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metr. Ztr., Eier [* 2] 83,721,800 Stück, Butter 29,000 metr. Ztr., Käse 14,000 metr. Ztr., Spirituosen 60,000 hl, Wein und Most 360,000 hl, Bier 810,000 hl, Brennholz 355,000 cbm, Steinkohle u. Koks 6,957,000 metr. Ztr. Wichtige, zur Förderung und Belebung des Handels und Verkehrs dienende Einrichtungen sind außer den reichentwickelten Kommunikationsmitteln: die Effekten- und Warenbörse, die Frucht- und Mehlbörse, der jährlich stattfindende internationale Getreide- und Saatenmarkt, das 1876 eröffnete Lagerhaus der Stadt im Prater (in demselben wurden 1888: 1,7 Mill. metr. Ztr. Waren ein-, resp. ausgelagert), die Lagerhäuser der Unionbank und der verschiedenen Verkehrsanstalten, der großartige, 1883 vollendete Zentralviehmarkt in St. Marx, mit Schlachthäusern etc., die Großmarkthalle und die sechs Detailmarkthallen, neben welchen allerdings auch noch offene Märkte bestehen, die Seiden- und Wolltrocknungsanstalt, die Bank- und Kreditinstitute. 1888 gab es in Wien [* 3] im ganzen 14 Banken mit einem eingezahlten Aktienkapital von 273 Mill. Gulden.
Die bedeutendsten derselben sind: die k. k. privilegierte Österreichisch-Ungarische Bank (gegründet 1816, bis 1878 unter der Firma Österreichische Nationalbank, mit dem ausschließlichen Rechte der Ausgabe von Banknoten, Gesellschaftskapital 90 Mill. Guld.), die Österreichische Länderbank (gegründet 1880, Kapital 46,8 Mill.), die Österreichische Kreditanstalt für Handel und Gewerbe (gegründet 1855, Kapital 40 Mill.), der Wiener Bankverein (gegründet 1869, 25 Mill.), die Anglo-österreichische Bank (gegründet 1863, 18 Mill.), die Unionbank (gegründet 1870, 12 Mill.), die Niederösterreichische Eskomptegesellschaft (gegründet 1853, 9,8 Mill.), die Allgemeine Bodenkreditanstalt (gegründet 1864, 9,6 Mill. Guld.); vgl. Banken, S. 334. Ein hervorragendes Kreditinstitut ist ferner die Erste österreichische Sparkasse (gegründet 1819, Einlagenstand 168 Mill. Guld.), verbunden mit einer allgemeinen Versorgungsanstalt, neben welcher noch eine zweite, die Neue Wiener Sparkasse (15 Mill. Guld. Einlagen), besteht.
Die 1883 errichtete Postsparkasse ergab 1888 einen Einlagenverkehr im Betrag von 16 und einen Checkverkehr von 644 Mill. Guld. Für kleinere Kreditbedürfnisse sorgen 64 Vorschußvereine, welche 1887 an Krediten die Summe von 11,5 Mill. Guld. gewährten. Im J. 1889 trat ferner die neugegründete Niederösterreichische Hypothekenbank ins Leben. Das Versicherungsgeschäft wird in Wien von 33 inländischen und 6 größern ausländischen Gesellschaften betrieben. Außer den 14 Banken haben 136 andre Aktiengesellschaften zu industriellen, montanistischen, landwirtschaftlichen, kommerziellen, Transport-, Versicherungs- und sonstigen Zwecken ihren Sitz in Wien.
Verkehrsmittel.
Wien ist das Zentrum des gesamten österreichischen Eisenbahnnetzes; von hier laufen die größten Eisenbahnen strahlenförmig nach allen Richtungen und nach allen Ländern der Monarchie aus. Die älteste Lokomotivbahn ist die Kaiser Ferdinands-Nordbahn (1836 gegründet) mit den Linien von Wien über Lundenburg einerseits nach Brünn, [* 4] anderseits nach Oderberg und Krakau [* 5] (Bahnhof in der Leopoldstadt mit besonderm Kohlenbahnhof). Die übrigen Bahnen sind: die Österreichisch-Ungarische Staatseisenbahn (Zentralbahnhof vor der Belvederelinie beim Arsenal, mit großen Maschinenwerkstätten; Linie über Simmering mit Abzweigung zum Schlachthaus, über den Donaukanal, den Prater u. die regulierte Donau nach Stadlau; hier Teilung einerseits nach Brünn-Prag Bodenbach, anderseits nach Preßburg-Budapest, außerdem eine Linie über Bruck an der Leitha nach Budapest); [* 6]
die Südbahn (Bahnhof gleichfalls vor der Belvederelinie, Frachtenbahnhof in Matzleinsdorf, Linie nach Triest); [* 7]
die westliche Staatsbahnlinie (Bahnhof vor der Mariahilfer Linie, mit Werkstätten etc.; Linie nach Linz, [* 8] Salzburg [* 9] und Passau, [* 10] Verbindungsbahn von Penzing an die Donau bei Kaiser-Ebersdorf);
die Staatsbahnlinie Wien-Prag (Bahnhof an der Nußdorfer Linie, Bahnlinie über Gmünd [* 11] nach Eger [* 12] und Prag); [* 13]
die Österreichische Nordwestbahn (Bahnhof in der Leopoldstadt, Linie über Znaim und Deutsch-Brod, einerseits nach Kolin, [* 14] Prag und Tetschen, anderseits nach Pardubitz und Mittelwalde, mit mehrfachen Abzweigungen, große Donaubrücke);
die Wien-Pottendorf-Wiener-Neustädter Bahn (im Betrieb der Südbahn, von der sie bei Meidling abzweigt);
die Wiener Verbindungsbahn (vom Nordbahnhof zur Südbahn nach Meidling, von da nach Penzing und Hütteldorf);
die Donauuferbahn (von der Staatsbahnlinie bei Nußdorf ausgehend, mit einer Brücke [* 15] über den Donaukanal, dann längs der regulierten Donau bis Kaiser-Ebersdorf);
die Wien-Aspanger Bahn (mit Bahnhof bei der St. Marxer Linie).
