»La
Bible enfin expliquée« (1776) etc. Im
Februar 1778 besuchte der Vierundachtzigjährige noch einmal
Paris,
[* 2] wo er mit
Ehrenbezeigungen
überhäuft wurde, aber, vielleicht infolge der dadurch veranlaßten Aufregung, in eine
Krankheit verfiel
und starb.
Die
Geistlichkeit in
Paris verweigerte ihm ein kirchliches
Begräbnis, und der
Abbé Mignot, der ihn in der
Abtei von Scellières beigesetzt hatte, ward sogar bestraft. 1791 wurden seine Gebeine auf Volksbeschluß im
Panthéon beigesetzt.
Die 100jährige Wiederkehr seines Todestags wurde 1878 inParis mit
Pomp und in zahlreichen Festschriften
gefeiert.
war
Philosoph im französischen
Sinn, Geschichtschreiber, dramatischer und Romandichter. Seine sogen. philosophischen
Schriften bestreiten wirkliche oder vermeinte
Irrtümer oder
Vorurteile oft mit kaustischer, unwiderstehlicher
Schärfe, oft
mit witzelnder Unkunde, oder sie tragen bald mit ermüdender
Breite,
[* 3] bald mit absprechender
Kürze den
Locke-CondillacschenSensualismus und
Eudämonismus mit stetem
Kampf gegen das
Christentum vor. Seine historischen
Darstellungen
ermangeln, bei trefflicher
Anordnung des
Stoffs und höchst geistreicher und ansprechender
Darstellung, doch der
Wahrheit und
Genauigkeit. Er war bei der wundersamsten
Fülle von Kenntnissen ungründlich und oberflächlich, und wo nicht seine Unkunde
zu Irrtümern führte, da thaten es seine lebhafte
Phantasie und sein
Haß gegen
Christentum und
Kirche.
Ein Meisterstück romanhafter Geschichtschreibung ist die
»Histoire de
Charles XII«; auch der »Essai sur l'histoire générale
et sur les mœurs et l'esprit des nations depuis
Charlemagne« ist reich an glänzenden
Aperçus. Wertvoll besonders durch Reichhaltigkeit
desStoffs und anziehende
Darstellung ist auch der
»Précis du siècle de
Louis XV« (1768). Als Dichter exzellierte
Voltaire vor allem im
Epigramm; sonst hat er weder in der
Lyrik (am allerwenigsten in der
Ode) noch in der
EpikGroßes geleistet.
SeinEpos »La
Henriade« ist eine in wohllautenden
Alexandrinern und mit glänzenden
Deklamationen und
Sentenzen
reich ausgestattete, kalte historische
Darstellung, die alles epischen
Geistes ermangelt, und »La
Pucelle« ist ein in sittlicher
Beziehung höchst verwerfliches, wenn auch in poetischer Hinsicht jenes weit überstrahlendes Gedicht. Dagegen sind seine
kleinen, meist satirisch gehaltenen
Romane und
Erzählungen (»Zadig«, »Micromégas«,
»Candide«, »Jeannot et Colin«,
»L'ingénu«, »La
princesse de
Babylone« etc.) ausgezeichnete Leistungen, eine wunderbare Mischung von
Ernst und
Scherz, bezaubernder Leichtigkeit
und Anschaulichkeit der
Darstellung.
Trotz des großen Fleißes, den Voltaire auf seine
Tragödien verwandte, und trotz seiner wunderbaren Produktivität hat er doch
seine großen klassischen
Muster,
Corneille und
Racine, nicht erreicht. Mehrmals versuchte er es auf
Grund
seiner
Begeisterung für
Shakespeare, dem französischen
Drama mehr
Bewegung und
Freiheit zu geben; immer aber scheiterte
er an
dem
Widerstand des
Publikums, dessen Beifall
er nicht entbehren konnte. Auch seine
Stücke leiden unter dem
Zwang der klassischen
Regeln; auch bei ihm ersetzt Schilderung die
Handlung, glänzendeRhetorik die Charakterzeichnung; am schwächsten
aber ist sein
Stil. Im
Lustspiel, für welches sich seine so mächtige
Individualität nicht eignete, hat er seinen größten
Erfolg mit dem
»Enfant prodigue« davongetragen. - »Den großen
Widerspruch seines
Lebens zwischen seinem bedeutenden
Talent und
seinem ursprünglich kleinen und selbstsüchtigen
Naturell hat Voltaire nie gelöst.
