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einzuführen; aber bei der raschen Abnahme der noch verfügbaren für den Ackerbau geeigneten Ländereien dürfte dies nicht mehr lange dauern.
Die Viehzucht [* 2] nimmt stets größere Verhältnisse an und liefert schon jetzt einen ganz beträchtlichen Bruchteil der Ausfuhr des Landes. Rindviehzucht blüht namentlich im NO., in Texas und im fernen Westen, Pferdezucht [* 3] in Kentucky, Schweinezucht im W. und Schafzucht in allen Staaten. Für Veredelung der Haustiere, die, sämtlich von Europa [* 4] eingeführt, in Amerika [* 5] sich verschlechterten, geschieht jetzt viel, und wenn auch die amerikanische Wolle sich mit der deutschen noch nicht messen kann, so findet das frische, in künstlich gekühlten Schiffsräumen nach England geschaffte Rindfleisch stets bereite Abnehmer, und amerikanische Schinken und Pökelfleisch, Käse und selbst Butter haben ihren Weg in fast alle Teile der Welt gefunden. 1888 zählte man 13,172,936 Pferde, [* 6] 2,191,727 Maultiere, 48,934,777 Rinder, [* 7] 43,544,755 Schafe [* 8] und 44,346,525 Schweine. [* 9] In 872 Schlächtereien wurden 1880: 20 Mill. Tiere geschlachtet und verpackt, die 1608 Mill. kg Fleisch und 227 Mill. kg Schmalz lieferten. In demselben Jahr wurden auf den Farmen und in großartig angelegten Fabriken 360 Mill. kg Butter und 91 Mill. kg Käse hergestellt, und die Schafe lieferten 109 Mill. kg Wolle.
Die Holzproduktion ist trotz der Verminderung des Holzbestandes noch sehr ansehnlich. Bei der rasch vorgeschrittenen Urbarmachung des Bodens in denjenigen Staaten, wo früher die ausgedehntesten Urwälder vorhanden waren, und bei der gänzlichen Vernachlässigung der Waldkultur in den schon länger kolonisierten Staaten ist es bereits dahin gekommen, daß in einem großen Teil der Neuenglandstaaten eher Mangel als Überfluß an Holz [* 10] herrscht. Der einzige größere Wald in dem ehemals so holzreichen New York liegt in den Adirondacbergen. Wisconsin, Michigan und Minnesota zerstören sinnlos ihre Waldungen, und selbst im fernsten Westen fängt man schon an, Holzmangel zu spüren. Im J. 1880 schätzte man den Holzertrag auf 187 Mill. cbm, im J. 1888 auf 845 Mill. cbm.
Ungemein wichtig ist die Fischerei. [* 11] 1880 beschäftigte dieselbe 131,426 Menschen mit 6605 Schiffen und 44,804 Kähnen und lieferte einen Ertrag von 43 Mill. Doll. Davon kamen auf Austernfang 13,4 Mill., auf Walfischfang 2,3 Mill. und auf Robbenschlag 2,3 Mill. Doll. Diese Beträge scheinen viel zu gering zu sein, denn im J. 1886 erzielten die von New Bedford und San Francisco abgefahrenen 124 Waler einen Ertrag von 21,7 Mill. Doll.
Bergbau.
Von ungemeiner Wichtigkeit ist der Bergbau und die Gewinnung nützlicher Mineralien, [* 12] denn bereits 1880 beschäftigten Bergwerke u. Steinbrüche 250,846 Menschen, und im J. 1887 schätzte man den Wert der geförderten Metalle auf 250 Mill. Doll. und den der gewonnenen Mineralien jeder Art (einschließlich von natürlichem Gas und Mineralwässern) auf 288 Mill. Doll. (gegen 206 Mill. Doll. im J. 1880). Die Edelmetalle kommen zwar auch in den Alleghanies vor, ihren Hauptertrag aber liefern, was Gold [* 13] betrifft, Kalifornien, Colorado und Dakota, während Colorado, Utah, Nevada und Montana am reichsten an Silber sind.
Das Verhältnis im Ertrag von Gold und Silber hat sich seit 1860 total verändert, denn während 1850-59 für 555 Mill. Doll. Gold und für 550,000 Doll. Silber gefördert wurden, war der Ertrag 1860-79: 879 Mill. Doll. Gold und 422 Mill. Doll. Silber, und 1880-87 gar nur 264 Mill. Doll. Gold gegen 375 Mill. Doll. Silber. Im J. 1887 lieferten die Gruben für 33,1 Mill. Doll. Gold und 53,4 Mill. Doll. Silber. Dem Wert nach viel wichtiger sind aber Steinkohlen und Eisen. [* 14] Die Kohlenbecken der Vereinigten Staaten [* 15] bedecken 497,670 qkm und bilden drei Gruppen: eine atlantische, die namentlich die Anthracitkohlen von Pennsylvanien liefert, eine westzentrale und eine ostzentrale. Im J. 1860 betrug die Kohlenausbeute erst 17 Mill. Ton., 1870 bereits 31 Mill., 1880: 66 Mill. und 1887: 116 Mill. T. Gleiche Fortschritte machte die Produktion von Roheisen (1860: 1 Mill., 1880: 3,9 Mill., 1887: 6,4 Mill. T.).
Der Hauptertrag (fast die Hälfte) kam davon auf Pennsylvanien. Kupfer [* 16] (1887: 83,913 T.) kommt namentlich in Michigan (am Obern See), in Montana und Arizona vor;
Blei [* 17] (145,784 T.) in Colorado (Leadville) und Utah (Frisco);
Zink (45,600 T.) in Kentucky, New Jersey und Pennsylvanien;
Quecksilber (33,825 Flaschen) fast nur in Kalifornien. An andern Metallen verdienen Erwähnung Antimon und Nickel, in ganz unbedeutenden Quantitäten.
Unter den nichtmetallischen Mineralien gebührt der erste Platz nächst Steinkohlen den Bausteinen (25 Mill. Doll.) und nächst ihnen dem Kalk (23,4 Mill. Doll.). Petroleum (1887: 28 Mill. Faß) [* 18] findet man nur in New York und Pennsylvanien in erheblichen Quantitäten, und ebendort treten natürliche Brenngase zu Tage, deren Wert 1887 auf 13,6 Mill. Doll. geschätzt wird. Salz [* 19] (7,831,962 Faß) findet sich namentlich in Michigan und New York. An sonstigen Mineralien werden Zement, Phosphate, Kaolin und Thon in den Listen mit namhaften Summen aufgeführt.
