Knallzucker, s. Zucker. ^[= (Zuckerstoffe), in der Chemie eine Gruppe von Kohlehydraten, süß schmeckende, in Wasser leicht, ...] [* 2]
(spr. wihs-, deutsch Salzburg), [* 3] Stadt und Badeort im ungar. Komitat Unterweißenburg (Siebenbürgen), an der Ungarischen Staatsbahnlinie Klein-Köpisch-Hermannstadt, mit (1881) 3683 ungarischen und rumän. Einwohnern, großem Salzbergwerk, 3 Salzteichen und Solbädern.
In der Nähe die Ruine Stolzenburg. Vizakna wurde im 12. Jahrh. von deutschen Kolonisten gegründet.
(Vize lat. vicis), an der Stelle, anstatt, zeigt als Zusatz zu Amtstiteln eigentlich den Stellvertreter eines Beamten an, wird aber sehr oft nur als Titel beigegeben, z. B. Vizeadmiral, Vizekanzler, Vizepräsident, Vizedirektor etc. Mittelalterliche Titel waren: Vicecomes (Vizegraf), woraus die Würde der Visconti, Vicomtes und Viscounts entstand;
ferner Vizedom (vicedominus, Vitzdom, Vitztum, Vicdom), der Stellvertreter auf einer Herrschaft oder einem Schloß für den damit Belehnten, besonders der Stellvertreter eines mit weltlichen Gütern belehnten Geistlichen oder Klosters, daher s. v. w. Schirmherr, Schirmvogt;
Vidame (gebildet aus Vizedominus), Titel des Schutzherrn und Verwesers der geistlichen Güter, dem als Beamten der französischen Bischöfe die Leitung aller Maßregeln für Bewahrung der Kirchenrechte oblag, jetzt s. v. w. Stiftsamtmann, Administrator einer geistlichen Besitzung. Im Mittelalter Titel des Vikomte.
Jemandes vices vertreten oder in vicibus heißt im Rechtswesen: an der Stelle eines abwesenden Beamten fungieren. Vizedomgüter wurden in Österreich [* 4] schlechthin auch die Domänen genannt.
s. Feldwebel. ^[= (Feldwaibel), oberste Rangstufe der Unteroffiziere, welche Offiziersseitengewehr mit Portepee ...]
Stellvertreter eines Königs;
Titel, welcher namentlich solchen Reichsverwesern beigelegt ward, die dem regierenden Haus angehörten und mit gewissen Hoheitsrechten ausgestattet waren.
Jetzt ist Vizekönig der Titel des Generalgouverneurs von Ostindien [* 5] (s. d., S. 537).
Badeort in der portug. Provinz Minho, Distrikt Braga, mit Schwefelthermen (36° C.) und sehenswerten Überresten alter Römerbäder.
(spr. wisē-u), Distriktshauptstadt in der portug. Provinz Beira, auf einer Anhöhe in einer fruchtreichen weiten Ebene, eine der ältesten Städte Portugals, hat eine schöne Kathedrale (mit wertvollen Gemälden von Gran [* 6] Vasco, der in Vizeu geboren wurde), ein Colegio, ein Seminar, Theater, [* 7] Schweinezucht (berühmte Schinken), eine besuchte Messe und (1878) 6956 Einw. In der außerhalb der Stadt gelegenen verfallenen Kirche St. Michael soll der in der Schlacht am Guadalete gefallene letzte Gotenkönig Roderich begraben liegen. Die noch vorhandenen Wälle eines römischen Lagers werden nach dem lusitanischen Häuptling Viriathus, der es den Römern nach seinem Sieg über Decius Junius Brutus abnahm, Cava do Viriato genannt. Vizeu wurde 1044 den Mauren vom König Ferdinand entrissen.
s. Feldwebel. ^[= (Feldwaibel), oberste Rangstufe der Unteroffiziere, welche Offiziersseitengewehr mit Portepee ...]
(spr. wisíl), Stadt im franz. Departement Isère, Arrondissement Grenoble, [* 8] an der Romanche, Station der Eisenbahn Grenoble-Veynes, mit altem, 1623 vom Connétable Lesdiguières umgebautem, neuerdings restauriertem Schloß, schönem Park, Taubstummeninstitut, Baumwollspinnerei, Fabrikation von Seidenwaren und Papier, Eisengießerei [* 9] und (1881) 2920 Einw.
(lat.), nachbarlich, die Gemeinde betreffend;
daher Vizinalstraßen, im Gegensatz zu Staatsstraßen, die Gemeindestraßen, Nebenstraßen;
Vizinaleisenbahnen, s. v. w. Nebenbahnen (s. d.).
Uferort am Vierwaldstätter See im Kanton Luzern, [* 10] mit (1888) 777 Einw., seit Eröffnung der ersten Rigibahn (1871) weit bekannt (s. Rigi).
s. v. w. Vizedom, s. Vize. ^[= (v. lat. vicis), an der Stelle, anstatt, zeigt als Zusatz zu Amtstiteln eigentlich den Stellvertrete ...]
Stadt in der ital. Provinz Catania (Sizilien), [* 11] Kreis [* 12] Caltagirone, hat mehrere Kirchen mit guten Gemälden und (1881) 13,966 Einw.
1) Stadt in der niederländ. Provinz Südholland, an der Neuen Maas, ein Hauptsitz der holländischen Heringsfischerei, hat eine schöne reform. Kirche mit prächtigen Grabmälern, einen großen Fischmarkt, geräumigen Hafen, Schiffbau, Handel und (1888) 12,059 Einw. -
2) S. Makassar.
(Blachos), Angelos, neugriech. Dichter und Schriftsteller, geb. 1838 zu Athen, [* 13] studierte hier und später in Berlin [* 14] und Heidelberg [* 15] Rechtswissenschaft, erhielt 1859 eine Anstellung im Ministerium des Auswärtigen, wurde 1863 Büreauchef des Ministeriums des Innern, 1865 Sektionschef im Kultusministerium, 1875 im Ministerium des Auswärtigen und 1880 Unterstaatssekretär in demselben. 1887 wurde er zum Gesandten in Berlin ernannt. Seine poetischen Werke bestehen in lyrischen Gedichten, Lustspielen und dem Epos »Phidias und Perikles«.
