(vermooren, engl., spr. -muh-), ein
Schiff
[* 2] mit zwei
Ankern verankern, so daß diese, vom
Schiff aus gesehen,
in entgegengesetzter
Richtung liegen.
Das Vertäuen findet namentlich da Anwendung, wo in engen Gewässern
Flut und
Ebbe laufen.
Das
Schiff liegt dann bald vor seinem
Flut-, bald vor dem Ebbeanker, aber stets auf derselben
Stelle.
(Defensive,
Defension), die Wahrung und Geltendmachung der dem Angeschuldigten im
Strafverfahren
zustehenden
Rechte durch einen hierzu bestellten
Beistand
(Defensor, Verteidiger). Die deutsche Strafprozeßordnung unterscheidet
zwischen dem sogen.
Wahlverteidiger und dem notwendigen Verteidiger. Notwendig ist die in denjenigen
Sachen, welche in erster
Instanz vor das
Reichsgericht oder vor das
Schwurgericht gehören, ebenso aber auch in denjenigen Untersuchungssachen,
welche vor dem
Landgericht in erster
Instanz zu verhandeln sind, wenn der Angeschuldigte taub oder stumm ist oder das 16. Lebensjahr
noch nicht vollendet hat, oder wenn ein eigentliches
Verbrechen den Gegenstand der Untersuchung bildet und der Beschuldigte
oder sein gesetzlicher Vertreter die
Bestellung eines Verteidigers verlangt. Zu
Wahlverteidigern, die in
jeder strafrechtlichen Untersuchung zugezogen werden können, sind
Rechtsanwalte sowie Rechtslehrer an deutschen
Hochschulen,
andre
Personen dagegen nur mit
Genehmigung des
Gerichts zuzulassen.
Die Auswahl eines notwendigen Verteidigers erfolgt durch den Vorsitzenden des
Gerichts aus der Zahl der am Sitz dieses
Gerichts
wohnhaften
Rechtsanwalte; doch können auch Justizbeamte, welche nicht als
Richter angestellt sind, sowie
solche Rechtskundige, welche die vorschriftsmäßige erste
Prüfung für den Justizdienst bestanden haben, als Verteidiger
bestellt werden. Abweichend von den bisherigen Vorschriften, gestattet die deutsche Strafprozeßordnung die Zuziehung eines
Verteidigers schon im
Vorverfahren oder in der
Voruntersuchung; doch erfolgt die
Vernehmung des Angeschuldigten
in der
Voruntersuchung in
Abwesenheit des Verteidigers wie des
Staatsanwalts.
Der Verteidiger kann die Untersuchungsakten einsehen, auch mit dem verhafteten Beschuldigten mündlich und schriftlich verkehren.
Vor
Eröffnung des Hauptverfahrens müssen jedoch schriftliche Mitteilungen dem
Richter vorgelegt werden, auch kann der
Richter
bis zu diesem Zeitpunkt anordnen, daß Unterredungen des verhafteten Beschuldigten mit dem Verteidiger
eine
Gerichtsperson beiwohne. Der Verteidiger kann die Abhörung neuer
Zeugen (Entlastungs-,
Schutz-, Defensionalzeugen) und
sonstige ergänzende Maßregeln beantragen, um neue Entlastungsmomente beizubringen.
Man unterscheidet ferner zwischen
Haupt- und Nebenverteidigung. Erstere ist auf das
Endurteil selbst gerichtet; sei es, daß
sie den Belastungsbeweis zu entkräften oder einen Unschuldsbeweis zu erbringen sucht, daß sie die
That als eine straffreie oder als unter ein andres Strafgesetz fallend im
Gegensatz zu der
Anklage hinzustellen bemüht ist;
sei es, daß sie sich auf die Hervorhebung von Strafmilderungsgründen beschränkt. Die Nebenverteidigung bezieht sich auf
beschwerende Maßregeln in der
Voruntersuchung,
Untersuchungshaft
z. B.; sie richtet sich gegen die
Eröffnung des Hauptverfahrens
u. dgl. Auch in der Rechtsmittelinstanz ist die
Verteidigung zulässig. Dem amtlich zum Verteidiger bestellten
Rechtsanwalt sind für die Verteidigung die
Gebühren aus der Staatskasse zu bezahlen,
unter Vorbehalt des
Rückgriffs an den in die
Kosten verurteilten Angeschuldigten.