Außerdem ist noch die Zahnradbahn (System Rigi) von Nußdorf auf den Kahlenberg zu erwähnen. Eine wichtige Handelsstraße bildet für Wien die Donau, namentlich seit der 1868-81 erfolgten Regulierung des Strombettes bei Wien. Hiernach wurde das Wasser der Donau (mit Ausnahme des Wiener Donaukanals) in Einem Normalbett konzentriert. Das Strombett ist aus zwei Teilen zusammengesetzt, nämlich je einem für die gewöhnlichen Wasserstände und für die Hochwasser, für letztere mittels in entsprechender Entfernung von den Ufern des Hauptbettes aufgeführter Dämme. Im freien Land schließt sich an das Normalbett beiderseits das Hochwasserbett an. Bei Wien liegt am rechten Ufer das Bett [* 16] für die gewöhnliche Wasserhöhe, am linken Ufer hingegen das Bett für die Hochwasser in seiner ganzen Ausdehnung. [* 17]
Die Breite [* 18] des Hauptbettes beträgt (für mittlern Wasserstand) 285 m, die des Nebenbettes dagegen 474 m, die Gesamtbreite des Hochwasserprofils somit 759 m. Das neue Strombett wurde in seiner ganzen Länge, Breite und Tiefe vollständig ausgehoben und ausgebaggert. Um die Stadt vor Überschwemmung zu schützen, wurde gleichzeitig eine nach dem vom Ritter v. Engerth entworfenen Projekt ausgeführte Absperrvorrichtung (Schwimmthor oder Sperrschiff) bei der Einmündung des Donaukanals bei Nußdorf errichtet.
In dem neuen rechten konkaven Stromufer von der Abzweigung des Donaukanals bei Nußdorf bis zur Einmündung desselben in die Donau ist ein 13,276 m langes und 53 m breites Landungsufer (mit einem Flächenmaß von 704,944 qm) hergestellt worden, an welchem Landungsplätze mit ca. 1900 m langen Kaimauern mit Landungsstiegen und Kränen errichtet wurden. Alle diese Landungsplätze sind durch die Donauuferbahn untereinander sowie mit den in Wien einmündenden Eisenbahnen in unmittelbare Verbindung gebracht. Am untern Ende der Stromkorrektion ward zwischen dem neuen Stromlauf und dem verlängerten Wiener Donaukanal ein Winterhafen hergestellt. In seinem wichtigsten Teil, der Eröffnung des neuen Donaudurchstichs, wurde das Werk der Donauregulierung bereits im J. 1875 vollendet. Auf der unterhalb Wien gelegenen Strecke von Albern und Fischamend ist die Regulierung im J. 1881 vollendet worden, womit das Regulierungswerk in dem 1868 gestellten Umfang zum Abschluß ¶
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gebracht wurde. Die Gesamtkosten desselben bezifferten sich mit Hinzurechnung der Kosten für die Einlösung, Anschüttung und Wertserhöhung der im frühern Überschwemmungsrayon gewonnenen Gründe, dann für den Bau der einen Donaubrücke auf rund 32 Mill. Gulden. Seither wurde jedoch eine Fortsetzung des Unternehmens in Angriff genommen und zwar einerseits von Wien aufwärts bis zur Mündung der Isper in die Donau und abwärts von Fischamend bis an die Landesgrenze bei Theben.
Ein andres Regulierungsobjekt, bei welchem aber zunächst die sanitären Rücksichten in den Vordergrund treten, bildet der Wienfluß. Bei kleinem Wasserstand verursacht dieser Fluß, in welchen außerhalb der Stadt Kanäle münden und in welchen zahlreiche Fabriken ihre Abfälle leiten, gesundheitsschädliche Ausdünstungen. Nach dem neuesten Projekt soll das Wienbett im Gemeindegebiet von Wien bis zum Stadtpark überwölbt und auf dem dadurch gewonnenen Grund ein Boulevard gebaut, auch sollen bei Weidlingau Reservoirs zur Aufnahme der Hochwasser hergestellt werden. Als Verkehrsweg ist endlich noch der Wiener-Neustädter Schiffahrtskanal zu erwähnen, welcher 1797-1804 als Anfangsstrecke eines längern Kanalzugs, dessen weitere Ausführung jedoch unterblieb, erbaut wurde. Er führt, 64 km lang, von Wiener-Neustadt nach Wien, wo er nahe der St. Marxer Linie endigt, hat 40 Kammerschleusen und wird von der Leitha und dem Kehrlich gespeist.
Für den lokalen Verkehr innerhalb der Stadt und in den Vorstädten, Vororten und Umgebungen Wiens dient eine große Zahl von Lohnfuhrwerken und zwar (1888) 954 Zweispänner oder Fiaker, 1220 Einspänner oder Komfortabels, 667 Stellwagen auf öffentlichen Standplätzen und 233 Linienwagen. Wesentlich verbessert wurden die Verkehrsverhältnisse durch die 1865 entstandene Pferdebahn (Wiener Tramway), die aus einer geschlossenen Linie um die innere Stadt mit Abzweigungen zum Nordwestbahnhof, Augarten, Franz Josephs-Bahnhof, nach Döbling und Währing, Hernals-Dornbach, durch die Josephstädter und Lerchenfelder Straße, nach Penzing, Meidling, zur Matzleinsdorfer Linie, zur Südbahn und nach Favoriten, über den Rennweg und die Landstraße nach Simmering und zum Zentralfriedhof, zur Sophienbrücke, zum Praterstern, endlich vom Praterstern zur Rotunde, zu den städtischen Bädern und in die Brigittenau besteht, zusammen in einer Ausdehnung von 62 km. Seit 1872 besteht noch eine zweite, die neue Wiener Tramwaygesellschaft, welche eine Linie vom Opernring nach Meidling (von da Dampftramway nach Neudorf), ferner eine Linie vom Schottenring nach Nußdorf (von da Dampftramway zum Bahnhof der Kahlenbergbahn), ferner mehrere Pferdebahnlinien in den Vororten, zusammen 36,8 km, angelegt hat.
Die Personenfrequenz der beiden Pferdebahnunternehmungen betrug 1888 ca. 50 Mill., die Zahl der Wagen 880. Dem Verkehr zwischen Wien und der Umgebung dienen außerdem die Dampftramways von der Hundsturmer Linie über Schönbrunn nach St. Veit und Mödling, dann von der Stephaniebrücke über Floridsdorf nach Stammersdorf und Groß-Enzersdorf (45,4 km), ferner die auf dem Donaukanal verkehrenden Lokalboote und die von den Bahnhöfen nach den nächsten Eisenbahnstationen in kurzen Zwischenräumen abgehenden Lokalzüge, endlich die Transportgesellschaft für den Güterverkehr. Übrigens fehlte es nicht an Projekten, die Verkehrsverhältnisse, namentlich durch den Bau einer Stadtbahn, zu verbessern.