Außerdem veröffentlichte er: »Die Homerische Frage« (Preisschrift, Athen 1865);
»Neugriechisch-französisches Wörterbuch« (das. 1871);
»Elementargrammatik der neugriechischen Sprache« [* 16] (4. Aufl., Leipz. 1883);
»Neugriechische Chrestomathie« (2. Aufl., das. 1883);
kritische Studien über P. Sutzo, J. Karassutsa ^[Joannes Karasutsas], A. Sutzo u. a., sowie Übersetzungen aus dem Deutschen (Lessings »Nathan«, Goethes »Clavigo«, Dichtungen von Heine, P. Heyse etc.).
s. v. w. Bischof;
in Montenegro [* 17] bis 1852 Titel des Fürsten, insofern er die geistliche und weltliche Macht in sich vereinigte.
(Flamländer, Vlamingen), in Belgien [* 18] die den franz. Wallonen gegenüberstehende Bevölkerung [* 19] deutscher Abkunft und deutscher Sprache, die namentlich in den Provinzen Antwerpen, [* 20] Brabant, Westflandern, Ostflandern und Limburg [* 21] vorherrscht (s. Belgien, besonders S. 646).
Sprache, die dem Holländischen nahe verwandte niederfränkische Mundart, welche in den deutschen Gebieten von Belgien gesprochen wird (s. Niederländische Sprache). [* 22] Die in Belgien bald nach dessen Lostrennung von den Niederlanden hervorgerufene sogen. vlämische Bewegung verfolgt die Tendenz, auf Grund der belgischen Verfassung, welche keiner der beiden in Belgien gesprochenen Sprachen ein Vorrecht einräumt, der im Staatsleben wie im Unterrichtswesen und geselligen Verkehr mehr und mehr zu vorwiegender Geltung gelangten französischen Sprache durch Schrift und Wort entgegenzuarbeiten, das von den Altvordern überkommene vlämische Idiom zu einer ebenbürtigen Schrift- und Volkssprache der vlämischen Bewohner Belgiens zu erheben und dadurch einen an die Vergangenheit anknüpfenden nationalen Aufschwung derselben anzubahnen. Als die ersten Leiter und Träger [* 23] dieser volkstümlichen Bewegung sind vornehmlich J. Fr. ^[Jan Frans] Willems (1793-1846) u. Philipp Blommaert (1809-1871) zu nennen, deren Bestrebungen durch Gelehrte und Publizisten, wie Bormans, Snellaert, Heremans, van der Voordt u. a., kräftige Unterstützung fanden, und denen sich bald eine Schar von Lyrikern, Romanzendichtern und Novellisten anschloß. Im ¶
übrigen wird die vlämische Bewegung, welche 1869 durch Aufstellung einer einheitlichen offiziellen Rechtschreibung eine besondere Festigung erhielt, durch zahlreiche litterarische Vereine aufrecht erhalten. Obwohl die Regierung das Streben der »Vlamingen« lange Zeit mit ungünstigen Augen ansah, mußte sie den in den gesetzgebenden Versammlungen oft warm unterstützten Forderungen derselben in Gesetzvorlagen und Verwaltungsmaßregeln doch manches einräumen, und wenn auch gegenwärtig die v. S. noch nicht als Schul- und Gerichtssprache die ihr gebührende Stellung einnimmt, so hat sie doch schon so schöne und reiche Litteraturblüten entwickelt, daß ihre Erhebung zu einer mit der französischen gleichberechtigten Landessprache kaum noch zu hindern sein wird. Als die bedeutendsten Namen dieser modern-vlämischen Litteratur sind zu nennen: Prudens van Duyse (1804-59), Karl Ledeganck (1805-47), J. M. ^[Johan Michel] Dautzenberg (1808 bis 1869), Theodor van Ryswyck (1811-49), Jakob De Laet (geb. 1815), B. J. ^[Bruno Jozef] Boucquillon (1816 bis 1878), P. F. van Kerckhoven (1818-57), Jan van Beers (geb. 1821), A. A. Bernaert (geb. 1825), Hendrik Peeters (geb. 1825), Guido Gezelle (geb. 1830) u. a. Einen europäischen Ruf als Meister in der Darstellung vlämischen Still- und Kleinlebens hat sich Hendrik Conscience (1812-83) erworben; neben ihm haben sich in der volksmäßigen Novellistik ganz besonders die beiden Brüder Johan Snieders (1812-88) und Aug. Snieders (geb. 1825) hervorgethan.
Von den jüngsten Dichtern sind als der bedeutendste vlämische Lyriker Frans De Cort (1834-78) und Emanuel Hiel (geb. 1834), der Verfasser der Dichtungen: »Lucifer« und »De Schelde« sowie äußerst beliebter Kinderlieder, anzuführen. Sehr anerkennenswert sind auch die Leistungen der Vlämen auf dem Gebiet des Theaters, und in neuester Zeit ist von den Kammern sogar die Errichtung einer vlämischen Akademie genehmigt worden. Grammatiken der vlämischen Sprache lieferten van Beers, Heremans, Verstraeten und Doms (Köln [* 25] 1878); Wörterbücher Sleecks (»Dictionnaire complet français-flamand«, Brüssel [* 26] 1860, 2 Bde.; daneben eine kleinere Ausgabe) und Schuermans (»Allgemeen vlaamsch idiotikon«, Löw. 1865-70).
Vgl. Vandenhoven, La langue flamande, son passé et son avenir (Brüssel 1844);
Höfken, Vlämisch-Belgien (Brem. 1847, 2 Bde.);
Ida v. Düringsfeld, Von der Schelde bis zur Maas.
Das geistige Leben der Vlamingen (Leipz. 1861, 3 Bde.);
Scheler, Histoire des langues (in »Patria belgica«, Bd. 3);
Jagemann, Die Stellung der Niederdeutschen in Belgien (Berl. 1876);
Coopman u. Montagne, Onze dichters (Antwerp. 1880);
Dannehl, Anthologie jungvlamischer Dichtungen (Wolfenb. 1885);
Stecher, Histoire de la littérature néerlandaise en Belgique (Brüssel 1887);
»Vlaamsche bibliographie« von Snellaert u. de Potter (Gent [* 27] 1857-68, 3 Bde.; fortgesetzt 1877-81).
(spr. wiltschek),
Wenzel, tschech. Dramatiker und Romanschriftsteller, geb. zu Strechow in Böhmen, [* 28] studierte in Prag [* 29] Philologie, war Gymnasiallehrer und gründete darauf 1871 die Revue »Osveta« (»Aufklärung«),
welche einen bedeutenden Einfluß auf die Entwickelung der tschechischen Litteratur ausgeübt, nebstbei ihrem Herausgeber eine sehr behagliche Existenz gesichert hat. Unter seinen zahlreichen Erzählungen (»Ctibor Hlava«, »Johann Swehla«, »Dalibor«, »Golgatha und Tabor«, »Der Lorbeerkranz«) ragt besonders hervor »Zlato v ohni« (»Das Gold [* 30] im Feuer«, neue umgearbeitete Ausg. 1883, 5 Bde.). Der Verfasser bekundet darin eine ganz ungewöhnliche Beobachtungsgabe und meisterhafte Darstellungskunst der bürgerlichen Lebensverhältnisse. Unter seinen Dramen sind zu erwähnen: »Eliza, die Premyslidentochter«, »Milada«, »Vlasta« und »Lipany«, welches letztere Stück zur Eröffnung des neuen Nationaltheaters im Juni 1881 mit durchschlagendem Erfolg aufgeführt wurde.