Vgl. Deutsche
[* 5] Strafprozeßordnung, § 137-150;
Jaques, über die Aufgabe der Verteidigung
(Wien
[* 6] 1873);
Frydmann, Handbuch der Verteidigung im
Strafverfahren (das. 1878);
Kosjek, Aus den
Papieren
eines Verteidigers
(Graz
[* 7] 1884). -
auf den
Seekarten gewöhnlich am
Rand zur bildlichen
Darstellung gebrachte Teile von Küstenstrecken,
Inseln und
Ufern weiter Flußmündungen oder
Buchten, wie sich diese von
See aus präsentieren oder vertonen.
Außer
dem
Profil der betreffenden
Küste enthalten sie die sich scharf markierenden
Punkte derselben, wie
Leuchttürme,
Baken,
[* 16] Kirchtürme,
Felsspitzen, bewaldete
Partien u. dgl.
d'Auboeuf (spr. wertoh doböff),RenéAubert de, franz. Geschichtschreiber, geb. auf
dem
Schloß Benetot in der
Normandie, trat in den
Kapuziner-, dann in den Prämonstratenserorden, ward
Prior, später
Pfarrer
bei
Rouen
[* 17] und machte sich zuerst durch die
»Histoire des révolutions de
Portugal«
[* 18] (Par. 1680 u. 1689; deutsch, Regensb.
1688) und die lebendig erzählte
»Histoire des révolutions de Suède« (Par. 1696, 2 Bde.;
neue Ausg. mit dem vorigen 1844) bekannt. Seit 1701 Mitglied der
Akademie der schönen
Wissenschaften, ließ er sich 1703 als
Sekretär
[* 19] der Herzogin von
Orléans
[* 20] zu
Paris
[* 21] nieder, wo er für die
Memoiren derselben eine
Menge historischer Abhandlungen schrieb.
Als
¶
mehr
Geschichtschreiber der Malteserritter veröffentlichte er aus deren Archiven die »Histoire des chevaliers de Malte« (Par. 1726, 4 Bde.;
1727, 9 Bde.; neue Ausg., fortgesetzt
von Bussy, 1859, 3 Bde.). Er starb Seine »Œuvres choisies« erschienen in 12 Bänden (Par. 1819-21).
(Contractus, Kontrakt), die Übereinkunft zwischen zwei oder mehreren Personen (Kontrahenten,
Paciszenten, Vertragschließenden) zur Gründung, Änderung oder Aufhebung eines Rechtsverhältnisses. Das römische Recht
unterschied den eigentlichen Kontrakt, die Knüpfung eines von beiden Seiten verbindlichen Rechtsverhältnisses in einer bestimmten
Form und mit einer ebenso bestimmten Klagformel (contractus), von der bloßen Abrede (pactum), die keine Klage begründete.
Nach heutigem Rechte dagegen versteht man unter Vertrag jedes Rechtsgeschäft, dessen Grundlage die Willenseinigung
zweier oder mehrerer Personen ist. Die einfachsten Vertragsverhältnisse sind diejenigen, welche durch eine von dem einen
Teil geschehene Leistung, z. B. durch Einhändigung einer zurückzugebenden Sache, geschlossen werden. Dies sind die sogen.
Realkontrakte, wozu z. B. das Darlehen, das Depositum, die Übergabe eines Faustpfandes etc. gehören. In
andern Fällen wird das Verhältnis durch die bloße Vereinigung der Parteien, den Konsens, klagbar (Konsensualkontrakt, contractus
consensualis).
