Besitzstand von 1618 fest. Nur der Kaiser machte davon für seine Erblande eine Ausnahme. In der kirchlichen Frage bestätigte
der Friede den Passauer Vertrag und den Augsburger Religionsfrieden und schloß die Reformierten in die den Augsburger Religionsverwandten
gewährte Rechtsstellung ein. Beide Konfessionen, die katholische wie die evangelische, wurden vollkommen gleichgestellt;
die evangelische Minorität durfte auf den Reichstagen in Religionssachen nicht majorisiert werden.
Der Streit über die geistlichen Stifter und Güter wurde unter Aufhebung des Restitutionsedikts von 1629 dahin ausgeglichen,
daß 1624 Normaljahr sein und der evangelische und katholische Besitzstand so bleiben oder restituiert werden sollte, wie
er gewesen. Doch wurden auch hiervon die kaiserlichen Erblande ausgenommen. Die Territorialhoheit
der Reichsstände wurde ausdrücklich anerkannt, ja ihnen das Recht gegeben, zu ihrer Erhaltung und Sicherheit untereinander
und mit auswärtigen Mächten Bündnisse zu schließen, nur nicht wider Kaiser und Reich. Die neue Verfassung des Reichs sollte
auf einem zu berufenden Reichstag beraten werden.
Die Pläne der katholischen Reaktion und der habsburgischen Hauspolitik, den Protestantismus auszurotten und Deutschland einer
absoluten Militärgewalt zu unterwerfen, waren unter Strömen Bluts, unter Vernichtung des Wohlstandes und der Bildung des deutschen
Volkes vereitelt worden. Ja, der Kaiser mußte im Frieden auf den letzten Rest seiner Macht verzichten.
Das Reich verlor durch den Frieden eine Ländermasse von mehr als 100,000 qkm mit 4½ Mill. Menschen und erhielt eine ganz zerstückelte,
wehrlose Grenze gegen Frankreich.
Die Befestigung der dreihundertfachen landesherrlichen Vielherrschaft und die Verwickelung so vielseitiger Grenz- und Hoheitsrechte
mußten fortan den Gang der Verwaltung erschweren, sie mit Formen überladen und die Volksstämme feindselig
auseinander reißen. Die Rechte der Landstände in den einzelnen Territorien wurden unterdrückt. Dagegen wurde Deutschland
nun Gegenstand und Schauplatz der europäischen Staatshändel, seit die Fürsten das von Frankreich bei der Friedensverhandlung
durchgesetzte Recht der Bündnisse geltend machten, Bayern, Brandenburg und andre deutsche Fürstenhäuser, welche
bei den Säkularisationen geistlicher Stifter nicht bedacht worden waren, eine Stellung in dem europäischen politischen System
annahmen und fremde Mächte, wie Schweden, in den Reichsverband eintraten, andre, wie Frankreich, als Garanten des Friedens sich
stets in die innern Angelegenheiten Deutschlands einzumischen das Recht hatten.
Daher wurden fortan die meisten europäischen Kriege auf deutschem Grund und Boden ausgefochten. Auch als
Schutz des Protestantismus kann der Westfälische Friede nicht angesehen werden. Er konnte sich nicht weiter im Reich ausbreiten,
und die aus den österreichischen Erblanden Vertriebenen und ihrer Güter Beraubten erhielten nicht einmal die Wiedereinsetzung in
den vorigen Stand, geschweige denn Entschädigung. Österreich wurde aus dem Herzen des Reichs auf seine Erbstaaten
zurückgedrängt und von der politischen und geistigen Verbindung mit dem übrigen Deutschland losgelöst.
Der Westfälische Friede kann also als das traurige Ergebnis der noch traurigern, schrecklichen Zeit des Dreißigjährigen
Kriegs bezeichnet werden.
J. G. ^[Johann
Gottfried] v. Meiern, Acta pacis Westfalicae publica (Götting. 1734-36, 6 Bde.);
»Correspondencia diplomatica de los plenipotenciarios
españoles
en el congreso de Munster« (Madr. 1885 ff.): Woltmann, Geschichte des Westfälischen Friedens (Leipz. 1808, 2 Bde.);
dazu die staatsrechtlichen Schriften von J. J. ^[Johann Jacob] Moser (»Erläuterung des Westfälischen Friedens«,
Erlang. 1775-76, 2 Bde.),
Pütter (»Geist des Westfälischen Friedens«, Götting. 1795), Senckenberg (Frankf. 1804) u. a.
(Westergötland), schwed. Landschaft zwischen dem Wener- und dem Wettersee, mit einer kurzen Küstenstrecke
an der Mündung des Götaelf, ist unter drei Läns: Skaraborg, Elfsborg und Göteborg, geteilt, von denen
das letztgenannte aber nur den kleinen südlichen Küstenstrich und die von den beiden Armen des Götaelf eingeschlossene Insel
Hiesingen enthält (s. die einzelnen Läns).
Stadt im preuß. Regierungsbezirk Arnsberg, Kreis Hörde, an der Ruhr u. der Linie Schwelm-Schwerte-Soest
der Preußischen Staatsbahn, hat eine evang. Kirche, Glockengießerei, Bierbrauerei, Sandsteinbrüche und (1885) 1667 Einw.
[* ] (Westindische Inseln, hierzu Karte »Westindien und Zentralamerika«),
der Archipel, welcher
in einem großen, von SO. nach NW. gerichteten Bogen das große, Südamerika von Nordamerika trennende Binnenmeer nach O. zu abschließt
und sich von der Mündung des Orinoko bis zu den Halbinseln Florida und Yucatan erstreckt. Da man anfangs diese Inseln für einen
Teil von Indien hielt, so gab man ihnen den Namen Westindien Areal und Bevölkerung sind (nach neuester Feststellung)
wie folgt:
Inseln
QKil.
QMeil.
Einwohner
Auf 1 QKil.
Große Antillen
216845
3938.0
3759000
17.3
Bahamainseln
14536
264.0
48000
3.3
Kleine Antillen: Inseln über dem Wind
11818
214.6
1031220
87.4
" " Inseln unter dem Wind
2200
40.0
69000
31.4
Zusammen:
245399
4456.6
4897000
20.0
Abgesehen von den niedrigen, aus Korallenkalkstein gebildeten Bahamainseln, sind fast sämtliche Inseln gebirgig und die größern
von ihnen mit Thälern und Schluchten vielfach durchzogen. Die höchsten Berge findet man auf Cuba (2375 m), Jamaica (2341 m)
und Haïti (2184 m), während die höchste der Kleinen Antillen, Dominica, nur bis 1900 m ansteigt. Die Küsten
sind teilweise zerklüftet und vielfach von Korallenbänken umsäumt; an vorzüglichen Häfen ist kein Mangel.
Viele der Bäche trocknen während der heißen Jahreszeit aus, überschwemmen aber nach heftigem Regen ihre Ufer. Auf den Großen
Antillen herrschen kristallinische Gebilde, Jurakalk und Sandsteine vor, vielfach von jüngern Kreide- u.
Kalksteinbildungen umlagert und selten von vulkanischen Gebilden durchbrochen. Die Kleinen Antillen sind dagegen fast ausschließlich
vulkanischer Natur, und St. Vincent und Guadeloupe haben noch thätige Vulkane. Nur auf den Jungferninseln, St. Martin, Barbuda,
St.-Barthélemy, Antigua und Barbados, die eine äußere Kette bilden, treten neben vulkanischem
mehr
Gestein noch Muschelkalkbildungen auf, während Trinidad neben vulkanischen Gebilden auch ältere Felsarten aufweist und die
der Küste Venezuelas vorgelagerten Inseln unter dem Wind aus Kalksteinen jüngerer Formationen bestehen.
Das Klima ist für sämtliche Inseln, mit Ausnahme der nördlichen Bahamainseln, ein tropisches, die Temperatur das ganze Jahr
durch ziemlich gleichmäßig, etwa 26,3° C. mit einem Unterschied zwischen
der Mitteltemperatur des kältesten und heißesten Monats von 4° C. Da sich der Passatgürtel je nach dem Stande der Sonne
verschiebt, so haben nur diejenigen Inseln, welche zwischen 15° und 22° 15' nördl. Br. liegen, das ganze Jahr durch östliche
bis nordöstliche Winde, während südlich von Martinique während eines Teils des Jahrs Windstillen oder
aus S. bis Westen kommende Winde herrschen und nördlich von Cuba Südwestwinde oder zurückkehrende Passate wehen.
Die feuchte Jahreszeit, der westindische Frühling, beginnt im Mai (oder April); Laub und Gras erhalten ein frischeres Grün,
und um die Mitte des Monats fällt der erste periodische Regen. Nach 14tägigem Regen tritt trocknes und
beständiges Wetter ein, und der tropische Sommer erscheint in aller Herrlichkeit. Um die Mitte des Augusts hören die erquickenden
Seewinde auf zu wehen, die Hitze steigt bis zu einer unerträglichen Höhe. Die zweite, längere Regenzeit beginnt Ende August
und wird am stärksten im Oktober.
Die mittlere Regenmasse beträgt 1630 mm; doch bewirkt diese Wassermasse, welche in Europa alle Ernten vernichten würde, hier,
wo die Winde so schnell austrocknen, nur, daß Quellen und Bäche nicht versiegen, Menschen, Tiere und Pflanzen in der trocknen
Jahreszeit nicht verschmachten. Gleichwohl macht die enorme Feuchtigkeit der Luft während dieser Zeit den
Aufenthalt auf den Inseln für Europäer ungesund. Gegen Ende November beginnt heiteres und angenehmes Wetter; der Wind kommt
aus N. und NO. und bringt den schönsten Winter, der vom Dezember bis Mai dauert. Die schlimmsten Begleiter der Regenzeit sind
die Orkane (Hurrikans, s. d.), die oft große Verheerungen anrichten,
aber zugleich das Gleichgewicht in der Luft herstellen und dieselbe reinigen. Häufig sind auch Erdbeben mit den Orkanen verbunden.
Am ungesundesten sind natürlich die niedern Gegenden, welche besonders vom gelben Fieber heimgesucht werden.
Was Fauna und Flora betrifft, so bildet ein besonderes Reich, von dem nur Trinidad und die Inseln unter dem
Wind, als zu Südamerika gehörig, zu trennen sind. Säugetiere sind wenig zahlreich. Die stummen Hunde, die man bei Entdeckung
der Inseln vorfand, sind ausgestorben. Das hasenartige Aguti, Waschbär (Rakoon), die Äneasratte (Manitu), die Bisamratte, das
Meerschweinchen und Fledermäuse vertreten die Landsäugetiere, die Seekuh die Seesäugetiere. Eine kleine
Affenart kommt auf Jamaica vor.
Ozelot, Jaguar, Fischotter, Gürteltier, Moschusschwein (Pekari) und eine Hirschart beschränken sich auf Trinidad. Von den 203 Arten
von Vögeln sind 177 den Inseln eigentümlich. Unter ihnen sind Kolibris und Papageien, Adler, Geier, Eulen, der Kuckuck, Drosseln,
Fliegenschnäpper, Sperlinge, Rebhühner, dann zahlreiche Sumpfvögel, als Flamingos, Pelikane, Enten, Hühner,
Reiher und Schnepfen, und als Zugvögel Ortolane, Schwalben, Ringeltauben und Regenpfeifer.
Unter den Schlangen gibt es nur eine giftige Art. Eidechsen, von den kleinsten bis zu den Kaimans, sind zahlreich, ebenso Schildkröten,
Fische und die verschiedenen Krustentiere (Krebse, Krabben, Garneelen
u. Hummern). Unsre sämtlichen europäischen
Haustiere sind eingeführt worden, gedeihen aber nicht sonderlich, und auch die unvermeidlichen Ratten und Mäuse haben sich
eingestellt. Das Pflanzenreich hat seit Besitznahme der Inseln durch die Europäer eine andre Gestalt angenommen.
Die ausgedehnten Wälder haben in vielen Fällen den aus der Fremde eingeführten Kulturpflanzen weichen müssen und
sind auf einigen der kleinern Inseln fast ganz verschwunden. Der Charakter der Flora (3006 Arten von Phanerogamen) ist rein tropisch.
Dem dicht verwachsenen Hochwald auf den regenreichen Höhen verleihen Palmen und baumartige Farne seinen Charakter; lockeres Gebüsch
und reich blühende Kräuter wachsen auf sonnigen Hängen und in den Ebenen; dichte Manglegebüsche fassen
die flachen Küsten ein. An hartem Nutzholz und Farbhölzern (Mahagoni, Brasilienholz, Fustik, Kampescheholz, Guayak, Zedern u. a.)
ist noch immer Überfluß.
Unter den Nahrungspflanzen spielen der Maniok, die Batate, Yams und die Arrowroot liefernden Pflanzen, Mais und Moorhirse, Bohnen,
Erbsen und Erdnüsse die wichtigste Rolle. Reis wird nur wenig gebaut. Fast alle Früchte der Tropen gedeihen
hier, und in den Gebirgen auch unsre europäischen Obstsorten. Die Banane wurde bereits 1516 eingeführt und spielt eine große
Rolle im Haushalt; auch Kokospalmen, Brotfruchtbäume und alle Arten von Südfrüchten sind heimisch geworden.
Außerdem gibt es Ananas, Acajounüsse, Guajaven und andre köstliche Früchte. Für den Verkehr mit dem
Ausland ist namentlich der Anbau von Zucker (1513 eingeführt), Kaffee (seit 1720) und Tabak wichtig. Außerdem liefern die Inseln
Kakao, Piment, Ingwer, etwas Baumwolle und Gewürze. Wie reich der Pflanzenwuchs, so gering sind die Schätze, die das Mineralreich
bietet. Man fördert etwas Gold (auf Haïti), Kupfer (auf Cuba), Schwefel, Asphalt. Andre Metalle kommen zwar
auch vor, ihre Förderung ist aber nicht lohnend.