Vgl. Slavik, O Vacslavu Vlckovi a jeho Osvete (Tabor 1880).
(spr. -schauer), Louis, vläm. Schriftsteller, geb. zu Antwerpen, ging 1828 nach Amerika, [* 31] wo er sich als Lehrer so viel erwarb, um nach seiner Rückkehr 1834 in Paris [* 32] und Berlin Medizin studieren zu können, wandte sich aber schließlich der Litteratur zu und kehrte, nachdem er seit 1840 mehrere teils französische, teils vlämische Blätter in Brüssel und Maastricht [* 33] redigiert hatte, 1844 nach Antwerpen zurück, um an die Spitze des neubegründeten »Handelsblad« zu treten. Hier rief er 1845 ein satirisches Blatt: [* 34] »De Roskam«, ins Leben, das 1849 einging, gab seit 1847 mit Wolf die litterarische Zeitschrift »De Broederhand« heraus und übernahm 1851 die Redaktion des »Journal d'Anvers«, die er 1860 aufgab, um wiederum ein satirisches Blatt: »Reinaert de Vos«, zu gründen. Er starb Von seinen Schriften sind seine vortreffliche Übersetzung von Goethes »Faust« (Brüssel 1842, 2. Aufl. 1864) und das Skizzenbuch »Stukken en brokken« (Antwerp. 1851) namhaft zu machen.
Simon de, niederländ. Maler, geboren um 1600 zu Rotterdam, [* 35] war von 1634 bis 1640 in Delft und dann in Amsterdam [* 36] thätig, wo er um 1660 starb. Er ist einer der ersten Marinemaler der holländischen Schule und hat sowohl Seestürme als ruhige Marinen mit Schiffen und ganzen Flotten und Seeschlachten gemalt. Besonders ausgezeichnetster in der Wiedergabe der Wirkung des Sonnenlichts auf ruhigen Meeresflächen. Seine Bilder sind zahlreich und finden sich in den Galerien zu Amsterdam, Rotterdam, Kopenhagen, [* 37] Petersburg, [* 38] Wien, [* 39] Pest, Dresden, [* 40] Berlin, Schwerin [* 41] u. a. O. Er hat auch eine Anzahl von Landschaften radiert.
niederländ. Insel in der Nordsee, vor dem Eingang des Zuidersees, zwischen den Inseln Ter Schelling und Texel, 28 qkm groß, hat eine große Reede und 705 Einw., die Fischerei [* 42] und Schiffahrt treiben.
Auf ihr das Dorf Ostvlieland;
das Dorf Westvlieland ist durch Überschwemmungen allmählich untergegangen.
Schaffell mit der Wolle, auch die abgeschorene, aber noch im natürlichen Zusammenhang befindliche Wolle;
in der Spinnerei die von der Krempel- oder Kratzmaschine gelieferte zusammenhängende Wollschicht.
In der griechischen Mythologie ist besonders das Goldene Vlies zu Kolchis berühmt, welches Iason (s. d.) zurückholte.
Über den Orden [* 43] des Goldenen Vlieses s. Goldenes Vlies.
Hendrik van, holländ. Maler, geb. 1611 oder 1612 zu Delft, bildete sich bei Mierevelt zum Bildnismaler aus, hat aber vorzugsweise Architekturstücke (Innenansichten holländischer Kirchen) gemalt, die sich durch feine Lichtstimmung und vortreffliche Behandlung der Perspektive auszeichnen.
Sie finden sich in den Galerien des Haag, [* 44] von Amsterdam, Rotterdam, Schwerin, München, [* 45] Berlin und Wien (Akademie).
Stadt in der niederländ. Provinz Zeeland, an der Mündung der Westerschelde, auf der Südküste der Insel Walcheren, an der Eisenbahn Rosendaal-Vlissingen, mit mehreren Kirchen (darunter die große St. Jakobskirche von 1328), einigen Fabriken ¶
und (1888) 12,565 Einw., war bis vor kurzem ein ansehnlicher Kriegshafen, der 1810-12 von Napoleon I. bedeutend verstärkt wurde, nachdem die Engländer 1809 die frühern Werke zum Teil zerstört hatten. Seit 1865 wurden von der Regierung großartige Werke ausgeführt, um die Stadt zu einem Handelshafen umzuwandeln, wozu sie sich durch ihre Lage vortrefflich eignet. So wurde zunächst das Sloe (s. d.) abgedämmt. Ein breiter Kanal [* 47] wurde gegraben von Vlissingen über Middelburg nach Vere durch die Insel Walcheren, um einen guten Wasserweg von S. nach N. zu bekommen.
Gleichzeitig wurden in großartigem Maßstab [* 48] Hafenwerke angelegt, welche für die größten Seeschiffe hinreichen, und 1873 eröffnet. Sie befinden sich an der Ostseite der Stadt und bestehen aus einem Außenhafen und zwei innern Häfen, welche in einen breiten Kanal münden, der durch Doppelschleusen mit dem Außenhafen und durch eine Stauschleuse mit dem Walcherschen Kanal verbunden ist. Das alte Marinedock mündet ebenfalls in diesen Verbindungskanal. Der Außenhafen hat eine Länge von 660 m und eine Tiefe von mehr als 10 m bei hohem, 6-7 m bei niedrigem Wasserstand. Die Hafenmündung ist 180 m breit und gehört somit zu den breitesten Europas. Er wird gedeckt von zwei starken Dämmen aus Basaltgestein. Die innern Häfen sind 450 und 400 m lang bei einer Breite [* 49] von 100-200 m. Die Tiefe kann aus 8,25 m gebracht werden. Diese Tiefe hat auch der Walchersche Kanal in seiner ganzen Länge von 13,400 m. Die Stadt ist Sitz eines deutschen Konsuls. - Vlissingen war bis ins 17. Jahrh. hinein ein blühender Handelsort, späterhin aber nur als Marinestation wichtig. Hier wurde 1572, nachdem die Wassergeusen Briel genommen, zuerst in den Niederlanden die Fahne der Freiheit aufgepflanzt. Aus der Neuzeit ist die oben erwähnte Beschießung und Einnahme der Stadt durch die Engländer unter Lord Chatham (13.-15. Aug. 1809) bekannt, wobei über 100 Häuser, 2 Kirchen und das schöne Rathaus zerstört wurden. Dem zu Vlissingen gebornen Admiral de Ruyter wurde hier 1841 ein Denkmal gesetzt.
