[* 1] (franz. Bonneterie), ein
Zweig der Textilindustrie, welcher, wie die
Weberei,
[* 4] die Verflechtung von
Fäden zu
Bekleidung und ähnlichen
Stoffen bezweckt, sich aber von dieser wesentlich dadurch unterscheidet (s.
Gewebe),
[* 5] daß
nicht zwei sich rechtwinkelig kreuzende Fadensysteme
(Kette und
Schuß), sondern entweder nur ein einziger
Faden
[* 6] oder ein
System
von parallelen
Fäden zur
Bildung des
Stoffes dient. Hiernach teilt man die Wirkwaren in zwei Hauptgruppen:
Kulierwaren und
Kettenwaren.
Bei beiden geschieht die Verschlingung der
Fäden durch
Bildung von
Maschen ähnlich wie beim
Stricken und
Häkeln, was als charakteristische
Eigenschaft aller Wirkwaren eine bedeutend größere
Elastizität, als
sie denGeweben eigen
ist, zur
Folge hat. Von den
Begriffen des
Strickens und
Häkelns läßt sich der des Wirkens namentlich seit Einführung der
Strickmaschine
[* 7] nicht mehr scharf trennen, da letztere ebensogut als Wirkmaschine
[* 8] aufgefaßt werden
könnte. Wie in der
WebereiHand- und
Maschinenstühle unterschieden werden, so stehen sich auch
Hand- und mechanische Wirkerstühle
gegenüber, von denen die erstern mehr nur ein
Werkzeug in der
Hand
[* 9] des Arbeiters sind, während der mechanische
Stuhl alle
Bewegungen selbstthätig ausübt, so daß der
Arbeiter ihn nur zu beaufsichtigen hat.
Die Maschenbildung bei der
Kulierware erfolgt fast genau so wie beim
Stricken, indem durch die
Ösen, welche den fertigen Warenteil
auf der Arbeitskante begrenzen, der
Faden in Form von neuen
Ösen durchgezogen wird, welche das Zurückgehen der alten
Maschen
verhindern und dann wieder in die
Rolle der letztern eintreten etc.; während jedoch beim
Stricken jede
Masche einzeln gebildet wird
[* 1]
(Fig. 1), indem der
Faden mit der
Stricknadel durch je eine fertige
Öse hindurchgezogen wird, erfolgt
beim Kulieren die
Bildung einer ganzen Maschenreihe gleichzeitig, indem durch ebensoviel
Nadeln,
[* 10] als
Maschen vorhanden sind,
der
Faden gleichzeitig durch sämtliche alle
Maschen in Form von
Ösen hindurchgezogen wird. Da nun der
zu
Ösen gelegte
Faden viel länger ist als die
Breite
[* 11] der
Ware, so würde er sich entweder dehnen, oder durch sämtliche
Nadeln
durchziehen müssen, was wegen der stattfindenden
Reibung
[* 12] unmöglich ist; man bringt daher den
Faden zunächst durch die festliegenden
Nadeln und eigentümlich geformte bewegliche Stahlplatten
(Platinen) in die Form einer Wellenlinie, welche
dieselbe
Länge hat, wie ein über die ganze
Breite gehender
Faden in der
Ware, faßt dann sämtliche
Wellen
[* 13] gleichzeitig durch
Hakennadeln, welche vorher durch die alten
Maschen geschoben sind, und zieht den
Faden in Form von neuen
Maschen durch
die alten hindurch.
Bei dieser
Bewegung ist dafür zu sorgen, daß die alte
Masche über den
Haken abgleiten kann; derselbe hat daher meist die
in
[* 1]
Fig. 2 dargestellte Form. Der umgebogene Teil a ist elastisch und kann durch geringe
Kraft
[* 14] so weit zusammengedrückt werden,
daß die
Spitze in dieNute b kommt; diese
Operation wird durch einen besondern Teil, die
Presse,
[* 15] ausgeführt,
einer messerartigen
Schiene n besteht
[* 1]
(Fig. 3 a) und gleichzeitig sämtliche
Haken schließen kann, nachdem sie
Fäden genommen
haben. Von andern Nadelsystemen für Wirkerstühle ist die Zungennadel
[* 1]
(Fig. 4) noch gebräuchlich,
bei welcher der
Haken ohne Zuhilfenahme der
Presse durch eine
Zunge d geschlossen wird, welche in aufgeklapptem
Zustand gezeichnet ist.