Als Kolumbus 1492 diese Inseln entdeckte, waren sie von zwei Hauptvölkern bewohnt, den Arowak und den Kariben. Von den Arowak
(Cibuney, Gamatabai und Gangul), welche in einer monarchischen und erblichen Regierungsverfassung unter Kaziken
lebten und schon einige Kultur hatten, ist infolge der grausamen Behandlung durch die Spanier jetzt keine Spur mehr vorhanden,
ungeachtet sie zur Zeit der Entdeckung Westindiens gegen 3 Mill. stark waren. Die Kariben (s. d.) waren wild und kriegerisch
und setzten den Spaniern hartnäckigen Widerstand entgegen, unterlagen aber doch zuletzt der Kriegskunst
der Europäer, so daß gegenwärtig auch nur noch geringe Überreste von ihnen auf der Insel St. Vincent vorhanden sind.
Die Spanier gründeten die ersten Niederlassungen auf Cuba, gleich nach der Entdeckung, und ihnen folgten später andre Europäer
(Franzosen, Engländer, Holländer, Dänen und Schweden). Als die eingebornen Arbeitskräfte fast erschöpft
waren, fing man 1524 an, von Afrika Neger als Sklaven einzuführen. Als dann infolge der Befreiung der Sklaven, zuerst in den
britischen Kolonien (1833), zuletzt auf Cuba (1880), abermals ein Mangel an Arbeitskräften entstand, da die freien Neger sich
in der Regel die früher erzwungenen Dienste gegen festen Lohn zu verrichten weigerten, hat man seit 1844 aus
Indien und China Kulis eingeführt. Man kann wohl annehmen, daß jetzt unter der gesamten Bevölkerung Westindiens 31 Proz. Weiße
sind, wobei allerdings einige nicht ganz reine Farbenschattierungen mitlaufen mögen. Aber während auf Cuba und Puerto Rico
mehr
weit über die Hälfte weiß sein soll, beträgt die Zahl der Weißen auf allen übrigen Inseln keine 8 Proz. Unter diesen
Europäern und ihren Nachkommen sind (nach O. Delitsch) etwa 89 Proz. Spanier, 5 Proz. Franzosen und 6 Proz. Engländer. Sämtliche
Bewohner sind wenigstens nominale Christen, doch hängen viele der Neger noch an ihrem alten Fetischdienst,
und selbst Menschenopfer sollen unter ihnen vorkommen (s. Haïti, S. 2). Mit Ausnahme des freien Haïti (s. d. und Dominikanische Republik)
und der Insel Margarita (s. d.), welche zu Venezuela gehört, sind alle übrigen Inseln Kolonien der fünf europäischen Staaten:
Spanien, Großbritannien, Frankreich, Holland und Dänemark. Politisch verteilt sich demnach Westindien in folgender
Weise:
QMeil.
QKilom.
Einwohner
Auf 1 QKil.
Spanische Kolonien
128148
2327.3
2276000
17.7
Britische
34500
626.5
1243000
36.0
Französische
2858
51.9
367000
128.3
Holländische
1130
20.5
44220
39.1
Dänische
359
6.5
34000
94.3
Haiti
23911
434.2
550000
23.0
Dominikanische Republik
53343
968.8
350000
6.5
Zu Venezuela
1150
20.9
33000
-
Zusammen:
245399
4456.6
4897220
20.0
Cuba und Puerto Rico (s. d.) mit einigen kleinen Inselchen sind die einzigen Reste
der ehemaligen unermeßlichen Besitzungen der Spanier in der Neuen Welt. Das britische Westindien besteht aus Jamaica, Trinidad, den
Leewardinseln (Antigua, Dominica etc.), den Windwardinseln (Barbados, St. Vincent, Grenada, Tobago u. Santa Lucia)
u. den Bahamainseln. Das französische Westindien beschränkt sich jetzt auf Martinique, Guadeloupe, einen Theil von St. Martin und das
jüngst von Schweden abgetretene St.-Barthélemy. Zu dem niederländischen Westindien gehören Curassao und benachbarte Inseln mit einem
Teil von St. Martin.
[Geschichtliches.]
Die Antillen gehören zu den frühsten amerikanischen Entdeckungen der Spanier. Schon
auf der ersten Reise (1492) entdeckte Kolumbus Cuba und Haïti; auf der zweiten (1495) fand er die Kariben, 1496 Puerto Rico und
Jamaica, auf der dritten (1498) Trinidad. Um die durch rohe und grausame Behandlung aufgeriebenen Ureinwohner zu ersetzen,
fing man seit 1524 an, Sklaven aus Afrika herzuschleppen, und betrieb mit diesen vorzüglich den Plantagenbau.
Einzelner Stämme in den Gebirgen konnten die Spanier nie recht Meister werden; ja, mehrere Inseln, wo die kriegerischen Kariben
wohnten, blieben, mit Ausnahme von Trinidad, das 1535 besetzt ward, unabhängig, bis der Andrang der Europäer immer
stärker wurde und namentlich Franzosen, Engländer und Holländer, gelockt durch die Fruchtbarkeit der Antillen, seit dem 17. Jahrh.
hier um jeden Preis Niederlassungen zu gründen suchten. So kamen 1635 Guadeloupe und Martinique, 1659 Grenada, 1719 St. Vincent
in französische, Tobago 1632, Curassao u. a. in holländische, St. Christopher 1623, Barbados 1625, Antigua
1636, Dominica 1759, die Grenadillen 1763 in englische, St. Thomas 1671 in dänische Hände.
Mit dem wachsenden Übergewicht Englands zur See fielen ihm manche der karibischen Inseln zu: so Santa Lucia und Grenada 1814,
St. Vincent 1763, beide von den Franzosen abgetreten;
Ste.-Croix wurde 1733 von Frankreich an Dänemark verkauft.
Am meisten vergrößerte sich
die Herrschaft der Engländer in den Antillen auf Kosten der in Amerika und Europa immer ohnmächtiger
werdenden Spanier.
Sie entrissen diesen 1655 das wichtige Jamaica, 1797 Trinidad, welches aus holländischer in spanische Gewalt
geraten und dann lange ein Zankapfel zwischen Franzosen und Engländern gewesen war. Von Haïti verlor
Spanien schon seit 1630 einen Teil der nördlichen Küste an französische Flibustier und Bukanier. 1697 erhielten die Franzosen
von den Spaniern den ganzen westlichen Teil von Haïti abgetreten, der bald so blühend ward, daß er über 500,000 Einw.
zählte, während der östliche spanische Anteil kaum 125,000 Einw. hatte.
Infolge der französischen Revolution wurden aber sowohl Franzosen als Spanier aus Haïti (s. d.) vertrieben. Die den Spaniern
gebliebenen Antillen sind nur schwache Überreste ihrer einst kolossalen amerikanischen Macht. Sie bilden zwei Generalkapitanerien,
das von Havana und das von Puerto Rico mit den spanischen Jungferninseln. Schweden erwarb 1785 von einer
französischen Gesellschaft die Insel St.-Barthélemy, trat dieselbe jedoch 1877 an Frankreich ab. Die englischen Besitzungen
werden von Gouverneuren regiert, denen ein meist teilweise gewählter Gesetzgebender Rat und nur auf Barbados außerdem ein Abgeordnetenhaus
(House of Assembly) zur Seite stehen.
Solche Gouvernements bestehen für Jamaica mit den Turks, Caicos und Kaimanischen Inseln;
für Antigua und
die englischen Leewardinseln;
für Barbados;
für Grenada und die englischen Windwardinseln;
für Trinidad mit Tobago und für
die Bahamainseln.
Die Holländer haben einen Statthalter mit beigegebenem Rat auf St.-Eustache; die Franzosen auf Guadeloupe (zugleich
für Desirade, Marie galante, Les Saintes, St. Martin, St.-Barthélemy) und auf Martinique; die Dänen auf
Ste.-Croix.
Vgl. O. Delitsch, Westindien (in Stein Hörschelmanns »Handbuch der Geographie und Statistik«, Bd. 1, Abt. 4, Leipz. 1871);
Meinicke, Versuch einer Geschichte der europäischen Kolonien in Westindien (Weim. 1831);
Martin, History, geography and statistics of
the West-Indies (Lond. 1834-35, 5 Bde.);
Southey, History of the West-Indies (das. 1827);
Moister, The West-Indies enslaved and free (das. 1883);
Bates, Central-America, West-Indies etc. (2. Aufl., das.
1882);
Eden, West. Indies (das. 1880);
Rosny, Les Antilles, étude d'ethnographie etc. (Par. 1886).
(Westkappel), großes niederländ. Dorf auf der Südwestküste der
Insel Walcheren, hat einen großen Pfahldamm (4700 m lang) zum Schutz gegen die Wellen, Kalikofabrikation,
Fischerei und (1887) 2080 Einw. Die alte blühende Stadt gleiches
Namens ist ganz vom Meer verschlungen.
(spr. uéstmeckot), 1) Sir Richard, engl. Bildhauer, geb. 1775 zu London, erhielt seine Bildung von 1793 bis 1797 in
Rom und machte sich nach seiner Rückkehr bekannt durch die in der Westminsterabtei aufgestellte
Statue Addisons (1806). 1827 wurde er Professor der Bildhauerkunst an der Akademie. Von seinen Arbeiten sind hervorzuheben: die
Monumente für Sir Ralph Abercromby und Lord Collingwood (1809) in der Paulskirche;
die Statue des Admirals Nelson (1810) auf der
Insel Barbados;
die Monumente Will. Pitts, des Herzogs von Montpensier, Fox' und Warren Hastings' in der Westminsterabtei;
die Bronzestatue Georg Cannings in St. Margaret's Church;
die kolossale Statue von Fox in Erz (1816) auf dem Platz von Bloomsbury
Square und die kolossale Bronzestatue des Herzogs von
mehr
Bedford (1819) auf Russell Square;
die Reiterstatue des Königs Georg III. auf Snow Hill, Windsor gegenüber;
der Koloß des Achilles
im Hyde Park (1822);
die Marmorstatue Lockes in der Vorhalle des Universitätsgebäudes;
die kolossale Waterloovase, 40,000
Pfd. schwer, 1846 in der Nationalgalerie aufgestellt.
Von seinen Darstellungen aus der alten Geschichte
und Mythe sind zu nennen: Psyche, das Kästchen öffnend (1822);
zwei Reliefs: Hero und Leander (1820) und Hektor, den Paris scheltend;
eine Venus, sich nach dem Bad ankleidend;
ein Relief: Sokrates, sich vor seinen Richtern verteidigend.
Zwei berühmte Gruppen in
Marmor, unter dem Namen der glücklichen und unglücklichen Mutter bekannt, befinden sich in der Sammlung
des Marquis von Lansdowne in Bewood. Auch hat Westmacott zahlreiche Büsten ausgeführt. Er starb in London.
2) Richard, Bildhauer, Sohn und Schüler des vorigen, geb. 1799 zu London, kam 1818 in die königliche Akademie und ging 1820 nach
Italien, wo er bis 1826 blieb und sich streng nach der Antike bildete. Die Akademie zu Florenz besitzt zwei
dort entstandene Bildwerke von ihm: die Statue der Pandora mit der geöffneten Büchse und die einer afrikanischen Sklavin.
Nach seiner Rückkehr schuf er Basreliefs und viele Zeichnungen, welche historische und allegorische Darstellungen zum Gegenstand
haben, zahlreiche Büsten, z. B. von Lord John Russell, und das allegorische Relief im Giebelfeld der neuen
Börse in London. Als Meister des gotischen Stils zeigte er sich in dem Denkmal des Erzbischofs Howley in der Kathedrale zu Canterbury
(1850). Westmacott starb in Kensington. Er schrieb unter anderm: »Handbook of ancient
and modern sculpture« (Lond. 1864).
Landschaft im mittlern Schweden, begrenzt im N. von Dalarne, im O. von Upland, im S. vom Mälar, Södermanland
und Nerike und im Westen von Wermland, ist in der Mitte eine fruchtbare Ebene, im N. dagegen bergig und waldreich, wie auch die
Ufer des Mälar, obgleich im allgemeinen fruchtbar, die klippige Schärennatur der schwedischen Küstenlandschaften
haben. Die bedeutendsten fließenden Gewässer sind: Sevaström (der Abfluß des Sees Hallaren), Svartå, Hedströmmen, Ramnäs-
oder Kolbäckså (Abfluß des Sees Barken) und Arbogaå, welche sämtlich in den Mälar münden.
Der westliche Teil gehört zum Län Örebro. Das Län Westmanland besteht aus dem östlichen Teil der Landschaft Westmanland und
der nordwestlichen Ecke von Upland und ist 6814,5 qkm (123,8 QM.)
groß mit (1888) 134,625 Einw., deren Hauptbeschäftigung Ackerbau und Viehzucht, im nördlichen Teil auch Waldwirtschaft bilden.
21,7 Proz. des Areals sind Acker- und Gartenland, 6 Proz. Wiesen, 56,4 Proz. Wald. 1884 zählte man 14,658
Pferde, 83,789 Stück Rindvieh, 25,315 Schafe und 12,245 Schweine. Dazu kommen ein reger Hausfleiß (Tischlerarbeiten) und bedeutender
Bergbau auf Eisen, Silber und Blei. Hauptstadt ist Westerås.