Geist und
Bildung lassen
ihn für die hohen und idealen
Zwecke der Menschheit kämpfen; aber sein persönlicher
Charakter zeigt die niedrigsten und
kleinlichsten
Schwächen, welche die menschliche
Natur entstellen. Er ist eitel, gewinnsüchtig und unwahr. Seine
Angriffe gegen
die römische
Kirche, ja gegen das
Christentum sind leidenschaftlich, gehässig und frech und treten um
so greller hervor bei der Leichtigkeit, mit der er sich um seines Vorteils willen an den kirchlichen
Handlungen beteiligte.
Seine Streitschriften sind fast immer
Pasquille, sein
Kampf gegen andre Schriftsteller meist persönliche
Rache; er erlaubt
sich
Mittel, welche nur die
Wirkung im
Auge
[* 4] haben und es mit der
Wahrheit niemals genau nehmen. Überall,
wo es ihm ersprießlich dünkt, verleugnet er frech seine
Bücher, statt ehrlich und mannhaft für sie einzustehen. In seiner
Beurteilung
Voltaires begnügt sich
Strauß
[* 5] (s. unten) nicht mit der
Lösung, wie sie
Friedrich d. Gr. versucht: das
Talent von
dem
Charakter zu trennen, allesLicht
[* 6] auf das erstere, allen
Schatten
[* 7] auf den letztern fallen zu lassen;
zu bedauern, daß ein so großer
Geist ein so kleiner
Mensch gewesen sei. Er versucht die
Lösung in der
Weise, daß er in den
geschichtlichen Zusammenhang hineinstellt,
dem er angehört. In diesem
Sinn erscheinen seine Fehler teils als
natürliche
Wirkungen seiner Zeit und ihrer Verbildung, teils sogar als
Mittel zu ihrer Umbildung. Nicht sind sie etwa darum
keine persönlichen Fehler gewesen. Auch hat Voltaire unter ihnen am meisten gelitten. Er lebte selten im Vollgefühl
seiner
Kraft,
[* 8] seines Wirkens, seines
Wertes; die meiste Zeit seines
Lebens war er in der
Pein um untergeordnete,
oft ganz unwürdige
Zwecke befangen. Er ist nur so weit glücklich gewesen, als er gut gewesen ist.« (Pfundheller.) Von den
zahlreichen
Ausgaben seiner Werke, von denen einen beträchtlichen Teil seine ausgedehnte und interessante, bis ins höchste
Alter fortgeführte
Korrespondenz ausmacht, erwähnen wir nur die vonBeaumarchais,
Condorcet und Decroix
(Kehl 1785 bis 1789, 70 Bde.), die vortreffliche von Beuchot,
dem Bibliographen
Voltaires (das. 1829-41, 72 Bde.),
ferner die von
Furne (1835-38, 13 Bde.),
Barré (1856-59, 20 Bde.),
Hachette (1859-62, 40 Bde.),
Didot (1859, 13 Bde.),
Garnier
(1878-85, 52 Bde.). Die deutschen Übersetzungen von
Mylius u. a. (Berl. 1783-91, 29 Bde.),
Gleich,
Hell u. a. (Leipz. 1825-30, 30 Bde.)
sind unvollständig und nicht besonders gelungen; eine Auswahl in 5
Bänden besorgte
Ellissen (das. 1854). Briefwechsel: »Voltaire et
le président de
Brosses« (hrsg. v. Foisset, 2. Aufl.
1858);
»Lettres inédites« (hrsg. von Carayol, 2. Aufl.
1857);
à
Ferney« (Briefwechsel mit der Herzogin von Gotha,
[* 9] hrsg. von
Bavoux, 2. Aufl. 1865);
»Lettres inédites sur la tolérance« (hrsg. von
Coquerel, 1863).
Vgl.