Der Vorgang beim Kulieren ist nun folgender: Auf den sämtlichen
Nadeln befinden sich
Maschen der alten
Ware w
[* 1]
(Fig. 3 a), welche
durch die
Platinen p in deren
Einschnitt e erfaßt werden;
Sodann werden die
Platinen p der
Reihe nach gesenkt, so
daß ihre Vorsprünge g den
Faden zwischen zwei benachbarten
Nadeln zu
Schlingen
[* 1]
(Fig. 3 b) durchdrücken, welche liegen bleiben,
wenn die
Platinen sich wieder heben, nachdem sie die gehörige Fadenmenge auf die
Nadeln verteilt haben.
Durch eine eigentümliche
Bewegung der
Platine nach links wird nun die neue
Schlinge in den
Haken der
Nadel geschoben, dann durch
den
Druck der
Presse der
Haken geschlossen und durch weitere Linksbewegung der
Platine die alte
Masche über den
Haken abgeschlagen. Geht nun die
Presse wieder in die
Höhe, so öffnet sich der
Haken durch seine
Elastizität, die neugebildete
Masche kann durch die
Platine herausgezogen, unter die
Kehle e gefaßt und nach rechts bewegt werden, worauf sich der Vorgang
von neuem wiederholt. Die Maschenbildung bei der
Kettenware wird am leichtesten verständlich durch Betrachtung
der
[* 1]
Fig. 5 (S. 688), welche einige
Maschen der
Kettenware zeigt,
bei der die Fortschreitung der Arbeit im Sinn des Pfeils stattfindet. Die Kettenware entsteht aus der Verbindung paralleler Fäden
in ähnlicher Weise wie bei der Kulierwirkerei durch Bildung von Schleifen in den Kettenfäden und Verbindung derselben mit den
Schleifen der Nachbarfäden zu Maschen. Die zur Ausführung dieser Arbeit nötigen Teile sind ebenfalls
Hakennadeln, Platinen und Presse (Fig. 6). Die Platinen haben jedoch eine etwas andre Form, da sie nicht mehr zum Verteilen
des Fadens, sondern nur noch zur Bewegung der Masche auf der Nadel dienen. Als neue Teile treten aber hier noch die Loch-, Ketten-
oder Maschinennadeln f hinzu, welche, untereinander parallel, um 45° gegen den Horizont
[* 17] geneigt sind und
dieselbe Teilung (Entfernung voneinander) haben wie die Hakennadeln. Durch jede dieser Nadeln läuft ein Kettenfaden nach der
Hakennadel und kann durch sie um letztere herumgeschlungen werden. Zur Erzeugung der Maschenverschlingung
[* 16]
(Fig.
5) sind nun folgende Bewegungen mit jedem Faden zu machen: Zunächst wird die alte Schleife von der Kehle
der Platine erfaßt und nach dem Befestigungsteil der Nadel zu-, also nach rechts gezogen;
Dann werden die Lochnadeln um eine Nadelteilung z. B. nach rechts verschoben
[* 16]
(Fig.
7, von f1 ^[f1] nach f2 ^[f2]), hierauf gehoben, nochmals nach rechts geschoben, von f2 ^[f2]
nach f3 ^[f3], über der Hakennadel gesenkt u. endlich in ihre Anfangslage f1 ^[f1] zurückgebracht.
Der Faden liegt nun in Form einer Schlinge über der Hakennadel 2; er muß jetzt noch in den Haken geschoben werden, was durch
die Platine geschieht, welche ihn auch, nachdem die Presse den Haken geschlossen hat, durch die alte Masche
hindurchzieht und damit die alte Masche vollendet und die neue beginnt.