(spr. -mihth), Binnengrafschaft in der irischen Provinz Leinster, 1835 qkm (33,3 QM.) groß mit (1881)
71,798 Einw., bildet einen Teil der Zentralebene, über welcher sich einzelne
Hügel bis 216 m Höhe erheben. Seen sind zahlreich. Der schiffbare Shannon bildet mit dem Lough Ree die Westgrenze, und ihm fließen
die meisten Gewässer der Grafschaft zu. Viehzucht ist die Hauptbeschäftigung. 10,7 Proz. des Areals sind unter dem Pflug, 73 Proz.
sind Weideland. Der Viehstand belief sich 1880 auf 12,268 Pferde, 100,150 Rinder, 128,751 Schafe, 16,722
Schweine. Hauptstadt ist
Mullingar.
ein Stadtteil Londons, als ehemaliger Bischofsitz »City« genannt, erstreckt sich längs der Themse von der
City bis nach Chelsea und hat (1881) 228,932 Einw. Im heutigen Volksbewußtsein
aber ist Westminster derjenige Stadtteil, der um und westwärts der Westminsterabtei (so genannt
als Gegensatz zum ehemaligen »Ostminster«, jetzt St. Paul's) und des Parlamentsgebäudes liegt, und in dem jetzt eine prächtige
Kathedrale des römisch-katholischen Erzbischofs von Westminster gebaut wird.
Der Dechant der Westminsterabtei ist keinem Bischof unterthan und übt innerhalb seines Gebiets die Befugnisse
eines solchen aus; auch ernennen er und sein Kapitel den »High Steward« und »High Bailiff«, die beiden höchsten bürgerlichen
Beamten, deren Funktionen indes gegenwärtig nicht sehr wichtig sind. Die Geschichte Westminsters ist eng verknüpft mit der
vom Sachsenkönig Sebert im 7. Jahrh. auf der ehemaligen Themseinsel Thorney erbauten Kirche, die später
zur Westminsterabtei heranwuchs. Um diese Kirche bildete sich eine Stadt, und William Rufus baute dicht bei der Abtei 1097 einen
königlichen Palast, wovon unbedeutende Reste dem jetzigen Parlamentsgebäude einverleibt wurden (s. London, S. 898 u. 899,
und Stadtplan).
Vgl. Stanley, Historical memorials of Westminster-Abbey (5. Aufl., Lond. 1882).
(spr. ŭéstmörländ), engl. Grafschaft, grenzt im NW. und N. an die Grafschaft Cumberland, im NO. an Durham,
im O. und SO. an York, im S. und Westen an Lancashire, berührt im SW. mit der Mündung des Kent die Morecambebai des Irischen
Meers und umfaßt 2027 qkm (36,8 QM.) mit (1881)
64,191 Einw. Das Thal des Eden trennt Westmoreland in zwei Berglandschaften, von denen die östlich gelegene von den nackten Ausläufern
der Penninischen Kette erfüllt ist, während im Westen die malerischen Höhen des Kumbrischen Gebirges im Helvellyn bis 962 m
ansteigen.
Hier liegen die schönen Bergseen Windermere (s. d.) und Ulleswater. Das Klima ist feucht und eignet sich
mehr für die Viehzucht als für den Ackerbau (nur 10 Proz. des Areals sind unter dem Pflug, 38 Proz. sind Weide). Eigentümlich
sind Westmoreland die sogen. Statesmen oder kleinen Landeigentümer. Der Bergbau liefert silberhaltiges Blei (1887: 1103 Ton.)
und etwas Steinkohlen. Kupfer, Eisen und Graphit kommen vor. Die Industrie ist ganz unbedeutend. Hauptstadt ist Appleby, wichtigste
Stadt aber Kendal.
John Fane, Graf von, brit. Diplomat, geb. hieß bis zum Ableben seines gleichnamigen Vaters (geb.
bis 1827 Großsiegelbewahrer, gest. Lord Burghersh, trat früh in Militärdienste und machte
die Feldzüge in Portugal und Spanien unter Wellington mit, dessen Nichte er heiratete. Zum Obersten befördert, ward er 1815 zum
britischen Gesandten in Florenz ernannt, wo er sein Haus zum Sammelpunkt der gebildeten Welt machte. Er selbst schrieb: »Operations
of the allies in Portugal« (Lond. 1818);
»Operations of the allied armies in 1814« (das. 1822);
»Erinnerungen aus den ersten
Feldzügen des Herzogs von Wellington in Portugal und Spanien« (deutsch vom Grafen v. d. Goltz, Berl. 1845).
Auch komponierte er
außer zahlreichen Symphonien, Kantaten und Messen zwei Opern: »Il Torneo« und »L'eroe di Lancastro«. Nach
seiner Rückkehr nach England ward er Mitglied des Geheimen Rats. Von 1841 bis 1851 fungierte er als britischer Gesandter
mehr
zu Berlin, dann bis 1855 zu Wien. 1854 erhielt er den Rang eines Generals. Er starb in der Peerswürde folgte ihm
sein Sohn, Oberst Francis William Henry Fane, Graf von Westmorland, geb. der im Krimkrieg Adjutant Lord Raglans war.
superMare (spr. ŭeßtön ssjuper mahri), Stadt in Somersetshire (England), am Bristolkanal, rasch zu einem der
beliebtesten Seebäder herangewachsen, mit (1881) 12,882 Einw.
1) Joachim, luther. Streittheolog, geb. 1510 oder 1511 zu Hamburg, seit 1529 in Wittenberg bei Luther und Melanchthon
gebildet, wurde nach langen Wanderungen 1541 Prediger an der Katharinenkirche, zuletzt Superintendent in seiner Vaterstadt,
woselbst er starb. Er kämpfte gegen das Leipziger Interim und G. Major, erneuerte seit 1552 den Abendmahlsstreit
gegen Calvin und Beza und verfuhr brutal gegen den mit seiner Flüchtlingsgemeinde an der deutschen Küste
umherirrenden Lasko (s. Laski 2).
Vgl. Mönckeberg, J. Westphal und Joh. Calvin (Hamb. 1865).
2) Rudolf, Philolog, geb. zu Obernkirchen in der Grafschaft Schaumburg, studierte seit 1845 zu Marburg orientalische
und klassische Sprachen, dann Mathematik und Chemie, habilitierte sich 1852 in Tübingen für klassische Philologie und
war 1858-62 außerordentlicher Professor in Breslau. Seitdem privatisierte er daselbst, lebte dann einige Jahre meist in Jena,
ging 1873 nach Rußland, erhielt 1875 eine Stelle als Professor am Katkowschen Lyceum zu Moskau und lebt jetzt in Bückeburg.
Sein Hauptwerk ist: »Metrik der griechischen Dramatiker und Lyriker nebst den begleitenden musischen Künsten«
(mit Roßbach, Leipz. 1854-65, 3 Bde.; 2. Aufl. 1867 bis
1868, 2 Bde.; 3. Aufl. u. d. T.:
»Theorie der musischen Künste der Hellenen«, 1885 ff., 3 Bde.).
Daran schlossen sich über Metrik, Rhythmik und Musik: »Geschichte der alten und mittelalterlichen Musik« (Abt. 1, Bresl. 1864,
und Abt. 3: »Plutarch über die Musik«, das. 1865);
»System der antiken Rhythmik« (das. 1865);
»Scriptores
metrici graeci« (Bd. 1: »Hephaestionis de metris enchiridion et de poëmate libellus«, Leipz.
1866);
»Elemente des musikalischen Rhythmus mit Rücksicht auf unsre Opernmusik« (Bd.
1, Jena 1872);
»Allgemeine Theorie der musikalischen Rhythmik seit J. Sebastian Bach« (Leipz. 1880);
»Aristoxenus
von Tarent« (das. 1883);
»Die Musik des griechischen Altertums« (das. 1883);
endlich »Theorie der neuhochdeutschen Metrik« (Jena
1870, 2. Aufl. 1877).
Auf Grammatik beziehen sich: »Philosophisch-historische Grammatik der deutschen Sprache« (Jena 1869);
»Methodische
Grammatik der griechischen Sprache« (Bd. 1 u. 2,
das. 1870-72);
»Die Verbalflexion der lateinischen Sprache« (das. 1873);
»Vergleichende Grammatik der indogermanischen
Sprachen« (Bd. 1, das.
1873).
Sonst erwähnen wir: »Prolegomena zu Äschylos' Tragödien« (Leipz. 1869) und die Übersetzungen von Catull (Bresl.
1867),
Aristophanes' »Acharnern« (Halle 1869) und der »Humoristischen Lyrik des klassischen Altertums« (das. 1869).
3) Karl Friedrich Otto, Mediziner, geb. zu Berlin, studierte seit 1851 daselbst, in Heidelberg,
Zürich
und dann wieder in Berlin und ward nach einer wissenschaftlichen Reise nach Wien und Paris 1857 Assistenzarzt an der Pockenstation
der königlichen Charitee in Berlin und 1858 an der von Ideler geleiteten
Irrenabteilung dieses Krankenhauses. 1861 habilitierte
er sich als Privatdozent an der Universität und hielt von da ab Vorträge und klinische Demonstrationen
über Geisteskrankheiten. 1869 erhielt er unter Ernennung zum außerordentlichen Professor als Nachfolger Griesingers die Stellung
eines dirigierenden Arztes der klinischen Abteilung für Geistes- und Nervenkranke. 1873 wurde er Mitglied der wissenschaftlichen
Deputation für das Medizinalwesen, und 1874 erhielt er die ordentliche Professur.
Von seinen Arbeiten sind namentlich die hervorzuheben, welche den Nachweis einer Beziehung von Erkrankungen des Rückenmarks
zur allgemeinen progressiven Paralyse der Irren führen; Untersuchungen über sekundäre Degeneration des Rückenmarks, über
einige Formen spinaler Lähmungen und deren anatomische Begründung, über gewisse durch Klopfen auf Sehnen hervorzubringende
Bewegungserscheinungen; der Nachweis einer Methode zur künstlichen Erzeugung von Epilepsie bei Meerschweinchen,
die Darstellung gewisser seltener und wenig bekannter Formen von Neurosen und Psychosen (konträre Sexualempfindung, Platzfurcht,
Zwangsvorstellung). Westphal begründete außerdem zuerst den klinischen Begriff der »primären Verrücktheit«, die für die Psychiatrie
von der allergrößten Bedeutung wurde. Seit Griesingers Tod redigiert er das »Archiv für Psychiatrie und
Nervenkrankheiten«.
Point (spr. peunt), Dorf im nordamerikan. Staat New York, am Hudson, Sitz der 1802 gegründeten Militärakademie,
mit (1880) 1412 Einw. Dabei ein Denkmal Kosciuszkos und die Ruinen mehrerer aus dem Revolutionskrieg bekannter Forts.
Stadt in der irischen Grafschaft Mayo, an der Clewbai des Atlantischen Ozeans, hat etwas
Handel, ein Seebad und (1881) 4469 Einw. Zum Hafengebiet gehören (1887) 9 Seeschiffe
von 4690 Ton. Gehalt und 481 Fischerboote.
[* ] preuß. Provinz (1824-78 mit Ostpreußen zur Provinz Preußen verbunden), umfaßt mit Ausnahme der beiden
südwestlichen Kreise Deutsch-Krone und Flatow, die zu der polnischen Landschaft Kujavien gehörten, nur Gebiete,
die längere oder kürzere Zeit dem Deutschen Ritterorden unterworfen waren, nämlich: Pomerellen (das Kassubenland) auf der
linken, Kulmer Land und Pomesanien (nördlich von der Ossa) auf der rechten Seite der Weichsel. Westpreußen grenzt im N. an die Ostsee,
im O. an Ostpreußen, im S. an Rußland (Polen) und die Provinz Posen, im Westen an Brandenburg und Pommern und
umfaßt 25,508,74 qkm (463,26 QM.).
[Bodenbeschaffenheit. Klima.]
Die Provinz liegt im Norddeutschen Tiefland und wird von Westen nach O. von dem Norddeutschen
Landrücken durchzogen, den die Weichsel in einem tiefen Thal durchbricht, das von der südlichen Grenze bis zur Montauer
Spitze, wo Weichsel und Nogat sich trennen, fast durchgehend 7-8 km breit ist, unterhalb aber sich zu dem Mündungsdelta der
Weichsel, den Weichselwerdern, erweitert. Letztere haben einen außerordentlich fruchtbaren Boden; sie liegen sehr tief, an
einigen Punkten im O. sogar unter dem Meeresspiegel, und werden gegen die Stromfluten durch große Dämme,
gegen den Andrang des Meers aber durch die Dünen der Nehrung (der nördlichsten Niederung, welche von der Elbinger und Danziger
Weichsel im S. begrenzt wird) geschützt. Im Westen von der Weichsel nähert sich der Landrücken der Ostsee. Den höchsten Teil
desselben bildet hier die Platte von Karthaus (s. d.) mit dem 335 m hohen Turmberg, die sich im S. zu einer
mehr
weiten, 120-180 m hohen Ebene senkt, in welcher am Schwarzwasser und an der Brahe die 112 m lange Tuchelsche Heide sich befindet.
Im O. von der Weichsel tritt der Landrücken gleichfalls in großer Breite auf, indem er den ganzen Raum zwischen den Weichselwerdern
und der untern Drewenz ausfüllt, mit einer durchschnittlichen Meereshöhe von 80-120 m.
Mit dem Landrücken von Ostpreußen her in loser Verbindung stehen die Trunzer Berge bei Elbing, bis 198 m hoch. Die Ostsee bildet
an der Küste einen Meerbusen, die Danziger Bucht, von der die durch die Halbinsel Hela gebildete Putziger Wiek ein Teil ist.
