und ein Forstamt und (1885) 36 Einw. -
2) Stadt im bayr. Regierungsbezirk Pfalz, Bezirksamt Kusel, an der Lauter und der LinieKaiserslautern-Lauterecken der Pfälzischen
Nordbahn, 181 m ü. M., hat eine evangelische und eine kath.
Kirche, ein schönes Rathaus, ein Amtsgericht, Quecksilbergruben, Buntweberei, Gerberei, Bierbrauerei, Kalkbrennerei und (1885) 1101 meist
evang. Einwohner.
(tatar. Etil, Itil, Atel, die »Freigebige«,
bei den Slawen Bolga oder Wolga, bei den Alten Rha oder Oarus, (finn. noch jetzt Rau), der größte und wasserreichste Fluß des
europäischen Rußland
und Europas überhaupt, entspringt etwa 330 km vom FinnischenMeerbusen in der Nähe der Düna im GouvernementTwer, im Wolchonskiwald, unweit des Dorfs Wolgino-Werchowija, westlich von der Kreisstadt Ostaschkow, durchfließt
hierauf mehrere kleine Seen, nimmt dann die Selicharowka, den Abfluß des Seligersees, auf und wird für kleine Fahrzeuge
schiffbar.
Zwischen hohen Ufern setzt sie ihren obern Lauf in südöstlicher Richtung über Rshew bis Subzow fort, wo sie das wellenförmige
Tiefland erreicht, welches sie 1700 km weit auf ihrem bis Kamyschin reichenden Mittellauf nicht wieder
verläßt. Auf dieser weiten Strecke fließt sie erst ostwärts über Twer, wo sie für größere Fahrzeuge schiffbar wird,
bewässert die GouvernementsJaroslaw, Kostroma und Nishnij Nowgorod in einer anfangs nordöstlichen, dann südöstlichen Richtung
und tritt darauf in das GouvernementKasan
[* 42] ein.
Bei Sarepta wendet sich der Strom plötzlich gegen SO., wälzt sich zwischen durchweg flachen und
niedrigen Ufern langsam in vielen Armen, deren erste bedeutende Spaltung bei Zarizyn beginnt, und deren nördlichster Achtuba
heißt, ein Labyrinth von Sand- und Sumpfinseln, Schilf- und Wiesengründen bildend, durch den horizontalen Boden der salzigen
Steppe und ergießt sich 74 km unterhalb Astrachan in einem 110 km breiten Delta
[* 43] mittels 8 Haupt- und fast
2^0 kleinerer Mündungsarme ins Kaspische Meer.
Ein Arm der Wolga, der sich oberhalb Astrachan abtrennt, heißt Bolda. Im Frühling bietet das Wolgadelta den Anblick einer weiten
Wassermasse dar. Die Gesamtlänge des Stroms beträgt 3183 km. Unter den sehr zahlreichen und ansehnlichen Nebenflüssen der
Wolga sind folgende die wichtigsten: auf der rechten Seite die Oka und die Sura, auf der linken Seite die Mologa, Kostroma, Unsha,
Wetluga, Kama und Samara. Durch diese und mehr als 100 andre Nebenflüsse fallen 22 Gouvernements in das Stromgebiet des Riesenflusses,
das im ganzen 1,458,894 qkm (26,495 QM.) umfaßt.
Merkwürdig ist das geringe Gefälle des Stroms, das im ganzen nur 273 m beträgt. Die Breite
[* 44] der Wolga beträgt bei Twer gegen
215, bei der Mündung der Mologa 470, unterhalb der Mündung der Kama 1500 m und gegen ihre Mündung hin nahezu 8 km. Ihr Lauf
ist regelmäßig und ruhig, aber zur Zeit des Schneeschmelzens richtet sie Überschwemmungen und Verwüstungen
an. Diese reißen ihr bisweilen neue Betten, die, wenn sie Fluß behalten, Kleine Wolgen (Woloschki) genannt werden.