In demMuster
[* 16]
Fig. 5 ist, wie leicht zu verfolgen, die Masche abwechselnd auf einer von zwei benachbarten Nadeln gebildet, wodurch
die einfachste mögliche Kettenware entsteht. Selbstverständlich sind aber auch andre Legungen des Fadens
möglich, indem z. B. zwischen drei, vier oder mehr Nadeln gewechselt wird, welche auch mit Überspringung einzelner Nadeln
benutzt werden können. Hierdurch ist die Möglichkeit geboten, die Kettenware in der verschiedensten Weise auszuführen, namentlich
sie leichter oder dichter zu wirken, je nachdem es für den speziellen Zweck vorteilhaft ist.
Die zum Wirken von Kettenware dienenden Teile sind ebenfalls in einer Maschine
[* 18] zusammengestellt, dem Kettenwirkstuhl, welcher,
wenn alle Bewegungen noch direkt durch die Hand des Arbeiters erfolgen, Handkettenstuhl heißt. Von Wirkwaren (Strumpfwaren)
verlangt man im allgemeinen, daß sie elastisch, um sich den Körperteilen gehörig anzuschmiegen, aber
auch dicht sind, um eine vollkommene Decke
[* 19] zu bilden. Ware, welche diese Bedingungen erfüllt, nennt man geschlossene Ware; zu
ihrer Herstellung ist es nötig, die Fadenstärke im richtigen Verhältnis zur Nadelstärke und Nadelteilung zu wählen.
Ist der Faden zu schwach, so erhält man hungrige
oder gezwungene, ist er zu stark, volle oder völlige
Ware, welche nur in einzelnen Fällen passend sind. Eine Einteilung findet ferner nach der Art der Vollendung von Gebrauchsgegenständen
statt; z. B. unterscheidet man die Kulierwaren in reguläre Ware, d. h. solche, welche ihre fertige Form schon während des
Wirkens erhält, und in geschnittene Ware, deren Form man aus einem größern Warenstück herausschneidet.
Nur selten können die Gegenstände des Gebrauchs so weit fertig gewirkt werden, daß man sie unmittelbar danach verwenden
kann; zumeist müssen sie aus einzelnen Teilen zusammengenäht werden. Bei regulärer Ware werden die äußersten geschlossenen
Maschen direkt durch eine wenig bemerkbare Naht verbunden, während bei Schnittware weiter zurückliegende
Maschen gefaßt werden müssen, wodurch stark auftragende Nähte entstehen, welche die letztere Ware weniger geschätzt machen
als erstere.
Die Wirkwaren können glatt oder gemustert sein, wobei unter Muster eine Auszeichnung gewisser Figuren durch veränderte Maschenbildung
verstanden wird. Farbmuster können auch in glatter Ware erreicht werden durch Benutzung verschiedenfarbig
bedruckter Fäden, welche abwechselnd nach einer Anzahl Maschenreihen zur Verwendung kommen: man erhält dadurch die sogen.
Ringelware;
es läßt sich aber auch langgestreifte Ware erzielen, indem man mit verschiedenen Farben je über eine gewisse
Anzahl Nadeln kuliert.
Durch Kombination beider Mittel sind auch beliebige Farbenmuster möglich. Als Beispiel der durch
veränderte Maschenbildung bei der Kulierware entstehenden Muster mögen die Preßmuster dienen. Sie entstehen unter Benutzung
der sogen. Preßmaschine, einer Presse, welche nicht alle Nadelhaken gleichzeitig zupreßt, sondern einige offen läßt; auf
diesen werden die alten Maschen nicht abgeschlagen, sondern häufen sich zu etwa 3-8 bis zu dem Moment, wo sie
ebenfalls gepreßt und von der neuen Masche aufgenommen werden.