Solche Verträge sind schon nach römischem Rechte derKauf, die Miete, die Societät, die Übernahme eines Auftrags und die
Emphyteuse oder der Erbzins. Daneben gab es noch die Verpflichtung des unbenannten Kontrakts (Innominatkontrakt),
der dadurch klagbar wurde, daß der eine Teil leistete und dadurch den andern zur versprochenen Gegenleistung verpflichtete.
Dieselbe verbindende Kraft
[* 23] hatten auch die in gewisser feierlicher Form gegebene mündliche Zusage, die Stipulation (contractus
verbalis) und die schriftliche Verpflichtung (contractus literalis oder chirographarius).
Jetzt sind alle Verträge klagbar, und selbst einseitigen Zusagen und Verabredungen ist die Wirkung der
klagbaren Verbindlichkeit beigelegt, z. B. Schenkungen, der Zusage einer Mitgift, Zinsversprechungen, der Hypothekenbestellung,
der Anerkennung einer Schuld. Befugt zur Abschließung eines Vertrags ist jede rechts- und dispositionsfähige Person. Der Gegenstand
des Vertrags muß ein physisch und rechtlich möglicher sein; zu etwas rechtlich Unmöglichem und Unsittlichem
(causa turpis) kann sich niemand rechtsgültig verpflichten Nichtig ist ferner jeder auf unbefugtem Zwang beruhende und ebenso
derjenige Vertrag, dem ein wesentlicher Irrtum zu Grunde liegt, weil in diesem Fall keine wirkliche Willenseinigung vorhanden ist.
Wie aber das Zustandekommen eines Vertrags die Willenseinigung der Kontrahenten voraussetzt, so kann
auch die Wiederaufhebung eines solchen nicht einseitig, sondern nur durch übereinstimmenden Willensakt beider Teile erfolgen.
Die Nichterfüllung des Vertrags von der einen Seite gibt jedoch dem andern Teil das Recht, auch seinerseits die Erfüllung
zu verweigern. Einseitige Verträge (contractus unilaterales) nennt man solche, welche nur für den einen
Teil Verpflichtungen erzeugen, wie das Darlehen, zweiseitige (contractus bilaterales) dagegen solche, welche für beide Teile
Verbindlichkeiten begründen, mag dieses nun schon im Wesen des Vertrags begründet, wie beim Kauf, oder durch hinzukommende
Möglichkeit bedingt sein, wie beim Leihvertrag.
Auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts sind die völkerrechtlichen Verträge
(Staatsverträge, Traktate)
von besonderer Bedeutung, wie Bündnis-, Friedens-, Handels-, Auslieferungsverträge u. dgl. Das
Recht zum Abschluß von Staatsverträgen ist ein Ausfluß
[* 24] der Souveränität und steht deshalb dem Staatsoberhaupt zu, nur daß
dasselbe in konstitutionellen Staaten in Ansehung gewisser Vertragsgegenstände an die Zustimmung der Stände geknüpft ist.
So bedürfen z. B. nach der preußischen VerfassungStaatsverträge der Zustimmung der Kammern, sofern es
Handelsverträge sind, oder wenn dadurch dem StaatLasten oder einzelnen Staatsbürgern Verpflichtungen auferlegt werden. Nach
der deutschen Reichsverfassung (Art. 11) bedürfen Verträge mit fremden Staaten zu ihrem Abschluß der Zustimmung des Bundesrats
und zu ihrer Gültigkeit der Genehmigung des Reichstags, insoweit sie sich auf solche Gegenstände beziehen,
welche nach Art. 4 in den Bereich der Reichsgesetzgebung gehören.
breite weiche Pinsel aus Dachs- oder Iltishaaren, welche dazu dienen, beim Malen die
Farben zu vertreiben, d. h. die Übergänge von der einen zur andern zu verschmelzen und
die Pinselstriche unsichtbar zu machen.
(auch Vortumnus), italischer Gott, vermochte sich in allerlei Gestalten, die sich fast immer auf
Landleben und Jahresfrüchte beziehen, zu verwandeln.
Ursprünglich wahrscheinlich der Gott der Jahreswende, ward er allmählich
zu einem Behüter der Saaten und Ernten, daher auch zum Geliebten der Pomona gemacht und mit Ceres zusammengestellt.