Bungener, Voltaire et son temps (2. Aufl., Par. 1851, 2 Bde.);
Maynard, Voltaire, sa vie et ses œuvres (das. 1867, 2 Bde.);
Letzteres entweicht durch ein durch den Kork gestecktes gebogenes Gasentwickelungsrohr und wird in einer graduierten Glasröhre
über Wasser aufgefangen. Als Einheit der Stromstärke nahm Jacobi diejenige eines Stroms an, welcher in
einer Minute 1 ccmKnallgas von 0° und 760 mmDruck entwickelt. Die jetzt gebräuchliche, Ampère genannte Einheit der Stromstärke
entwickelt in einer Minute 10,44 ccmKnallgas. Statt durch Wasser kann man den zu messenden Strom auch durch eine Lösung von salpetersaurem
Silber (Silbervoltameter) oder schwefelsaurem Kupfer
[* 19] (Kupfervoltameter) leiten und die Menge des am negativen
Pol abgeschiedenen Metalls durch Wägung bestimmen. Ein Strom von der Stärke eines Ampère scheidet in einer Minute 67,09 mgSilber
und 19,68 mgKupfer ab. Das Silber- und das Kupfervoltameter liefern genauere Ergebnisse als das zuerst beschriebene Knallgasvoltameter.
(franz.), in der Reitkunst die kreisrunde Wendung, die man mit dem Pferd
[* 21] nimmt, um dasselbe biegsam und gewandt
zu machen; bei den gewöhnlichen Volten beschreiben Vorder- und Hinterfüße nur einen Hufschlag, bei
der Traversvolte beschreibt das Vorderteil den Kreis
[* 22] um die Hinterfüße, umgekehrt bei der Renversvolte. Halbe Volte ist die
Kehrtwendung. Über in der Fechtkunst
[* 23] s. d. (S. 89); im Kartenspiel eine taschenspielerische Wendung mit dem Finger, wodurch
beim Mischen
ein Kartenblatt unbemerkt und schnell an einen bestimmten Platz zu liegen kommt ( Volte schlagen«).
Kreishauptstadt in der ital. ProvinzPisa,
[* 24] 490 m ü. M. auf einem Hügel zwischen den FlüssenCecina und Era
gelegen, ist durch seine etruskischen Baureste bemerkenswert, darunter die alten Stadtmauern und die Porta dell' Arco (s. Tafel
»Baukunst
[* 25] V«,
[* 26] Fig. 3) mit zwei Bogen
[* 27] und drei mysteriösen dunkelgrauen Köpfen, hat außerdem neuere Stadtmauern
aus der Zeit KaiserOttos I., eine Kathedrale aus dem 13. Jahrh., eine Citadelle (jetzt Strafanstalt), ein Museum etruskischer
Altertümer, zahlreiche Alabasterwerkstätten und (1881) 5347 Einw.
Volterra ist Bischofsitz und hat ein Seminar und ein Konviktkollegium.
In der Nähe befinden sich reichhaltige Salz- und berühmte Boraxquellen (mit Cecina durch Eisenbahn verbunden),
ein Kupferbergwerk, ein etruskischer Begräbnisplatz und etruskische Thermen. Volterra hieß im AltertumVolaterrä (etrusk. Velathri)
und war eine der ältesten und größten der zwölf Bundesstädte Etruriens, später römische Kolonie mit den Rechten eines
Munizipiums. Ihre hohe Lage machte sie zu einer starken Festung,
[* 28] die Sulla im ersten Bürgerkrieg erst nach
zweijähriger Belagerung 79 v. Chr. einnehmen konnte. Im 12. und 13. Jahrh. war Volterra Republik; im 14. Jahrh. fiel es an Florenz.
[* 29] Der römische Dichter Persius stammte von Volterra.
(franz., spr. woltischöre),
leichte Infanterie, von Napoleon im März 1804 aus kleinen Leuten als Elitetruppe (bei jedem Bataillon 1 Kompanie, welche den
linken Flügel bildete) errichtet und zum zerstreuten Gefecht bestimmt.
(franz., spr. woltisch-),Spring- und Schwingübungen, entweder am lebenden Pferd, wie bei den reitenden
Truppen und bei Kunstreitern, oder an einer Nachbildung des Pferdes, die früher Voltigierbock hieß, jetzt nach allgemeiner Einführung
desselben auf den Turnplätzen gewöhnlich Pferd (s. d.) oder Schwingel genannt wird.