Die so entstehenden Erhöhungen bilden ein die Fläche unterbrechendes Muster. Die Kettenware, welche mit Ausnahme von Bändern
fast immer Schnittware ist, kann außer den bereits angedeuteten verschiedenen Legungen noch dadurch sehr variiert werden,
daß man statt Einer Kette, deren sämtliche Fäden gleiche Bewegung erhalten, deren mehrere von verschiedener
Bewegung nimmt. Hierdurch ist eine große Abwechselung in den Mustern möglich. Außer dem in
[* 16]
Fig. 5 dargestellten halben einfachen
Trikot werden auf Kettenstühlen gewirkt z. B. einlegiger Atlas
[* 20] in Seide
[* 21] oder feiner Baumwolle
[* 22] zu Sommerhandschuhen, Tuch oder
Kettentuch (Buckskin), welches nachträglich appretiert wird, englisches Leder, wollener Samt oder Plüsch
etc.
Geschichtliches. Der Vorläufer des Wirkens, das Handstricken, soll in Italien
[* 23] schon 1254 bekannt gewesen sein; einige führen
es sogar bis auf die Griechen zurück. Das Wirken und zwar das Kulierwirken ist nach allgemeiner Annahme eine englische Erfindung,
nämlich die eines Studierenden der Theologie in Cambridge, NamensWilliamLee, welcher 1589 den ersten Handkulierstuhl baute.
In England zu wenig unterstützt, begab sich Lee nach Rouen
[* 25] und Paris,
[* 26] wo er mehrere Stühle einrichtete und der Gründer der dortigen
Wirkindustrie wurde, welche hauptsächlich von Protestanten betrieben wurde. Viele von denselben flüchteten
nach der Aufhebung des Edikts von Nantes
[* 27] nach Deutschland
[* 28] und führten hier die ein. Die spätern Erfindungen waren meist nur
unwesentlich und hauptsächlich auf Herstellung neuer Muster und der sogen. Rund- oder Schlauchstühle gerichtet, auf welchen
schlauchartige Wirkwaren ohne Naht erzeugt werden (s. Strickmaschine).
ist alles dasjenige, was wirkt, d. h. irgend eine Thätigkeit (Wirksamkeit)
ausübt, weshalb Raum und Zeit, weil sie zwar die Bedingungen alles Wirkens sind, aber nicht selbst wirken,
nicht wirklich genannt werden;
der Inbegriff alles Wirklichen macht die Wirklichkeit aus.
(wallonisch pantin), ein im belg. Hennegau beliebtes Volksspiel, welches von zwei Spielern gespielt
wird, welche auf der Erde sitzen, und denen man einen Knebel in die Kniekehlen gesteckt hat, unter welchen die Arme gelegt werden,
die dann mit einem Handtuch zusammengebunden werden.
Die beiden Gegner bekämpfen einander mit den Fußsohlen,
und wer von beiden den andern zum Fallen
[* 43] bringt, kann von dem Besiegten ein halbes LiterBranntwein beanspruchen.
KarlDavid af, schwed. Dichter, geb. zu
Bellsta in Upland, studierte seit 1860 zu Upsala,
[* 44] machte 1862 das
Kanzleiexamen, besuchte 1866-67 zu weiterer AusbildungFrankreich und wurde 1868 zum Dozenten der Litteraturgeschichte
an der UniversitätUpsala und 1870 zum Lektor der schwedischen und lateinischen Sprache
[* 45] am obern Gymnasium daselbst ernannt.
Nachdem er 1871-72 zum Teil aus Gesundheitsrücksichten in Italien zugebracht, gab er 1875 seine Vorlesungen auf, um sich
ausschließlich litterarischen Arbeiten zu widmen, und trat 1878 in die Redaktion der »Post- och Inrikes
Tidning« ein.
Außer zahlreichen Aufsätzen in Monatsschriften hat er als selbständige Arbeiten erscheinen lassen: »Vergleichung der AnsichtenVischers und Zeisings über das Humoristische« (Stockh. 1866);
mehrere Biographien und Charakteristiken schwedischer Schriftsteller
etc. Das Hauptgewicht seines litterarischen Schaffens liegt jedoch in seinen Gedichten (»Dikter«, 2. Aufl.,
Stockh. 1877),
denen eine ernste, milde Stimmung, echte Religiosität, tiefe Vaterlandsliebe und dabei große Formvollendung
ihr eigentümliches Gepräge geben.