Industrie.
Die Industrie hat im Lauf der letzten Zeit, allerdings teilweise infolge des Schutzzollsystems, ungeheure Fortschritte gemacht, und ihre Erzeugnisse können sich im ganzen mit denen Europas recht gut messen und übertreffen sie sogar in vielen Fällen. Hauptsitz dieser Industrie sind die nördlichen, namentlich aber die nordöstlichen Staaten. Ein Vergleich zwischen 1870 und 1880 ergibt folgendes:
1870 | 1880 | |
---|---|---|
Zahl der gewerblichen Anstalten | 252148 | 253852 |
Arbeiter | 2053996 | 2732595 |
Angelegtes Kapital (Dollar) | 2118208769 | 2790272606 |
Rohstoffe, verarbeitet für (Dollar) | 2488427243 | 3396823540 |
Arbeitslöhne (Dollar) | 775584343 | 947953795 |
Erzeugnisse (Dollar) | 4232325442 | 5369579191 |
Reingewinn des Anlagekapitals | 45.7 Proz. | 36.7 Proz. |
Diese Zahlen, mit ähnlichen für europäische Länder verglichen, geben freilich eine falsche Vorstellung von der Industrie der Vereinigten Staaten, insofern sie sich nicht nur auf den Bau von Häusern und Eisenbahnen sowie fast auf sämtliche kleine Gewerbe erstrecken, sondern auch den Wert der Rohstoffe, die mehrere Prozesse durchlaufen, zwei- und mehrmal angeben, wie z. B. Korn bei Erzeugung von Mehl, [* 20] Mehl bei Erzeugung von Backwaren. Über die Hälfte sämtlicher Erzeugnisse für das Jahr 1880 fällt auf vier Staaten: New York, Massachusetts, Pennsylvanien und Ohio. Im allgemeinen gilt, daß Pennsylvanien Hauptsitz der Eisenindustrie, Neuengland der Textil und New York der Bekleidungsindustrie ist. Neben den zahlreichen Wasserfällen arbeiteten 1880: 56,483 Dampfmaschinen [* 21] mit 2,185,458 Pferdekraft. Der durchschnittliche Arbeitslohn betrug 1860: 289 Doll., 1870: 374 Doll., 1880 aber nur 347 Doll., und da inzwischen die notwendigsten Lebensbedürfnisse infolge des Schutzzollsystems seit 1870 nicht billiger ¶
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geworden sind, so hat sich thatsächlich die Lage des Arbeiters verschlimmert, und infolgedessen ist auch Amerika von sozialkommunistischen Bewegungen nicht befreit geblieben.
In den meisten Fabrikzweigen wird Vorzügliches geleistet, und die Erfindungsgabe der Amerikaner, seit 1790 durch ein Patentgesetz aufgemuntert, hat ihrer Industrie wesentliche Dienste [* 23] geleistet, indem sie amerikanische Fabrikanten trotz der höhern Löhne in den Stand setzte, ihren europäischen Konkurrenten wenigstens in einigen Branchen die Spitze zu bieten. Rühmlich bekannt sind amerikanische Waffen, [* 24] landwirtschaftliche Geräte, Nähmaschinen [* 25] und die Produkte der Presse. [* 26]
Die 1005 Eisen- und Stahlwerkebeschäftigten 1880: 140,978 Arbeiter und produzierten 3,781,021 Ton. Roheisen und 1,058,314 T. Stahl, aber 1887 (bei 582 Hochöfen) 7,187,206 T. Roheisen und 3,258,605 T. Stahl. Auch Panzerplatten, die man früher von England bezog, werden jetzt in Pennsylvanien hergestellt. Eisengießereien und Maschinenbauwerkstätten beschäftigten 1880: 145,351 Arbeiter. Außerdem fanden Beschäftigung 34,526 Grobschmiede, 26,248 Weißschmiede, 16,801 Arbeiter in Kurzwaren, 11,319 Messing- und Kupferschmiede und 10,519 Messerschmiede.
Die 3071 Baumwoll- und Wollfabriken beschäftigten 292,894 Arbeiter, waren mit 12,710,547 Spindeln und 279,719 Webstühlen ausgestattet und lieferten Waren im Wert von 405 Mill. Doll. (Wollwaren 194 Mill.). In beiden Zweigen nimmt Massachusetts den ersten Rang ein, bei der Wollindustrie ist aber außerdem Pennsylvanien stark beteiligt. Dazu kamen 382 Seidenfabriken (31,337 Arbeiter), 470 Fabriken für gemischte Stoffe (43,373 Arbeiter), 359 Strumpfwebereien (28,875 Arbeiter), 195 Teppichfabriken (20,371 Arbeiter) und 191 Druck- und Appreturwerke (16,688 Arbeiter).
Insgesamt beschäftigten demnach die genannten Textilfabriken 433,538 Arbeiter und lieferten Waren im Wert von 606 Mill. Doll. Die chemischen Fabriken (29,520 Arbeiter, Produkte 117 Mill. Doll.) waren am zahlreichsten in New York. Was Lebensmittel und Artikel des Konsums betrifft, so waren am wichtigsten die Mahlprodukte (505 Mill. Doll.), Fleischwaren (304 Mill. Doll.), Zucker [* 27] (156 Mill. Doll.), Tabak [* 28] (117 Mill. Doll.), Bier (111 Mill. Doll. in 2191 Brauereien), Spirituosen (41 Mill. Doll.), Käse und Butter (26 Mill. Doll.), eingemachte Früchte (18 Mill. Doll.). Die von 186,005 Arbeitern, namentlich in New York, hergestellten Kleider hatten einen Wert von 242 Mill. Doll., die Schuhe von 197 Mill. Doll. Wichtig sind ferner noch folgende Industriezweige, sämtlich mit Produkten von über 25 Mill. Doll. im Wert: Säge- und Hobelmühlen (270 Mill. Doll.), Lederfabrikation (185 Mill. Doll.), Schreinerei, Druckerei, Wagenbau, Bäckerei, Möbelschreinerei, Papierfabrikation, [* 29] Schiffbau, Sattlerei, Faßbinderei, Steinmetzarbeiten, Backsteinbrennerei, Seife- und Lichtefabrikation. Geringer im Wert, aber immerhin von Bedeutung sind die Glasindustrie und der Bau von Nähmaschinen, Pianos und Orgeln.