Friedrich, Maler, geb. zu Nördlingen,
[* 43] erhielt die erste Unterweisung in der Kunst
von seinem Vater, dem Maler, Kupferstecher und Illustrator JohannMichael Voltz (geb. gest. Biographie von
Hagen,
[* 44] Stuttg. 1863), begann seine künstlerische Laufbahn als Radierer und ging 1834 nach
München
[* 45] auf die Akademie, wo er jedoch weniger Förderung fand als durch seine Studien nach den Niederländern
in der Pinakothek und nach der Natur. Er war anfangs noch als Radierer und Lithograph thätig und malte zugleich bis zum Ende
der 30er Jahre Landschaften aus dem bayrischen Hochgebirge.
(lat.), eigentlich etwas Zusammengerolltes, daher s. v. w.
Schriftrolle oder Buch, weil die Alten die Blätter ihrer Schriften nur auf Einer Seite beschrieben und sie
dann zusammenrollten;
(lat.), spiralförmiges Vermittelungsglied an architektonischen Teilen, insbesondere
an Konsolen und Säulenkapitälen. Bei den Konsolen dient die Volute zur Vermittelung der wagerechten, getragenen
Teile mit den lotrechten, tragenden Wänden und erhält, wenn jene S-förmig sind, meist zwei entgegengesetzte Spiralwindungen.
Bei dem ionischen Kapitäl (s. Abbildung) dient sie zur Vermittelung des wagerechten Architravs mit den beiden Seiten des senkrechten
Säulenschafts und geht von der wagerechten Kapitälplatte aus, während sie bei dem korinthischen und
romanischen Pflanzenkapitäl zur Vermittelung des senkrechten Schafts mit dem Architrav
[* 58] dient und deshalb von den senkrechten
Seitenflächen des Kapitäls ausgeht.
In der Renaissance dient sie auch zur Vermittelung von Giebelabsätzen, Kuppelaufsätzen und ähnlichen größern Architekturteilen
sowie zur Vermittelung von rechtwinkeligen Flächen und Linien in der Ornamentik. Besitzt die Volute mehrere
Windungen, welche völlig in sich auflaufen, so erscheint sie wegen des wiederholten und abgeschlossenen Ausdrucks der Vermittelung
als das vollkommenste Mittel zur Verknüpfung je zweier Architekturteile (vgl. Säule nebst Tafel »Säulenordnungen«).
[* 59]
Man unterscheidet 1) die bronchiektatische und 2) die geschwürige (ulceröse)
Vomica. Die erste Form entsteht durch krankhafte Erweiterung der Luftröhrenäste, die zweite durch geschwürige Zerstörung
oder käsigen Zerfall von Lungengewebe;
Joost van den, holländ. Dichter, geb. zu
Köln, kam noch als Kind mit seinen Eltern, welche Wiedertäufer waren, nach Amsterdam,
[* 68] wo er zu den Arminianern, später zur
katholischen Kirche übertrat und das Gewerbe eines Strumpfwirkers betrieb. Er starb in Amsterdam, wo ihm 1867 ein
Standbild errichtet wurde. Seine Werke zeugen im ganzen von Genie und einer hohen, edlen Phantasie. Er
hat lyrische Gedichte, Satiren und 32 Trauerspiele hinterlassen, die bei den Holländern in hohem Ansehen stehen, und von denen
besonders »Gebrecht van Amstel« (1637; deutsch von Wilde, Leipz. 1867),
»Lucifer« (1654; deutsch von Grimmelt, Münst.
1868; von Wilde, Leipz. 1869),
»Jephtha« (1659; deutsch von Grimmelt, Münst.
1869) und »Adam in ballingschap« (1664) hervorzuheben sind. Die darein verflochtenen Chöre sind, wie viele der lyrischen Gedichte
Vondels, vielleicht die schönsten Muster poetischer Leistungen, welche Holland aufzuweisen hat. Außerdem veröffentlichte
er Übersetzungen aus dem Lateinischen (Horaz, Ovid, Vergil) und eine Anleitung zur holländischen Dichtkunst
(1650). Eine Gesamtausgabe seiner Dichtungen besorgte Lennep
[* 69] (Amsterd. 1850-69, 12 Bde.;
neue Ausg. 1888 ff.); eine Übersetzung seiner Gedichte lieferten
Grimmelt und Jansen (Münst.
1873).