Die verlassenen, mehr oder weniger stehenden Flußstrecken heißen AlterFluß (Stariza), während man Saloni und Sawodi teils
kurze Nebenarme des Hauptstroms, teils kleine Buchten oder Uferseen nennt, die mit ihm durch kurze, meist
enge Mündungen zusammenhängen und als Sicherheits- und Landungsplätze von großer Wichtigkeit sind. Der Fluß hat eine
Menge größerer und kleinerer Inseln (Ostrowa), völlig von der Beschaffenheit des Gestades, die bis auf die untersten bei
¶
mehr
Astrachan alle überschwemmt werden. Im Sommer entblößt die an unzähligen Stellen ihren Grund und bildet Sandinseln, welche
nach der Überschwemmung nicht immer an derselben Stelle wieder erscheinen. Das Flußgerinne hat eine sehr verschiedene Tiefe
und erreicht sogar 26 m. Das Wasser der Wolga ist Flußwasser von mittlerer Güte, nicht sehr hell, doch nicht
ungesund und gut für die Fische,
[* 46] an denen die Wolga sehr reich ist. Sie bedeckt sich jährlich vom Ursprung bis zur Mündung
mit haltbarem Eis,
[* 47] was infolge des Klimas an verschiedenen Orten zu verschiedener Zeit geschieht.
Ungefähr 200 Tage im Jahr ist die Wolga eisfrei (in den GouvernementsKostroma, Jaroslaw und Kasan sogar nur 152 Tage);
doch ist sie bezüglich des Verkehrs die wichtigste Lebensader Rußlands. In den südlichen Gegenden bleiben seichte Stellen
(Polynja) offen und rauchen; bedecken sie sich, so öffnen sich andre, weshalb die Winterwege mit Vorsicht gewählt werden
müssen. Die Wolga führt alle Jahre immer mehr Sand mit sich und verschlämmt dadurch den Hafen bei Astrachan
ungemein.
Überhaupt bemerkt man an der ganzen Wolga, daß sie von Jahr zu Jahr seichter wird. Die Schiffahrt auf der Wolga ist bedeutend.
Regelmäßige Dampfschiffverbindungen werden von mehreren Wolga-Dampfschiffgesellschaften (Samoljot, Kawkas und Merkur,
[* 48] Wolga
u. a.) unterhalten, so von Twer nach Rybinsk, von dort nach Nishnij Nowgorod, Kasan und Astrachan, von Nishnij Nowgorod
auf der Kama nach Perm, auf der Ufa bis Ufa, auf der Oka bis Rjäsan und auf der Unsha bis Ugor. Der bequemste und lebhafteste
Verkehr besteht zwischen Nishnij Nowgorod und Zarizyn.
Unter den großartigen Kanalbauten zeichnen sich die drei Kanalsysteme von Wishne-Wolotschok, des Tichwin-
und des Marienkanals (s. d.) besonders aus, welche die Verbindung mit Petersburg bewirken, während der Kanal
[* 49] des Herzogs von
Württemberg
[* 50] die Wolga auch mit der Dwina in Verbindung setzt. Der schon unter Peter projektierte Kanal, welcher die Wolga mit dem Don
(von Zarizyn bis Katschalinsk) in Verbindung setzen sollte, ist nicht zur Ausführung gekommen, dagegen durch eine Eisenbahn
(Zarizyn-Kalatsch) ersetzt worden.
Von großer Wichtigkeit ist die Fischerei,
[* 51] wie denn die Wolga vielleicht der fischreichste Strom der ganzen Erde ist. Bei Simbirsk
beginnen die beständigen Fischereien, die sich am zahlreichsten unterhalb Astrachan, an den Mündungen
und nächstdem an der Achtuba finden. Aus dem KaspischenMeer drängt sich im Frühjahr eine so außerordentliche MengeFische
in die Flußmündungen, daß der Fischfang in dieser Zeit über 10,000 Fahrzeuge beschäftigt. Die häufigsten Fische sind:
Hechte, Sandarte, Barben, Brachsen und Welse, Störe und Hausen, Sterlette und Sewrugen (Acipenser stellatus).
In den Astrachanschen Fischereien werden jährlich über 100,000 StückHausen, über 300,000 StückStöre, 1½ Mill. Sewrugen
und dazu eine ungeheure MengeSterlette, Karpfen, Sandarte und Welse gefangen. Die Wolga gilt den Russen als ein heiliger Strom und
wird deshalb von ihnen fast stets »Mütterchen Wolga« genannt.