Handel.
Wie schon oben angedeutet, hängt diese Entwickelung der Industrie innig mit dem Handelssystem, das von jeher als politische Interessenfrage behandelt wurde, zusammen. Bis zum Jahr 1846 walteten die Grundsätze des Freihandels, die dem fast nur Rohstoffe produzierenden Süden und dem Westen am vorteilhaftesten erschienen. Von da an bis 1860 hielten sich die Plantagenbauer und die Fabrikanten des Nordens so ziemlich das Gleichgewicht; [* 30] ein Vergleich zwischen ihnen kam indes zu stande, und mäßige Eingangszölle wurden eingeführt.
Als aber der Süden dem Norden [* 31] unterlegen war, benutzten die Fabrikanten des Nordens seine Ohnmacht und führten, nur mit Rücksicht auf ihre eignen Interessen, ein System des Schutzzolls ein, wie es schroffer in keinem Staate der Welt existiert. Der 1861 eingeführte Zolltarif besteuert nicht nur Manufakturwaren, sondern auch die Mehrzahl der Rohstoffe, so daß selbst manchen Zweigen der eignen Industrie, so namentlich dem Schiffbau, tiefe Wunden geschlagen wurden.
Bis 1866 ließen sich diese Schutzzölle einigermaßen durch die fast sämtlichen einheimischen Gewerben auferlegten Gewerbesteuern rechtfertigen; seit jener Zeit aber sind nur noch Tabak und Spirituosen einer Gewerbesteuer unterworfen, und es sind bloß einige Tausende von Industriellen, die den Löwenanteil des Vorteils aus denselben ziehen. Zollfrei sind nur Thee und Kaffee, Chemikalien, Früchte, Häute, Rohseide, Gummi, Zinn und einige andre unbedeutende Artikel.
Der Handel und namentlich der Binnenhandel spielt in einem Land von der Ausdehnung [* 32] der Vereinigten Staaten eine ungemein wichtige Rolle und wird gefördert durch natürliche und künstliche Verkehrswege. Zu erstern gehört der Vater der Ströme, der Mississippi, nebst einer stattlichen Reihe von Flüssen, auf denen lebhafter Verkehr stattfindet, sodann das System der Kanadischen Seen; zu letztern ein großartig entwickeltes System von Eisenbahnen und eine Reihe von Kanälen. Über den Wert der Ein- und Ausfuhr gibt die folgende Tabelle für die letzten 13 Jahre Aufschluß (Wert in Dollars):
Jahr | Einfuhr Waren | Einfuhr Gold u. Silber | Ausfuhr Waren | Ausfuhr Gold u. Silber |
---|---|---|---|---|
1875 | 533005100 | 20901000 | 513443000 | 92132000 |
1880 | 667953302 | 93034310 | 823946353 | 9347893 |
1885 | 577527329 | 43242323 | 726682946 | 24376110 |
1886 | 635436036 | 38593656 | 665964529 | 51924117 |
1887 | 692319768 | 60170792 | 703022923 | 22710340 |
1888 | 723957114 | 59337986 | 683862104 | 33195504 |
Warenein- und Ausfuhr setzten sich 1887/88 wie folgt zusammen:
Einfuhr | Dollar |
---|---|
Lebensmittel und Tiere | 220786451 |
Rohstoffe | 174270070 |
Fabrikwaren | 232920867 |
Luxusartikel | 95979726 |
Zusammen: | 723957114 |
.
Ausfuhr | Dollar |
---|---|
Landwirtschaftliche Produkte | 500840086 |
Fabrikwaren | 130300087 |
Bergbauprodukte | 17993895 |
Waldprodukte | 23991092 |
Fischereiprodukte | 5518552 |
Alles andre | 5218392 |
Zusammen: | 683862104 |
Aus dieser Zusammenstellung geht recht deutlich hervor, daß bei der Ausfuhr die landwirtschaftlichen Erzeugnisse eine hervorragende Rolle spielen, aber wenn wir auf eine Reihe von Jahren zurückgehen, dann finden wir, daß sie immer mehr von den Fabrikwaren verdrängt werden. Im J. 1880 bildeten sie noch 83 Proz. der Ausfuhr, 1887/88 aber nur 73 Proz.
Bei der Einfuhr 1887/88 spielen die wichtigste Rolle: Zucker (79,760,891 Doll.), Kaffee (60,507,630 Doll.), Eisen- und Stahlwaren (48,992,757 Doll.), Wollwaren (47,719,393 Doll.), Flachs, Hanf, Jute [* 33] und Fabrikate daraus (41,605,493 Doll.), Chemikalien (39,015,949 Doll.), Seidenwaren (33,350,999 Doll.), Häute und Pelzwerk [* 34] (30,674,683 Doll.), Baumwollwaren (28,917,799 Doll.), Früchte und Nüsse (20,502,223 Doll.), Rohseide (19,931,682 Doll.), Gummi und Guttapercha (16,067,262 Doll.), Wolle, Tabak, Holz und Holzwaren, Thee u. Juwelierwaren. ¶
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Bei der Ausfuhr amerikanischer Produkte spielt Baumwolle [* 36] (223,016,760 Doll.) die Hauptrolle. Ihr zunächst folgen Weizen und Weizenmehl (111,019,179 Doll.), Fleisch und Produkte der Milchwirtschaft (93,058,705 Doll.), Erdöl [* 37] (47,042,409 Doll.), Tabak (25,514,541 Doll.), Holz und Holzwaren (23,063,108 Doll.), Eisen- und Stahlwaren (17,763,034 Doll.), Mais (13,355,950 Doll.), Baumwollwaren (13,013,189 Doll.), Vieh (11,577,578 Doll.), Leder und Lederwaren (9,583,411 Doll.) u. Kupfer mit Kupferwaren (8,877,485 Doll.). Über die Hälfte dieses gewaltigen Handelsverkehrs wird durch New York vermittelt, und fast 90 Proz. entfallen auf die atlantischen Häfen.