(franz. spr. wärw), Schwung, Begeisterung, künstlerisches Feuer. ^[= # im militärischen Sinn das Schießen aus Feuerwaffen, daher Feuerwirkung die durch die verfeuerten ...]
die durch äußere Werkzeuge
[* 25] auf mechanischem oder chemischem Weg erfolgende
Wiedergabe einer Schrift oder eines Kunstwerkes. Sie bildet den Inhalt des dem Urheber (Autor) beigelegten ausschließlichen
Rechts, des Urheberrechts, und, wenn das Vervielfältigungsrecht einem andern (dem Verleger) übertragen wird, des Verlagsrechts.
Unbefugte Vervielfältigung bildet den Thatbestand des Nachdrucks (s. Urheberrecht). Die Vervielfältigung durch die Buchdruckpresse oder auf anderm
mechanischen oder chemischen Weg ist ferner maßgebend für den Begriff der Druckschrift, indem alle erwähnten Erzeugnisse
den Vorschriften des Preßgesetzes unterliegen.
und durch einen Kanal
[* 28] mit dem Bassin der Gileppe verbunden (s. Vesdre), ist Grenzstation der Rheinisch-Belgischen Eisenbahn (LinieAachen-Lüttich), hat eine schöne neue Kirche, ein interessantes Rathaus, ein Theater
[* 29] und (1888) 47,744 Einw., welche Tuch- und
Kasimirfabrikation, Kammgarnspinnerei, Wollkratzenfabrikation, Wollfärberei, Seifensiederei, Gerberei, Metallgießerei, Maschinenbau,
Bierbrauerei,
[* 30] Vitriolsiederei betreiben. Verviers hat ein Athenäum, eine höhere Knabenschule, eine Handwerkerschule,
Lehrerseminar, öffentliche Bibliothek, Gemäldegalerie und ist Sitz eines Tribunals erster Instanz und eines Handelsgerichts.
In der Umgegend baut man viel Tuchmacherkarden und gewinnt Walkererde.
(Administration), im allgemeinen die Besorgung eigner oder fremder Angelegenheiten.
So spricht man z. B. von der Verwaltung einer Stiftung, eines Mündelvermögens, eines Landguts (s. Landwirtschaftliche Unternehmungsformen),
von der Verwaltung einer Gemeinde etc. Ganz besonders ist es aber die Staatsverwaltung (Regierung), welche als Verwaltung schlechthin bezeichnet
wird, und zwar kommt dabei der Ausdruck in weiterer und in engerer Bedeutung zur Anwendung. Indem man
nämlich unter der Bezeichnung »Gesetzgebung« die gesamte Thätigkeit des Staats zusammenfaßt, welche in dem Erlaß von allgemeinen
Vorschriften (Rechtssätzen) besteht, tritt derselben die Verwaltung (Exekutive, Exekutivgewalt, vollziehende Gewalt) gegenüber, welche
einzelne bestimmte Verhältnisse und Angelegenheiten des Staats und der Staatsbürger regelt. In diesem Sinn gehört
auch die Rechtsprechung (Justiz, Jurisdiktion, Gerichtsbarkeit) zu der Verwaltung. Der Begriff der Verwaltung wird jedoch regelmäßig enger gefaßt,
indem man gerade die Justiz und die Verwaltung einander gegenüberstellt.
Die Rechtsprechung ist Sache der Gerichte, für die Verwaltung dagegen sind besondere Verwaltungsbehörden bestellt, welch letztern
folgende Thätigkeiten zugewiesen sind: I) die auswärtige (äußere) Verwaltung, d. h.
die Regelung des Verkehrs mit andern Staaten;
2) die Finanzverwaltung, d. h. die Beschaffung der für die Erreichung der Staatszwecke
erforderlichen wirtschaftlichen Mittel;
5) die innere Verwaltung, welche Lorenz v. Stein als »die Verwendung der Macht und der Mittel des Staats für die
Förderung des Einzelnen in seinen individuellen Lebensverhältnissen« definiert. In denKreis dieser innern Verwaltungsthätigkeit
fallen folgende Gegenstände: das Gesundheitswesen;
endlich die
Verwaltung des gesellschaftlichen Lebens, des Familien-, Gesinde-, Armen- und Vereinswesens. Es ist das physische, geistige und wirtschaftliche
Leben der Nation, welches den Gegenstand der innern Verwaltung bildet, die vorzugsweise Verwaltung genannt zu werden
pflegt.