Dem hoch entwickelten Post- und Telegraphenverkehr dienen in der Stadt und Umgebung 55 ärarische und 19 nichtärarische Postämter. Für den Betrieb des Staatstelegraphen bestehen in Wien 43 und in der nächsten Umgebung 16 Telegraphenstationen. Hierzu kommt noch die Privattelegraphengesellschaft, welche in Wien 101 Stationen unterhält. Die pneumatische Post wurde 1875 eingeführt, umfaßt 19 Stationen und hat eine Rohrleitung von 22,4 km Länge. Für den Telephonverkehr bestehen die ärarischen Leitungen nach Brünn, Baden, [* 20] Vöslau, Wiener-Neustadt und Reichenau, dann die Anlagen der Privattelegraphengesellschaft, zusammen mit 485 km langen Leitungen und 1204 Stationen.
Wohlthätigkeits- und Sanitätsanstalten.
Wien ist außerordentlich reich an Humanitäts- und Wohlthätigkeitsinstituten aller Art. Hierzu gehören: das bereits erwähnte Armenversorgungshaus im 9. Bezirk, mit einem Belegraum für 1680 Personen;
das Bürgerversorgungshaus, gleichfalls im 9. Bezirk (für 540 Personen);
4 städtische Versorgungshäuser außerhalb der Stadt (in den Orten Mauerbach, Ips, Liesing und St. Andrä);
6 Grundarmenhäuser in den Vorstädten, welche aus besondern Stiftungen dotiert sind;
das Asyl- und Werkhaus im 10. Bezirk (für 700 Personen);
ein Greisenasyl, 2 Kinderasyle, ein Männer- und ein Frauenasyl;
ein Mädchenrettungshaus;
die Gebär- und Findelanstalt in der Josephstadt (bereits 1784 gestiftet), welche jedoch für die Mehrzahl der Kinder nur Durchgangsstation ist, indem dieselben in die Privatkost auf das Land gegeben werden;
2 Knabenbeschäftigungsanstalten;
die Marienanstalt zur Erziehung armer Waisen- und Dienstmädchen;
das k. k. Invalidenhaus;
das k. k. Taubstummen- und das Blindeninstitut;
die 6 städtischen Waisenhäuser (für je 100 Kinder);
die 14 Volksküchen und 10 Suppen- und Theeanstalten;
der Wärmestubenverein;
52 Kinderbewahranstalten und Kindergärten und 7 Krippen, die Kaiser Franz Joseph-Stiftung zur Unterstützung des Kleingewerbes, der Verein für Arbeitsvermittelung, der Verein zur Unterbringung von Lehrlingen, das k. k. Versatzamt, die Gesellschaft vom Roten und Weißen Kreuz, [* 21] die Freiwillige Rettungsgesellschaft, dann mehrere Frauenwohlthätigkeits- u. Studentenunterstützungsvereine, Rentenanstalten, Pensionsinstitute, Leichenbestattungsvereine und andre Wohlthätigkeits- und Humanitätsvereine.
Obwohl an Sanitätsanstalten keineswegs arm ist, so stellt sich doch bei der raschen Zunahme der Bevölkerung [* 22] die Notwendigkeit einer weitern Vermehrung derselben heraus. Allgemeine Spitäler gibt es eigentlich nur vier: das allgemeine Krankenhaus [* 23] (1784 gegründet, mit 2000 Betten und den Kliniken der Universität), das Spital auf der Wieden (1841 gegründet, seit 1851 Staatsanstalt, mit 630 Betten), das Spital der Rudolf-Stiftung (seit 1864, mit 860 Betten) und das Spital an der Triester Straße (1888 zum Teil eröffnet).
Ausschließlich für das männliche Geschlecht dient das Krankenhaus der Barmherzigen Brüder (1614 gegründet, mit 232 Betten). Ausschließlich für das weibliche Geschlecht bestimmt sind die Spitäler der Elisabethinerinnen auf der Landstraße, der Barmherzigen Schwestern in Gumpendorf mit Filialanstalt in der Leopoldstadt und der Schwestern des heil. Franz von Assisi in Margarethen. Öffentliche Sanitätsanstalten, die nur gewisse Klassen von Kranken aufnehmen, sind außerdem: das Kommunal-Epidemiespital, die beiden Garnisonspitäler, das Priester-, Kranken- und Defizienteninstitut, das Krankenhaus der Wiener Kaufmannschaft, das ¶
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Inquisitenspital im Landesgericht, die sechs Kinderspitäler (darunter das zu St. Anna, zu St. Joseph sowie das Kronprinz Rudolf-Kinderspital), die israelitischen Krankenhäuser im Alsergrund und am Währinger Gürtel, [* 25] das Maria Theresia-Frauenhospital, das Sophienspital, das Rudolfinerhaus u. a. Außerdem gibt es zahlreiche Privatheilanstalten, darunter eine für Augenkranke, eine für Hautkranke, 2 für Gemütskranke, eine orthopädische Heilanstalt, ferner eine Landesgebär- und Findelanstalt, zugleich Impf- und Ammeninstitut, 8 Krankenordinationsinstitute, darunter die allgemeine Poliklinik, u. a. Die berühmteste Sanitätsanstalt ist aber neben dem allgemeinen Krankenhaus die in der Lazarettstraße gelegene Landesirrenanstalt, welche mit den ausgedehnten Gartenanlagen einen Raum von 22 Hektar bedeckt und 700 Kranke aufnimmt (mit Filiale in Kierling).
Die Zahl der Badeanstalten beträgt 43. Seit der Donauregulierung besteht eine große städtische Badeanstalt [* 26] nächst der Rudolfsbrücke, 1876 eröffnet, mit großem Schwimmbassin (3300 qm), vier kleinern Bassins, Separatbädern, Restaurant mit Terrasse etc., dann eine 1875 eröffnete k. k. Militärschwimmanstalt. Schwimmbäder sind ferner namentlich das Sophien- und Dianabad. Trefflich eingerichtet sind die Dampf-, Luft- und Vollbäder im römischen, Sophien-, Diana-, Margarethen-, Esterházy-, Josephsbad etc. Seit 1887 besteht auch ein städtisches Volksbad im 7. Bezirk.