Steppe, große Steppe im südöstlichen Teil Rußlands, erstreckt sich vom Uralfluß bis zur
Wolga und von der Samara bis zum KaspischenMeer, ist waldlos, hat im allgemeinen magern, im S. salzigen
Boden, große Sandflächen, doch auch einzelne fruchtbare Niederungen mit
etwas Holz, mehrere Steppenflüsse und salzige Seen
und wird von Kalmücken bewohnt.
In der Umgegend von Zarizyn findet man Mammutsknochen, versteinerte Pferdeknochen, Haifischzähne
etc.
Michael, Maler, Hauptmeister der ältern fränkischen Schule, geb. 1434 zu Nürnberg,
[* 62] scheint sich in Flandern
oder doch nach flandrischen Gemälden gebildet zu haben und gründete in Nürnberg, wo er zuerst 1473 urkundlich erwähnt
wird, eine einflußreiche, vielbeschäftigte Malerwerkstätte, in die auch A. Dürer eintrat. Er starb in
Nürnberg. Aus Wolgemuts Atelier ging eine große Zahl von Schnitzaltären mit bemalten Flügeln hervor, welche zumeist handwerksmäßig
mit Hilfe von Gesellen ausgeführt sind.
Auch in seinen bessern, von ihm eigenhändig ausgeführten Gemälden erscheint er als ein den flandrischen Malern sowohl
in der Feinheit der Ausführung als der Empfindung nachstehender Künstler; die Formen pflegen eckig zu sein, die Typen
ziemlich einförmig und bisweilen von übertriebener Häßlichkeit. Wolgemut zeichnete auch für den Holzschnitt, unter anderm für
die Illustrationen in der »Schedelschen Weltchronik« (Nürnb.
1493), die den Anstoß zur raschen Fortentwickelung dieser Kunst durch und unter A. Dürer gegeben haben. In Kupfer
[* 67] gestochen
hat Wolgemut nicht.
durchzogen, deren Höhen 370-400 m erreichen, und auf denen viele Flüsse
[* 71] entspringen, so vornehmlich die Turia, der Styr, Goryn,
Slutsch, Teterew nach N. und der Sbrutsch nach S. Im nördlichen, mit dichten Waldungen besetzten Teil erheben sich zwischen
Sümpfen Sandstrecken in Gestalt kahler, länglicher Hügel. Der größte ununterbrochene Sumpf erstreckt
sich von der Grenze des Grodnoschen Gouvernements bis zum FlußPripet in einer Ausdehnung
[* 72] von 1000 qkm und ist völlig unzugänglich.
Die Zahl der Eheschließungen betrug 1885: 21,736, der Gebornen 109,641, der Gestorbenen 72,860. Der
Religion nach gehören sie meist der orthodox-griechischen Kirche an, außerdem zählt man 200,000 Katholiken und ebenso viele
Juden sowie einige Evangelische und Mohammedaner. Der größte Teil des Adels und ein Teil der Bürger sind Polen. Haupterwerbsquellen
sind: Ackerbau, besonders im S., Viehzucht (gegenwärtig in Verfall), Waldkultur im N. (mit reichem Gewinn
von Bauholz, Pech, Teer und Pottasche), Bienenzucht,
[* 85] Fischerei und Jagd (auch auf Bären, die in großer Zahl in den ungeheuern Wäldern
vorkommen).
(tschech. Volyně), Stadt in der böhm. Bezirkshauptmannschaft
Strakonitz, an der Wolinka (Nebenfluß der Wotawa), hat ein Bezirksgericht, eine Korbflecht- und eine Handwerkerschule, Bierbrauerei,
Lohgerberei und (1880) 2742 Einw.