Die vollständige Trennung der Verwaltung von der Justiz wurde in Deutschland erst in der Neuzeit durchgeführt.
Früher waren es vielfach dieselben Behörden, vor welche Justiz- und Verwaltungssachen gehörten. Das
französische Gerichtsverfassungsgesetz (Décret sur l'organisation judiciaire) von 1790 nahm zuerst eine grundsätzliche
Scheidung vor. Heutzutage ist auch in Deutschland allenthalben den ordentlichen Gerichten das Privatrecht und das Strafrecht als
das Hauptgebiet ihrer Thätigkeit zugewiesen. Dazu kommt noch die sogen. freiwillige Gerichtsbarkeit, d. h. die Mitwirkung
der Gerichte bei der Begründung gewisser Rechtsverhältnisse unter Privatpersonen, und das Pflegschaftswesen.
Die vor
¶
Allerdings handelt es sich für diese nicht um bloße Privatangelegenheiten, sondern um Fragen des öffentlichen Rechts, bei
welchen nicht bloß das Privatinteresse des Beteiligten, sondern auch das öffentliche Interesse mit in Frage steht, und bei
welchen vielfach nicht nur das Recht, sondern auch die Zweckmäßigkeit zu berücksichtigen ist; so z. B.
bei der Frage, ob jemand das Recht zum Betrieb einer Schenkwirtschaft zu erteilen sei, ob jemand zum Gewerbebetrieb im Umherziehen
zugelassen werden könne u. dgl. Der moderne Rechtsstaat ist aber bemüht, durch bestimmte Rechtsvorschriften das Ermessen
der Verwaltungsbehörden mehr und mehr einzugrenzen, durch solche Verwaltungsgesetze den einzelnen Staatsbürgern
subjektive Rechte einzuräumen und ihre Pflichten gesetzlich festzustellen.
Dadurch ist der Unterschied zwischen reinen Verwaltungssachen oder Beschlußsachen und Verwaltungsstreitsachen (administrativ-kontentiöse
Sachen) entstanden, indem die erstern lediglich im Instanzenzug der Verwaltungsbehörden entschieden
werden, während die letztern vor die Verwaltungsgerichte gehören. Zur Verfolgung der erstern dient die Verwaltungsbeschwerde,
zur Verfolgung der letztern die Verwaltungsklage. Das gesetzlich geordnete Verfahren, welches vor den Verwaltungsgerichten
Platz greift, ist das Verwaltungsstreitverfahren.
[Verwaltungsgerichtsbarkeit.]
Bezüglich der Organisation derVerwaltungsrechtspflege besteht in Deutschland zwischen den süddeutschen
Staaten und Preußen
[* 37] ein wichtiger Unterschied. In Süddeutschland ist nämlich nur ein oberster Verwaltungsgerichtshof
eingesetzt, welchem die Befugnis zur Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten auf dem Gebiet des Verwaltungsrechtsübertragen
ist; in den untern Instanzen entscheiden Organe der Verwaltung. In Preußen dagegen tritt schon in mittlerer Instanz die Scheidung ein.