Vgl. Winkelman, Geschiedkundige plaatsbeschrijving van Vlissingen (Vlissing. 1873).
Johannes van, niederländ. Schriftsteller, geb. zu Kampen, studierte in Leiden [* 50] Theologie und Philosophie, war dann eine Zeitlang Lehrer am Gymnasium in Rotterdam und wurde 1854 Professor der niederländischen Sprache am Athenäum in Deventer, lebte aber seit 1867 bei und in Haarlem [* 51] und starb Er schrieb: »Montignys leven en dood in Spanne« (Amsterd. 1853);
»Leidens belegering en ontzet« (Leid. 1854).
»Nederlands opstand tegen Spanje« (Haarl. 1858-72, 3 Bde.);
»Middelburgs beleg en overgang« (Middelb. 1874);
ferner: »Baruch d'Espinoza« (2. Aufl., Schied. 1871);
»Beknopte geschiedenis der nederlandsche letteren« (2. Aufl., Tiel 1871);
»Leven en werken van W. en O. Z. van Haren« (Devent. 1871);
»Nederlands schilderkunst« (1873);
»Elisabeth Wolff« (Haarl. 1880);
»Nederlandsche aesthetika« (3. Aufl., Schoonh. 1882) und einige Streitschriften gegen die herrschende Orthodoxie.
Mit Land gab er die Werke Spinozas heraus (Haag 1882, 2 Bde.).
Stadt im preuß. Regierungsbezirk Minden, [* 52] Kreis Herford, [* 53] in schöner Gegend an der Weser und der Linie Elze-Löhne der Preußischen Staatsbahn, hat 2 evangelische und eine kath. Kirche, ein Amtsgericht, Zuckerraffinerie, Fabrikation von Papier, Tabak [* 54] und Zigarren, Buchdruckerei, Kalk- und Zementbrennerei, Schiffahrt, lebhaften Speditionshandel und (1885) 3429 Einw. Vlotho gehörte bis 1211 einem Adelsgeschlecht und kam dann an die Grafen von Ravensberg. Hier Schlacht in welcher der kaiserliche General Hatzfeld die Söhne des Böhmenkönigs Friedrich von der Pfalz besiegte.
Vgl. Harland, Geschichte der Herrschaft und Stadt Vlotho (Vlotho 1889).
(ital., spr. wohtsche), Stimme, Singstimme. ^[= Die menschliche S. gehört zu den Zungenpfeifen (vgl. Blasinstrumente u. Schall, S. 396); die ...]
(spr. wotzel), Johann Erazim, tschech. Dichter und Archäolog, geb. zu Kuttenberg, starb als Professor der tschechischen Sprache, Litteratur und Archäologie an der Universität Prag. In seiner ersten schriftstellerischen Periode schrieb Vocel lyrische und epische Gedichte: »Die Premysliden« (1834),
»Schwert und Kelch« (183) und »Das Labyrinth des Ruhms« (1846),
kultivierte auch die historische Novelle (»Der letzte Orebit«),
beides mit besonderer Förderung der patriotischen Idee, und wandte sich dann Studien der heimatlichen Archäologie zu, deren Ergebnisse er in seinem Hauptwerk: »Die Vorzeit des Landes Böhmen« (Prag 1866 bis 1868, 2 Bde.),
niederlegte. Vocel schrieb auch eine Abhandlung über »Das alte tschechische Erbrecht«.
(ital., spr. wohtscheratrihtsche), s. Improvisation. ^[= (franz.), im allgemeinen die Kunst, etwas ohne alle Vorbereitung aus dem Stegreif zu verrichten. ...]
dikotyle, etwa 140 Arten umfassende, dem tropischen Amerika eigentümliche Pflanzenfamilie aus der Ordnung der Äskulinen, [* 55] durch schräg zygomorphe Blüten und ein einziges fruchtbares Staubblatt ausgezeichnet.
Stadt in Oberösterreich, an der Vöckla (Nebenfluß der Ager) und an der Staatsbahnlinie Wien-Salzburg, von welcher hier die Lokalbahn Vöcklabruck-Kammer zum Attersee führt, Sitz einer Bezirkshauptmannschaft und eines Bezirksgerichts, mit alten Thortürmen, Bierbrauerei, [* 56] Baumwollweberei und (1880) 1749 Einw. Nahebei Schöndorf mit gotischer Kirche und Feilenfabrik, Schloß und Ruine Wartenberg und Kloster Thalheim.
Valentin, slowen. Dichter, geb. zu Oberschischka bei Laibach, [* 57] war erst Priester, dann Lehrer am Gymnasium zu Laibach und begann 1797 die Zeitung »Ljublanske Novice« herauszugeben. Er machte hierin wie auch in seinen Gedichten als einer der ersten den erfolgreichen Versuch, die Volkssprache in die Litteratur einzuführen, und gilt daher für den Begründer der neuslowenischen Litteratur. Als Krain [* 58] 1809 an Frankreich kam, wurde Vodnik zum Schulinspektor ernannt, mußte aber nach der Wiederherstellung der österreichischen Herrschaft 1814 seinen Abschied nehmen und starb in Armut Seine Gedichte, von denen viele Volkslieder geworden sind, erschienen am besten in der Sammlung »Vodnikove pesni« (Laib. 1869).
(spr. vūtius), Gisbert, die Säule der reformierten Scholastik in den Niederlanden, unversöhnlicher Feind der Arminianer (s. d.) und der Cartesianer sowie von Coccejus (s. d.) und Labadie (s. d.), geb. 1588 zu Heusden, wo er 1617 Prediger ward. Als solcher wohnte er der Dordrechter Synode bei; seit 1634 Professor der Theologie in Utrecht, [* 59] übte er bis zu seinem erfolgten Tod einen fast unbeschränkten Einfluß. Sein dogmatisches Hauptwerk heißt »Selectae disputationes theologicae« (Utrecht 1648).
Vgl. Sepp, Het godgeleerd onderwijs in Nederland, Bd. 2 (Leid. 1875);
Ritschl, Geschichte des Pietismus, Bd. 1 (Bonn [* 60] 1880).