Anhäufung von Wasserbläschen oder Eisnadeln, welche wie der Nebel (s. d.) entstehen und sich von diesem nur
dadurch unterscheiden, daß sie sich in höhern Luftschichten befinden. So erscheinen die Gipfel der
Berge oft von Wolken verhüllt, während ein Wanderer auf diesen Bergspitzen sich von Nebel umgeben sieht. Die gewöhnliche Veranlassung
zur Wolkenbildung, durch welche die Himmelsbedeckung (s. d.) verursacht wird, besteht in einem aufsteigenden
Luftstrom, welcher viele Wasserdämpfe mit sich führt, die in den obern kältern Luftschichten wieder
ausgeschieden werden. Die unterste Grenze der Wolkenregion ist durch die Höhe bestimmt, in welcher sich die aufsteigende Luft
bis zu ihrem Taupunkt (s. d.) abkühlt. Das Schweben der Wolken in der Luft erklärt sich zum
¶
mehr
Teil aus der großen Leichtigkeit der Wasserbläschen, welche nur mit sehr geringer Geschwindigkeit niedersinken können und
hieran außerdem auch durch den aufsteigenden Luftstrom gehindert werden, zum Teil ist es auch nur scheinbar. Senken sich
nämlich die Wolken hernieder, so werden die Wasserbläschen in den untern wärmern Luftschichten wieder in Dampf
[* 98] verwandelt, während sich oben durch einströmenden kalten Wind fortwährend neue Bläschen bilden. Eine Bergspitze erscheint
oft tagelang von einer Wolke eingehüllt, welche unbeweglich dieselbe Stelle zu behaupten scheint. In Wirklichkeit ist diese
Wolke aber in steter Neubildung begriffen. An dem kalten Berggipfel kühlt sich ein warmer Luftstrom ab und scheidet
Wasserbläschen aus, die, indem sie von demselben Luftstrom fortgetrieben werden, herabsinken und sich wieder auflösen,
während an dem kalten Berggipfel immer neue Nebelbildungen erfolgen. Wo also Ruhe zu sein scheint, herrscht unaufhörlich
Bewegung, und mit Recht sagt daher Dove, die Wolken sind nicht ein Produkt, sondern ein Prozeß, und vergleicht
sie in der Art, wie sie dauernd vergehen und von neuem entstehen, mit einer Schaumstelle eines Gebirgsbachs, die unverändert
stehen zu bleiben scheint.
Wenn die Verdichtung der Wasserdämpfe längere Zeit anhält und die einzelnen Dunstbläschen größer und schwerer werden,
so fließen sie zusammen und bilden wirkliche Wassertropfen, welche als Regen sowie bei hoher Kälte als
Schnee
[* 99] und unter besondern umständen als Hagel niederfallen. Die Einteilung der einzelnen Wolkengebilde versuchte zuerst Howard,
und zwar unterschied derselbe sieben Formen, nämlich drei Hauptformen: Cirrus, Cumulus und Stratus mit den drei Zwischenformen:
Cirrocumulus, Cirrostratus, Stratocumulus oder Cumulostratus und den Nimbus.
Die Federwolke (cirrus) besteht aus sehr zarten, bald mehr streifigen, bald mehr locken- oder federartigen
Fasern, welche in Höhen von 7-8000 m schweben und wohl immer aus Eisnadeln zusammengesetzt sind. Sie erscheint zuerst nach
anhaltend schönem Wetter
[* 100] und ist dann in trockner Luft mehr streifig, in feuchter mehr verwaschen. Oft setzen sich Streifchen
an Streifchen, krümmen sich an den Enden und bilden die sogen. Windbäume. Streifen von bedeutender Ausdehnung
bilden die federige Schichtwolke (cirrostratus), welche sich wie ein durchsichtiger Schleier über den Himmel
[* 101] zieht.
Fließen die Streichen endlich zusammen zu einem weißlichen Überzug des Himmels, so verkünden sie den in der Höhe bereits
eindringenden West- oder Südwind, der uns im SommerRegen, im Winter aber Schnee- und Tauwetter zu bringen
pflegt. Da diese Wolken vorzugsweise Veranlassung zu den Ringen um Sonne
[* 102] und Mond,
[* 103] den Nebensonnen und Nebenmonden, geben, so ist
daraus zu schließen, daß sie auch aus Eiskristallen bestehen. Die Schäfchen (federige Haufenwolke, cirrocumulus)
sind ein leichtes Gewölk, das aus einer Menge einzelner, abgerundeter, oft in Reihen geordneter Wölkchen besteht.