Von dem Frischen Haff und der Frischen Nehrung gehört der südwestliche Teil hierher. Der Hauptfluß ist
die Weichsel (s. d.), die an der Montauer Spitze sich in die Weichsel und Nogat, am Danziger Haupt in die Danziger und Elbinger Weichsel
teilt. Auf der rechten Seite empfängt die Weichsel in der Provinz die Drewenz und die Ossa, auf der linken
das Schwarzwasser, die Montau, die Ferse und die Mottlau mit der Radaune. Andre Flüsse sind: die Liebe (Alte Nogat), welche in die
Nogat, der Elbing, welcher in das Frische Haff mündet, die Rheda, welche in die Putziger Wiek fließt, die Leba und Stolpe, welche
in Pommern zur Ostsee gehen, und endlich die Küddow, welche aus Pommern kommt und südwärts zur Netze (in Posen) strömt, sowie
die Brahe, die in Posen in die Weichsel mündet.
Unter den Kanälen gehört der Elbing-Oberländische Kanal (s. d.) insofern hierher, als die beiden bedeutendsten Seen in seinem
Bereich (der Drausen- und Geserichsee) nach Westpreußen hinüberreichen. Die Landseen sind zahlreich, aber weniger
groß als in Ostpreußen. Die bedeutendsten sind außer dem Drausen- und Geserichsee der Sorgensee unweit Riesenburg, der Zarnowitzer
See auf der pommerschen Grenze unweit der Ostsee, der Radaunesee und der kleine, aber schöne Mariensee auf der Platte von Karthaus,
der inselreiche Weitsee am Schwarzwasser, der Groß-Ziethener und der Müskendorfer See an der Brahe und der Groß-Böttinsee
westlich von Deutsch-Krone. Das Klima ist gesund, auf der Höhe des Landrückens aber rauh (Durchschnittstemperatur in Danzig
7,6, Hela 7,52, Schönberg auf der Platte von Karthaus 5,69, Konitz 6,65° C.). Die jährliche Regenmenge
beträgt etwa 50 cm.
[Bevölkerung, Nahrungszweige.]
Die Bevölkerung belief sich 1885 auf 1,408,229 Seelen gegen 1,405,898 im J. 1880. Unter den
Einwohnern befanden sich 1885: 668,255 Evangelische, 701,842 Katholische, 13,438 sonstige Christen und 24,654 Juden. Die Mehrzahl
sind Deutsche; die Zahl der Einwohner polnischer Zunge beträgt aber immer noch über 400,000. Auf die
Städte kamen 394,802, auf das platte Land 1,013,427 Einw. Auf 1 qkm kamen im Regierungsbezirk
Danzig fast 73, im Regierungsbezirk Marienwerder über 47 Einw. Von der Gesamtfläche der Provinz entfallen auf Ackerland, Gärten
und Weinberge 54,7, auf Wiesen 6,5, auf Weiden 11, und auf Holzungen 21 Proz. In den Weichselwerdern, im Kreise
Stuhm und im Kulmer Land findet vielfach Weizenbau statt, während sonst in der Provinz Roggen und Kartoffeln die Hauptfrüchte
des Feldbaues sind.
Auch Garten- und Obstbau blühen in den Weichselwerdern; in der Umgegend von Danzig hat sich auch eine nicht unbedeutende Blumenzucht
entwickelt. In den höher gelegenen Teilen der Werder, zwischen Marienburg und Dirschau, ist auch der Bau der
Zuckerrübe eingeführt worden. Im größten Gegensatz zu den fruchtbaren Werdern stehen die Kreise Schlochau, Konitz, Berent und
Karthaus, vorzüglich in den Teilen, die an
Pommern stoßen. Die Waldungen (besonders Kiefern) sind an der Brahe und dem
Schwarzwasser und im Kreis Deutsch-Krone am bedeutendsten.
Nach der Viehzählung von 1883 hatte die Provinz 202,602 Pferde, 454,834 Stück Rindvieh, 1,349,253 Schafe, 369,803 Schweine und
57,523 Ziegen. Die Pferdezucht, gefördert durch das westpreußische Landgestüt zu Marienwerder, erreicht in den Weichselwerdern
den höchsten Standpunkt im preußischen Staat (Kreis Marienburg 26 Pferde auf 1 qkm); außerdem ist dieselbe
noch im Kreise Stuhm von Bedeutung. In diesen Gegenden blüht auch die Rindviehzucht. Für die Zucht der Schafe und namentlich
der Merinos bilden die Kreise Graudenz, Rosenberg und Kulm den Mittelpunkt.
Der Edelhirsch ist selten; häufiger sind Rehe, Hasen und Füchse. Wölfe finden sich noch in der Tuchelschen
Heide. Von Wichtigkeit sind die Zucht des Geflügels und die Fischerei. Aus dem Mineralreich gibt es Bernstein, Torf, Thon, auch
einige Braunkohlenlager. Die Hauptbeschäftigungen der Bevölkerung sind: Landwirtschaft, die gewöhnlichen bürgerlichen Gewerbe,
Handel, Schiffahrt und Schiffbau. Die Industrie ist nur in einigen Orten (Danzig, Elbing, Dirschau, Thorn) von
Bedeutung; daselbst gibt es auch einige größere Eisenwerke.
Ferner sind vorhanden: zahlreiche Sägemühlen, mehrere Glashütten, Bierbrauereien, Branntweinbrennereien etc. Die Leinweberei
als Nebenbeschäftigung wird auf dem Land stark betrieben. Der Handel ist nur in den Seestädten Danzig und Elbing von Bedeutung.
Die Reederei der Provinz zählte 1888: 90 Seeschiffe, fast sämtlich zu Danzig gehörig. Den Binnenverkehr
unterstützen die schiffbaren Gewässer und Eisenbahnen. Von den letztern ist nur die Linie Marienburg-Mlawka Privatbahn, die
andern sind Staatsbahnen.
Von letztern sind am wichtigsten die Linien: Berlin-Schneidemühl, Schneidemühl-Dirschau, Dirschau-Seepothen, Posen-Neustettin,
Ruhnow-Konitz-Laskowitz-Jablonowo-Straßburg i. Westpreußen-Soldau, Thorn-Allenstein, Thorn-Marienburg, Bromberg-Dirschau, Hohenstein-Berent,
Dirschau-Danzig, Praust-Karthaus, Danzig-Stargard i. P. Für die geistige Bildung sorgen 13 Gymnasien, 4 Realgymnasien, 4 Progymnasien, 4 Realprogymnasien,
eine Landwirtschaftsschule, eine Handelsakademie, 6 Lehrerseminare, 4 Taubstummenanstalten, eine Blindenanstalt etc. Die Provinz,
deren Hauptstadt Danzig ist, wird in 2 Regierungsbezirke geteilt: Danzig mit 12 und Marienwerder mit 15 Greifen.
Für die Justiz besteht ein Oberlandesgericht zu Marienwerder mit den 5 Landgerichten zu Danzig, Elbing, Graudenz,
Konitz, Thorn. In Bromberg befinden sich eine Generalkommission und eine Eisenbahndirektion, in Danzig und Bromberg Oberpostdirektionen.
Militärisch gehört Westpreußen mit der östlichen Weichselseite und Danzig zum Bezirk des 1., mit dem Rest zu dem des 2. Armeekorps.
In den deutschen Reichstag entsendet die Provinz 13, in das preußische Abgeordnetenhaus 22 Mitglieder.
Die Landesfarben der Provinz sind Schwarz, Weiß, Schwarz. S. Karte »Ost- und
[* ] Westpreußen«.
Über die älteste Geschichte Westpreußens s. Ostpreußen, Geschichte, S. 543-545. Nachdem Westpreußen durch den zweiten Frieden von
Thorn 1466 unter die Hoheit Polens gekommen, genossen die westpreußischen Stände, durch deren Verrat besonders
der Orden besiegt worden war, namentlich Danzig, zwar wichtige Privilegien; gleichwohl nahm die Polonisierung der Landbevölkerung
und des kleinen Adels schon im 16. Jahrh. bedeutend zu, ebenso wurde die Reformation vom flachen Land fern gehalten, und
mehr
die im polnischen Reich zunehmende Anarchie machte sich auch in Westpreußen geltend durch Verwahrlosung des Ackerbaues, der Straßen und
der Schulbildung. Nur die Städte bewahrten ihre deutsche Kultur und ihre Selbständigkeit, wenn auch mitunter rohe Gewaltthaten
Polens, wie das Thorner Blutbad (s. Thorn), vorfielen; Danzigs Handel kamen sogar die wirtschaftlichen Zustände
des polnischen Hinterlandes, das von Danzig rücksichtslos ausgebeutet ward, in gewissem Sinn zu gute.
Dennoch war das Land von seiner frühern Blüte unter der Ordensherrschaft gänzlich herabgekommen, als es 1772 durch die
erste polnische Teilung an Preußen fiel; nur Danzig und Thorn blieben damals polnisch, wurden zwar 1793 auch preußisch,
waren aber 1807-13 wieder von Westpreußen getrennt. Westpreußen ward von Friedrich d. Gr. in mehrere Kammerdepartements geteilt und in wenigen
Jahren durch Regulierung der Weichselniederung, Anpflanzungen und Errichtung von Schulen bedeutend gehoben. 1824 ward Westpreußen mit
Ostpreußen zu Einer Provinz, dem Königreich Preußen, vereinigt und in zwei Regierungsbezirke geteilt.
Doch vermochte diese Vereinigung auch unter einem so trefflichen Oberpräsidenten wie v. Schön die durch
die lange Trennung bewirkten Gegensätze in politischer und wirtschaftlicher Beziehung nicht auszugleichen. Westpreußen glaubte sich
stets hinter Ostpreußen, welches der führende Teil schien, zurückgesetzt und wünschte die Trennung, welche auch trotz
des Widerspruchs Ostpreußens durch Gesetz vom erfolgte und ins Leben trat.
Vgl. Pawlowski,
Die Provinz Westpreußen in ihrer geschichtlichen etc. Entwickelung (Danz. 1878);
Schmitt, Die Provinz Westpreußen (Thorn 1879);
Lohmeyer, Geschichte
von Ost- und Westpreußen (2. Aufl., Gotha 1884).
vanTiellandt, Willem Hendrik Jakob, Baron van, niederländ. Historiker und Bibliograph, geb. im
Haag, widmete sich dem Studium der Geschichte und Litteratur und wurde 1807 zum Historiographen des Unionsordens und Adjunkten
beim Reichsarchiv ernannt. Nach der Vereinigung Hollands mit Frankreich seiner Stellen enthoben, lebte er seitdem in Zurückgezogenheit
bis 1813, wo er eifrigen Anteil an der Wiederherstellung der Unabhängigkeit seines Vaterlandes nahm, wurde Mitglied der Ritterschaft
der Provinz Holland und später von derselben zum Abgeordneten am Reichstag ernannt.
Seit 1842 Kurator der königlichen Bibliothek, starb er Von seinen Schriften sind hervorzuheben: »Sur l'invention
et les premiers progrès de la typographie« (1809) und »Esquisse
des progrès de l'imprimerie dans les Pays-Bas pendant les XV., XVI. et XVII. siècles« (1829),
worin er Leiden die erste Idee
zum Bücherdruck mit beweglichen Lettern vindizierte;
dann »Recherches sur la langue nationale de la majeure partie du royaume
des Pays-Bas« (1830).
Seine besonders an Handschriften und ersten Drucken reiche Bibliothek, sein Münzkabinett
und seine Sammlung von ägyptischen, griechischen und römischen Altertümern wurden nach seinem Tod Staatseigentum.
bedeutende Moor- und Fehnkolonie im preuß. Regierungsbezirk Aurich, Kreis Leer, durch einen Kanal mit
der Leda verbunden, hat eine evangelische und eine kath. Kirche, bedeutende Landwirtschaft, Torfstich, Schiffahrt
u. (1885) 2728 Ew.
Kaisertum (abendländisches Reich), der Teil des großen
römischen Reichs, welcher bei der nach Theodosius
d. Gr. 395 eingetretenen Teilung des Reichs Honorius anheimfiel, Italien, Gallien, Britannien, Spanien, Afrika, Dalmatien, Noricum,
Pannonien und Rätien umfaßte und 476 von Odoaker in Besitz genommen wurde; der letzte weströmische Kaiser
war Romulus Augustulus (s. Römisches Reich, S. 949). Am 25. Dez. 800 ward es von Karl d. Gr. erneuert, 962 wieder von dem deutschen
König Otto I., seit welchem es »Heiliges römisches Reich deutscher Nation« hieß; es bestand bis 1806.
[* ] Gesamtname für die russ. Gouvernements Grodno, Kowno, Minsk, Mohilew, Podolien, Wolhynien,
Wilna und Witebsk, welche ehemals zu Polen gehörten, infolge der Teilungen dieses Reichs an Rußland kamen und insgesamt einen
Flächenraum von 420,323,7 qkm (7633,5 QM.)
mit (1885) 12,774,369 Einw. umfassen. S. Karte »Polen und
[* ] Westrußland«.
(abgekürzt Va.), nordamerikan. Freistaat, grenzt an Ohio, Pennsylvanien, Maryland, Virginia und Kentucky. Der
östliche Teil des Staats besteht aus teilweise dicht bewaldeten, fast nirgends kahlen Höhenzügen, welche bis 808 m ansteigen
und sich nach NW. zum Ohio verflachen. Der Ohio bildet 480 km weit die Grenze und empfängt hier den Guyandotte
und die beiden Kanawha. Der Nordosten des Staats liegt im Gebiet des Potomac. Westvirginia ist ein gesegnetes Land, denn nicht nur eignet
sich sein Boden fast überall für Ackerbau und Viehzucht, sondern es besitzt auch ungeheure Schätze an Eisen, Steinkohlen, Petroleum,
Salzquellen, die verschiedensten Metalle und wertvolle Bausteine. Westvirginia hat ein Areal von 64,178 qkm (1165,5
QM.) und (1880) 618,457 Einw., worunter
nur 25,886 Farbige.