1) Christian Lebrecht, Maler, geb. zu Dresden, bildete sich auf der Kunstakademie daselbst, lebte dann zu Wildenfels im ¶
Erzgebirge, ward 1804 Professor an der Dresdener Akademie u. starb Er war sowohl als Historien- wie als Porträtmaler thätig; namentlich gelangen ihm Darstellungen aus dem Kinderleben.
2) Ludwig, Maler, geb. zu Zürich, [* 62] war anfangs Zuckerbäcker und trieb die Malerei nur in den Mußestunden. 1808 bezog er die Akademie in Wien, wo er jedoch keine Befriedigung fand. Er wanderte deshalb 1810 nach Rom und [* 63] schloß sich dort an Thorwaldsen, Koch und Cornelius an. Hier entstand sein erstes größeres Bild: die Rückkehr der Schweizer aus der Schlacht bei Morgarten. Nachdem er sich noch eine Zeitlang in Florenz [* 64] aufgehalten hatte, kehrte er in die Heimat zurück und führte dort bis in die Mitte der 60er Jahre eine Reihe von Darstellungen aus dem Volksleben und der Geschichte der Schweiz [* 65] aus, denen man eine glückliche Komposition und dramatisches Leben nachrühmte. Eine der bekanntesten ist der von Gonzenbach gestochene Schweizerbund von 1307. Er starb
3) Karl, ausgezeichneter Schulmann, geb. zu Stadtilm, studierte in Jena [* 66] Philologie und Theologie, ward 1816 Lehrer, 1821 Mitdirektor eines Erziehungsinstituts in Tharant (später bei Dresden), 1824 Direktor der höhern Stadtschule zu Krefeld, [* 67] 1832 Direktor der Bürgerschule in Leipzig, [* 68] die er neu organisierte; starb Vogel gab zahlreiche Schulschriften heraus, welche ihrer Zeit große Verbreitung gefunden haben. Er gab den Anstoß zu der ersten Versammlung der Lehrer an deutschen Real- und höhern Bürgerschulen (Meißen [* 69] 1845) und zu verschiedenen wohlthätigen Stiftungen in Leipzig. Um den Elementarunterricht machte er sich verdient durch die Einführung und Empfehlung der verbesserten Jacototschen Methode des ersten Leseunterrichts, der sogen. Normalwörtermethode. Seit 1852 redigierte er mit Körner eine pädagogische Zeitschrift: »Die höhere Bürgerschule«.
4) Albert, Holzschneider, geb. 1814 zu Berlin, bildete sich anfangs auf der dortigen Akademie zum Maler, seit seinem 20. Jahr aber in Leipzig zum Holzschneider aus. Hier führte er unter anderm Schnitte nach Zeichnungen von Hübner und Bendemann zu einer Prachtausgabe des Nibelungenliedes und Schnitte nach Zeichnungen Menzels zu Kuglers »Geschichte Friedrichs d. Gr.« aus. Nachdem er wieder in Berlin seinen Wohnsitz genommen, beteiligte er sich an den Schnitten nach Menzels Illustrationen zu den Werken Friedrichs d. Gr. und fertigte dann zahlreiche Schnitte nach Kaulbach für die v. Deckersche Prachtbibel, nach Pfannschmidt u. a., wobei er sich zum Teil statt des Stichels des alten Schneidemessers bediente. Er war Lehrer der Holzschneidekunst in der Berliner [* 70] Kunstakademie und königlicher Professor und starb
5) Jakob (gewöhnlich Vogel von Glarus), schweizer. Dichter, geb. zu Glarus, arbeitete seit seinem achten Jahr in einer Fabrik, durchwanderte mit 21 Jahren die Schweiz und das südliche Frankreich und begründete nach seiner Rückkehr nach Glarus 1843 eine Buchdruckerei daselbst, mit der er später auch eine Verlagshandlung verband, der er noch heute vorsteht. Vogel ist einer der eifrigsten Sammler und gründlichsten Kenner der poetischen Litteratur seines Vaterlandes; seiner Begeisterung für dieselbe entstammt die Anregung zu dem von ihm verlegten Werk »Die poetische Nationallitteratur der Schweiz von Haller bis auf die Gegenwart« (von R. Weber und Honegger, 1866-76, 4 Bde.). Als Dichter veröffentlichte er: »Gedichte« (12. Aufl. 1886),
»Lyrische Gedichte« (1868),
»Neuere Gedichte« (1868),
»Bilder aus den Alpen«, [* 71] Gedichte (1874),
daneben auch Epigramme (»Raketen«, [* 72] »Taranteln«, »Wilde Kastanien«, »Birkenzweige«, 1868 u. 1871), Werke, welche sich durch Wahrheit der Empfindung und Anmut der Form auszeichnen.
6) August, Agrikulturchemiker, geb. zu München, studierte daselbst, in Göttingen [* 73] und Berlin, habilitierte sich 1840 in München, wurde 1869 zum Professor der Agrikulturchemie an der dortigen Universität ernannt und starb in Rosenheim. Er publizierte eine große Anzahl kleinerer Untersuchungen und Abhandlungen aus allen Gebieten der reinen und angewandten Chemie, viele technische Arbeiten und populäre Darstellungen. Auch schrieb er: »Naturstudien« (2. Aufl., Erfurt [* 74] 1860);
»Der Torf, seine Natur und Bedeutung« (Braunschw. 1859);
»Die Untersuchung des Biers« (Berl. 1866);
»Praktische Übungsbeispiele« (4. Aufl., Erfurt 1873);
»J. v. Liebig als Begründer der Agrikulturchemie« (Münch. 1874) u. a.
7) Karl, namhafter Kartenzeichner, geb. zu Hersfeld, [* 75] war 1846-51 bei der topographischen Landesaufnahme des ehemaligen Kurfürstentums Hessen [* 76] beschäftigt, ging dann nach Gotha, [* 77] um für den Herzog Ernst einen Atlas [* 78] schleswig-holsteinischer Schlachtenpläne zu zeichnen, und arbeitet seit 1853 in J. ^[Justus] Perthes geographischer Anstalt, namentlich an den Europa [* 79] (Spanien, [* 80] Frankreich, Deutsches Reich, Österreich-Ungarn, [* 81] Italien, [* 82] Balkanhalbinsel) [* 83] betreffenden Blättern des Stielerschen Atlas. 1880 erschien von ihm eine Karte des Thüringer Waldes.