Nur in erster Instanz entscheiden Verwaltungsorgane, in zweiter und dritter Verwaltungsgerichte. In Baden,
[* 38] woselbst die Verwaltungsgerichtsbarkeit zuerst eingeführt ward (Gesetz vom
ergänzt durch Gesetze vom und
entscheiden in erster Instanz die Bezirksräte, zweite und letzte Instanz ist der aus fünf rechtsgelehrten Richtern bestehende
Verwaltungsgerichtshof. In Württemberg
[* 39] (Gesetz vom fungieren die Kreisregierungen als Verwaltungsgerichte
mit dem aus mindestens fünf Mitgliedern bestehenden Verwaltungsgerichtshof als Rekursinstanz. In Hessen
[* 40] (Gesetze vom und
entscheidet in erster Instanz der Kreisausschuß, in zweiter der Provinzialausschuß und in dritter Instanz
der oberste Verwaltungsgerichtshof als Revisions- und Kassationsinstanz. - In Preußen erging 1875 im Anschluß an die Kreis-
und Provinzialordnung ein Verwaltungsgerichtsgesetz mit Zusatzgesetz von 1880. Das Gesetz über die allgemeine Landesverwaltung
vom hat dann auch die Verwaltungsgerichtsbarkeit geregelt, doch sind die frühern Bestimmungen über das Oberverwaltungsgericht
in Kraft geblieben.
Letzteres bildet außerdem (und darin besteht seine hauptsächlichste Thätigkeit) die Revisionsinstanz in Ansehung der
zweitinstanzlichen Entscheidungen der Bezirksverwaltungsgerichte. Die Einheitlichkeit der Rechtsprechung im Verwaltungsstreitverfahren
wird so durch das Oberverwaltungsgericht gewahrt. Dasselbe besteht aus dem Präsidenten, den Senatspräsidenten
und den Oberverwaltungsgerichtsräten. Sämtliche Mitglieder werden auf Lebenszeit ernannt.
Sie müssen zur einen Hälfte für das Richteramt, zur andern für die höhere Verwaltung befähigt sein. Das Rechtsmittel der Revision
im Verwaltungsstreitverfahren kann nur darauf gestützt werden, daß bestehendes Recht nicht oder unrichtig
angewendet sei, oder daß das Verfahren an wesentlichen Mängeln leide. Zur Wahrung des öffentlichen Interesses kann im Verwaltungsstreitverfahren
ein obrigkeitlicher Kommissar bestellt werden. In Österreich
[* 43] (Gesetz vom ist der Verwaltungsgerichtshof lediglich
eine Kassationsinstanz, d. h. er erkennt in einer streitigen Verwaltungssache nicht selbst,
sondern er entscheidet, nachdem der Instanzenzug der Verwaltungsbehörden erschöpft ist, auf eingelegte
Beschwerde nur über die Frage, ob eineEntscheidung dem Gesetz entspricht oder nicht, indem er im letztern Fall die gesetzwidrige
Entscheidung aufhebt und eine anderweite Entscheidung anordnet, wobei aber die betreffende Verwaltungsbehörde an eben die
Rechtsanschauung gebunden ist, von welcher der Verwaltungsgerichtshof ausging. - In Frankreich besteht
zwar eine Verwaltungsgerichtsbarkeit (Jurisdiction administrative), allein diese Verwaltungsjurisdiktion (Contentieux) wird
nicht von besondern Verwaltungsgerichten, sondern von den Verwaltungsbehörden selbst ausgeübt. In England, woselbst die Trennung
zwischen Justiz und Verwaltung nicht streng durchgeführt ist, entscheidet der
¶
mehr
Friedensrichter über Streitigkeiten öffentlichrechtlicher Art ebensowohl wie über Privatrechtsstreitigkeiten. In Italien
[* 45] (Gesetz vom ist die Entscheidung von Verwaltungsstreitsachen den ordentlichen Gerichtenübertragen.
(Wohlfahrtspolizei), die Gesamtheit der polizeilichen Thätigkeit, welche im
Interesse einzelner Verwaltungszweige entwickelt wird, im Gegensatz zur Sicherheitspolizei (s. Polizei).
das gesetzlich geordnete Verfahren zum Zweck der Zwangsvollstreckung (s. d.)
in Verwaltungssachen, z. B. bei der Beitreibung von öffentlichen Abgaben, bei der Ausführung von Anordnungen der zuständigen
Verwaltungsbehörde u. dgl.