Die öffentlichen Schulen wurden 1886 von 172,257 Kindern besucht, aber noch immer können 18,3 Proz. der über 10 Jahre
alten Weißen und 55 Proz. der Neger nicht schreiben. Die Landwirtschaft beschäftigt 61, die Industrie 15 Proz.
der Bevölkerung. Nur 5,353,500 Hektar waren 1880 landwirtschaftlich benutzt. Gebaut wurden Mais, Weizen, Hafer, Kartoffeln und
Tabak. An Vieh zählte man 1889: 139,664 Pferde, 9799 Maultiere, 460,112 Rinder, 484,432 Schafe und 454,417 Schweine.
Das Mineralreich liefert namentlich Steinkohlen (1887: 4,8 Mill. Ton.), Eisen (1887: 82,300 T.), Salz und
etwas Petroleum. Es gab 1880: 2375 gewerbliche Anstalten mit 14,311 Arbeitern und einem Produktionswert von 23 Mill. Doll.
Am wichtigsten waren die 20 Eisen- und Stahlwerke (4021 Arbeiter, Wert 6 Mill. Doll.), die 472 Getreidemühlen, die 487 Sägemühlen,
die 173 Lederfabriken und die 4 Glashütten. An Eisenbahnen hat der Staat (1880) 2092 km. Die gesetzgebende Gewalt
ruht in den Händen eines Senats (26 Mitglieder) und eines Abgeordnetenhauses (65 Mitglieder).
Der Gouverneur sowie andre höhere Beamte werden vierjährlich vom Volke gewählt, und nur die Richter des obersten Gerichtshofs
bleiben 12 Jahre im Amte. Die Revenue belief sich 1886 auf 1,167,515 Doll. Eine Staatsschuld besteht nicht,
denn der Staat weigert sich, die vor seiner Trennung von Virginia gemeinsam eingegangenen Verpflichtungen anzuerkennen. Dagegen
betrugen bereits 1880 die Gemeindeschulden 1,513,434 Doll. Hauptstadt ist (seit 1885) Charleston. Westvirginia trennte sich 1861 vom
östlichen Virginia, welches sich den Konföderierten anschloß, und wurde als eigner Staat in
die Union aufgenommen.
bei naturwissenschaftl. Namen Abkürzung für J. O. (Anmerkung des Editors: John Obadiah) Westwood, Inspektor
der Hopeianischen Sammlungen in Oxford, Entomolog.
Kreisstadt im russ. Gouvernement Kostroma, an der Wetluga, einem im Herbst und Frühjahr
schiffbaren, 642 km langen linken Nebenfluß der Wolga, hat (1885) 4350 Einw., die bedeutenden Handel mit Walderzeugnissen,
Pelzwerk, Wild und Baumbast treiben.
(Wettversicherung, engl. Gambling assurances), unter der Form der Versicherung eingegangene Wetten,
welche darauf geschlossen wurden, daß irgend welche bestimmte Personen, an deren Leben kein vermögensrechtliches
Interesse der Kontrahenten geknüpft war, innerhalb eines bestimmten Zeitraums sterben würden. Sie waren also keine
Versicherungen (s. d.), sondern Spielverträge, welche aus den ältern Assekuranzen gegen die Gefahren weiterer Reisen, namentlich
Seereisen, entartet waren und nur eben die Form der Versicherung beibehalten hatten. Sie waren im 18. Jahrh.
viel verbreitet, richteten manches Unheil an und wurden verboten (in England durch die Parlamentsakte von 1773).
(Sponsio), die bei einer Meinungsverschiedenheit getroffene Übereinkunft, wonach diejenige Partei, deren Behauptung
sich als unrichtig erweisen wird, eine bestimmte Sache oder Geldsumme verwirkt haben soll. Der Unterschied zwischen
Wette und Spiel liegt in dem Vertragsmotiv der erstern, indem derjenige, dessen Ansicht sich als die richtige herausstellt, gewissermaßen
eine Belohnung dafür erhalten soll; ein Unterschied, der besonders da von Wichtigkeit ist, wo der gemeinrechtliche Grundsatz
gilt, daß aus einem Spiel nicht geklagt werden kann, während der Vertrag einer Wette klagbar ist. Der Entwurf
eines deutschen bürgerlichen Gesetzbuchs (§ 664) versagt der Wette, welche er dem Spiel gleichstellt, die Anerkennung als einer
klagbaren Verpflichtung. Doch kann das auf Grund eines Spiels oder einer Wette. Geleistete nicht zurückgefordert werden. - Bei
Pferderennen sind Wetten schon lange üblich und ein Unterstützungsmittel der Rennen, bez.
der Unterhaltung der Rennställe.
Denn die Unkosten der letztern sind bei weitem höher als die Summe aller im günstigsten Fall zu gewinnenden Preise; somit
würden zum Schaden der gesamten Pferdezucht eines Landes die Rennen bald aufhören, wenn sie nicht durch diese systematischen
Wetten einen prozentartigen Zuschuß erhielten. Die Wetten verallgemeinern außerdem durch das Interesse,
das der Wettende an seinem Geld hat, auch das Interesse am Sport überhaupt. Zwei Arten von bei uns gebräuchlichen Wetten sind
zu unterscheiden:
1) Beim Bookmaker. Derselbe ruft öffentlich seine Wetten und die odds aus, welche er gegen oder für (»auf«)
die am Rennen teilnehmenden Pferde legt, z. B. 3:1 gegen Vándor, d. h. er legt dem, der die Wette annimmt
(dem »Nehmenden«),
dreifaches Geld gegen Vándor als Gewinner und zahlt, wenn Vándor siegt, z. B. 300 Mk. aus, während er
nur 100 Mk. bekommt, wenn Vándor nicht siegt. Oder umgekehrt, er ruft: 10:1 auf Kincsem. In
diesem Fall ist der bookmaker der Nehmer; gewinnt Kincsem, so zahlt er bloß 100 Mk., verliert sie,
so bekommt er 1000 Mk. Even money wettet man, wenn beide Partner gleiches Geld setzen. Bei diesen Wetten weiß man die
Höhe
des zu gewinnenden Betrags also schon vorher. Beim 2) Totalisator weiß man dies nicht.
Die Gewinnsumme kann erst festgestellt werden, nachdem der Sieger bekannt geworden. Dann addiert man alle Einlagen und dividiert
durch die Anzahl der auf den Sieger gemachten Einsätze. Sind z. B. auf fünf Pferde in Summa 400 Mk. gesetzt worden, auf eins
derselben, welches z. B. gewinnt, 20 Einlagen à 5 Mk.,
so dividiert man mit 20 in 400, und jeder Satz von 5 Mk. erhält folglich deren 20 ausgezahlt. Bevor jedoch dividiert wird,
kommen von der Gesamtsumme 5 Proz. zum Abzug zu gunsten des Unternehmens, also bei unserm Beispiel 20 Mk. Zur Verteilung kämen
dann bloß noch 380 Mk. Von diesen fällt ebenfalls jede Summe, die, dividiert, einen Bruch ergeben würde,
der Totalisatorkasse zu. Die Chancen für letztere wie für den Gewinner, der manchmal selbst weniger als seine Einlage zurückgewinnen
kann, sind also sehr verschieden.
Jedenfalls fließt das dem Totalisator zugehende Geld dem ganzen Rennunternehmen zu, wofern der Rennstall
eben den Totalisator hält, und ist beim Wetten am Totalisator der Wettende vor Betrug und Unterschlagung des Einsatzes sichergestellt,
während dies bei Wetten mit den bookmakers, die meist Privatleute sind und übrigens auch noch während des Rennens bis
zum letzten Augenblick Wetten annehmen, keineswegs immer der Fall ist. 1871 in Deutschland eingeführt,
ward der Totalisator 1880 unter staatsanwaltliche Anklage gestellt, indem an die verschiedenen Rennvorstände der Bescheid erging,
»daß das Setzen am Totalisator als Hasardspiel zu betrachten sei«. In England und andern Ländern besteht der Totalisator unbeanstandet
weiter. Als Instrument betrachtet, ist der Totalisator ein mechanischer Zählapparat, der mit der Genauigkeit
und Schnelligkeit einer Rechenmaschine addiert, dividiert, Summen und Quotienten angibt, und dessen man sich nach englischem
Vorgang aus fast allen größern Rennplätzen des Kontinents bediente, um Wetten des Publikums in größerer Anzahl abzuschließen.
In der altdeutschen Rechtssprache bedeutet Wette. (Gewette) s. v. w. Buße, Strafe (daher einem etwas »wett machen«, s. v. w.
vergelten), auch Pfand, Unterpfand und endlich auch s. v. w. Eheverspruch, daher wetten, s. v. w.
heiraten.
[* ] (Witterung), der an einem bestimmten Ort und zu einer bestimmten Zeit durch das Zusammenwirken der verschiedenen
meteorologischen Elemente, als: Luftdruck, Temperatur, atmosphärische Feuchtigkeit, Niederschläge, Bewölkung und vorzugsweise
Wind (s. d.), hervorgebrachte Zustand der Atmosphäre, welcher für unsre sinnliche Wahrnehmung sich in
angenehmer oder unangenehmer Weise, für unser Wohlbefinden in gesunder ohne ungesunder Wirkung bemerklich macht.
Die Erkenntnis der Gesetze, welche für die Entstehung und den Wechsel des Wetters gelten, ergibt sich aus den gegenseitigen
Beziehungen, in denen diese meteorologischen Elemente zu einander stehen, und den Einwirkungen, welche
sie aufeinander ausüben. Die Beschaffenheit des Wetters an einem bestimmten Ort beruht hauptsächlich auf der daselbst zu
einer bestimmten Zeit stattfindenden Richtung des Windes, welcher seinerseits wieder von der Verteilung und von den Veränderungen
des Luftdrucks abhängt. Der Wind überträgt die Einwirkung der übrigen meteorologischen Elemente, wie
der Temperatur und der Feuchtigkeit, von einem Ort zum andern und veranlaßt dadurch den jeweilig an
mehr
einem Ort stattfindenden Charakter des Wetters (Witterungscharakter). Um den Zusammenhang zwischen der Windrichtung und den
übrigen meteorologischen Elementen eines Orts aufzufinden, stellt man aus den Beobachtungen für einen bestimmten Zeitabschnitt,
z. B. für einen Monat, die Werte zusammen, welche die Temperatur, die atmosphärische Feuchtigkeit, der Luftdruck, die Bewölkung,
die Regenmenge etc. bei den verschiedenen Windrichtungen erhalten. Die Mittel aus denjenigen Werten, welche
derselben Windrichtung entsprechen, ergeben Zahlen, durch welche die durchschnittliche Größe der verschiedenen meteorologischen
Elemente bei den verschiedenen Winden bestimmt sind.
Durch derartige Betrachtungen ist ein Ausdruck für den Witterungscharakter gewonnen, welcher den verschiedenen Winden an einem
bestimmten Ort und zu einer bestimmten Jahreszeit zukommt. Die so gefundenen Zahlenresultate, welche man
auch graphisch darzustellen pflegt, nennt man Windrosen und zwar barometrische, thermometrische, gewöhnliche etc., je nachdem
sie für die einzelnen Windrichtungen den mittlern Barometerstand, die Mitteltemperatur, die Häufigkeit ihres Auftretens
etc. angeben.
Im allgemeinen ergibt sich als Resultat dieser Untersuchungen, daß, wenn größere Teile der Erdoberfläche
betrachtet werden, die Winde, welche von der Äquatorseite (auf der nördlichen Halbkugel also von der Südseite, auf der südlichen
von der Nordseite) herkommen, sich durch hohe Temperatur, großen Feuchtigkeitsgehalt, starke Bewölkung, häufige Niederschläge
und niedrigen Luftdruck auszeichnen, während die Winde, welche von der Polarseite (auf der nördlichen
Halbkugel also von der Nordseite etc.) kommen, durch niedrige Temperaturen, geringen Feuchtigkeitsgehalt, klaren Himmel, seltene
Niederschläge und hohen Luftdruck charakterisiert sind.
Hierzu kommt noch der verschiedenartige Einfluß von Land und Wasser, welcher zur Folge hat, daß die Luftströme mehr Feuchtigkeit
enthalten und sowohl häufigere als auch stärkere Niederschläge bewirken, wenn sie über größere Meere
geweht haben (Seewinde), dagegen geringere Feuchtigkeit besitzen und daher auch weniger Niederschläge verursachen, wenn sie
als Landwinde auftreten. In Bezug auf die Temperatur werden die Landwinde wegen der verschiedenen Wärmekapazität von Land und
Wasser im Sommer wärmer und im Winter kälter als die Seewinde sein.
Die wärmsten, dunstreichsten und Wolken und Regen erzeugenden Luftströme, welche von niedrigem Luftdruck begleitet werden,
kommen wegen der angegebenen Eigenschaften der Winde und des verschiedenen Einflusses von Land und Wasser auf der nördlichen
Halbkugel an den Westküsten der Kontinente, namentlich in Europa, als äquatoriale Seewinde aus SW. und an den
Ostküsten aus SO., während die kältesten, trockensten und regenärmsten Luftströme mit meist
heiterm Himmel, welche vom höchsten Luftdruck begleitet werden, polare Landwinde sind und daher an den Westküsten der Kontinente
aus NO. und an den Ostküsten aus NW. wehen.