Ein Werk von größter Bedeutung für die Wiener Bevölkerung ist die Hochquellenwasserleitung. Die unzureichende Wasserversorgung Wiens veranlaßte seit 1860 Studien zur Beschaffung von Wasser durch Hochquellen aus dem Bereich des Sand- und Kalksteingebiets. Man entschied sich für Einleitung der Quellen des Kaiserbrunnens im Höllenthal und von Stixenstein bei Buchberg, beide im Gebiet des Schneebergs. Das Wasser hat an der Quelle [* 27] eine Temperatur von 5-6° C., in Wien eine solche von 7-8° und ist außerordentlich rein, geschmack- und farblos.
Der Bau der Wasserleitung [* 28] wurde 1870 begonnen und 1874 vollendet; die Herstellungskosten betragen mit Einschluß der Auflagen für die Reservoirs und Röhrenleitungen gegen 24 Mill. Guld. An beiden Quellen sind Wasserschlösser abgelegt, von wo aus das Wasser in einem gemauerten Kanal [* 29] durch zahlreiche lange Stollen und mehrere große Aquädukte (darunter zwei je 665 m lang) in einer Länge von 98,8 km in die vier großen Reservoirs bei Wien (am Rosenhügel, auf der Schmelz, am Wiener Berg und am Laaer Berg) geführt wird.
Von hier aus verzweigt sich das Röhrennetz (5-95 cm breite Röhren) [* 30] in einer Länge von 285,000 m durch die ganze Stadt. Der tägliche Wasserverbrauch beträgt im Sommer 67,200, im Winter 47,600 cbm. In neuester Zeit wurde diese Anlage für den gesteigerten Bedarf nicht für genügend erachtet und ward daher zunächst ein Schöpfwerk bei Pottschach, gleichfalls im Gebiet des Schneebergs, angelegt (Leistungsfähigkeit 35,000 cbm pro Tag). Auch ist die Heranziehung weiterer Quellen im Gebiet des Schneebergs und der Raxalpe ins Auge [* 31] gefaßt worden.
Die Ableitung der atmosphärischen Niederschläge und der Abfallstoffe wird in Wien mittels eines Kanalnetzes durch ein Schwemmsystem mit natürlicher Spülung und Verstärkung [* 32] derselben durch Einleitung des Überfallwassers der Wasserleitungen bewirkt. Die Aufsammlung und Abführung aller Abfallstoffe und Niederschläge geschieht in dem Donaukanal und zwar teilweise direkt, teilweise durch den Ottakringer und Alsbach, welche beide im Stadtgebiet Wiens überwölbt und in Kanäle umgewandelt sind.
Aus sanitären Rücksichten wurde jede direkte Kanaleinmündung in den Wienfluß aufgehoben und sind parallel mit demselben an beiden Ufern Kanäle erbaut worden, welche alle einmündenden Seitenkanäle aufnehmen und direkt in den Donaukanal leiten. Um auch vom Donaukanal die Abfallstoffe abzuhalten, ist die Ausführung solcher parallelen Sammelkanäle zu beiden Ufern des Donaukanals projektiert. Die Gesamtlänge der Straßenkanäle beträgt 378, jene der Hauskanäle 475 km. Bis auf die neueste Zeit bestanden sieben Friedhöfe in Wien (darunter ein protestantischer mit hübscher kleiner Kirche im byzantinischen Stil von Hansen und ein israelitischer). Da dieselben aber bei der rasch anwachsenden Bevölkerung nicht mehr genügten, wurde seit 1870 von der Kommune ein neuer großer Zentralfriedhof zur Beerdigung der Verstorbenen sämtlicher Konfessionen [* 33] an der Reichsstraße nach Ungarn [* 34] zwischen Simmering und Klein-Schwechat angelegt, welcher mit der Stadt durch die Pferdebahn und den Eisenbahnflügel der Staatseisenbahn in Verbindung steht. Derselbe enthält in einer besondern Abteilung die Ehrengräber berühmter Männer (Beethoven, Mozart und Schubert, der Maler Makart und Amerling, des Mineralogen Mohs, des Kunstforschers Eitelberger, des Erbauers der Semmeringbahn, Ghega, des Parlamentariers Mühlfeld, der Generale John, Heß und Uchatius).
Unterrichts- und Bildungswesen.
An Unterrichtsanstalten ist Wien reich. Voran steht die von Rudolf IV. 1365 gestiftete Universität, nach Prag die älteste in Österreich [* 35] und Deutschland [* 36] und nach Paris [* 37] die am stärksten besuchte der Erde, mit 350 Professoren und Dozenten und gegen 6000 Studierenden. Sie bildet namentlich mit ihrer berühmten medizinischen Schule einen Anziehungspunkt auch für ausländische Studierende. Seit einigen Jahren ist sie mit Ausnahme der medizinischen Fakultät in dem monumentalen, von Ferstel errichteten Gebäude (s. oben) untergebracht.
Die wichtigsten Institute, Sammlungen und sonstigen Hilfsmittel der Universität sind: die im neuen Universitätsgebäude befindliche Bibliothek von 340,000 Bänden;
die Sternwarte, [* 38] in einem Neubau auf der Türkenschanze;
das philologische, das historische, das archäologisch-epigraphische, das mathematische, das pädagogische, das rechts- und staatswissenschaftliche Seminar;
das orientalische Institut;
das Institut für österreichische Geschichtsforschung;
der botanische Garten [* 39] mit Museum am Rennweg;
das naturhistorische Museum, aus einer zoologischen und mineralogischen Sammlung bestehend;
das zootomische Institut;
die Zentralanstalt für Meteorologie und Erdmagnetismus (auf einer Anhöhe bei Heiligenstadt);
die drei chemischen Laboratorien;
das physikalische Institut;
das geographische Institut;
das geologische Museum;
die paläontologische Sammlung;
das pflanzenphysiologische Institut;
das physikalisch-chemische Laboratorium; [* 40]
die neue anatomische Anstalt in der Währinger Straße und das dazugehörige anatomische Museum (über 8000 Präparate);
das pathologisch-anatomische Museum im allgemeinen Krankenhaus;
das physiologische, das pathologisch-chemische, das embryologische und das gerichtlich-medizinische Institut;
zwei histologische Institute;
das Institut für experimentelle Pathologie;
die Lehrkanzel für Hygieine;
die pharmakologische Sammlung;
19 gleichfalls mit Sammlungen versehene Kliniken u. a. Andre wissenschaftliche Anstalten mit dem Rang von Hochschulen sind: die technische Hochschule (1815 eröffnet), mit 4 Fachschulen, 91 Lehrern und 800 Studierenden, reichhaltigen Sammlungen von ¶
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Mineralien, [* 42] Modellen, geodätischen Instrumenten, chemischen Präparaten, Sammlung für Warenkunde, botanischer, zoologischer und geologischer Sammlung, physikalischem Kabinett, Bibliothek, elektrotechnischem Institut, technologischem Kabinett, chemischem Laboratorium und einem Observatorium;
die Hochschule für Bodenkultur, mit 3 Abteilungen für Landwirtschaft, Forstwirtschaft und kulturtechnisches Studium, 45 Lehrern und 300 Studierenden;
die Akademie der bildenden Künste (von Kaiser Leopold I. gegründet), mit Schulen für Malerei, Bildhauerei, Kupferstecherei, Graveur- und Medailleurkunst und Architektur (300 Studierende), Bibliothek, Sammlung von Handzeichnungen und Kupferstichen, Gemäldegalerie und Museum für Gipsabgüsse;
die evangelisch-theologische Fakultät.