8) Eduard, Afrikareisender, Sohn von Vogel 3), Bruder der Schriftstellerin Elise Polko (s. d.), geb. zu Krefeld, studierte seit 1848 in Leipzig und Berlin Mathematik und Naturwissenschaften und ward 1851 Assistent Hinds an Bishops Sternwarte [* 84] in London. [* 85] Hier wurde ihm 1853 auf Petermanns Rat von seiten der englischen Regierung der Antrag gemacht, an des verstorbenen Richardson Stelle sich als Astronom der Expedition anzuschließen, welche unter Beteiligung der Deutschen Barth und Overweg in Zentralafrika verweilte. Im Januar 1854 am Tsadsee angelangt, bestimmte Vogel die Lage desselben sowie die Höhe der großen Wüste, drang bis zum 9.° nördl. Br. nach Musgu vor, erforschte die Länder westlich vom Tsad, traf mit Barth in der Nähe von Sinder im Dezember 1854 zusammen, drang dann bis Jakoba vor, welches vor ihm noch kein Europäer betreten hatte, versuchte es, in Adamáua Eintritt zu gewinnen, mußte jedoch am Ufer des Binuë vor feindlichen Negerstämmen umkehren und wandte sich im Dezember 1855 nach Wadai. Im Anfang gut aufgenommen, wurde er bei Abeschr südlich von Wara auf Befehl des Sultans getötet.
Von Vogel sind Briefe und Berichte in geographischen Fachschriften, namentlich in »Petermanns Mitteilungen«, veröffentlicht.
Vgl. E. Polko, Erinnerungen an einen Verschollenen (Leipz. 1863).
9) Hermann Wilhelm, Photochemiker, geb. zu Dobrilugk, studierte Chemie und Physik an der Gewerbeakademie in Berlin und war seit 1858 Assistent von Rammelsberg und Dove und seit 1860 Assistent am mineralogischen Museum. 1863 gründete er den Berliner Photographenverein, aus dem 1869 der noch jetzt von ihm geleitete Verein zur Förderung der Photographie hervorging; auch gab er seit 1864 die »Photographischen Mitteilungen« (Berl.) heraus. Zugleich übernahm er 1864 den Lehrstuhl für Photochemie an der Berliner ¶
Gewerbeakademie. 1868 war er Mitglied der norddeutschen nach Aden [* 87] entsendeten Sonnenfinsternisexpedition und der oberägyptischen Expedition. 1870 ging er zum Photographenkongreß nach Cleveland (Ohio) und bereiste den Norden [* 88] der Union und Kanada. Ende 1870 beteiligte er sich an der nach Sizilien gehenden englischen Sonnenfinsternisexpedition und 1875 an der Sonnenfinsternisexpedition nach den Nikobaren, und 1876 und 1883 bereiste er abermals Nordamerika. [* 89]
Seit 1872 ist er Vorsitzender des Vereins für deutsches Kunstgewerbe und seit 1884 Vorsteher des phototechnischen Laboratoriums der technischen Hochschule in Charlottenburg. [* 90] Vogels Untersuchungen erstrecken sich über alle Gebiete der Photographie; besonders hervorzuheben sind die Untersuchungen über die Sensibilisatoren, die ihn 1873 zu der Entdeckung führten, Gegenstände in den richtigen Tonwerten aufnehmen zu können, ferner die Arbeiten über alkalische Entwickelung (Kollodium, Silberbäder, Pigmentdruck), die photographischen Studien über Perspektive und über die Prinzipien der Beleuchtung [* 91] und Atelierkonstruktion (1869), die Versuche über Leistungsfähigkeit der Linsen, sein Photometer [* 92] etc. Seit 1873 beschäftigte er sich spezieller mit Spektralphotographie und Spektralanalyse, [* 93] auch konstruierte er 1877 ein Universalspektroskop. Er schrieb: »Lehrbuch der Photographie« (3. Aufl., Berl. 1878);
»Praktische Spektralanalyse irdischer Stoffe« (2. Aufl., das. 1888 ff.);
»Die chemischen Wirkungen des Lichts und die Photographie« (2. Aufl., Leipz. 1883);
»Die Photographie farbiger Gegenstände in den richtigen Tonverhältnissen« (Berl. 1885);
»Vom Indischen Ozean bis zum Goldland«, Reisebeobachtungen (das. 1878);
»Lichtbilder nach der Natur« (das. 1879), über das Spiritistentreiben (das. 1880) u. a.
10) Hermann Karl, Astronom, Sohn von Vogel 3), geb. zu Leipzig, studierte auf dem Polytechnikum in Dresden, seit 1864 in Leipzig, wurde 1865 Hilfsarbeiter, später zweiter Observator an der dortigen Sternwarte, 1870 Direktor der Privatsternwarte des Kammerherrn v. Bülow zu Bothkamp bei Kiel [* 94] und widmete sich hier mit großem Erfolg ausschließlich der Astrophysik. 1874 folgte er einem Ruf als Observator an dem astrophysikalischen Observatorium in Potsdam, [* 95] und 1882 wurde er Direktor dieses Instituts. Er veröffentlichte: »Beobachtungen von Nebelflecken und Sternhaufen« (Leipz. 1867);
»Bothkamper Beobachtungen« (das. 1872 u. 1873, 2 Bde.);
»Untersuchungen über das Spektrum der Planeten« [* 96] (das. 1874) sowie »Untersuchungen über das Sonnenspektrum«, eine »Spektroskopische Durchmusterung des nördlichen Himmels«, »Beobachtungen mit dem großen Wiener Refraktor« etc. in den Publikationen des Potsdamer Observatoriums seit 1879.
11) Sir Julius, englisch-austral. Staatsmann, wurde auf der London University School und der Royal School of Mines gebildet, ging 1861 nach Neuseeland und griff dort sogleich thätig in das politische Leben der Kolonie ein, zuerst als Mitglied der Provinzialregierung von Otago, nach Vereinigung aller Provinzen als Mitglied des Kolonialministeriums. Als solches begründete er 1870 die bis in die neueste Zeit in Neuseeland befolgte Politik, wonach durch Anleihen auf dem englischen Geldmarkt die Einwanderung ins Land gezogen und die Herstellung einer großen Zahl von Verkehrsmitteln ermöglicht wurde.
Ist Neuseeland dadurch auch mit einer großen Schuldsumme belastet worden, so hat sich anderseits die Bevölkerung in wenigen Jahren verdoppelt, und der Aufschwung ist ein außerordentlicher gewesen. Der großartige Plan der Bildung eines englischen Polynesien ging ebenfalls von Vogel aus; doch billigte das englische Parlament das demselben 1874 vorgelegte Projekt der New Zealand and Polynesian Company, welches jenes Ziel erreichen wollte, nicht. Nachdem Vogel Mitglied und Führer mehrerer Ministerien gewesen, übernahm er 1876 den Posten eines Generalbevollmächtigten der neuseeländischen Regierung in London, den er bis 1881 bekleidete. Er kehrte dann nach Neuseeland zurück, wo er 1884-87 einen Ministerposten bekleidete. Auch trat er an die Spitze eines Unternehmens, welches den Bau von Eisenbahnen in Westaustralien nach dem amerikanischen System der Landbewilligungen bezweckt. Er schrieb »Official handbook of New Zealand« (Lond. 1875).