Ihnen folgten »Nya dikter« (1880) und »Sånger og bilder«
(1884). 1879 wurde er in die Akademie der »Achtzehn« abgenommen.
Kreisstadt im preuß. Regierungsbezirk Bromberg,
[* 46] an der Lobsonka, hat eine evangelische und eine kath. Kirche,
ein Amtsgericht, eine Bierbrauerei,
[* 47] eine große Mahlmühle und (1885) 1428 Einw.
(Wirtelstein, Wörtel), aus Stein- oder Thonmasse hergestellte runde, in der Mitte durchbohrte Scheiben, dazu
bestimmt, der beim Spinnen
[* 49] sich um ihre Achse drehenden Handspindel größere Schwungkraft
[* 50] zu verleihen, werden in vorgeschichtlichen
Ansiedelungen (schweizerischen Pfahlbauten,
[* 51] Hissarlik etc.) öfters angetroffen.
Dieselben sind bisweilen mit symbolischen
Zeichen verziert und wurden wohl auch der Gottheit als Weihgeschenke dargebracht. S. die Abbildungen auf
Tafel »Pfahlbauten«.
verbüßte. Hier schrieb er die »Fragmente zur Kulturgeschichte der Menschheit« (Kaisersl. 1835, 2 Bde.).
Nach überstandener Strafe ward Wirth im Dezember 1835 nach Passau
[* 63] gebracht, um dort noch eine Kontumazstrafe zu erleiden, und
sodann in Hof unter polizeiliche Aufsicht gestellt. Er flüchtete jedoch Ende Dezember 1836 nach Frankreich und 1839 nach
Thurgau,
wo er die in Konstanz
[* 64] erscheinende »Deutsche Volkshalle redigierte u.
die «Geschichte der Deutschen« (Stuttg. 1843-45, 4 Bde.; 4. Aufl.,
fortges. von Zimmermann, 1860-62) schrieb. 1847 ließ er sich in Karlsruhe
[* 65] nieder. In den preußischen Fürstentümern in die
deutsche Nationalversammlung gewählt, starb er schon in Frankfurt. Von seinen »Denkwürdigkeiten«
erschien nur der 1. Band
[* 66] (Leipz. 1843).
in seinen »Philosophischen Studien« (das. 1851) hat er es als die Aufgabe der
Philosophie bezeichnet, zu der induktiven (Begriffe bildenden) Methode, über welche der Empirismus, u. der deduktiven (aus
Begriffen ableitenden) Methode, über welche Hegel nicht hinausgekommen sei, eine produktive (Ideale verwirklichende) hinzuzufügen,
welche den Realismus des erstern mit dem Idealismus des zweiten vereinige.
ist jede auf die Befriedigung von Bedürfnissen,
demgemäß auf Erzeugung und Verwendung
von Gütern gerichtete schaffende Thätigkeit des Menschen. Dieselbe gewinnt vorzüglich dadurch eine Bedeutung, daß der Mensch
die Eigenschaften der Dinge der Außenwelt zu erkennen, diese Gegenstände auf ihre Brauchbarkeit für die Bedürfnisbefriedigung
zu prüfen und zu vergleichen, daß er ferner auf Grund gesammelter Erfahrungen auf die Zukunft zu schließen
und demgemäß bei allen wirtschaftlichen Handlungen an der Hand vernünftiger Erwägungen einen vorhandene Kräfte, Mittel und
Bedürfnisse berücksichtigenden Wahlentscheid zu treffen vermag.