Von Mittelschulen bestehen: 9 Obergymnasien, ein Untergymnasium, 2 Oberrealgymnasien, 8 Oberrealschulen, 3 Unterrealschulen, je eine k. k. Lehrer- und Lehrerinnenbildungsanstalt, ein städtisches Lehrerpädagogium und 4. private Bildungsanstalten für Lehrerinnen mit Öffentlichkeitsrecht. Fachbildungs- und Erziehungsanstalten sind: die k. k. orientalische Akademie, Bildungsanstalt für den diplomatischen und Konsulardienst im Orient (gegründet von der Kaiserin Maria Theresia 1754), mit öffentlicher Lehranstalt für orientalische Sprachen;
die Theresianische Akademie (1746 unter der Leitung der Jesuiten eröffnet), zur Bildung der adligen Jugend Österreichs für Zivildienste;
das höhere Weltpriester-Bildungsinstitut zum heil. Augustin;
die armenisch-katholische theologische Hauslehranstalt der Mechitaristen;
mehrere Seminare und Alumnate, darunter das Pázmánysche Seminar für Kleriker aus ungarischen Diözesen;
die Wiener Handelsakademie (1857 gegründet);
eine Gremialhandelsschule und 11 private Handelsschulen;
die Kunstgewerbeschule des Museums für Kunst und Industrie;
die Staatsgewerbeschule;
das technologische Gewerbemuseum mit 8 Fachschulen und Spezialkursen;
die Fachschule für Kunststickerei;
eine Spitzenklöppelschule;
eine Lehranstalt für Textilindustrie und eine solche für Photographie;
70 Zeichen- und gewerbliche Fortbildungsschulen;
das Konservatorium für Musik und darstellende Kunst;
69 private Gesang-, Musik- und Theaterschulen;
die Gartenbauschule;
die pharmazeutische Schule;
das k. k. Tierarzneiinstitut (militärische, 1777 gegründete Anstalt mit einer Hufbeschlaglehranstalt);
9 Privatlehr- und Erziehungsanstalten für das männliche und 19 für das weibliche Geschlecht;
42 weibliche Arbeitsschulen;
59 Lehranstalten für Kleidermachen;
eine höhere Bildungsschule und 17 Fachschulen des Frauenerwerbvereins;
das gräflich Löwenburgsche Konvikt;
das k. k. Waisenhaus, 6 Kommunalwaisenhäuser;
das Taubstummen- u. das Blindeninstitut etc. Für militärische Ausbildung bestehen in Wien und zwar für Offiziere: die Kriegsschule, der höhere Artillerie- und der höhere Geniekurs, der Stabsoffizierskurs, der Intendanzkurs;
das Militär-Reitlehrerinstitut;
die Armeeschießschule;
zur Heranbildung von Offizieren die technische Militärakademie und 3 private Vorbereitungsanstalten.
Endlich bestehen in Wien 117 städtische Volks- und 39 Bürgerschulen nebst 44 Privatvolksschulen.
An der Spitze der wissenschaftlichen Institute stehen die k. k. Akademie der Wissenschaften (s. Akademie, S. 249) und die Geologische Reichsanstalt. Letztere (1849 gegründet) besitzt ansehnliche geologische, mineralogische und paläontologische Sammlungen und veröffentlicht vorzügliche Karten und Schriften. Andre wissenschaftliche Institute, Gesellschaften und Vereine sind: das militärgeographische Institut (1839 gegründet), eine der großartigsten Anstalten dieser Art;
die österreichische Kommission für europäische Gradmessung; [* 43]
die k. k. statistische Zentralkommission;
die Zentralkommission für Erforschung und Erhaltung der Kunst- und historischen Denkmäler;
die Gesellschaft der Ärzte;
die Vereine für Psychiatrie und für Gesundheitspflege;
der Altertumsverein (seit 1853 bestehend);
die k. k. Zoologisch-botanische Gesellschaft (1851 gegründet);
die k. k. Geographische Gesellschaft (1856 gegründet);
der Verein für Landeskunde von Niederösterreich;
die Afrikanische Gesellschaft;
die k. k. Landwirtschaftsgesellschaft;
die k. k. Gartenbaugesellschaft (1837 gegründet);
der Österreichische Reichsforstverein;
die Österreichische Gesellschaft für Meteorologie;
die Juristische Gesellschaft, der Wissenschaftliche Klub;
der Militärwissenschaftliche und Kasinoverein;
der Deutsche [* 44] Schulverein;
der Goetheverein;
der Österreichische Architekten- und Ingenieurverein (1848 gegründet);
der Niederösterreichische Gewerbeverein (1840 gegründet);
die Chemisch-physikalische Gesellschaft;
der Elektrotechnische Verein;
der Verein zur Verbreitung naturwissenschaftlicher Kenntnisse;
die Anthropologische Gesellschaft;
der Ornithologische Verein;
7 Stenographenvereine;
die Sektion Austria des Alpenvereins;
der Österreichische Touristenklub u. a. Als Kunstvereine sind hervorzuheben: die Genossenschaft der bildenden Künstler;
der Österreichische Kunstverein;
die Gesellschaft für vervielfältigende Kunst, welche Nachbildungen hervorragender Kunstwerke publiziert;
die Photographische Gesellschaft;
der Verein Carnuntum zum Zweck der Ausgrabung der römischen Stadt dieses Namens;
die Numismatische Gesellschaft;
die heraldische Gesellschaft Adler; [* 45]
die Gesellschaft der Musikfreunde;
der Männergesangverein;
die Singakademie u. a. Unter den zahlreichen Sammlungen für Wissenschaften und Künste sind die bedeutendsten: die k. k. Hofbibliothek mit 420,000 Bänden (darunter 20,000 Inkunabeln), 20,000 Manuskripten, einem Musikarchiv von 12,000 Bänden und einer großen Sammlung von Kupferstichen und Holzschnitten (300,000 Blätter);