[* 97] (Aves; hierzu Tafel »Körperteile der Vögel«),
Klasse der Wirbeltiere, wird nach der neuern Klassifikation zu den Reptilien in verwandtschaftliche Beziehung gebracht und als letzter Ausläufer der Sauropsiden (s. Wirbeltiere) betrachtet. Charakteristisch für die Vögel ist das fast bei allen gut entwickelte Flugvermögen, welche durch eine Reihe von anatomischen Einrichtungen, vor allen das Hohlsein der Knochen [* 98] (s. unten), ermöglicht wird.
Die allgemeine Form des Körpers entspricht den beiden Hauptarten der Bewegung: dem Flug und dem Gehen oder Hüpfen auf dem Erdboden. Der eiförmige Rumpf stützt sich in schräger Lage auf die beiden säulenartig erhobenen hintern Extremitäten, setzt sich nach hinten und unten in einen kurzen Schwanz fort und verlängert sich nach oben und vorn in einen langen, sehr beweglichen Hals, auf welchem ein leichter, rundlicher Kopf balanciert. Die vordern Extremitäten liegen, zu Flügeln umgebildet, mit zusammengefalteten Abschnitten an den Seiten des Rumpfes [* 86] (Fig. 1). Die Haut [* 99] der Vögel erreicht nie einen bedeutenden Grad von Dicke und Festigkeit; [* 100] die charakteristischen Anhänge derselben, die Federn (s. d.), entsprechen in ihrer Bildungsweise den Haaren der Säugetiere, und wie diese eine zweifache Form zeigen, so bedecken auch bei den Vögeln kürzere, lockere Federn ohne oder mit nur sehr kurzer, weicher Spule (Dunen) die Haut unmittelbar, während die steifen, längern, die Färbung des Federkleids bedingenden Konturfedern darüber herausragen.
Die Anordnung der Federn bezeichnet man als Pterylose. Die Konturfedern stehen meist in regelmäßig geordneten Gruppen (Fluren), zwischen denen federlose oder nur mit Dunen bedeckte Züge (Raine) liegen. Selten ist die Befiederung ununterbrochen. Von Wichtigkeit ist die Stellung der Federn an den Flügeln und am Schwanz, von denen die erstern gewissermaßen als Ruder fungieren, der letztere als Steuer wirkt. Der Flügel ist ein Doppelfächer, der sich im Ellbogen- und im Handgelenk einfalten läßt und seine große Fläche zum Teil durch zwei Hautsäume, besonders aber durch die Schwungfedern (Schwingen) erhält.
Diese sind am Unterrand von Hand [* 101] (Handschwingen oder Schwingen erster Ordnung, gewöhnlich zehn) und Vorderarm (Armschwingen oder Schwingen zweiter Ordnung, in wechselnder Zahl) befestigt und werden an ihren Wurzeln noch von den mehrfachen Reihen der kleinern Deckfedern überdeckt, so daß ein vollkommener Schluß des Flügels hergestellt wird. Die Schwungfedern fehlen übrigens denjenigen Vögeln, welche ihre vordern Gliedmaßen entweder als Ruder beim Schwimmen (Pinguine) oder zur Unterstützung des Laufs (Strauße) benutzen. Den zusammengefalteten Flügel bedeckt von obenher der sogen. Schulterfittich; ¶
[* 97] Fig. 1. Gefieder des Vogels.
a Stirn - b Scheitel - c Hinterhaupt - d Zügel - e Wange - t Brust - g Bauch [* 103] - h Steiß - i Bürzel - k Steuerfedern - l Rücken - m Handschwingen - n Armschwingen - o Deckfedern - p Eckflügel - q Schulterfittich.
[* 97] Fig. 2. Fußformen der Vögel.
Halbschwimmfuß (Säbelschnäbler)
Spaltschwimmfuß (Steißfuß)
Lappenfuß (Wasserhuhn)
Wandelfuß (Fasan)
Gehefteter Fuß (Sattelstorch)
Sitzfuß (Falke)
Euderfuß (Tropikvogel)
Spaltfuß (Drossel)
Kletterfuß (Specht)
Klammerfuß (Segler)
[* 97] Fig. 3. Kopf- und Schnabelformen des Vogels.
Ibis
Sattelstorch
Klaffschnabel
Schuhschnabel
Arassari
Scherenschnabel
[* 97] Fig. 4. Darmkanal eines Vogels.
a Gallenblase, b Blinddarm.
Drüsenmagen
Afterdarm
der Büschel kleiner, vom Daumen getragener Federn am Flügelbug heißt der Eckflügel. Die großen Federn des Schwanzes (Steuerfedern, gewöhnlich zwölf) können sowohl einzeln als auch zusammen bewegt werden, fallen aber bei verkümmertem Flugvermögen gleichfalls aus. Jährlich erneuern sich die Federn durch die plötzlich oder ganz allmählich stattfindende Mauser (s. d.). Das durch letztere gebildete Winterkleid färbt sich meist im nächsten Frühjahr mit eintretender Brunstzeit noch vollkommener aus und bildet dann das Hochzeits- oder Sommerkleid.
Die meisten Vögel erhalten bereits im ersten Jahr nach ihrer Geburt ihre definitive Färbung, einige erst im zweiten Jahr. Das Jugendkleid ähnelt im allgemeinen dem der Weibchen und ist namentlich viel einfacher gefärbt. An gewissen Stellen bleibt die Haut nackt, besonders am Schnabel und an den Zehen, meist auch am Lauf, zuweilen am Hals (Geier) und selbst am Bauch (Strauß). Die nackte Haut am Schnabelgrund bleibt in größerer oder geringerer Ausdehnung [* 107] weich und bildet die sogen. Wachshaut, während sie an den Schnabelrändern gewöhnlich verhornt.
Nur wenige Vögel (Enten, [* 108] Schnepfen) haben weiche Schnabelränder, welche dann bei ihrem Reichtum an Nerven [* 109] ein sehr feines Tastorgan bilden. Fußwurzeln und Zehen, zuweilen auch die Läufe, sind mit hornigen Schuppen oder Platten bedeckt, die mitunter zu langen Schienen verwachsen sind (sogen. gestiefelter Fuß). Die Endglieder der Zehen tragen platte oder krallenartig gekrümmte Nägel. [* 110] Talg- und Schweißdrüsen fehlen den Vögeln; dagegen findet sich fast allgemein oberhalb der letzten Schwanzwirbel die Bürzel- oder Öldrüse, deren öliges Sekret besonders bei Schwimmvögeln zum Wasserdichtmachen der Federn benutzt wird.