Erfahrungsgemäß nehmen unsre Bedürfnisse mit steigender Kultur zu, während unsre wirtschaftlichen Kräfte ohne besondere
Pflege derselben sich mindern. Hieraus erwächst für den Menschen die unabweisliche Forderung, nach dem
Grundsatz der Wirtschaftlichkeit, d. h. immer so zu wirtschaften, daß bei voller Befriedigung
menschlich-sittlicher Bedürfnisse nicht allein unsre Bildung gesteigert, sondern auch unsre äußern ökonomischen Machtmittel
(Kapital) vermehrt werden. Um dieses Ziel am vollständigsten zu erreichen, ist mit gegebenen Kräften möglichst viel zu leisten
und ein bestimmter Zweck mit möglichst geringen Opfern zu erstreben.
Hieraus ergeben sich bestimmte Regeln für die Wirtschaftlichkeit der Produktion und Konsumtion (s. d.). Es gibt so viel Wirtschaften,
als Wirtschaftssubjekte ihre Bedürfnisse selbständig befriedigen. Dieselben weisen je nach Art, Zahl und rechtlicher Stellung
der wirtschaftenden Persönlichkeiten, nach Art der Gegenstände, auf welche die wirtschaftliche Thätigkeit
gerichtet ist, große Verschiedenheiten auf. Diese Thatsache in Verbindung mit der Möglichkeit, nach gewissen gemeinsamen
Merkmalen Gruppierungen vornehmen zu können, gibt Veranlassung zur Unterscheidung von Wirtschaftsarten, deren Entstehung
verursacht wurde durch Verschiedenheit der von Natur und Kultur gebotenen Kräfte und Mittel sowie durch die Ungleichheit der
Neigungen zum Genuß, welche wieder teils gegebenen natürlichen Zuständen, teils der Kulturentwickelung
zu verdanken ist.
Dazu kommt, daß eine volle Befriedigung und steigende Gesittung nur bei geordnetem Zusammenleben der Menschen möglich ist.
In dieser Thatsache liegt der unzerstörbare Keim aller Vergesellschaftung. In der Gesellschaft selbst können wir infolgedessen
unterscheiden: die Einzel- (Individual-) Wirtschaft und die Wirtschaft von Gemeinschaften (Gemeinwirtschaft), welche in
ihrer Gesamtheit als Einzelpersönlichkeiten erscheinen. Die Wirtschaft von Gemeinschaften kann auf freiem Vertrag beruhen, der jederzeit
wieder lösbar ist (sogen. freie Gemeinwirtschaften), oder die Gemeinschaft, bez. die ihren Zwecken dienende wirtschaftliche
Thätigkeit beruht auf Zwang.
Der Einzelne gehört der Gemeinschaft an auf Grund seiner Geburt, Niederlassung, Mangel einer positiven
Willenserklärung, auf Grund von Besitzverhältnissen u. dgl. und
hat demgemäß an der Lösung der Aufgaben der Gemeinschaft, insbesondere an deren Lasten, sich zu beteiligen. Solche Zwangsgemeinwirtschaften
sind in erster Linie der Staat, dann die Gemeinde, ferner Gemeinschaften, welche bestimmte einzelne Zwecke verfolgen, wie Deichverbände,
Meliorationsgenossenschaften, Zünfte, Zwangsinnungen etc. Bei diesen Zwangsgemeinschaften entspricht nicht immer die
Leistung der Gegenleistung, welche meist einseitig durch eine zwingende Gewalt, nicht auf dem Weg freien Wettbewerbs bemessen
und geregelt wird. Dann sind zu unterscheiden: die Privatwirtschaft, welche auf dem Boden des Privatrechts steht, und durch
welche der Private (physische oder
¶
Auf Grund der Arbeitsteilung bildete sich ein äußerlich wahrnehmbarer Gegensatz zwischen Gewerbe (s. d.) und Haushalt (s. Hauswirtschaft)
aus, welche zwei Seiten der Wirtschaft darstellen. Als Wirtschaftspflege, Wirtschaftspolitik, Wirtschaftspolizei bezeichnet man beschränkende
und fördernde Thätigkeiten der öffentlichen Gewalt, welche sich unmittelbar auf wirtschaftliche Gebiete
beziehen. Über Natural- und Geldwirtschaft s. Geld, S. 50.