Nach den Hauptländern, unter welchen England die erste Stelle einnimmt, verteilten sich Ein- und Ausfuhr (1887/88) von Waren wie folgt:
Länder | Ausfuhr Dollar | Einfuhr Dollar |
---|---|---|
England | 358238790 | 177897975 |
Deutschland | 55621264 | 78421835 |
Frankreich | 37784237 | 71365266 |
Britisch-Nordamerika | 34432059 | 43084123 |
Brasilien | 7063892 | 53710234 |
Cuba | 9724124 | 49319087 |
Belgien | 24636205 | 9836572 |
Italien | 12725887 | 18401588 |
Niederlande | 15983191 | 12356374 |
Mexiko | 9242188 | 17329889 |
Japan | 4208121 | 18621576 |
China | 4581083 | 16690589 |
Britisch-Ostindien | 3745695 | 18406293 |
Spanien | 14310459 | 5189745 |
Britisch-Westindien | 7450018 | 12550940 |
Australien | 11076053 | 5027779 |
Das große Übergewicht Englands tritt hier sehr schroff zu Tage, indem ihm 1887/88: 38 Proz. des gesamten Handelsumsatzes zufielen, während nur 9,6 auf Deutschland [* 38] und 8,2 Proz. auf Frankreich kamen. Aber noch 1875 kamen auf England 42, auf Frankreich 8,5 und auf Deutschland nur 8,2 Proz.
Verkehrsverhältnisse.
Die Handelsflotte erlebte ihre glänzendste Periode 1861. Damals war der Tonnengehalt 5,539,813, wovon 2,642,628 Ton. auf Schiffe [* 39] kamen, welche den Verkehr mit dem Ausland vermittelten. Namentlich waren es letztere, welche infolge des Bürgerkriegs und der das Meer unsicher machenden Kaperschiffe der Konföderierten litten, und 1866 war ihr Tonnengehalt auf 1,492,926 gefallen. Die Herrschaft der Schutzzölle hat dann später verhindert, daß die Amerikaner ihre Stellung zur See wiedergewannen.
Mitte 1887 bestand die Handelsflotte aus 15,735 Segelschiffen (2,170,158 T.), 5481 Dampfern (1,542,717 T.) und 1847 Kanalbooten und Kähnen (392,970 T.), zusammen 23,063 Schiffen jeder Art mit einem Gehalt von 4,105,845 T. Verteilt war diese Flotte wie folgt: atlantische Häfen 17,390 Schiffe, 2,638,000 T., pacifische Häfen 1236 Schiffe, 357,000 T.;
Binnenseen 3144 Schiffe, 784,000 T., Mississippi und andre Flüsse [* 40] 1293 Schiffe, 327,000 T. Ferner vermittelten den Verkehr mit dem Ausland 1512 Schiffe von 989,412 T., 109 Schiffe von 26,151 T. waren Waler, 19,849 Schiffe von 3,010,735 T. fanden in der Küsten- und binnenländischen Schiffahrt Beschäftigung, und 1593 Schiffe von 79,547 T. waren Fischerboote.
Unter den 31,254 Schiffen von 15,393,103 T., die 1887-88 vom Ausland einliefen, waren nur 9532 Schiffe (3,366,767 T.) amerikanische, und während 1856: 75 Proz. des gesamten Handels durch amerikanische Schiffe vermittelt wurden, war ihre Beteiligung 1888 nur 13½ Proz. Dagegen ist der Küstenhandel fast gänzlich in den Händen amerikanischer Reeder. Leuchttürme und Leuchtschiffe gab es 1888: 2226.
Die Kanäle hatten 1880 eine Länge von 4048 km, wobei die infolge des Baues von Eisenbahnen eingezogenen Kanäle in einer Länge von 3150 km nicht inbegriffen sind. Am wichtigsten unter allen diesen Kanälen ist der Eriekanal (s. d.). Der Vorschlag, den Michigansee durch einen für Schiffe von 3000 Ton. fahrbaren Kanal [* 41] mit dem Mississippi zu verbinden, ist seither noch nicht verwirklicht worden. Bei weitem wichtiger als die Kanäle sind die Eisenbahnen. Die erste Eisenbahn wurde 1827 in Massachusetts gebaut, und in jüngerer Zeit wurde ihr Bau durch Landschenkungen seitens der Regierung (76 Mill. Hektar) u. Darlehen beschleunigt (s. Pacificbahnen). Im J. 1888 waren 251,184 km Eisenbahnen im Betrieb; das in ihnen angelegte Kapital belief sich auf 9500 Mill. Doll., und sie warfen einen Reinertrag von 368 Mill. Doll. ab. Die Länge der Telegraphenleitungen schätzt man auf 300,000 km, wovon 175,800 km der mächtigen West Union Telegraph [* 42] Company gehören. Auch sämtliche Telephonleitungen (258,000 km) sind Privateigentum. Die Post hingegen ist Staatsanstalt. Es gab 1888: 57,281 Postämter, 6689 Mill. Gegenstände wurden befördert und 17 Mill. Postanweisungen ausgestellt. Wenn man weiß, daß Zeitungen innerhalb des Staats, in welchem sie erscheinen, gratis befördert werden, dann wird es nicht wundernehmen, zu hören, daß die Postbehörden 1887-88 ein Defizit von über 3 Mill. Doll. machten.
Eine Nationalbank besteht nicht, wohl aber gibt es zahlreiche sogen. Nationalbanken als Privatunternehmen, welche Noten im Betrag von 235 Mill. Doll. im Umlauf hatten. Für je 100,000 Doll. in Noten müssen 90,000 Doll. in Staatspapieren deponiert werden. Zur gleichen Zeit befanden sich im Verkehr 380 Mill. Doll. in Goldmünzen, 112 Mill. Doll. in Silbermünzen, 371 Mill. Doll. in Gold- und Silbercertifikaten und 310 Mill. Doll. in Papiergeld, zusammen also 1408 Mill. Doll. Gleichzeitig lagerten im Schatzamt für 332 Mill. Doll. Gold und für 285 Mill. Doll. Silber.
Münzeinheit ist der Dollar zu 100 Cents. 1853 wurde der Goldfuß eingeführt, und man prägte in Gold Stücke zu 1, 2½, 3, 5, 10 (eagles) und 20 (double eagles) Dollar; in Silber Stücke von 1, ½, ¼ und 1/10 (dime) Dollar; in Nickel und Kupfer Stücke von 5, 3 und 1 Cents. Der Eagle (10 Doll.) hat ein Gewicht von 16,718 g bei 9/10 Feingehalt, und sein Wert ist demnach = 41,979 Mk. deutsche Währung. Der seit 1873 geprägte Trade-Dollar (in Silber) wiegt 27,216 g bei 9/10 Feingehalt und hat bei jetzigem Preis des Goldes einen Wert von nur 4,41 Mk. in Gold.