Jakob de, Legendensammler, geb. 1230 zu Virago im Genuesischen, trat frühzeitig in den Dominikanerorden und
wurde dann Provinzial von der Lombardei. 1292 zum Erzbischof von Genua erhoben, suchte er vergeblich die daselbst zwischen den
Guelfen und Ghibellinen ausgebrochenen Unruhen beizulegen. Er starb Außer der ersten Übersetzung
der Bibel
[* 72] ins Italienische, die jedoch nur im Manuskript vorhanden ist, und »Sermones dominicales« (Vened. 1589; hrsg. von Figarol,
Toulouse
[* 73] 1874-76, 2 Bde.) verfaßte er unter dem Titel: »Legenda aurea sive historia lombardica« Erzählungen von Heiligen, die
zum Teil aus frühern Quellen und Sammlungen zusammengetragen und voller Wundergeschichten sind. Das Werk wurde öfter, unter
anderm von Grässe (2. Ausg., Leipz. 1850), herausgegeben und in fast alle
lebenden Sprachen übersetzt.
(d. h. Land vor dem Arlberg), früher selbständiges Ländchen, jetzt ein Teil des österreich.
Kronlandes Tirol
[* 74] (s. Karte »Tirol und
[* 75] Vorarlberg«),
grenzt gegen O. an Tirol, gegen S. an die Schweiz
[* 76] (Graubünden),
gegen W. an das FürstentumLiechtenstein
[* 77] und die Schweiz (St. Gallen), gegen N. an Bayern
[* 78] und umfaßt 2602 qkm (47,26 QM.) mit (1880)
107,373 Einw. deutscher Abstammung (Ende 1887 auf 110,655 berechnet). Am
Gestade des Bodensees, am Rheinufer herauf und im Illthal hinein bis Bludenz bildet das Land eine fruchtbare, zum Getreidebau
geeignete Ebene; alles übrige ist Alpenland und wird im nördlichen Teil vom Bregenzer Wald, im mittlern Teil von den Vorarlberger
Alpen
[* 79] (Rote Wand 2701 m), im südlichen Teil von den Rätischen Alpen mit der Silvrettagruppe (PizBuin 3313 m,
Fluchthorn 3389 m) und dem Rätikon (Scesaplana 2968 m) nebst deren Ausläufern erfüllt.
Die bedeutendsten Alpenthäler sind das Montafoner und das Klosterthal, durch welch letzteres die Straßen- und Eisenbahnverbindung
über den Arlberg nach Tirol führt. Der Rhein bildet die westliche Grenze und nimmt die aus dem Land kommenden
Gewässer Ill und Frutzbach und durch den Bodensee die Dornbirner und BregenzerAche sowie die Leibach auf. Dem Gebiet der Donau
gehören die Breitach, Iller und der Lech an. Gegen 860 qkm sind mit Waldungen bedeckt, welche nebst der Viehzucht
[* 80] den Hauptreichtum
des Landes bilden. Der Getreidebau reicht nicht für den Verbrauch hin; dagegen baut man viel Kartoffeln, auch Obst und Wein.
Von großer Bedeutung ist die Baumwollindustrie, welche durch zahlreiche Spinnereien (180,000 Spindeln), Webereien (4000 Kraftstühle),
Druckereien und Färbereien vertreten ist. Als Hausindustrie wird für RechnungSchweizer Unternehmer die Weißstickerei sehr
stark betrieben.
¶
mehr
Auch die Verfertigung von Holzwaren, Goldschmiedearbeiten (zu Bregenz),
[* 82] Schiff- und Häuserbau (hölzerne Häuser gehen zu Wasser
nach der Schweiz) sowie die Schiffahrt beschäftigen einen Teil der Bewohner. Viele Vorarlberger wandern im Frühjahr als Maurer
oder Tagelöhner nach der Schweiz aus und kehren im Spätherbst mit dem ersparten Lohn zurück. Weiteres
s. Tirol. Einen Rest von Selbständigkeit genießt Vorarlberg durch seinen Landtag, der aus dem Generalvikar zu Feldkirch und 19 Abgeordneten
(einer von der Handelskammer, 4 von den Städten und Industrieorten, 14 von den Landgemeinden) zusammengesetzt ist. In politischer
Beziehung zerfällt in folgende Bezirkshauptmannschaften:
Bergmann, Landeskunde von Vorarlberg (das. 1868) und dessen zahlreiche geschichtliche
Arbeiten über Vorarlberg; »Spezialortsrepertorium von Tirol und Vorarlberg« (hrsg. von der statistischen Zentralkommission,
Wien 1885);
Werkowitsch, Das Land Vorarlberg (Innsbr. 1888);
Mooßmann, Geschichte Vorarlbergs (2. Aufl., das. 1874);
(Prophylla, Bracteolae), die ersten am Grund eines Achselsprosses die Blattbildung beginnenden Blätter, die
der Nieder- oder Hochblattregion angehören. Der in der Achsel eines Deckblatts (bractea) stehende Achsel- oder Tochtersproß
beginnt bei den Monokotylen in der Regel mit einem einzigen auf seiner Rückenseite stehenden (adossierten), also der Mutterachse
zugekehrten, meist zweikieligen Vorblatt, während bei den Dikotylen meist zwei rechts
und links von der
Abstammungsachse stehende Vorblätter auftreten. Das Vorhandensein von Vorblättern besonders in der Region des Blütenstandes ist für
die richtige Auffassung desselben von Bedeutung.