Sie erscheinen nur bei schönem Wetter am Himmel und gelten als Zeichen seiner Beständigkeit. In ihrer Form bilden die Schäfchen
den Übergang zur Haufenwolke (cumulus), welche sich mit gewölbten, mehr oder minder kugelförmigen, im
Sonnenschein stark glänzenden Gipfeln auftürmt und auf einer horizontalen, ebenen, etwas dunkeln Grundfläche zu ruhen scheint.
Diese Wolken werden durch den aufsteigenden Luftstrom in den tiefern Schichten der Atmosphäre gebildet.
Die horizontale Grundfläche bezeichnet die Luftschicht, in welcher der aufsteigende Luftstrom bis zum Taupunkt abgekühlt
ist. BeimNachlassen dieses Stroms senken sich die Wolken und lösen sich in den untern, wärmern Schichten wieder
auf, so daß sie gegen Abend oft vollständig verschwinden. Die Haufenwolke tritt besonders bei hoher Temperatur auf, weshalb
sie in den Tropen die gewöhnlichste Wolkenform und bei uns die gewöhnliche Sommerwolke ist. Die Schichtwolke (stratus) besteht
aus horizontalen Wolkenstreifen und bildet sich häufig nach Tagen, deren Temperatur gegen die der Nacht
stark absticht.
Eine besondere Form der Schichtwolken bildet die Wolkenbank, welche sich namentlich zur Zeit des Sonnenuntergangs meistens
in westlicher Richtung bildet und sich als schwere, in horizontalen Schichten gelagerte Wolkenmassen darstellt. Die dichter
werdenden Haufenwolken gehen in die streifige Haufenwolke (cumulostratus und stratocumulus) über, welche
in unsern Breiten die gewöhnlichste Wolkenform bildet und den untern Luftschichten angehört. Ihre Form ist unbestimmt, oft
unregelmäßig und zerrissen.
Bei zunehmender Wolkenbildung überziehen sie oft den ganzen Himmel mit einem blauschwarzen Farbenton und verwandeln sich
dann in die eigentliche Regenwolke (nimbus), aus der das verdichtete Wasser herabstürzt. Daß die von
Howard herrührende Einteilung der Wolken nicht ausreichend ist, weil verschiedene Wolkenformen, die oft auch unter verschiedenen
Verhältnissen entstanden sind, unter demselben Namen zusammengefaßt werden, ist allgemein anerkannt. Trotzdem sind diese
Namen beibehalten, weil es vorläufig noch nicht gelungen ist, eine zweckmäßigere Bezeichnung aufzustellen,
obgleich verschiedene Vorschläge dafür gemacht sind.
Eine eigentümliche Wolkenform, welche sich als gleichmäßig unterbrochene Wolkenhäufchen (cirrocumulus) oder Wolkenstreifen
(cirrostratus) in paralleler Richtung am Himmel zeigt, sind die von Alexander v. Humboldt mit dem NamenPolarbanden (s. d.) bezeichneten
Wolken, welche bei großer Heiterkeit des Himmels entstehen und unter den Tropen häufiger als in der gemäßigten
und kalten Zone auftreten. In neuerer Zeit ist die Aufmerksamkeit auch auf sogen. leuchtende Wolken gelenkt. Etwa 20 Minuten nach
Sonnenuntergang zeigen sich an dem vorher ganz klaren Himmel vereinzelte weiße Streifen, ähnlich sehr feinen Cirrusstreifen.
Mit zunehmender Dunkelheit verschwindet die Erscheinung auf der der Sonne gegenüberliegenden Himmelsseite
und nimmt an Ausdehnung immer mehr und mehr ab, während die Helligkeit des sichtbaren Teils der Erscheinung zunimmt und etwa
zwei Stunden anhält.
Buntpappe-, Sargverzierungs-, Pappspielwaren-,
Posamenten-, Korsett- und Metallwarenfabrikation, starke Schuhmacherei, Bierbrauerei und (1885) 2221 fast
nur evang. Einwohner.
Dabei das Wolkensteiner Warmbad, eine schon seit dem 14. Jahrh. bekannte Schwefeltherme von
30° C.,
¶