(Cognatio, Consanguinitas), das auf Zeugung, resp. Abstammung und die dadurch entstandene
Gemeinschaft desBluts sich gründende Verhältnis zwischen mehreren Personen (Verwandten). in diesem Sinn heißt im altdeutschen
RechtSippschaft. Diese durch Zeugung entstandene Verwandtschaft ist eine wahre, natürliche, leibliche (Blutsverwandtschaft, c. naturalis
s. vera), die durch Adoption (s. d.) begründete dagegen nur eine fingierte
oder sogen. bürgerliche (c. civilis s. legitima s.
legalis). Die Linie der direkten Vorfahrenverwandtschaft bezeichnet man als aufsteigende Linie (linea ascendens), und die in
ihr Stehenden heißen Aszendenten (parentes, Obersippschaft, cognatio superior); dieselbe Linie nach der Richtung¶
mehr
der Nachkommenschaft heißt absteigende Linie (linea descendens) und die in ihr Stehenden Deszendenten (liberi, Busen, Untersippschaft).
Der Ausdruck gerade Linie (linea recta) bezeichnet die Verwandtschaft derjenigen Personen, von denen die eine von der andern abstammt. Sind
Personen nicht in gerader Linie verwandt, aber von derselben dritten Person abstammend, so liegt Seitenverwandtschaft
(Kollateralverwandtschaft, cognatio in linea transversa) vor, und die so verwandten Personen sind Seitenverwandte (collaterales).
Von denselben Eltern erzeugte Blutsverwandte sind vollbürtige leibliche Geschwister (bilaterales); haben sie nur eins von
beiden Eltern gemeinschaftlich, so sind sie halbbürtige, Halb- oder Stiefgeschwister (unilaterales) und zwar Consanguinei,
wenn sie denVater, Uterini, wenn sie die Mutter gemeinschaftlich haben. Verwandte, deren Verwandtschaft auf Zeugung (durch
Männer) beruht, heißen Agnaten, in altdeutscher Sprache
[* 61] Schwertmagen; beruht die Verwandtschaft auf Geburt (durch Weiber), so heißen sie
Kognaten, altdeutsch Spillmagen.
Erstgeborne (primogeniti) sind diejenigen, vor welchen die Eltern noch keine Kinder gehabt haben; alle Nachgebornen heißen
Secundogeniti. Entferntere Verwandte, nach dem »Sachsenspiegel« von den Geschwisterkindern an, hießen
im altdeutschen RechtMagen.
[* 62] Die Seitenlinien sind entweder gleiche, wenn jede der Linien, welche in Frage kommen, gleich viele
Abstufungen hat (z. B. Geschwisterkinder sind miteinander in gleicher Linie verwandt), oder sie sind ungleiche Linien (z. B.
Neffe und Oheim sind in ungleicher Linie verwandt).
Die Nähe der Verwandtschaft bestimmt sich nach der Anzahl der Grade, die zwischen beiden Personen sind, von deren Verwandtschaft die Rede ist. Im römischen
Recht werden so viele Grade gezählt als Zeugungen (tot gradus, quot generationes), ein Grundsatz, welcher auch in dem Entwurf
eines deutschen bürgerlichen Gesetzbuchs beibehalten wurde. Hiernach sind Vater und Sohn im ersten, Großvater
und Enkel im zweiten Grad gerader Linie, Bruder und Schwester im zweiten, Oheim und Neffe im dritten Grade der Seitenlinie miteinander
verwandt.