Trotzdem ist er durch die Anfang 1878 angenommene »Silberbill« neben Gold als gesetzmäßiges Zahlungsmittel bei öffentlichen und Privatschulden anerkannt, wenn nicht vertragsmäßig die Zahlung in Gold ausbedungen ist, was bekanntlich bei Zahlung der Zinsen der Staatsschuld nicht der Fall ist. Der alte Silberdollar im Gewicht von 26,7296 g hat einen Wert von 4,33 Mk. Während der Jahre 1863 bis 1878 bestand eine Papierwährung, und 1865 erhielt man für 100 Doll. in Gold 202 Doll. in Papier (currency). Seit sind Barzahlungen wieder aufgenommen worden. Maße und Gewichte sind die altenglischen. Ein amerikanischer Fuß (foot) ist = 0,3048 m;
1 Pole (perch, rod) = 15 Fuß: 1 ¶
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1 Mile = 8 Furlongs = 1,6094 km;
1 Acre = 40,4718 Ar (1 Hektar = 2,4709 Acres);
1 Quadratmile (section) = 2,5902 qkm;
1 Township = 36 Sections = 93,247 qkm. Maß für trockne Dinge ist der Winchester Bushel, = 35,2372 Lit.;
10 Quarter = 1 Ton. Flüssigkeitsmaß ist die Gallone, = 4 Quarts = 8 Pints = 32 Gills = 3,7852 L. Einheit des Handelsgewichts ist das Pound avoirdupois, = 453,592 g, welches in 16 Unzen zu 16 Drams eingeteilt wird. 100 Pfund sind = 1 Cental;
2000 Pfd. eine Tonne.
Das Pfund Troy, = 373,246 g, wird als Münzgewicht in 12 Unzen zu 20 Pennyweights (dwts.) zu 24 Grains eingeteilt.
Staatsverfassung und Verwaltung.
Was die Grundlage der Verfassung anlangt, so kennt die Union als Land der freien Menschenrechte keine Geburtsstände, keinen Adel, keinen Bürger- und Bauernstand. Die politische Gleichberechtigung ohne Unterschied von Rasse und Bildungsgrad besteht aber erst seit Aufhebung der Sklaverei 1865 und seit Verleihung der Bürgerrechte an die Neger 1870.
Die Konstitution der Vereinigten Staaten datiert vom wurde aber 15mal Abänderungen (amendments) unterworfen, zuletzt als man den ehemaligen Sklaven das Stimmrecht verlieh. Nach derselben bilden die Vereinigten Staaten von Nordamerika [* 44] einen Bund (Union) von Freistaaten, welche bis auf bestimmte an die Bundesregierung abgetretene Rechte souverän sind und gegenwärtig alle einen entschieden demokratischen Charakter haben. Die Konstitution ordnet eine gesetzgebende, eine richterliche und eine exekutive Gewalt an. Die gesetzgebende Gewalt ist dem Kongreß der Vereinigten Staaten übertragen, welcher aus einem Senat und einem Haus der Repräsentanten besteht und sich wenigstens einmal im Jahr und zwar am ersten Montag des Dezembers (wenn nicht durch ein Gesetz ein andrer Tag bestimmt wird) am Sitz der Regierung versammeln muß.
Zum Senat sendet jeder Staat ohne Rücksicht auf seine Größe zwei Senatoren, welche von der Legislatur desselben auf 6 Jahre gewählt werden. Alle 2 Jahre wird ein Drittel des Senats neu gewählt. Um zum Senator gewählt werden zu können, muß man 30 Jahre alt, 9 Jahre Bürger der Vereinigten Staaten und zur Zeit der Wahl Einwohner des Staats sein, von welchem man gewählt wird. Der Präsident des Senats ist der Vizepräsident der Union, hat aber selbst keine Stimme, ausgenommen wenn die Stimmen gleich geteilt sind.
Die vom Präsidenten (s. unten) ernannten Staatsbeamten und die von ihm abgeschlossenen Verträge bedürfen der Bestätigung von seiten des Senats. Auch ist er ausschließlich befugt, bei Klagen über Staatsbeamte (impeachment) zu entscheiden. Wird Anklage gegen den Präsidenten der Union erhoben, so nimmt der Präsident des obersten Bundesgerichts den Vorsitz ein. Ein Angeklagter wird vor diesem Gericht nur für überführt erachtet, wenn er durch Übereinstimmung von zwei Dritteln der Mitglieder desselben verurteilt worden ist.
Der Senat kann zwar nur auf Entfernung vom Amt und auf Unfähigkeit, ein solches fortan wieder zu bekleiden, erkennen; doch kann der Überführte außerdem noch zur weitern Prozedur und Bestrafung den gewöhnlichen Gerichten übergeben werden. Das Repräsentantenhaus besteht seit 1880 aus 325 Mitgliedern, die von den einzelnen Staaten auf 2 Jahre gewählt werden. Die Repräsentanten werden im Verhältnis zur stimmberechtigten Bevölkerung [* 45] auf die verschiedenen Staaten verteilt, und vor dem Bürgerkrieg wurden drei Fünftel der Sklaven derselben in den Südstaaten zugezählt.
Die einmal gesetzlich bestimmte Zahl von Repräsentanten wird nur überschritten, wenn nach geschehener Verteilung derselben neue Staaten in die Union aufgenommen werden; die Überzahl wird jedoch nach dem nächsten Zensus wieder ausgeglichen. Die Territorien sind nur durch Delegierte (delegates) vertreten, welche zwar mit beraten können, aber keine Stimme haben. Um zum Repräsentanten gewählt werden zu können, muß man 25 Jahre alt, 7 Jahre Bürger der Vereinigten Staaten gewesen und zur Zeit der Wahl in dem betreffenden Staat ansässig sein.
Senatoren und Repräsentanten erhalten seit 1874 einen Jahrgehalt von 5000 Doll. und außerdem Reisespesen. Keiner von ihnen darf während seiner Wahlperiode von der Unionsregierung zu einem Staatsamt berufen werden, welches in dieser Zeit neu errichtet und höher dotiert worden ist. Auch kann kein Beamter der Unionsregierung zugleich Senator und Repräsentant sein. Die Sitzungen beider Häuser sind öffentlich; doch ist die Öffentlichkeit nur herkömmlich, nicht durch die Verfassung ausgesprochen.