das k. k. Haus-, Hof- und Staatsarchiv;
die andern schon oben genannten Bibliotheken der Universität, der technischen Hochschule (50,000 Bände), des österreichischen Museums für Kunst und Industrie (17,000 Bände), der Geologischen Reichsanstalt (85,000 Bände und 5300 Karten), der Stadt Wien (36,000 Bände), des Kriegsarchivs (47,000 Bände), der verschiedenen Vereine und Gesellschaften;
die Familien-Fideikommißbibliothek des Kaisers Franz I. von 80,000 Bänden, 800 Inkunabeln, 26,000 Landkarten [* 46] und Plänen, verbunden mit der vom Kaiser Franz I. angelegten Privatsammlung von mehr als 100,000 Kupferstichen und Handzeichnungen (darunter Lavaters Porträtsammlung);
die Bibliothek des Erzherzogs Albrecht von 40,000 Bänden, über 200,000 Kupferstichen und 24,000 Handzeichnungen, in letzterer Beziehung eine der reichsten Sammlungen in Europa [* 47] (unter anderm 164 Blätter von Dürer, je 150 von Raffael und Rubens, zahlreiche Handzeichnungen von Tizian, Rembrandt, Michelangelo);
die Bibliothek des Fürsten Schwarzenberg von 80,000 Bänden, des Fürsten Liechtenstein [* 48] von 50,000 Bänden, des Fürsten Metternich von 25,000 Bänden, des Benediktinerstifts Schotten von 40,000 Bänden, der Piaristen in der Josephstadt von 18,000 Bänden, der Serviten von 23,000 Bänden und wertvollen Manuskripten u. a. Von hoher Bedeutung sind: das naturhistorische und das kunsthistorische Museum. ¶
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Ersteres umfaßt die zoologische Abteilung, eine der reichsten Sammlungen dieser Art in Europa, mit 71,000 Arten in 364,000 Exemplaren;
die botanische Abteilung mit einer Sammlung von etwa 67,000 Spezies von Phanerogamen;
die mineralogisch-petrographische und die geologisch-paläontologische Abteilung (von Franz I. gegründet), mit über 100,000 Stücken, 10,500 Schaustücken und 11,000 andern Exemplaren;
die anthropologisch-ethnographische Abteilung. Zu den kunsthistorischen Sammlungen des Kaiserhauses gehören: die k. k. Schatzkammer, eine der reichsten Sammlungen von wertvollen und historisch merkwürdigen Gegenständen;
die Sammlung ägyptischer Altertümer;
die Antikensammlung, sehr reich an Skulpturen, Mosaiken, Inschriften, Vasen, [* 50] Bronzen, Gemmen [* 51] und Kostbarkeiten (darunter die Apotheose des Augustus, die schönste aller bekannten Kameen);
die Münz- und Medaillensammlung, über 160,000 Stücke zählend;
die Sammlung von Gegenständen des Mittelalters, der Renaissance und der Neuzeit (sogen. Ambraser Sammlung), eine große Anzahl von Rüstungen [* 52] und Waffen, 1200 Porträte, [* 53] zahlreiche Gemälde, Handschriften, Kunstwerke aller Art, Naturseltenheiten etc. enthaltend;
die Hofwaffensammlung;
die k. k. Gemäldegalerie, welche bis zu ihrer bevorstehenden Übersiedelung in das neue kunsthistorische Museum das obere Gebäude des Belvedere einnimmt und ca. 1800 Gemälde aus allen Schulen, namentlich ausgezeichnete Stücke von Raffael, Paolo Veronese, Tintoretto, Tizian, Perugino, Andrea del Sarto, Fra Bartolommeo, den Carraccis, Guido Reni, Correggio, Parmeggianino, Velazquez, Rembrandt, Ruisdael, van Dyck, Rubens, Gerard Dou, David Teniers, Jordaens, Brueghel, Holbein, [* 54] Albrecht Dürer, Lukas Cranach, H. Memling, J. ^[Jan] van Eyck, Quinten Massys u. a., enthält (vgl. Engerth, Katalog der k. k. Gemäldegalerie im Belvedere zu Wien).
Mit der Gemäldegalerie steht eine Restaurierschule in Verbindung. Andre größere Gemäldesammlungen sind: die der k. k. Akademie der bildenden Künste mit 800 Nummern;
die fürstlich Liechtensteinische, die bedeutendste aller Wiener Privatsammlungen, deren Hauptstärke in den zahlreichen hervorragenden Werken von Rubens und van Dyck liegt, mit mehr als 1600 Nummern;
die des Grafen Harrach mit 400, die des Grafen Czernin mit 350 Gemälden;
die des Grafen Schönborn u. a. Wechselnde Ausstellungen von Gemälden veranstalten der Österreichische Kunstverein und die Genossenschaft der bildenden Künstler.
Handzeichnungen und Stiche enthalten: die schon oben erwähnte kaiserliche Sammlung, dann die des Erzherzogs Albrecht (die berühmte Albertina) und der k. k. Hofbibliothek, ferner die Sammlungen der Akademie der bildenden Künste und des k. k. Museums für Kunst und Industrie. Letzteres Institut (1864 gegründet, seit 1871 in eignem Gebäude am Stubenring untergebracht) verfolgt mit schönem Erfolg den Zweck der Hebung [* 55] des Geschmacks im Kunstgewerbe, wozu dessen permanente und wechselnde Ausstellungen, die damit verbundene Kunstgewerbeschule, die Hilfsmittel und Sammlungen, die Gipsgießerei, die jährlich stattfindenden Vorlesungen etc. beitragen.
Sonstige Sammlungen sind: die Jagd- und Sattelkammer im k. k. Hofmarstall;
das Heeresmuseum im Arsenal, welches die reichen Waffen- und Trophäensammlungen des ehemaligen k. k. Zeughauses aufgenommen hat;
das städtische historische Museum mit bedeutender Waffensammlung;
das Handelsmuseum mit reicher Sammlung, namentlich orientalischer Natur- und Kunstprodukte.