Bei der kanonischen Verwandtschaftsberechnung (computatio graduum canonica) hat man die Entfernung des Erben, nicht vom Erblasser,
sondern vom gemeinschaftlichen Stammvater (Sipp), im Auge,
[* 63] nach der altdeutschen Rechtsregel: Je näher
dem Sipp, je näher dem Erbe. Das kanonische Recht zählt daher nur die eine Reihe, doch immer die längere, der Zeugungen bis
zum gemeinschaftlichen Stammvater, so daß Bruder und Schwester im ersten (nach römischem im zweiten), Oheim und Neffe im
zweiten (nach römischem im dritten) Grad verwandt sind. Uneheliche Kinder (s. d.) stehen rechtlich nur zur Mutter und zu deren
Verwandten, nicht aber zu ihrem Erzeuger in einem Verwandtschaftsverhältnis. Das Verhältnis des einen zu den Verwandten
des andern Ehegatten wird Schwägerschaft (s. d.) genannt. - Natürlich beruhen die hier entwickelten
Rechtsgrundsätze auf dem Begriff der Familie (s. d.), wie er in den zivilisierten Staaten maßgebend ist.
Bei zahlreichen unzivilisierten Völkerstämmen aller Erdteile wird dagegen der Vater nicht zur Familie gerechnet, und die Verwandtschaft sowie
das darauf beruhende Erbrecht gilt nur in der weiblichen Linie, so daß nicht der leibliche Vater, sondern der Mutterbruder
als der nächste Aszendent gilt und von seinem Neffen beerbt wird. Darauf gründen sich dann eigentümliche, uns sehr fremdartig
dünkende Bezeichnungen und Verwandtschaftssysteme bei den verschiedensten Völkern.
So begrüßt der junge Sandwichinsulaner
alle Groß- und Urgroßeltern, -Onkel und -Tanten als Kupuna (Ahne), sämtliche Oheime väterlicher- und mütterlicherseits
gleich dem eignen Vater als Makua Kana (d. h. Vater) und die entsprechenden weiblichen Verwandten als Makua
Waheena (d. h. Mutter). Ebenso nennt der Vater sämtliche Neffen und Großneffen brüderlicher- und schwesterlicherseits gleich
den eignen Söhnen Kaikee Kana (d. h. Sohn). Ähnliche Verwandtschaftsbezeichnungen kehren bei den verschiedensten
Naturvölkern wieder.
(Reprehensio), die Erklärung, daß die Handlungsweise dessen, dem der Verweis gegeben wird, eine fehlerhafte, ungesetzliche
gewesen sei, wogegen Zurechtweisung (Rektifikation, Rektifizierung) die Erklärung ausdrückt, daß der andre von einer irrigen
Ansicht ausgegangen sei.
Der Verweis kommt namentlich als Disziplinarstrafmittel (s. Disziplinargewalt), dagegen als
öffentliche Strafe nur ausnahmsweise zur Anwendung.
Das deutsche Strafgesetzbuch (§ 57) kennt den Verweis nur gegenüber jugendlichen
Personen unter 18 Jahren als Strafmittel und auch hier nur in besonders leichten Fällen.
auch der Gerichtsbeschluß, durch welchen eine Rechtssache von
dem unzuständigen an das zuständige Gericht verwiesen und abgegeben wird. In Schwurgerichtssachen kann
der Gerichtshof, wenn er einstimmig der Ansicht ist, daß sich die Geschwornen zum Nachteil des Angeklagten geirrt, die Sache
zur neuen Verhandlung vor das Schwurgericht der nächsten Sitzungsperiode verweisen.
kurze Bezeichnung für das preußische Gesetz vom betreffend die
Verwendung der aus dem Ertrag von Reichssteuern an Preußen zu überweisenden Geldsummen. Von dem Ertrag der Zölle und der Tabakssteuer
verbleibt nämlich (nach der sogen. Franckensteinschen Klausel) der Reichskasse nur die Summe von 130 Mill. Mk., während der
Mehrertrag an die deutschen Einzelstaaten nach Verhältnis der Kopfzahl der Bevölkerung
[* 66] zurückfließt.
Das preußische Verwendungsgesetz bestimmt nun, daß die preußische Quote zum teilweisen Erlaß der direkten Steuern in Preußen und zwar in
den untersten Steuerstufen verwendet werden soll. Weitere Verwendungsgesetze, welche 1881 und 1882 von der Regierung eingebracht
wurden, erlangten die Zustimmung des Abgeordnetenhauses nicht. Dagegen wird
¶