Alle Gesetzentwürfe (bills) zur Erhebung von Staatseinkünften müssen von dem Haus der Repräsentanten ausgehen; doch kann der Senat, wie bei andern Gesetzentwürfen, Amendements dazu machen oder zu denselben mitwirken. Ein Gesetzentwurf, welcher in beiden Häusern genehmigt ist, wird dem Präsidenten zugeschickt; er kann ihn genehmigen, oder er sendet ihn, mit seinen Einwendungen und Gegenbemerkungen versehen, dem Haus zurück, von welchem er ausging, und wo er nochmals in Erwägung gezogen wird; stimmen dann in beiden Häusern je zwei Drittel für den Entwurf, so erhält er ohne weiteres Gesetzeskraft.
Dasselbe gilt von Anträgen, gegen welche der Präsident nicht binnen zehn Tagen seine Einwendungen dem Haus übermacht. Der Kongreß legt Abgaben, Gefälle, Steuern und Zölle auf, bezahlt Schulden und sorgt für die Landesverteidigung, macht Anleihen, regelt den Handel, gibt Gesetze über Naturalisation und Bankrott, prägt Geld, bestimmt für die ganze Union einheitliches Maß und Gewicht, errichtet Postämter, legt Poststraßen an, sichert Patente auf Erfindungen, setzt Gerichte ein zur Bestrafung von Seeraub und Verletzungen des Völkerrechts, erklärt Krieg, stellt Briefe für Kaper, über Repressalien und Prisen aus, errichtet und erhält Land- und Seemacht, fordert die Miliz ein zur Aufrechterhaltung der Gesetze der Union, zur Unterdrückung von Aufständen und zur Abwehr feindlicher Einfälle, hat die ausschließliche Gerichtsbarkeit über den Bundesbezirk und erläßt Gesetze, welche nötig sind, um alle diese Befugnisse zu handhaben.
Die Habeaskorpusakte soll nach der Bundesverfassung nur im Krieg und bei Aufstand suspendiert werden;
kein Gesetz kann Güterkonfiskation oder Verlust der bürgerlichen Rechte bestimmen, auch keins rückwirkende Kraft [* 46] haben;
aus dem Staatsschatz soll kein Geld entnommen werden, außer infolge der gesetzlich gemachten Bestimmungen zur Verwendung, und von Zeit zu Zeit soll regelmäßige Rechnung über Einnahme und Ausgabe der öffentlichen Gelder gelegt werden;
kein Adelstitel soll von den Vereinigten Staaten verliehen werden;
niemand, der in ihnen ein besoldetes oder ein Ehrenamt bekleidet, soll ohne Bewilligung des Kongresses irgend ein Geschenk, eine Vergütung, ein Amt oder einen Titel von irgend einem König, Fürsten oder fremden Staat annehmen;
die Union garantiert jedem Einzelstaat eine republikanische ¶
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Regierungsform und schützt jeden derselben gegen feindlichen Einfall und einheimische Gewaltthätigkeit auf Ansuchen der Legislatur oder der vollziehenden Gewalt. Die vollziehende Gewalt hat der Präsident, der sein Amt vier Jahre bekleidet, aber nach jedesmaligem Ablauf [* 48] seiner Amtsdauer wieder gewählt werden kann. Das Wahlverfahren ist folgendes: In jedem einzelnen Staat werden in einer von der resp. Gesetzgebung zu bestimmenden Art von dem Volk Wahlmänner ernannt, deren Zahl sich so hoch beläuft wie die Anzahl der Senatoren und Repräsentanten zusammengenommen, welche der Staat in den Kongreß nach Washington [* 49] sendet.
Diese Wahlmänner, welche überall von sämtlichen stimmfähigen Bürgern ernannt werden, wählen den Präsidenten und Vizepräsidenten und stimmen durch Wahlzettel (ballots) ab. Das Resultat der Wahl wird von den Einzelstaaten dem Präsidenten des Senats nach Washington gesandt, der in öffentlicher Sitzung beider Häuser die Wahlurkunden entsiegelt und die Stimmen zählt. Hat keiner unter den Kandidaten die erforderliche Mehrheit, so wählt das Repräsentantenhaus durch Stimmzettel den Präsidenten aus den drei Kandidaten, welche die höchste Stimmenzahl haben.
Bei dieser Wahl hat die Repräsentation jedes Staats nur Eine Stimme. Vizepräsident wird der, welcher die Majorität der Wähler hat; in Ermangelung einer solchen wählt der Senat ihn unter den beiden Kandidaten, welche die meisten Stimmen erhielten. Um zum Präsidenten oder Vizepräsidenten gewählt werden zu können, muß man 35 Jahre alt und geborner Bürger der Vereinigten Staaten sein. Der Präsident hat als Amtswohnung das »weiße Haus« zu Washington und bezieht 50,000 Doll. jährliche Besoldung; der Vizepräsident hat 8000 Doll. Gehalt.
Der Präsident kann nicht Krieg erklären oder Frieden schließen, denn dieses Recht ist dem Kongreß vorbehalten;
er darf Verträge mit andern Staaten nur dann genehmigen, wenn zwei Drittel des Senats ihre Zustimmung geben;
auch hat der Senat die vom Präsidenten ernannten Beamten zu bestätigen und kann Ernennungen verwerfen;
zugleich ist, wie bemerkt, das Veto des Präsidenten ein beschränktes.
Aber er ist höchster Befehlshaber der Land- und Seemacht, vertritt den Bundesstaat nach außen hin und übt außerdem eine Menge wichtiger Befugnisse.
Was die Staatsverwaltung betrifft, so stehen dem Präsidenten sieben von ihm ernannte Staatsbeamte zur Seite, welche eine Art Ministerium bilden, das indes vollständig von ihm abhängig ist. Ein Secretary of State besorgt die auswärtigen Angelegenheiten und veröffentlicht die vom Kongreß erlassenen Gesetze. Ein Secretary of the treasury befaßt sich mit den Finanzen des Bundes. Sekretäre für Armee und Flotte stehen der Wehrkraft vor. Ein Sekretär [* 50] des Innern beaufsichtigt das Patentwesen, den Landverkauf, die Indianerangelegenheiten, das Pensionswesen, die Bergwerke, den Ackerbau und die Volkszählungen. Ein Postmaster general steht dem Postwesen, ein Attorney general dem Gerichtswesen vor. Jeder dieser Minister bezieht einen Gehalt von 8000 Doll.
[Rechtspflege.]