Das Skelett [* 111] zeigt sehr charakteristische, auf das Flugvermögen bezügliche und mit der Ausbildung desselben parallel gehende Eigentümlichkeiten. Während nämlich die Knochensubstanz selbst ungemein dicht und fest ist, wird das in der Jugend vorhandene bluthaltige Mark allmählich resorbiert; die so entstehenden Hohlräume sind mit Luft erfüllt und kommunizieren mittels der Luftsäcke (s. unten) mit der Lunge. [* 112] Bei großen Vögeln mit raschem, ausdauerndem Flug sind sämtliche Knochen mit Ausnahme der Jochbeine und des Schulterblatts hohl (pneumatisch), während bei den großen Laufvögeln nur einzelne Schädelknochen Lufträume enthalten.
Ziemlich allgemein aber sind außer dem Jochbein und Schulterblatt auch der Unterschenkel und Vorderarm markhaltig und ohne Lufträume. Am Kopfe verwachsen die Schädelknochen, deren Zahl den Reptilien gegenüber bedeutend reduziert ist, sehr frühzeitig zur Bildung einer leichten und festen Schädelkapsel, welche gleich derjenigen der Reptilien mittels eines einfachen (nicht wie bei Säugetieren und Amphibien doppelten) Gelenkhöckers auf dem ersten Halswirbel ruht und nach allen Richtungen gedreht werden kann.
Die Knochen des Gesichts sind sehr eigentümlich gestaltet und vereinigen sich zur Herstellung eines weit vorragender, mit Hornrändern bekleideten Schnabels (s. unten). An der Wirbelsäule unterscheidet man einen sehr langen, beweglichen Halsteil, eine feste Rücken- und Beckenregion und einen rudimentären, nur wenig beweglichen Schwanz. Hals- und Rückengegend sind aber nicht scharf abgegrenzt, da einerseits die Halswirbel Rippenrudimente tragen und anderseits die Rippen der ersten Brustwirbel nicht bis an das Brustbein reichen.
Der Hals enthält 9, häufig mehr, bisweilen 24 Wirbel, die Zahl der kürzern Rückenwirbel schwankt zwischen 6 und 10, die vordern 4-5 sind oft miteinander verwachsen; sie tragen sämtlich Rippen, welche durch Vermittelung je eines besondern Knochens mit dem Brustbein in Verbindung stehen und eine große Erweiterung des Brustkorbes gestatten. Das Brustbein bedeckt auch einen großen Teil des Bauches und besitzt bei Vögeln mit starkem Flugvermögen einen kielförmigen Kamm zum Ansatz der kräftigen Flugmuskeln.
In der Lenden- und Kreuzbeingegend sind die zahlreichen (bis zu 23) Wirbel sowohl untereinander als mit den langen Hüftbeinen des Beckens zu einem Kreuzbein verschmolzen, zu dessen Bildung aber auch noch die letzten Rücken- und die ersten Schwanzwirbel mithelfen. Noch weiter nach hinten liegen 7-8 bewegliche Schwanzwirbel, von denen der letzte, aus einer Verschmelzung von 4-6 Wirbeln entstanden, eine senkrechte, seitlich zusammengedrückte Platte darstellt, an welche sich die Muskeln [* 113] zur Bewegung der Steuerfedern des Schwanzes anheften.
Die Verbindung des vordern Gliedmaßenpaars mit dem Brustteil des Rumpfes ist außerordentlich fest, das Schulterblatt liegt als langer, säbelförmiger Knochen auf der Rückenseite des Brustkorbes und verbindet sich vorn mit dem Rabenbein zur Bildung des Schultergelenks. Die Rabenbeine sowie die Schlüsselbeine heften sich an das Brustbein an, und zwar die erstern jedes für sich, die letztern unter Verwachsung zu einer Gabel (Furkula). Die vordere Extremität besteht aus Oberarm, Elle und Speiche sowie zwei Handwurzelknöchelchen, welchen sich ein verlängertes Mittelhandstück mit Daumen, Mittelfinger und kleinem Finger anschließt.
Der Oberarm ist in der Ruhe nach hinten, der Unterarm nach vorn gerichtet, und die Hand biegt wieder nach hinten um. Der Gürtel [* 114] der hintern Extremität bildet ein sehr lang gestrecktes, vorn offenes Becken, welches durch feste Verschmelzung sämtlicher Knochenstücke ausgezeichnet ist. Der kurze, kräftige Oberschenkelknochen ist schräg horizontal nach vorn gerichtet und meist ganz zwischen Fleisch und Federn am Bauch verborgen, so daß das Kniegelenk äußerlich nicht sichtbar wird.
Durch diese Lage des Oberschenkels wird der Unterschenkel weit nach vorn gerückt und der Fußpunkt der Schwerlinie, selbst bei ziemlich wagerechter Haltung des Rumpfes, zwischen die große von den Zehen umspannte Fußfläche gelegt. Wo die hintere Extremität hauptsächlich als Ruder dient, da ist sie weit nach hinten gerückt, und der Rumpf muß dann beim Gehen in fast senkrechter Stellung getragen werden. Von den Knochen des bei weitem längern Unterschenkels ist vom Wadenbein nur ein Rest in Gestalt eines Knochenstabes an der äußern Seite des Schienbeins vorhanden.
Mit dem Schienbein verwächst am untern Ende ein Fußknochen; der nun folgende Lauf oder Tarsus ist aus der Verwachsung der noch übrigbleibenden Tarsal- und Metatarsalknochen hervorgegangen und von sehr verschiedener Länge. Die 2-4 Zehen haben 2-5 Glieder. [* 115] Eine eigentümliche Einrichtung im Verlauf der Sehnen am Unterschenkel zieht bei der Beugung des [* 116] Kniegelenks zugleich die Zehen zusammen; infolge davon hält der Vogel während des Schlafs lediglich durch seine Schwere den Zweig, auf dem er sitzt, umklammert. Übrigens sind die hintern Gliedmaßen sehr vielgestaltig [* 106] (Fig. 2). Man unterscheidet in erster Linie die bis zur Fußbeuge befiederten Gang- und die im Bereich der Schiene teilweise oder völlig nackten Watbeine. Erstere sind entweder Klammerfüße (die vier Zehen nach vorn gerichtet), oder Kletterfüße (zwei Zehen nach vorn, zwei nach hinten), oder Wandel-, Schreit-, Sitz- und ¶