See inLivland, 276 qkm (5 QM.) groß, an den Ufern dicht bewohnt, nimmt von Westen den Tennasilm auf,
von S. den KleinenEmbach, der am Nordostende den See wieder verläßt und als GroßerEmbach dem Peipussee zufließt.
(spr. ŭísbihtsch), Stadt in Cambridgeshire (England, am schiffbaren Nen, 16 km oberhalb dessen Mündung in
den Washbusen, für Schiffe
[* 79] von 500 Ton. zugänglich, hat 2 Lateinschulen, lebhaften Handel mit Holz
[* 80] und Korn und (1881) 9249 Einw.
Wisbeach ist Sitz eines deutschen Konsulats.
Hauptort der schwed. InselGotland, an der Westküste, erinnert durch seine gut erhaltene Stadtmauer mit mächtigen
Türmen und die Ruinen von zehn Kirchen an seine große Vergangenheit. Erhalten ist nur die St. Marien- oder Domkirche (1225 vollendet).
Kaum die Hälfte des Raums, auf dem die einst 20,000 Einw. zählende Hansestadt stand, wird
von der (1885) 6666 Seelen zählenden Bevölkerung bewohnt, deren vornehmste Beschäftigung Handel und Schiffahrt bilden.
Die Hafenanlagen befinden sich im SW. der Stadt, darunter ist der »äußere Hafen« durch einen Wellenbrecher künstlich hergestellt.
Mit Stockholm
[* 81] und Kalmar besteht regelmäßige Dampferverbindung. Wisby ist Sitz eines deutschen Konsuls. Die
Stadt verdankte ihr Emporkommen der Lage inmitten des südlichen Teils der Ostsee auf dem Handelsweg zwischen Nowgorod und dem
Westen. Schon im 12. Jahrh. entstanden daselbst Vereine dort ansässiger Kaufleute aus Westfalen,
[* 82] Niedersachsen und Preußen;
[* 83] später,
als Mitglied der Hansa, entfaltete sich Wisby zu mächtiger Blüte
[* 84] und war nur Schweden
[* 85] gegenüber, dem die
Insel gehörte, zu einem Zins verpflichtet, bis Waldemar IV. von Dänemark
[* 86] 1361 Wisby überfiel und zerstörte.
(tschech. Vyškov), Stadt in Mähren, in der Hanna, an der Nordbahnlinie Brünn-Prerau, Sitz einer Bezirkshauptmannschaft
und eines Bezirksgerichts, hat ein erzbischöfliches Schloß, Bierbrauerei und Malzerzeugung, mechanische Weberei, Tuchfabrikation,
eine Dampfmühle, bedeutenden Handel und (1880) 5221 Einw.
ein aus zusammengerolltem Leder oder Löschpapier bestehendes, stiftartiges, unten zugespitztes Malwerkzeug,
welches bei Kohlen-, Bleistift-, Kreide- und Pastellzeichnungen zur Herstellung der Schatten
[* 89] und Übergänge und zum Vertreiben
der Töne benutzt wird.
Für Wischer ist auch die französische Bezeichnung Estompe (s. d.) üblich.
(Vishnu), in der ind. Mythologie der zweite Gott der drei zu einem System (Trimûrti) vereinigten großen indischen
GötterBrahma, Wischnu und Siwa, jetzt der verehrteste und volkstümlichste aller indischen großen und kleinen
Götter. In den wedischen Liedern spielt er keine bedeutende Rolle; Wischnu ist hier ein Name des Sonnengottes, es wird von ihm gepriesen,
daß er die ganze weite Welt in nur drei Schritten (d. h. Aufgang, höchster Stand, Untergang derSonne)
[* 91] durchmessen habe.