Die Gerichtsverfassung zerfällt in diejenige für die ganze Union und die der einzelnen Staaten. Für die Gerichtsverfassung der Union ist der leitende Chef der Generalstaatsanwalt, der zugleich als rechtskundiger Beistand des Präsidenten und der Departementschefs Rechtsansprüche etc. prüft und die Rechtsstreitigkeiten führt, bei denen die Regierung beteiligt ist. Ihm stehen 3 Assistentstaatsanwalte zur Seite. Das Gericht zur Aburteilung von Staatsverbrechen Unionsbeamter ist der Senat (s. oben).
Das oberste Bundesgericht (Supreme Court of the United States) besteht aus einem Oberrichter (chief justice, Gehalt 10,500 Doll.) und 8 beigeordneten Richtern (associate justices, Gehalt 10,000 Doll.) und hält jährlich eine Sitzung in Washington, gleichzeitig mit der regelmäßigen Session des Kongresses. Die Richter werden vom Präsidenten und Senat auf Lebenszeit ernannt und können nur vom Kongreß angeklagt und ihrer Stellen entsetzt werden. Dies gilt auch für alle Richter der Unionsgerichte.
Als Gerichte mittlerer Instanz gelten die Kreisgerichte (circuit courts) für 9 Gerichtskreise, in welche sich jährlich zweimal ein Richter des obersten Gerichtshofs begibt, um mit dem stets im Kreis [* 51] wohnenden Kreisrichter Gericht zu halten. Bezirksgerichte (district courts), bestehend aus einem Einzelrichter, dem ein Staatsanwalt und Vereinigte Staaten-Marschall zur Seite stehen, bestehen in jedem Staat eins, in den größern Staaten aber zwei oder drei. Jedes Territorium hat eine eigne Unionsgerichtsbehörde (einen Oberrichter, 2 associate justices, einen Staatsanwalt, einen Vereinigte Staaten-Marschall).
Endlich besteht noch ein Beschwerdenhof (court of claims), der über Ansprüche und Beschwerden gegen die Regierung entscheidet und aus 5 Richtern, sämtlich in Washington, gebildet ist. Die richterliche Gewalt der Unionsgerichte erstreckt sich nach der Konstitution auf alle Prozesse des Rechts und der Billigkeit, welche unter dieser Konstitution stehen;
auf die Gesetze der Vereinigten Staaten und auf Verträge, welche unter ihrer Autorität abgeschlossen sind;
auf alle die Gesandten, andre öffentliche Minister und Konsuln betreffenden Rechtsfälle;
auf alle die Admiralität und Seegerichtsbarkeit betreffenden Rechtsfälle zwischen zwei und mehr Staaten, in denen die Vereinigten Staaten eine Partei sind;
auf Rechtsfälle zwischen einem Staat und einem Bürger eines andern Staate;
auf solche zwischen Bürgern verschiedener Staaten;
auf solche zwischen Bürgern eines und desselben Staats, welche auf Landbewilligungen andrer Staaten Anspruch machen;
auf solche zwischen einem Staat oder Bürgern desselben Staats und fremden Staaten, Bürgern oder Unterthanen.
Für Gesandte, öffentliche Minister und Konsuln ist der Supreme Court erste Instanz, in allen andern vorher erwähnten Fällen Appellhof, ausgenommen in Fällen von Klagen gegen Beamte, wo alsdann die Untersuchung von Verbrechen vor Geschwornen und zwar in dem Staat stattfinden soll, wo die Verbrechen begangen sind. Sind sie nicht innerhalb eines Staats begangen, so bestimmt der Kongreß den Ort der Untersuchung durch Gesetz. Die Gerichtsverfassung der Staaten unterscheidet sich von der der Union namentlich dadurch, daß die Richter nicht von der Regierung auf Lebenszeit und pflichtmäßiges Verhalten hin angestellt, sondern von den vom Volk erwählten Gouverneuren oder vom Volk direkt auf 4-12 Jahre ernannt oder gewählt werden. Die Beamtung als Richter wird dadurch zur politischen Parteifrage. Fähigkeit entscheidet weniger als der Partei geleistete Dienste, und vom Gewählten erwartet man, daß er sich erkenntlich zeigt. Ganz ähnlich ist das Verfahren bei Ernennung der Staats- und Gemeindebeamten. Fast der ganze Beamtenstand wird entlassen, wenn eine andre Partei ans Ruder kommt. Daß unter diesem System der Staatssäckel leiden muß, liegt auf der Hand, [* 52] und weder die ¶
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Volksvertreter im Kongreß noch die Beamten genießen den Ruf der Ehrenhaftigkeit. Korruption herrscht bis in die höchsten Regierungskreise. Ein dem öffentlichen Wohl zuträglicheres Verfahren bei Ernennung von Beamten wurde jüngst versuchsweise eingeführt.
[Finanzen.]
Die Finanzen der Union befinden sich trotz der während des Bürgerkriegs entstandenen ungeheuern (übrigens schon bedeutend geminderten) Schuld in blühendstem Zustand. Es betrugen:
Jahr | Einnahmen | Ausgaben | Unionsschuld (inkl. Papiergeld) |
---|---|---|---|
1840 | 25032193 | 28226533 | 5125077 |
1850 | 47649388 | 44604718 | 64228238 |
1860 | 76841407 | 77055127 | 64769703 |
1866 | 1273960212 | 1141072666 | 2783425879 |
1870 | 696729873 | 309653560 | 2386358579 |
1880 | 333526610 | 267642958 | 1942172295 |
Die Abrechnung für das Finanzjahr 1887/88 und der Voranschlag für 1888/89 ergaben folgendes:
Einnahmen: | 1887/88 Dollar | 1888/89 Dollar |
---|---|---|
Zölle | 219091174 | 217000000 |
Innere Steuern (Accise) | 124296872 | 125000000 |
Verkauf von Staatsländereien | 11202017 | 10500000 |
Bankabgaben | 1748567 | 1500000 |
Münze | 9387634 | 9500000 |
Strafgelder, Gebühren etc. | 4530897 | 4150000 |
Pacificbahnen | 1852028 | 2000000 |
Distrikt Columbia | 2650350 | 2750000 |
Verschiedenes | 4506534 | 4600000 |
Zusammen: | 379266074 | 377000000 |
Ausgaben: | ||
Zivilverwaltung | 68674147 | 79250000 |
Indianer | 6249308 | 6250000 |
Pensionen | 80288509 | 77000000 |
Heer | 38522436 | 44000000 |
Flotte | 16926438 | 21000000 |
Distrikt Columbia | 4278114 | 4500000 |
Zinsen der Staatsschuld | 44715007 | 41000000 |
Zusammen: | 259653959 | 273000000 |
Innere Steuern werden erhoben von Tabak, Spirituosen, gegornen Getränken und Oleomargarin. Am war die Staatsschuld auf 1,134,062,257 Doll. gefallen, einschließlich von 731,697,759 unverzinslichem Papiergeld. Früher wurde die Staatsschuld mit 6 Proz. verzinst, jetzt begnügen sich die Gläubiger des Staats mit 3-4½ Proz. Eingeschlossen in der Staatsschuld sind 66 Mill. Doll. für vom Staat garantierte Anleihen der Pacificbahnen. Über die Finanzen der einzelnen Staaten erfahren wir aus dem Zensus (1880), daß sie Steuern erhoben im Betrag von 52 Mill. Doll. und eine Schuldenlast von 234,438,761 Doll. trugen. Dazu kamen für die Grafschaften und Gemeinden 261 Mill. Doll. Steuern und 822 Mill. Doll. Schulden. Im J. 1887 waren die Schulden der Einzelstaaten auf 230 Mill. Doll. gefallen, allerdings teilweise infolge von Repudiationen.