Die Windrichtungen, welche in Bezug auf Temperatur, Feuchtigkeit, Luftdruck und Niederschlag die größten
Gegensätze darbieten, sind hiernach auf der nördlichen Halbkugel an den Westküsten der Festländer die südwestlichen und
nordöstlichen und an den Ostküsten die südöstlichen und nordwestlichen. Dies gilt besonders vom Winter, während im Sommer
für die Temperatur die schon oben erwähnte Abweichung eintritt, daß die vom Land herkommenden Winde durchgängig
die wärmsten sind.
Die
Veränderungen des Wetters (Witterungswechsel) haben ihre hauptsächlichen Ursachen in den Veränderungen des Luftdrucks
und in dem Entstehen und Fortschreiten der sogen. barometrischen Minima oder Wirbel (s. Wind). Legt man durch das Zentrum eines
in unsern Gegenden meistens in östlicher Richtung fortschreitenden Minimums (s. unten) eine Linie von SSW.
nach NNO., so wird diese den Wirbel in zwei Hälften teilen, von denen die zur Rechten gelegene die Vorderseite des Wirbels
(da der Wirbel sich nach O. hin bewegt) und die zur Linken die Rückseite desselben bildet.
Auf der Vorderseite wehen (in Europa) die aus südlichern Gegenden herkommenden Winde und zwar auf der
nördlichen Hälfte aus O. durch SO. bis S. und auf der südlichen Hälfte aus S. durch SW. bis Wetter; auf der Rückseite des
Wirbels wehen dagegen die aus nördlichern Gegenden herstammenden Winde und zwar auf der nördlichen Hälfte aus O. durch NO.
bis N. und auf der südlichen Hälfte aus N. durch NW. bis Wetter. Diesen Windrichtungen entsprechend ist das Wetter auf der Vorderseite
und Rückseite eines Wirbels gerade entgegengesetzt.
Auf der erstern bringen die aus südlichern Gegenden kommenden Winde warme und feuchte Luft mit sich, die ihrer größern Leichtigkeit
wegen die Neigung hat, nach obenhin abzufließen. Nachdem sie auf ihrem Weg nach nördlichern Gegenden
bereits eine Abkühlung erfahren hat, wird diese durch die beim Aufsteigen der Luft erfolgte Ausdehnung noch vermehrt, und
daher werdende Wasserdämpfe Wolken und Niederschläge zu bilden anfangen. Die bei der Kondensation der Wasserdämpfe frei werdende
Wärme macht die ganze in die Höhe steigende Luftsäule leichter, wodurch der aufsteigende Luftstrom verstärkt
und ein Fallen des Barometers verursacht wird.
Umgekehrt verhält es sich auf der Rückseite eines Wirbels. Hier kommen die Winde aus nördlichern Gegenden und führen kalte
und trockne Luft mit sich, die sich auf ihrem Weg nach südlichern Gegenden erwärmt und deshalb mehr
Wasserdampf aufzunehmen im stande ist, wodurch Wolkenbildung und Niederschläge ausgeschlossen sind. Diese kalte und trockne
Luft bildet keinen aufsteigenden Luftstrom, sondern führt die Luft dem in der Nähe des Wirbelzentrums befindlichen luftverdünnten
Raum zu und bewirkt dadurch ein Steigen des Barometers. Da das Barometer auf der Vorderseite des Wirbels
fällt und auf der Rückseite steigt, wird eine Fortbewegung des barometrischen Minimums (Zentrum des Wirbels) die Folge sein
und zwar nach der Richtung hin, in welcher das Barometer am schnellsten gefallen ist.
Daher ist die seitliche Bewegung des barometrischen Minimums keine wirkliche, sondern nur eine scheinbare,
bei welcher sich dieses Minimum immer an aufeinander folgenden Stellen der Atmosphäre bildet und sein Fortschreiten daher mit
der Bewegung einer Wasserwelle verglichen werden kann. Im allgemeinen wird also das Wetter auf der Rückseite des
Wirbels, nachdem der Wind nach nördlichen Richtungen herumgegangen ist, klarer und der Niederschlag schwächer
werden, während es auf der Vorderseite bei Winden aus südlichern Richtungen trüber und der Niederschlag stärker wird. Daher
wird ein Umschlag im W. eintreten, wenn das Zentrum eines atmosphärischen Wirbels am Beobachtungsort selbst oder in größerer
Nähe desselben vorübergeht. Trübe Witterung hört auf, wenn über den Beobachtungsort, welcher früher bei
niedrigern Barometerstand den Einflüssen der Vorderseite des Wirbels unterworfen war, das Wirbelzentrum herübergeht und
er bei höherm
mehr
Barometerstand auf die Rückseite des Wirbels gelangt; dagegen wird umgekehrt klare Witterung in trübe übergehen, wenn ein
Wirbel mit niedrigem Barometerstand an die Stelle von hohem Luftdruck tritt, oder wenn ein Wirbel auf einen vorangegangenen folgt.
Vorherbestimmung des Wetters, Wetterberichte etc.
Aus den vorstehenden Thatsachen ergibt sich, daß alle Veränderungen des Wetters in dem innigsten Zusammenhang
mit den Änderungen im Luftdruck stehen, und daß, wenn eine Vorherbestimmung des Wetters (Wetterprognose) aufgestellt werden
soll, es durchaus notwendig ist, sowohl die Verteilung des Luftdrucks über einem größern Gebiet zu kennen, als auch zu
wissen, wie sich dieselbe für die Zukunft gestalten wird. Wenn es in neuerer Zeit gelungen ist, wenigstens
für einen kürzern Zeitraum, für die nächstfolgenden 24 Stunden, Wetterprognosen zu stellen, die im allgemeinen 80-90 Proz.
Treffer ergaben, so ist das nur dadurch möglich gemacht, daß der Telegraph in den Dienst der Meteorologie gezogen wurde und
durch die Wettertelegraphie die zu einer bestimmten Zeit vorhandenen Werte der meteorologischen Elemente
einer Zentralstelle mitgeteilt, von dieser gesammelt und zum Entwerfen von Wetterkarten und zum Aufstellen von allgemeinen
Übersichten der Witterung (Wetterberichte) benutzt wurden.
Da die verschiedene Verteilung des Luftdrucks und die von ihr abhängige wechselnde Richtung und Stärke der Winde die das Wetter hauptsächlich
bestimmenden Elemente sind, so ist auch bei den Wetterkarten auf Luftdruck und Winde die meiste Rücksicht genommen. Aber auch
die andern Witterungserscheinungen, als: Temperatur, Bewölkung, Regen etc., werden in diese Wetterkarten eingetragen. Die Methode
der Anfertigung dieser Wetter- oder synoptischen Karten besteht darin, daß die Witterungserscheinungen, welche gleichzeitig
auf einem größern Gebiet stattfinden, durch vereinbarte, allen verständliche Zeichen in eine geographische
Karte eingetragen werden, um auf diese Weise ein übersichtliches Bild des Witterungszustandes zu erhalten, welches einer weitern
Diskussion unterworfen werden kann.
Vorzüglich sind zwei Arten solcher Wetterkarten zu unterscheiden: solche, welche allein auf Grund der telegraphischen Nachrichten
konstruiert werden und dem sofortigen praktischen Gebrauch, namentlich dem Ausstellen der Wetterprognosen,
dienen, und solche, welche nachher mit reichhaltigerm Material angefertigt und den wissenschaftlichen, theoretischen Forschungen
zu Grunde gelegt werden. Da unter allen europäischen meteorologischen Zentralinstituten die deutsche Seewarte in Hamburg (s.
Seewarte) das reichhaltigste Material bei der relativ besten Verteilung der Stationen besitzt, so mögen
als Beispiel für alle ähnlichen Wetterkarten und Wetterberichte die von der deutschen Seewarte getroffenen Einrichtungen und
Maßregeln dienen.
Das Gebiet, aus welchem die deutsche Seewarte ihre Morgentelegramme erhält, hat einen Radius von ca. 1000 Seemeilen und erstreckt
sich nach Westen bis an die Westküste von Irland, nach S. bis Corsica und Süditalien, nach O. bis Moskau
und nach N. bis Bodö nördlich vom Polarkreis. Unter den 96 Stationen, welche der Seewarte telegraphische Nachrichten übermitteln,
sind 28 deutsche und 68 ausländische. Die Morgentelegramme bringen nach einem vereinbarten Schema die Barometerstände, Windrichtung
und Stärke, Temperatur und Bewölkung für den Abend des vorhergehenden Tags und zwar für die deutschen
Stationen für 8 Uhr abends
und für die ausländischen meistens für 9, für mehrere für 6 oder 8 und vereinzelt für 7 oder 10 Uhr
abends.
Außerdem sind in den Morgentelegrammen die Werte derselben Größen für 8 Uhr (beiden ausländischen Stationen
zum Teil für 7 Uhr) morgens angegeben, denen noch die relative Feuchtigkeit, die Regenmenge, der vorherrschende Himmelszustand
(Wolkenform) und meistens auch die Temperaturextreme für die letzten 24 Stunden hinzugefügt sind. Von diesen 96 Stationen
senden endlich noch 22 (13 deutsche und 9 ausländische) die Werte der meteorologischen Elemente, die in der
Morgendepesche berücksichtigt waren, auch für 2 Uhr nachmittags ein.
Nach Eintreffen der Telegramme werden diese in eine Tabelle und in eine geographische Karte eingetragen. Nach dieser werden
vier Karten gezeichnet: zwei größere für 8, resp. 7 Uhr morgens des laufenden Tags und zwei kleinere für 2 Uhr nachmittags
und 8 Uhr abends des vorhergehenden Tags. Von den ersten beiden Karten enthält die eine den Luftdruck, dargestellt durch die
von 5 zu 5 mm fortschreitenden Isobaren (Linien gleichen Barometerstandes) für den auf 0° und das Meeresniveau reduzierten
Barometerstand, sowie die Änderung des Luftdrucks in den letzten 24 Stunden durch beigeschriebene Zahlen,
den Wind (Richtung und Stärke) und die Größe der Bewölkung, während in der andern die Temperatur durch die von 5 zu 5° C.
fortschreitenden Isothermen, die Änderung der Temperatur in den letzten 24 Stunden, der Niederschlag und der Seegang angegeben
ist.
Von den beiden kleinern, den Witterungszustand um 2 Uhr nachmittags und 8 Uhr abends des vorhergehenden
Tags darstellenden Karten enthält jede die von 5 zu 5 mm fortschreitenden Isobaren, die Richtung und Stärke des Windes, den Grad
der Bewölkung, die Temperatur, angegeben in ganzen Graden, und die Höhe des Niederschlags. Bei dem Eintragen der Witterungstelegramme
in die Karten wird zunächst jede Station durch einen kleinen Ring bezeichnet. Ein durch die Station gelegter
Pfeil gibt die Richtung des Windes an, so daß der Pfeil mit dem Wind fliegt; die Windstärke wird durch die Befiederung des Pfeils
angegeben, so daß eine Fieder einen schwachen Wind und sechs Fiedern einen Orkan bedeuten (halbe Beauforts
Skala, s. Wind).
Die Bewölkung wird durch Ausfüllung der Ringe gegeben, so daß ein unausgefüllter Ring einen wolkenlosen und ein ausgefüllter
Ring einen völlig bedeckten Himmel bezeichnet, und die Hydrometeore werden durch international vereinbarte Zeichen eingetragen,
wobei Regen durch einen oder mehrere Punkte bezeichnet ist. Dabei bedeutet ein Punkt einen Regenfall in 24 Stunden
von 1-5 mm, zwei Punkte von 6-10 mm, drei Punkte von 11-20 mm und vier Punkte von über 20 mm Höhe.
Diese Eintragung in die Karten und die Abfassung der tabellarischen Übersicht kann schon jeden Tag um 11 Uhr vormittags dem
Druck übergeben werden. Nach Vervollständigung der Karten und mit Benutzung der Nachmittagsdepeschen werden, nachdem ein
Wetterbericht, die allgemeine Übersicht der Witterung über Zentraleuropa für 8 (7) Uhr morgens des betreffenden Tags, zusammengestellt
ist, die Aussichten für die Witterung des nächstfolgenden Tags hinzugefügt. Aus den allgemeinen Übersichten der Witterung
und den Wetterkarten, welche beide verschiedenen Zeitungen telegraphisch mitgeteilt werden, werden an verschiedenen
Orten mit Benutzung von lokal angestellten Beobachtungen sogen. Lokalprognosen gestellt und ebenso wie die Wetterkarten selbst
und die von der Seewarte
mehr
aufgestellten Übersichten der Witterung durch eine Reihe der am meisten verbreiteten Zeitungen zur Kenntnis des Publikums gebracht.
Um das hier über die Anfertigung und Einrichtung der Wetterkarten Gesagte näher zur Anschauung zu bringen, geben wir S. 570 zwei
Kärtchen, welche nach den betreffenden Wetterkarten der deutschen Seewarte vom 9. und angefertigt
sind und welche überdies die Fortbewegung des das Sturmzentrum bildenden barometrischen Minimums und die Drehung des Windes
um dasselbe deutlich zeigen, wonach, dem Buys-Ballotschen Gesetz (s. Wind) entsprechend, das barometrische Minimum (auf den Kärtchen
mit »TIEF« bezeichnet) im O. von sich eine südliche (warme und meist
regenreiche), im Westen eine nördliche (kalte und meist trockne) Luftströmung, im N. östliche und im S. westliche Winde
hat. Auf den beiden Kärtchen sind die folgenden Orte als Beobachtungsstationen verzeichnet:
Als Beispiele für die in den Wetterberichten der deutschen Seewarte enthaltenen »Allgemeinen Übersichten der Witterung« des
betreffenden Tags 8 Uhr morgens und die darauf begründeten »Aussichten für die Witterung des folgenden Tags« können nachstehende
Angaben der deutschen Seewarte dienen, welche zugleich die in den beiden Kärtchen enthaltenen Angaben über Verteilung des
Luftdrucks und Veränderung der Winde für die Tage vom 9. und näher erläutern:
Allgemeine Übersicht der Witterung 8. Dez., 8 (7) Uhr morgens: Ein neues Minimum ist westlich von Irland erschienen, wo das Barometer
stark gefallen ist. Barometrische Maxima lagern über der Alpengegend und dem Innern Rußlands. Bei meist schwacher südlicher
bis westlicher Luftströmung ist das Wetter über Zentraleuropa veränderlich und fast überall
kälter. In Deutschland ist allenthalben Regen oder Schnee gefallen. Auf dem Streifen München-Regenwaldermünde herrscht leichter
Frost.