Marktflecken in Obersteiermark, Bezirkshauptmannschaft Leoben, an der EisenbahnLeoben-Vordernberg und der (gegenwärtig
im Bau befindlichen) Bahnlinie (Abtsches Zahnradsystem) Vordernberg-Eisenerz, eine der größten Betriebsstätten
für Roheisenerzeugung in Österreich (jährlich ca. 500,000 metr. Ztr.), mit (1880) 3012 Einw.
Das Erz, mit einem Eisengehalt bis zu 40 Proz., wird aus dem zwischen Vordernberg und Eisenerz (s. d.) gelegenen unerschöpflichen Erzberg
gewonnen.
(Prolapsus), in der Heilkunde das Hervortreten eines im normalen Zustand in einer Höhle des Körpers eingeschlossenen
Organs an die Oberfläche des Körpers oder in einen mit dieser in Verbindung stehenden Kanal,
[* 94] ohne daß
es von der äußern Haut
[* 95] bedeckt ist. Letzterer Umstand unterscheidet den Vorfall vom Bruch (hernia). Am häufigsten kommt der an der
Gebärmutter
[* 96] und dem Mastdarm vor. Ursachen des Vorfalls sind: Erschlaffung oder Zerreißung der natürlichen Befestigungsmittel,
Erschlaffung und Erweiterung natürlicher Öffnungen, krankhafte Veränderungen des betroffenen Organs,
mechanische Verdrängung desselben aus seiner normalen Lage durch ein andres, aufgehobener Widerstand der äußern Bedeckungen
infolge penetrierender Wunden. Die Behandlung besteht in der Zurückführung des vorgefallenen Organs in seine normale Lage
(Reposition), dann in der Erhaltung desselben in dieser Lage (Retention) durch mechanische Mittel, unter
denen die von Thure-Brandt eingeführte Massage die besten Erfolge aufweist.
der durch die Bodenverhältnisse bedingte Ablauf
[* 97] des natürlichen Wassers. DiesenAblauf muß der unterhalb liegende
Nachbar dem oberhalb
¶
mehr
liegenden gewähren und offen halten. Es kann aber auch bei künstlichen Entwässerungsanlagen der Eigentümer verlangen,
daß ihm gegen volle Entschädigung das Recht eingeräumt werde, das Wasser durch fremden Grundbesitz auf seine Kosten abzuleiten.
Vorausgesetzt wird dabei ein überwiegender Vorteil für die Landeskultur, welchen die betreffende Anlage mit sich bringt.
Der Mangel an Vorflut erzeugt leicht Versumpfungen und Überschwemmungen; derselbe wird aber häufig auch künstlich
geschaffen, z. B. durch Wehreinbauten oder Stauvorrichtungen in den Flüssen.
in der Musik die Substitution eines benachbarten (dissonanten) Tons (große oder kleine Ober- oder Untersekunde)
statt des in den Akkord gehörigen Tons, zu dem der vorgehaltene Ton erst nachträglich fortschreitet.
Der Vorhalt ist entweder vorbereitet,
wenn der dissonante Ton aus der vorausgegangenen Harmonie gebunden ist (a), oder er tritt frei auf (b):
der Feuer eines Schiffsdampfkessels, s. Aufbänken. ^[= die Feuer eines Schiffsdampfkessels vermindern, indem man weniger Kohlen zuführt, die Ausdehnung ...]