In der epischen Zeit erscheint er als der Liebling des arischen Volkes, als der Held unter den Göttern,
während Indras Bedeutung zurückgedrängt ist. Seinen Haupteinfluß auf die Erhaltung der Welt übt er durch seine Awatâras
(Herabsteigungen, Inkarnationen), eine Lehre,
[* 92] die ihren Ursprung dem Bedürfnis des indischen Volkes nach einem persönlichen
Erlöser verdankt. »So oft eine Erschlaffung des Gesetzes und eine Erhebung des Unrechts eingetreten ist,
kommt Wischnu herab in irgend einer Gestalt«, heißt es im Mahâbhârata. In diesen Herabsteigungen nimmt der Gott bald tierische,
bald menschliche, bald übermenschliche Form an und gebietet in jeder über wunderbare Fertigkeiten. Die Inder erkennen zehn
Herabsteigungen an: neun haben sich bereits ereignet, die zehnte steht noch aus. Die zehn Verkörperungen
sind:
2) Als Schildkröte sichert er der Menschheit wieder einige der in der Flut verlornen Güter; zu diesem
Zweck begibt er sich auf den Meeresgrund und dient dem Berg Mandara zum Stützpunkt, den die Götter und Dämonen mit der Spitze
auf seinen Rücken stellen, um damit das Milchmeer zu quirlen, worauf die Kuh des Überflusses, die Weingöttin Wârunî u. a.,
schließlich die Götterspeise oder das Lebenselixir (amrita) als Butter auf die Oberfläche kommen, worauf
die Götter, mit neuer Kraft erfüllt,
¶
mehr
3) Als Eber gräbt Wischnu die ins Urmeer versunkene Erde heraus und trägt sie auf seinen Hauern an den alten Ort.
5) Als Zwerg überlistet er den Beherrscher der Dämonen, den König Bali, indem er sich die Bitte um so
viel Land gewähren läßt, als er mit drei Schritten durchmessen könne; Wischnu dehnte sich nun riesenhaft aus und durchschritt
mit drei SchrittenErde, Luft und Himmel.
[* 94]
6) Als Paraçu-Râma (d. h. Râma mit der Streitaxt) rottet Wischnu das ganze Geschlecht der Kschatrijas aus und begründet so das
Übergewicht der Brahmanen.
7) Als Râma ist Wischnu der Held des EposRâmâyana (s. d.), dessen Hauptinhalt die Thaten des inkarnierten Gottes bilden.
10) Die erst in der Zukunft stattfindende Kalki-Inkarnation soll den Untergang der völlig degenerierten
Welt und den Anfang einer neuen Menschheit herbeiführen; erst nach ganz später Tradition erscheint Wischnu dabei auf einem weißen
Pferd
[* 95] mit einem zweischneidigen Schwert. - Waishnava nennt sich eine der größten Hindukonfessionen; sie spaltet sich in zahlreiche
Sekten, denen aber die Verehrung Wischnus als des obersten der drei großen Götter gemeinsam ist.
(spr. uiskónnssin, abgekürzt Wis.), einer der Nordweststaaten der nordamerikan. Union, grenzt im N. an den
Obern See und an Michigan, gegen O. an den Michigansee, gegen S. an Illinois, gegen Westen an Minnesota und
Iowa, durch den Mississippi und St. Croix davon geschieden. Die Oberfläche ist großenteils wellenförmig; die Erhebungen steigen
von 177 m (Michigansee) bis zu 528 m (BlueMount im SW.) an, und die mittlere Erhebung des ganzen Staats beträgt 260 m. Eigentliche
Hügel kommen nur im N. und im SW., in dem sogen. Bleirevier, vor.
Erstere fallen steil gegen den Obern See zu ab und sind dicht bewaldet; letztere erheben sich über die von Flußthälern
tief durchschnittenen Prärien, welche den Süden und einen großen Teil der Mitte des Staats einnehmen. Im N. sind dichte
Waldungen von Nadel- und Laubholz, auch ausgedehnte Sümpfe und Moore kommen vor, und der Boden eignet sich nur wenig zum
Ackerbau.
Dagegen liefert der Süden reiche Ernten, namentlich in den Rodungen und freien Stellen der Eichenwälder (oak openings).