Aussichten für die Witterung des 9. Dez. in Nordwestdeutschland: trübes Wetter mit auffrischenden südwestlichen Winden, steigender
Temperatur und Niederschlägen. Ostdeutschland: wie Nordwestdeutschland. Süddeutschland: trübes, etwas wärmeres Wetter mit
mäßigen bis frischen westlichen Winden und Niederschlägen.
Allgemeine Übersicht der Witterung 9. Dez., 8 (7) Uhr morgens: Ein tiefes Minimum von etwa 730 mm liegt über der östlichen Nordsee,
über Deutschland starke, stellenweise stürmische südliche bis westliche Luftbewegung bedingend. Über Zentraleuropa ist
das Wetter warm, trübe und regnerisch. Über Westdeutschland ist erhebliche Erwärmung eingetreten, die
sich rasch weiter ostwärts ausbreiten dürfte. In Deutschland ist fast überall Niederschlag gefallen, am meisten, 19 mm, in
Wiesbaden. (Stimmt mit der Prognose vom 8. Dez. überein.) Um 9½ Uhr die Ostseeküste gewarnt.
Aussichten für die Witterung des 10. Dez. in Nordwestdeutschland: etwas kälteres Wetter mit veränderlicher Bewölkung und frischen
bis starken westlichen
Winden ohne erhebliche Niederschläge. Ostdeutschland: meist wärmeres und trübes Wetter mit vielfach stürmischen
westlichen Winden und Niederschlägen. Süddeutschland: warmes und trübes Wetter mit frischen westlichen Winden und Niederschlägen.
Allgemeine Übersicht der Witterung 10. Dez., 8 (7) Uhr morgens: Das barometrische Minimum, welches gestern über der östlichen
Nordsee lag, ist ostwärts nach der mittlern Ostsee fortgeschritten und verursacht an der deutschen Küste
stürmische westliche u. nordwestliche Winde, während über Großbritannien wieder ruhige, ziemlich heitere Witterung eingetreten
ist. Über Zentraleuropa ist das Wetter vorwiegend trübe, im Westen kälter, im O. wärmer. In Altkirch und München sind 22, in
Friedrichshafen 27 mm Regen gefallen. (Stimmt mit der Prognose vom 9. Dez. überein.)
Zur Aufstellung von Wetterprognosen ist es, wie schon oben gesagt ist, nicht nur erforderlich, den augenblicklichen Witterungszustand
zu studieren, wie er über einem größern Gebiet vorhanden ist, sondern auch zu bestimmen, in welcher Richtung eine Bewegung
der barometrischen Minima wahrscheinlich ist. Um dieses zu erreichen, sind die barometrischen Minima, sowohl
diejenigen, welche über den Atlantischen Ozean, als auch diejenigen, welche über die denselben begrenzenden Kontinente hinziehen,
in Bezug auf Häufigkeit, Richtung und Geschwindigkeit ihres Fortschreitens ihre Stärke etc. einer eingehenden Untersuchung
unterworfen.
Zunächst können die barometrischen Minima des Atlantischen Ozeans nach fünf Klassen unterschieden werden,
von denen in jeder die einzelnen Minima nicht nur in denselben Gegenden sich bilden, sondern auch meistens dieselben Zugstraßen
verfolgen. Für Europa hat sich ergeben, daß die Minima besonders oft in der unmittelbaren Umgebung der britischen Inseln,
über der Nordsee, an der norwegischen Küste, über dem südlichen Ostseegebiet und in der Umgebung von
Italien liegen.
Die meisten Minima fallen auf Südschweden, die wenigsten auf einen breiten Streifen, der sich von der westfranzösischen Küste
nach O. über Deutschland und Österreich nach dem Innern Rußlands hin erstreckt. Sehr verschieden ist die Häufigkeit des
Auftretens der Minima für die einzelnen Gebiete in den verschiedenen Jahreszeiten. In Schottland, im ganzen
Nordseegebiet und in Südskandinavien sind die Minima im Frühjahr am seltensten, dagegen südlich vom 50. Breitengrad am
häufigsten, während es sich im Sommer gerade umgekehrt verhält.
Die Zentren derjenigen Minima, welche von besonderer Bedeutung sind, weil sie stürmische Winde verursachen,
liegen am häufigsten über Nordeuropa, besonders oft über Südschweden, und die Häufigkeit ihres Auftretens ist auch wieder
nach den verschiedenen Jahreszeiten verschieden. Im Sommer nimmt die Häufigkeit in ganz Europa ab, während ein Maximum der
Häufigkeit im Winter im hohen Norden von Europa, auf den britischen Inseln und in Norddeutschland, im Frühjahr
in der Umgebung von Italien und im Herbst zwischen den Färöern und Norwegen, in Finnland, Südschweden und den russischen Ostseeprovinzen
auftritt.
Aus der verschiedenen Verteilung der barometrischen Minima der Zeit und dem Ort nach folgt für uns in Deutschland, daß oft
Wochen vergehen können, ohne daß sich ein barometrisches Minimum zeigt oder doch in zu großer Entfernung
auftritt, als daß es für die Witterung bei uns von Einfluß sein könnte, und daß ebenso auch Zeiten eintreten können,
in welchen kaum ein Tag vergeht, an welchem nicht ein oder mehrere barometrische Minima die Witterung von Mitteleuropa
beeinflussen. Im ersten Fall ist die Witterung, besonders wenn hoher Barometerstand über einem größern Gebiet lagert, beständig,
der Himmel meist klar und die Luftbewegung schwach, während im zweiten Fall unbeständiges, oft regnerisches, von heftigen
bis stürmischen Winden begleitetes Wetter einzutreten pflegt.
Für die Richtung, welche die barometrischen
mehr
Mi-9. Dezember 1887 (nebst Vorabend): Richtung u. Stärke des Windes.
Isobaren, für Morgens 8 h. - Isobaren, für den vorhergehenden, Abend.
(nebst Vorabend): Richtung u.
Stärke des Windes.
Isobaren, für Morgens 8 h. - Isobaren, für den vorhergehenden, Abend.
Karte: Wetterkarten vom 9. und (Deutsche Seewarte).
mehr
nima bei ihrer Fortbewegung einschlagen, ist zu bemerken, daß gewisse Zugstraßen besonders oft auftreten und danach die
Minima über dem Festland von Europa ebenso wie die über dem Atlantischen Ozean in verschiedene Gruppen geteilt werden können.
Die Depressionen der ersten Gruppe treten an der Nordwestküste Irlands auf, gehen dann nordostwärts längs
der norwegischen Küste über den Polarkreis, wo sich ihr Weg nach drei Richtungen teilt, von denen die eine nach dem Eismeer,
die zweite, häufiger frequentierte zum Weißen Meer und die dritte südostwärts nach dem Innern Rußlands führt.
Diese Depressionen, mit welchen sich im hohen Norden oft noch die von Island kommenden Minima vereinigen,
treten im Frühjahr selten, in allen andern Jahreszeiten dagegen sehr oft auf und bringen uns mit südwestlichen und westlichen
Winden ozeanische Luft und häufige Niederschläge und mildern die Hitze des Sommers und die Kälte des Winters. Schlagen sie auf
dem letzten Teil ihres Wegs die Richtung nach dem Innern Rußlands ein, so haben sie für unsre Gegenden
meistens nordwestliche Winde im Gefolge, welche die Temperatur oft stark erniedrigen.
Eine zweite Gruppe der barometrischen Minima, welche aus der Umgebung der britischen Inseln kommt und über das Nordseegebiet,
Südskandinavien, die südliche und mittlere Ostsee nach den russischen Ostseeprovinzen und Finnland zieht,
tritt in allen Jahreszeiten auf und verursacht bei uns oft Witterungsumschlag und trübes Wetter sowie im Winter Erwärmung, im
Sommer Abkühlung, im Frühjahr und Herbst oft Nachtfrost. Eine dritte Gruppe, die besonders häufig im Frühjahr, auch im Winter
und im Herbst nicht selten auftritt, dagegen im Sommer fast ganz fehlt, wird von den Depressionen gebildet,
welche aus den südwestlich der britischen Inseln gelegenen Gegenden nach SO. über Frankreich nach dem Mittelmeerbecken ziehen,
sich hier mit den aus dem westlichen Teil des Mittelmeers kommenden Depressionen vereinigen und dann teils ostwärts nach dem
Schwarzen Meer, teils, besonders häufig im Frühjahr, nordost- oder nordwärts nach dem Finnischen Meerbusen
verlaufen.
Diese Depressionen haben, solange sie sich auf der südöstlich durch Frankreich gehenden Straße bewegen, für Nord- und Mitteldeutschland
meistens heiteres und trocknes Wetter mit östlichen Winden im Gefolge und bedingen im Winter strenge Kälte, im Sommer hohe Temperatur
und Dürre, im Frühling und Herbst Nachtfröste. Auf dem Teil ihrer Bahn, welcher vom Adriatischen Meer nordwärts
führt, verursachen sie für Deutschland Niederschläge und im Winter Schneestürme.
Bei der Fortbewegung der Depressionen gilt im allgemeinen das Gesetz, daß sie nahezu senkrecht gegen die Linie erfolgt, welche
von dem Orte des niedrigsten Barometerstandes als Normale auf die am dichtesten zusammengedrängten Isobaren
gezogen wird, was man auch in der Weise aussprechen kann, daß die Fortpflanzungsrichtung im Durchschnitt mit der Richtung der
stärksten Winde in der Umgebung der Depressionen zusammenfällt, oder, wie es bereits Klem. Ley ausgesprochen hat, daß sich
jede Depression mit der größten Leichtigkeit in der Richtung fortbewegt, in welcher sie den höchsten
Luftdruck auf der rechten (auf der südlichen Halbkugel auf der linken) Seite ihrer Bahn hat.
Die Geschwindigkeit, mit welcher sich die barometrischen Minima fortbewegen, ist außerordentlich großen Schwankungen unterworfen.
Ost sind sie beinahe stationär, oft schreiten sie mit Sturmeseile weiter, und wenn auch
die einzelnen
Jahresmittel der Fortpflanzungsgeschwindigkeiten ziemlich konstant sind (für Westeuropa 27 km pro Stunde oder 7,4 m pro Sekunde),
so zeigen doch die Monatsmittel sowie die Mittel für die einzelnen Jahreszeiten bedeutende Schwankungen.
Die Geschwindigkeit, mit welcher sich die barometrischen Minima fortbewegen, wächst meistenteils mit zunehmender Tiefe des
Minimums, während sie mit abnehmender Tiefe kleiner wird, so daß die Ursachen, welche die weitere Entwickelung der Minima bedingen,
auch gleichzeitig eine Beschleunigung in ihrer Fortpflanzung hervorrufen. Daher kommt es auch, daß intensive und rasch sich
entwickelnde Depressionen am schnellsten fortschreiten und die Westküsten von Europa oft von Stürmen überrascht
werden, ohne daß dafür besondere Anzeichen vorausgegangen wären.
Daher ist auch die Wetterprognose für Europa besonders schwierig, wenigstens schwieriger als für Amerika. Weil nämlich jede
Witterungsänderung sich zuerst in westlich gelegenen Gegenden, namentlich durch Schwankungen im Barometerstand, kenntlich
macht, so wird eine telegraphische Mitteilung der ersten Anzeichen dafür für Europa durch den Atlantischen
Ozean unmöglich gemacht, während die am meisten bewohnten und am meisten kultivierten Gegenden von Nordamerika auf der Ostseite
dieses Kontinents liegen und daher das Entstehen eines barometrischen Minimums, seine Tiefe, die Geschwindigkeit seines Fortschreitend
etc. schon aus weiter Entfernung und lange vor seiner Ankunft den betreffenden Zentralstellen mitgeteilt
werden können.
Die Gleichartigkeit der Witterung ist selten auf kleine Gebiete beschränkt, sondern ist, abgesehen von lokal auftretenden
Einflüssen, z. B. Gewittern, über größere Strecken der Erdoberfläche verbreitet. Dabei findet sich die Gleichartigkeit
des Wetters häufiger in der Richtung von N. nach S. als in der von Westen nach O., wie denn auch schon
Dove darauf aufmerksam gemacht hat, daß der Charakter der Witterung in Europa oft im Gegensatz zu dem in Nordamerika oder Sibirien
steht. Ungewöhnlich große Abweichungen im Witterungscharakter von den Durchschnittsverhältnissen halten zuweilen, wenn
auch nicht häufig, längere Zeit an. Im J. 1816 war z. B. die Temperatur in Westeuropa vom Juni bis zum
Dezember zu niedrig, während in Osteuropa warme Witterung herrschte.
Sturmwarnungen.
Einen sehr wichtigen, namentlich für die Schifffahrt bedeutungsvollen Teil der Witterungsprognose bilden die sogen.