1876-78, s. Maritime wissenschaftliche Expeditionen, ^[= Obgleich das Meer in seinen mannigfachen Erscheinungen und Wirkungen schon in den ältesten ...] S. 257.
(Jus protimiseos), das einer Person in Ansehung einer Sache eingeräumte Vorrecht au
Erwerbung derselben. Das Vorkaufsrecht wird zumeist durch Vertrag begründet und unterscheidet sich vom sogen. Näherrecht (s. d.) dadurch,
daß letzteres gegen den neuen Erwerber einer Sache, nicht gegen den Veräußerer derselben gegeben ist. Nach dem Entwurf eines
deutschen bürgerlichen Gesetzbuchs (§ 481 ff.) muß der Verpflichtete, falls er den betreffenden Gegenstand
an einen Dritten verkaufen will, dem Vorkaufsberechtigten von dem Inhalt des Kaufvertrags unverzüglich Kenntnis geben. Der
Berechtigte kann dann unter denselben Bedingungen wie der dritte Käufer in den Kaufvertrag eintreten.
(Tutel, Kuratel, Pflegschaft), die unter öffentlicher Autorität stehende privatrechtliche Fürsorge für
schutzbedürftige Personen (Bevormundete, Mündel) durch einen nicht selbst gewählten Beistand (Vormund, Tutor, Kurator, Pfleger).
Der Inbegriff der Rechtssatzungen über das Vormundschaftswesen heißt Vormundschaftsrecht. Letzteres
wird in der Regel als Teil des Familienrechts betrachtet, so auch in dem Entwurf eines deutschen bürgerlichen Gesetzbuchs (§ 1633 ff.).
Unter den Verhältnissen, durch welche eine Vormundschaft veranlaßt wird, steht die Jugend obenan, indem die Vormundschaft ergänzend eingreifen
soll, wenn und soweit der hausväterliche Schutz nicht ausreicht oder ganz fehlt.
Das römische Recht unterschied dabei zwischen der tutela und der cura. Die Tutel bezog sich auf Unmündige bis zum 14., resp. 12. Jahr,
während Minderjährige von dieser Altersgrenze ab bis zum Volljährigkeitstermin unter Kuratel standen. Nach heutigem Recht
sind der Altersvormundschaft alle Minderjährigen unterworfen, in Deutschland
[* 109] also nach dem Reichsgesetz
vom alle Personen bis zum vollendeten 21. Lebensjahr, sofern sie nicht unter väterlicher Gewalt stehen. Im Gegensatz
zur Altersvormundschaft werden die übrigen Fälle der als Zustandsvormundschaft bezeichnet.
Eine solche wird nach vorgängiger Entmündigung (s. d.) infolge von Geisteskrankheit, Verschwendung und
sogen. Bresthaftigkeit angeordnet, unter welch letzterer man den Zustand solcher Personen (personal debiles) versteht, welche
wegen körperlicher Gebrechen, z. B. Blindheit, Taubheit, oder wegen langwieriger Krankheit ihre Angelegenheiten nicht selbst
besorgen können. Daneben kommen auch bloße Vermögenskuratelen oder Pflegschaften (curae bonorum) vor, so die Kuratel über
das Vermögen eines Verschollenen, über eine ruhende Erbschaft und über das Vermögen, welches für das
noch nicht geborne Kind einer Schwangern reserviert wird (cura ventris).
Der Vormund wird in solchen FällenPfleger (Kurator) genannt. Die namentlich im deutschen Recht begründete Geschlechtsvormundschaft,
welcher früher jede nicht unter väterlicher Gewalt stehende unverheiratete und volljährige Frauensperson unterworfen
war, ist jetzt beseitigt. Die eheliche Vormundschaft des Ehemanns über die Ehefrau, welch letztere sich regelmäßig
nicht ohne des erster Zustimmung rechtsgültig verpflichten kann, ist dagegen praktisch geblieben. Auch der Entwurf eines
deutschen bürgerlichen Gesetzbuchs (§ 1300 ff.) hält an dem Grundsatz fest, daß die Zustimmung des Ehemanns zur Gültigkeit
von Rechtsgeschäften der Ehefrau unter Lebenden erforderlich ist. Nur wenn die Ehefrau mit Wissen¶