Die Stellung Wiens in litterarischer Beziehung ist, entsprechend dem reich ausgebildeten Unterrichtswesen und dem regen Geistesverkehr, eine hervorragende. Die bedeutendsten Vertreter der eigentlichen Litteratur, welche in Wien seit dem Ende des vorigen Jahrhunderts wirkten, waren, abgesehen von den Vertretern der Fachwissenschaften: Sonnenfels, Blumauer, Collin, Castelli, J. G. ^[Johann Gabriel] Seidl, Saphir, Raimund, Grillparzer, Bauernfeld, Anastasius Grün, Lenau, Hebbel, Anzengruber etc. Auf dem Gebiet der bildenden Kunst hatten Wien namentlich die Genre- und Landschaftsmalerei seit den 20er Jahren dieses Jahrhunderts eine hervorragende Stellung zu erringen gewußt.
Ihre Hauptvertreter waren: Danhauser, Fendi, Ranftl, Daffinger, Gauermann und Waldmüller. Bedeutende Wiener Maler der neuesten Zeit sind der Porträtist Amerling, der Aquarellist R. Alt, die Historienmaler Führich und Rahl, endlich Canon und Makart. Ein Zeugnis von dem in Wien herrschenden regen Geistesverkehr gibt auch das Zeitungswesen, welches auf eine hohe Stufe der Entwickelung gelangt ist. Die Zahl der in Wien erscheinenden periodischen Druckschriften beträgt 540, darunter 116 politische Blätter und 32 täglich erscheinende Zeitungen.
Theater [* 56] besitzt Wien neun. Den ersten Rang nimmt das Hofburgtheater ein, welches im heutigen Sinn 1776 von Kaiser Joseph II. gegründet wurde und trotz wechselnder Leitung seinen Ruhm als die erste Schaubühne Deutschlands [* 57] zu bewahren wußte. Seine hervorragendsten Kräfte waren von den Direktoren: Schreyvogel, Laube, Dingelstedt, Wilbrandt;
unter den Schauspielern: Sophie Schröder, Anschütz, La Roche, Lowe, Fichtner, Amalie Haizinger und in der Gegenwart: Charlotte Wolter und Sonnenthal.
Musterleistungen auf dem Gebiet der Oper und des Balletts bietet das Hofoperntheater. Außerdem sind das neue deutsche Volkstheater, das Theater an der Wien (insbesondere für Operetten), das Carl-Theater in der Leopoldstadt, das Theater in der Josephstadt und das Fürstsche Theater im Prater für Possen und Volksstücke zu erwähnen. Außerhalb der Linien befindet sich: das Theater in Schwenders Kolosseum [* 58] in Rudolfsheim. Außerdem gibt es ein Etablissement Ronacher für Schaustellungen aller Art, ein Orpheum, dann zahlreiche Singspielhallen und Volkssängergesellschaften.
Verwaltung. Behörden.
Die kommunale und (im übertragenen Wirkungskreis) auch die politische Verwaltung übt im Gemeindegebiet von Wien der Gemeinderat aus, welchem als Exekutivbehörde der Magistrat (mit über 2100 Beamten) zur Seite steht. Der Bürgermeister, zwei Bürgermeister-Stellvertreter und 120 Gemeinderäte setzen den Gemeinderat zusammen. In den Bezirken wirken Ausschüsse an der Leitung der Geschäfte mit. Die Ausgaben der Gemeinde betrugen 1887: 19,615,241 Gulden, die Einnahmen 21,142,408 Guld. Die Einnahmen resultieren zum größten Teil aus den Zinskreuzern von den Mietzinsen, aus den Zuschlägen zu den direkten Steuern, den Zuschlägen zur Verzehrungssteuer und aus den besondern Umlagen für Unterrichtszwecke.
Die Hauptposten unter den Ausgaben sind: die Auslagen für Tilgung und Verzinsung der Gemeindeschuld (4,4 Mill. Guld.), die Auslagen der Verwaltung im allgemeinen (2,5 Mill. Guld.), die Auslagen für Säuberung und Bespritzung der Straßen, Erhaltung der Kommunikationen, öffentliche Beleuchtung, [* 59] Erhaltung und Räumung der Unratskanäle, Erhaltung und Betrieb der Wasserleitungen und andre lokalpolizeiliche Angelegenheiten (4,2 Mill. Guld.), endlich Schulauslagen (3,9 Mill. ¶
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Guld.). Der Vermögensstand der Stadtgemeinde belief sich Ende 1887 auf 47,7 Mill., darunter 43,9 Mill. Guld. privatrechtliches, unbewegliches Vermögen, der Passivstand auf 53,7 Mill. Guld. Der Wert des Gemeindeguts (öffentliche Straßen, Brücken, [* 61] Wasserleitungen etc.) beträgt 58,2 Mill. Guld. Die Stadt ist Residenz des kaiserlichen Hofs, Sitz des Hofstaats, der beiden Häuser des Reichsrats und (abwechselnd mit Budapest) der Delegationen für die gemeinsamen Angelegenheiten, der auswärtigen Gesandtschaften und Konsuln (darunter auch eines deutschen), der gemeinsamen und der k. k. Ministerien sowie der beiden obersten Rechnungshöfe, des obersten Gerichts- und Kassationshofs und der übrigen Zentralbehörden, des ungarischen Ministeriums am Allerhöchsten Hoflager, des niederösterreichischen Landtags sowie zahlreicher Provinzial- und Lokalbehörden, wie der niederösterreichischen Statthalterei, des Oberlandes-, Landes- und Handelsgerichts, der Finanzlandesdirektion und Finanzprokuratur, der Polizeidirektion, der Post- und Telegraphendirektion, einer Handels- und Gewerbekammer, der Forst- und Domänendirektion, der Berghauptmannschaft, des 2. Korpskommandos, des Platzkommandos, des Landesgendarmeriekommandos etc., endlich eines Erzbischofs, unter welchem die Bischöfe von St. Pölten und Linz stehen, eines Metropolitandomkapitels, erzbischöflichen Konsistoriums, apostolischen Feldvikariats, des evangelischen Oberkirchenrats, einer Superintendentur Augsburgischer und einer solchen Helvetischer Konfession sowie des Synodalrats der altkatholischen Kirche. Das Wappen [* 62] von Wien (S. 600) bildet ein doppelköpfiger schwarzer Adler im goldenen Feld mit einer Krone, auf der Brust ein weißes Kreuz im roten Feld.
Umgebung.