Sturmwarnungen. Aus dem Auftreten eines barometrischen Minimums, seiner Tiefe, der Richtung und Geschwindigkeit seines Fortschreitens
sowie der gleichzeitig vor und bei dem Herannahen eines Sturms über ein größeres Ländergebiet herrschenden
Witterungsverhältnisse, welche auf telegraphischem Weg einer Zentralstelle mitgeteilt werden, wird von dieser bestimmt,
ob bei dem weitern Fortschreiten des barometrischen Minimums ein Sturm wahrscheinlich ist, welche Gegenden von ihm voraussichtlich
werden getroffen werden, und ob daher die Schiffe vor dem Auslaufen aus einem Hafen zu warnen sind oder
nicht. Um eine derartige Warnung zur allgemeinen Kenntnis bringen zu können, sind an verschiedenen Küsten Deutschlands, Englands,
Hollands, Belgiens, Frankreichs und Nordamerikas sogen. Signalstellen errichtet, an denen zu Nutz und Frommen der Fischer- und
Küstenbevölkerung sowie der zahlreichen Schiffe in den Häfen und in der Nähe derselben bestimmte Signale
mehr
[* ]
Figur 1: Sturmsignale der deutschen Seewarte.
(Sturmsignale) gegeben werden, welche die Richtung und wahrscheinliche Stärke eines herannahenden Sturms im voraus angeben.
Diese Signalstellen erhalten ihre Anweisung, die Sturmsignale zu zeigen, nach einem ihnen von der meteorologischen Zentralstelle
des betreffenden Landes übermittelten Sturmwarnungstelegramm. Die Sturmsignale bestehen nach dem jetzt allgemein eingeführten
Fitz-Royschen System (1863) aus einem Kegel und einem Cylinder aus Kanevas, welche von weitem, von allen Seiten aus gesehen, als
Dreieck und Rechteck erscheinen und an der horizontalen Raa eines Signalmastes
[* ]
(Fig. 2) aufgeheißt werden, so daß sie weithin
sichtbar sind.
Bei Nacht werden (wenigstens an unsern deutschen Küsten) ähnlich geformte Laternen als Sturmsignale gezeigt.
Die Sturmsignale werden nun in der Weise vermittelt, daß die aus nördlichen Gegenden zu erwartenden Stürme von der Stärke
8-10 (s. Wind) durch Dreiecke (Kegel) mit der Spitze nach oben, Stürme aus südlichen Richtungen ebenfalls durch Dreiecke, aber
mit der Spitze nach unten angezeigt werden; hierbei führen die westlichen Winde, also NW. und SW., nur ein
Dreieck, die östlichen, also NO. u. SO., zwei Dreiecke.
Ist nun aber ein schwerer Sturm oder Orkan von der Stärke 10-12 (s. Wind) zu erwarten, so werden für die vier oben genannten
Windrichtungen (NW., NO., SO., SW.) die entsprechenden einfachen Sturmsignale noch durch Hinzufügung eines
Vierecks (Cylinders) erweitert, und zwar wird bei nördlichen Stürmen (NW. und NO.) das Viereck unter, bei südlichen Stürmen
über dem Dreieck gezeigt
[* ]
(Fig. 1). Außerdem wird durch das Aufziehen einer Flagge angezeigt, daß der Wind rechtdrehend (N.,
O., S., Wetter), und durch das Aufziehen zweier Flaggen, daß er zurückdrehend (N., Wetter, S., O.) ist. An manchen
untergeordneten Signalstellen wird einfach ein Ball (Kugel) an einer Stange aufgeheißt zum Zeichen, daß eine Störung in der
Atmosphäre zu erwarten ist. Die die Sturmwarnungen anzeigenden Telegramme werden zur Einsicht eines jeden sich dafür Interessierenden
mit Angabe der Gründe, welche die angezeigte Warnung veranlaßten, in besondern hölzernen
Wetterkästen
an dem Signalmast
[* ]
(Fig. 2) oder an einem andern geeigneten Ort angebracht. Da die ersten Anzeichen der Stürme, welche über
Europa hereinbrechen, zum größten Teil auf dem Atlantischen Ozean auftreten, so wäre es von der größten Wichtigkeit, eine
westlich von Europa gelegene meteorologische Station zu errichten, von welcher dieselben den verschiedenen
Zentralstellen telegraphisch mitgeteilt werden könnten. Als solche hat Buys-Ballot die Azorischen Inseln vorgeschlagen, und
es wäre erwünscht, daß dieser Vorschlag zur Ausführung gebracht würde.
Das Verdienst, zuerst in Europa den elektrischen Telegraphen zur Übertragung von Witterungsdepeschen und
Sturmwarnungen benutzt zu haben, gebührt Leverrier. Die Möglichkeit, daß ein solches Sturmwarnungssystem überaus nützlich
sein könne, hatte der sogen. Balaklawasturm vom im Schwarzen Meer gezeigt, welcher die Flotten der vereinigten Mächte
in dem damaligen Kriege gegen Rußland arg beschädigt hatte. Ein Blick auf die nähern Umstände des Sturms
hatte gezeigt, daß es sehr wohl möglich gewesen wäre, die zuletzt von den Stürmen Betroffenen von seinem Herannahen zu
benachrichtigen und zu warnen.
Seit dieser ersten Anregung durch Leverrier 1856, welche zunächst keine dauernde Einrichtung zur Folge hatte, haben die telegraphischen
Wetternachrichten sowie die Sturmwarnungen erst später eine weite Verbreitung gefunden, nachdem die Vereinigten Staaten
von Nordamerika ein ausgedehntes Netz von meteorologischen Stationen behufs Aufstellung von Probabilities oder Wetterprognosen
organisiert und deren Bedienung unter Leitung eines Generals der aktiven Armee (Chief Signal Officer) dem Korps des Signal-Service
(Telegraphistenkorps der Armee) übertragen hatte. Die auf den Beobachtungen um 11 Uhr abends basierenden
Wetterprognosen werden in den Morgenblättern veröffentlicht, und die Regelmäßigkeit, mit welcher sie ausgegeben werden,
und die Schnelligkeit ihrer Verbreitung haben dem Signal-Service mit Recht allgemeine Popularität verschafft. Dem Beispiel Nordamerikas
folgend, haben fast alle
mehr
Kulturstaaten Europas ähnliche Einrichtungen getroffen und Zentralstationen errichtet, durch welche Sturmwarnungen und Wetterprognosen
im allgemeinen aufgestellt werden. Für die bessere Erkenntnis der allgemeinen Bewegungen der Atmosphäre und ihrer Gesetze ist
von seiten und auf Kosten des oben erwähnten »Signal Office« zu Washington ein weiterer Schritt gethan worden, indem dasselbe
seit 1874 von ca. 400 Stationen, welche über die ganze nördliche Halbkugel der Erde verteilt sind, die
um 7 Uhr 35 Minuten mittlerer Washingtoner Zeit gleichzeitig angestellten Beobachtungen in einem »Internationalen Bülletin« zusammenstellt.
Schließlich ist noch zu erwähnen, daß in neuerer Zeit die Witterungsverhältnisse mit den Zeiten der Maxima und Minima
der Sonnenflecke in Zusammenhang gebracht sind. Nach Meldrum entspricht die Periodizität der Cyklonen im südlichen Teil des
Indischen Ozeans derjenigen der Sonnenflecke in der Art, daß die Maxima und Minima beider Erscheinungen zusammenfallen. Ähnliche
Resultate hat Poey für die Hurrikane Westindiens ausgestellt, jedoch mit der Abweichung, daß die Maxima der
Orkane sich um ca. 1½ Jahre gegen die Fleckenmaxima verspäten und die Minima der Orkane ca. ½ Jahr früher als die Fleckenminima
eintreten. Ebenso hat Hunter den Zusammenhang der Maxima und Minima der Sonnenflecke und der Regenmengen in der Art angegeben,
daß die Jahre mit spärlichem Regenfall mit dem Minimum der Sonnenflecke und die mit reichlichem Regenfall
mit dem Maximum der Sonnenflecke zusammenfallen.
[* ] kleiner Fluß in der hess. Provinz Oberhessen, entspringt im westlichen Teil des Vogelsbergs unweit
Laubach, durchfließt in anfangs südwestlicher, dann südlicher Richtung die danach benannte Wetterau (s. d.) und mündet bei
Assenheim rechts in die Nidda.
[* ] 1) Stadt im preuß. Regierungsbezirk Kassel, Kreis Marburg, an der Wettschaft, 222 m ü. M., hat eine schöne
gotische Kirche, ein evangelisches Fräuleinstift, ein Amtsgericht, eine Oberförsterei, Papierfabrikation und (1885) 1167 fast
nur evang. Einwohner. Wetter, einst Hauptort einer Grafschaft, kam im 13. Jahrh. an Kurmainz. -
2) an der Ruhr) Dorf im preuß. Regierungsbezirk Arnsberg, Landkreis Hagen, an der Ruhr und der Linie Hagen-Witten der preußischen
Staatsbahn, 90 m ü. M., hat eine evang. Kirche, Hütten und Walzwerke, Maschinenbau, Kleineisenindustrie
und (1885) 4676 Einw.
wellenförmiger, reichbewässerter, höchst fruchtbarer Landstrich, welcher sich zwischen dem Vogelsberg
und dem Taunus, dem Main und der Lahn ausbreitet, größernteils zur großherzoglich hessischen Provinz Oberhessen, kleinernteils
zu den preußischen Regierungsbezirken Wiesbaden und Kassel gehört und ungefähr 800 qkm (15 QM.) mit mehr als 90,000 Einw.
umfaßt. Er wird von der Wetter (die ihm den Namen gibt), der Use, Horloff, Nidda und den Main bewässert, ist zum Teil mit Bergen
umgeben, erzeugt wenig Holz, aber viel Obst und Getreide, selbst zu reichlicher Ausfuhr, und wird von der Bahnlinie Frankfurt-Kassel
durchschnitten.
Die Wetterau umfaßt das Gebiet des alten Gaues Wettereiba, hatte bis 1174 Gaugrafen, zuletzt aus der Familie
der Grafen von Nüringen, seit der Mitte des 13. Jahrh. Landvögte, denen die
Aufsicht über die im Gau zerstreut liegenden Reichsbesitzungen
oblag. Seit 1381 befanden sich die Grafen von Nassau im Besitz der Landvogtei. Bei dem deutschen Reichstag hieß
eins der vier Kollegien, in welche die Reichsgrafen und Herren geteilt waren, das wetterauische Grafenkollegium, zu welchem
die Fürsten und Grafen von Isenburg, Solms, Stolberg u. a. gehörten. Die vier wetterauischen Reichsstädte waren: Frankfurt, Wetzlar,
Friedberg und Gelnhausen, von denen die beiden ersten aber nicht auf dem ursprünglichen Gebiet der Wetterau lagen.
Vgl. Thudichum, Rechtsgeschichte der Wetterau (Tübing. 1867, Bd. 1).
Karl Anton, schwed. Dichter, geb. zu Jönköping, studierte in Lund die Rechte, später Medizin,
wurde 1834 Arzt u. hielt sich 1849-50 mit seinem Regiment in Schleswig auf. 1867 wurde er Feldarzt und nahm 1872 seinen
Abschied. Er starb in Stockholm. Unter dem Pseudonym Onkel Adam machte sich Wetterbergh als Feuilletonist und Romanschriftsteller
einen beliebten Namen; später trat er auch mit Gedichten im Ton des Volksliedes auf und gab 1862-71 eine Jugendzeitschrift,
»Linnea« heraus.
Seine (meist auch ins Deutsche übersetzten) Romane und Novellen. »Genremålningar« (1842),
»De fyra signaturerna«
(1843),
»Guvernanten« (1843),
»Ett namn« (1845),
»Pastorsadjunkten« (1845),
»Paralleller« (1846),
»Penningar och arbete«
(1847),
»Träskeden« (1850),
»Tre skråköpingsskizzer« (1853),
»Sam hallets kärna« (1858) u. a. zeichnen sich namentlich
durch eine tiefe Innigkeit und sittliche Reinheit aus, haben fast immer etwas Tendenziöses, schützen
sich aber durch einen frischen satirischen Hauch vor dem Langweiligen und Ermüdenden des gewöhnlichen Tendenzromans. Ein
Band lyrischer Dichtungen erschien anonym unter dem Titel: »Blad ur Katarina Måndotters minnebök« (1860). Seine »Samladeskrifter« umfassen 10 Bände (Örebro 1869-74).
(Weteren), Marktflecken in der belg. Provinz Ostflandern, Arrondissement Dendermonde, an der
Schelde und der Eisenbahn Gent-Brüssel, hat eine königliche Pulvermühle, Fabrikation von Leinen- und Wollzeugen, Spitzen und
Öl, Musterwerkstätten für Weberei, Bierbrauerei, Handel mit Flachs und Leinwand, Getreide etc. und (1888) 11,438 Einw.
auch ein angeblich von Barth in Nürnberg herrührendes Instrument
(Paroskop) zur Vorherbestimmung des Wetters, welches auf völlig unsinnigen Voraussetzungen beruht. Es besteht aus einem länglichen
verkorkten oder mit durchstochenem Leder verschlossenen Glas, welches eine Lösung von Salpeter, Salmiak und Kampfer in Weingeist
enthält, und soll vor einem schattigen, vor Wind geschützten Fenster hängen.
Aus den Kristalisationserscheinungen,
welche die Lösung darbietet, soll das kommende Wetter erkannt werden.
Alpengipfel im schweizer. Kanton Bern,
steigt mit hoher, fast senkrechter Felswand
aus dem Grindelwald auf und erhebt sich zu 3708 m. Sein nördlicher Gipfel, die Hasli-Jungfrau, wurde zuerst 1860 erstiegen,
nachdem schon zwei hinter ihm liegende Hochgipfelpunkte, das Mittelhorn und das