Heerwesen, Kriegsflotte, Wappen, Flagge.
Das stehende Heer der Vereinigten Staaten hatte bei Ausbruch des Bürgerkriegs 1861 eine Stärke [* 54] von kaum 20,000 Mann. Aber zwischen und wurden 2,656,553 Miliztruppen aufgerufen und außerdem 178,975 Neger angeworben, so daß nicht weniger als 1,000,516 Mann unter den Waffen standen, von denen 43,000 Mann aus regulärem Militär, der Rest aus Milizen bestand. Die Ergänzung der letztern geschah anfangs nur durch Freiwillige, bis 1863 zum erstenmal eine Aushebung angeordnet wurde, zunächst mit dem Rechte des Loskaufs, wofür man jedoch 1864 die Stellvertretung einführte.
Nach Beendigung des Kriegs kehrte man ungesäumt zu dem frühern Friedensstand zurück. Jetzt (1888) besteht die stehende Armee aus 10 Regimentern Reiterei, 25 Regimentern Fußvolk, 5 Regimentern Artillerie (60 Batterien) und einem Bataillon Ingenieurtruppen mit zusammen 2171 Offizieren und 26,270 geworbenen Leuten, die sich verbindlich machen, 5 Jahre zu dienen. 2 Regimenter Reiterei und 2 Regimenter Fußvolk sind aus Farbigen gebildet. Die Offiziere werden auf der 1802 gegründeten Militärakademie zu West Point herangebildet.
Neben der regulären Bundesarmee besteht in den einzelnen Staaten eine Miliz, in welche mit gewissen Ausnahmen jeder waffenfähige Bürger vom 18.-45. Jahr eingereiht werden kann. Wirklich organisiert sind aber nur 105,106 Mann einschließlich von 7839 Offizieren. Eingeteilt wird das Land in 3 Territorialdivisionen, mit den Hauptquartieren in New York, Chicago und San Francisco. Eigentliche Festungen gibt es nicht, wohl aber werden einige der Hafenstädte durch Forts und Batterien verteidigt, und in den noch von Indianern bewohnten Gegenden sind Forts zahlreich.
Die Flotte, die 1864 aus 671 Schiffen mit 4610 Kanonen und einer Bemannung von 51,000 Mann bestand, war im Lauf der Zeit so herabgekommen, daß 1885 der Marineminister behaupten konnte, sie besäße kein einziges Schiff, [* 55] das im stande sein würde, gegen eine Flottenmacht ersten Ranges den Kampf aufzunehmen. Mitte 1887 bestand dieselbe aus 79 Schiffen (davon 17 mit Panzer versehen, 34 Schraubendampfer, 12 Schleppdampfer, 12 Segelschiffe und 4 Depotschiffe), von denen übrigens die Mehrzahl gerade nur diensttauglich war.
Seit 1885 aber hat man nicht nur den Bau leistungsfähiger Kriegsschiffe in Angriff genommen, man hat auch mit Erfolg das Land, was Stahl u. dgl. betrifft, von England unabhängig gemacht. Im August 1889 waren 17 Schiffe im Bau, und für 10 Schiffe waren vom Kongreß die Mittel bewilligt. Die wirklich kriegstüchtige Flotte wird nach Vollendung dieser Schiffe folgenden Stand haben: 10 Panzerschiffe [* 56] (ein Kreuzer von 7500 Ton., 2 Schiffe mit Doppeltürmen von 6000 T., 6 Monitoren von 3000-6060 T. und ein Schiff für Küstenverteidigung von 4000 T.), 14 Kreuzer (davon 8 von über 3000 T. und einer Schnelligkeit von mindestens 19 Knoten in der Stunde), 6 Kanonenboote (800-1700 T.), 2 Schiffe mit Dynamitgeschützen, ein Torpedoboot, ein Widderschiff, ein Aviso und ein Schulschiff, zusammen 36 Schiffe.
Bemannt war die Flotte 1888 mit 551 Seeoffizieren, 426 Kadetten, 159 Ärzten, 382 Beamten, 7500 Matrosen und 750 Schiffsjungen. Außerdem zählte das Marinekorps 80 Offiziere und 2000 Mann. Die Kriegsarsenale sind in Portsmouth, [* 57] Charlestown, Brooklyn, League Island [* 58] (Philadelphia) [* 59] und Washington; Werften für Reparaturen in New London, Norfolk, Pensacola u. San Francisco (Mare Island). Abgesehen von Alaska haben die Vereinigten Staaten keine Kolonien, sie würden aber kaum einem europäischen Staat gestatten, sich auf amerikanischem Boden neue Kolonien zu erwerben oder zu erobern.
Das Wappen [* 60] der Union (s. Tafel »Wappen II«) [* 61] besteht aus einem schwarzen Adler, [* 62] der in der einen Klaue [* 63] ein Bündel Pfeile, in der andern einen Ölzweig hält, und dessen Brust ein in zwei Felder geteilter Schild [* 64] bildet, dessen oberes Feld blau ist, und dessen unteres silbernes Feld sechs senkrechte rote Balken durchschneiden. Der Adler hält im Schnabel ¶