(Hierzu »Karte der Umgebung Wiens«.)
Den schönsten Überblick über Wien gewähren der Stephansturm, der Rathausturm, das Belvedere, die Spinnerin am Kreuz, [* 63] der Leopoldsberg, der Kahlenberg und der Hermannskogel (mit der Habsburgwarte). Wenige Hauptstädte erfreuen sich einer so reizenden Umgebung wie Wien. Zu den besuchtern Punkten der Umgebung gehören: Döbling, Grinzing, Heiligenstadt, Nußdorf (Zahnradbahn auf den Kahlenberg), Klosterneuburg mit dem prachtvollen Stifte der Augustiner-Chorherren, Weidling (mit Lenaus Grab), Greifenstein mit Schloßruine, Dornbach und Neuwaldegg mit dem reizenden fürstlich Schwarzenbergschen Park, dem Gallitzinberg und der Sophienalpe, das Thal [* 64] der Wien, dem das k. k. Lustschloß Schönbrunn, Hietzing, St. Veit, Hütteldorf, Weidlingau und Hadersdorf mit dem Laudonschen Park (Grabmal des Feldherrn Laudon), Purkersdorf und Preßbaum angehören, das industriöse Liesing, die Thäler von Kaltenleutgeben, Breitenfurt und Laab, Perchtoldsdorf, Mödling mit der Felsenschlucht der Klause und dem Thal der Brühl, endlich in weiterer Entfernung das k. k. Lustschloß Laxenburg mit seinem riesigen Park und großen Teich, das weinreiche Gumpoldskirchen, das heilspendende Baden mit dem reizenden Helenenthal, der Badeort Vöslau, die Thäler der Triesting, Piesting und Pitten, Gloggnitz, Payerbach und Reichenau, die Eingänge zu den Alpen, [* 65] der Schneeberg, die Raxalpe und der Semmering mit der kühnen Alpenbahn.
Gegen NO., O. und SO. entbehrt die Umgebung der Reize des wohlkultivierten Hügellandes und des Waldes, dort herrscht das baumlose Ackerland vor (namentlich im Marchfeld, mit den berühmten Schlachtfeldern von Aspern, [* 66] Eßling und Wagram). [* 67] In dieser Region liegen Schwechat mit dem kolossalen Brauhaus Drehers, Kaiser-Ebersdorf (einst k. k. Jagdschloß), über der Donau Jedlersee, der weinreiche Bisamberg und das Städtchen Korneuburg.
Vgl. Förster, Touristenführer in Wiens Umgebungen (6. Aufl., Wien 1889).
Geschichte.
Wien war in vorrömischer Zeit ein keltischer Ort, zuerst Vianomina, dann Vindobona genannt, welchen die Römer [* 68] zur Beherrschung der Donau befestigten. Die 13. und später die 10. Legion hatten ihr Standquartier in diesem Castrum stativum, welches etwa ein Viertel der mittelalterlichen »innern« Stadt zwischen den heutigen Straßen Tiefer Graben, Graben und Rotenturmstraße umfaßte. Hier starb 180 Kaiser Marcus Aurelius. In der Zeit der Völkerwanderung wird Vindomina die Grenzstadt der Rugier und Ostgoten genannt.
Auf die slawische Epoche weist sein slawischer Name Beč, dem der magyarische Bécs nachgebildet erscheint. Die jetzige Namensform Wien erscheint zuerst in den »Neuen Altaicher Annalen« unter 1030. Unter den ersten Babenbergern tritt Wien in politischer Bedeutung hinter Tuln, Mautern und Klosterneuburg zurück. Doch seit der Mitte des 12. Jahrh. entwickelt sich rasch die Geltung dieses durch seine Lage so begünstigten Ortes. Der »Hof«, [* 69] das einstige römische Prätorium, ward Residenz der Babenberger.
Heinrich II. Jasomirgott legte 1144 den Grundstein zur Stephanskirche, baute sich 1160 eine Burg am Hof und stiftete 1158 das Schottenkloster. Herzog Leopold VII. verlieh 1208 den flandrischen Altbürgern (Burgenses) einen Freiheitsbrief und 1221 der Stadt selbst eine Rechtsurkunde, die älteste bekannte Grundlage des Wiener Stadtrechts, und baute um 1200 eine neue Burg auf der Stelle, wo jetzt die Hofburg steht, und 1221 die Michaelskirche. Gegen Herzog Friedrich den Streitbaren empörten sich die Wiener und fanden beim Kaiser Friedrich II. Hilfe.
Dieser kam selbst nach Wien, erklärte es 1237 zu einer freien Reichsstadt und gab ihm unter anderm eine lateinische Schule, dieser Grund zur Universität wurde. Zwar nahm schon 1240 der Herzog Wien durch Hunger und verlieh ihr 1244 ein neues Stadtrecht, das 1247 Kaiser Friedrich bestätigte, 1246 aber starben die Babenberger aus, und Wien ward wieder Reichsstadt. Ottokar von Böhmen [* 70] gewann indessen die Stadt durch Überredung und Privilegien und erweiterte ihren Umfang ansehnlich, indem er auch den Schottenhof und die Burg zur Stadt zog. Sein Gegner Rudolf von Habsburg belagerte Wien 1276, und es kam vor der Stadt zu einem Vergleich, worin Ottokar mit den deutschen Provinzen Wien abtrat, welches nun Hauptresidenz der Habsburger wurde. 1278 verlieh König Rudolf I. der Stadt wichtige Rechte. Unter Herzog Albrecht I. 1281-96 mußte die Stadt ihren Widerstand gegen seine landesfürstliche Gewalt aufgeben. Herzog Rudolf IV. (gest. 1365) gab der Stephanskirche ihre gegenwärtige Gestalt, gründete 1365 die Universität und rief die wichtigsten städtischen Einrichtungen ins Leben. Am schloß Kaiser Friedrich III. mit dem Papste das Wiener Konkordat ab, welches den Reformbestrebungen der Konzile ein Ende machte. Gegen Friedrich empörte sich die Stadt, und als er 1462 Wien belagerte, überlisteten ihn die Wiener und belagerten ihn zwei Monate lang, bis ihn Georg Podiebrad, König von Böhmen, befreite. 1480 ward Wien Sitz eines Bistums; 1484 eroberte es Matthias Corvinus, welcher daselbst seine Residenz aufschlug. Unter Ferdinand I. und seinen Nachfolgern wurde Wien die beständige Residenz der ¶