vertrat, daß er sich den
Namen des »Sprechministers« erwarb. Im
Januar 1881 wurde er zum
Präsidenten des
Reichsgerichts ernannt.
Seinen juristischen
Ruf begründete er durch das
»System des österreichischen allgemeinen
Privatrechts« (Bd. 1 u.
2, Leipz. 1856-59, 4. Aufl. 1876; Bd.
6, 1864, 3. Aufl. 1879),
ein Werk, welches zu den bedeutendsten
Erscheinungen der juristischen Litteratur
zählt und in der
Entwickelung der österreichischen
JurisprudenzEpoche gemacht hat. Außerdem nennen wir von ihm: »Die
Ehe
in ihrer welthistorischen
Entwickelung«
(Wien
[* 2] 1850);
»Über die wissenschaftliche Behandlung des österreichischen gemeinen
Privatrechts« (das. 1853);
Mit seinem Ministerkollegen
Glaser begründete
er die »Sammlung von zivilrechtlichen
Entscheidungen des k. k. obersten
Gerichtshofs«
(Wien 1859 ff., 2. Aufl. 1873 ff.).
Durch diese Vorarbeiten eignete er sich eine so große Gewandtheit in der Handhabung der
Radiernadel an, daß er die
Kunst der
Radierung in
Deutschland
[* 12] neu belebte und zahlreiche Nachfolger und
Schüler fand. Den
Winter von 1871 bis 1872 brachte
er in
Holland zu, wo die
Blätter zur
»FransHals-Galerie« (mit
Text von
Vosmaer) entstanden. Von da ab entfaltete er eine sehr
umfangreiche Thätigkeit, welche sich auch auf
Nachbildungen von Gemälden moderner
Künstler erstreckte.
(altd.), s. v. w. Missethat
oder
Verbrechen. ^[= # (Delikt, lat. Crimen, Delictum), im allgemeinen jede widerrechtliche Handlung, welche mit öffentlic ...]
Alexander,
Freiherr von, Romanschriftsteller, geb. auf dem väterlichen
Gut Noistfer bei
Reval,
[* 13] sollte sich dem
Studium der
Rechte widmen, folgte aber seiner
Neigung zur
Poesie und lebte seit 1830 in
Deutschland, wo
er sich nach wechselndem Aufenthalt später bleibend in
Dresden
[* 14] niederließ. Er starb zu Dannenwalde
in
Mecklenburg-Strelitz. Ungern-Sternberg hat in einer langen
Reihe von
Romanen und
Novellen, immer aber mit hervorstechender Frivolität,
die verschiedenartigsten
Stoffe behandelt. Die Rokokozeit ist die eigentliche
Domäne seines
Talents. Der romanhafte
Inhalt dieser
Novellen (z. B.
»St.
Sylvan«, Frankf. 1839; »Die gelbe Gräfin«, Berl.
1840) ist dürftig, die künstlerische
Komposition schwach, die
Charakteristik oft oberflächlich; aber
der kulturhistorische
Hintergrund ist treu und sicher gezeichnet so namentlich in »Berühmte deutsche
Frauen des 18.
Jahrhunderts« (das. 1848). Zu dem
Besten, was Ungern-Sternberg schrieb, gehören die
Erzählungen: »Galathee« (Stuttg. 1836)
und
»Psyche« (Frankf. 1838, 2 Bde.) Als der
soziale Tendenzroman
Mode wurde, trat er mit »Diane« (Berl. 1842, 3 Bde.)
und
»Paul«
(Hannover 1845, 3 Bde.) hervor, ohne es freilich zur rechten
ethischen und psychologischen Tiefe zu bringen.
Letzteres Werk hatte zugleich die Absicht, für eine Reorganisation des
AdelsPropaganda zu machen, und diese
Tendenz bewirkte 1848 des
Verfassers
Anstellung als Mitarbeiter am
Feuilleton der »Kreuzzeitung«.
Da aber seine »Neupreußischen Zeitbilder«
(Brem. 1848-49, 2 Bde.) wenig Beifall fanden, ließ er die
Politik fallen und suchte durch die
Erfindung von Pikantem auf frivolem Gebiet zu gefallen, so namentlich in den
»BraunenMärchen«
(das. 1850, 4. Aufl. 1875) und in den
»Rittern von
Marienburg«
[* 15] (Leipz. 1853, 3 Bde.).
Die »Erinnerungsblätter« (Leipz. 1855-60, 6 Bde.)
erzählen des Verfassers Lebensgeschichte. Viel Fesselndes enthält die
»DresdenerGalerie« (Leipz. 1857-58, 2 Bde.),
große Landschaft in Äquatorialafrika, südlich vom Ukerewe, östlich vom Tanganjika,
vom 4.° südl. Br. durchzogen, nach Speke nicht viel kleiner als England, liegt zum großen Teil auf dem 1000-1200 m hohen
Tafelland, welches die Wasserscheide zwischen Ukerewe, Tanganjika und Lufidschi bildet. Nach N. dacht es sich zum Ukerewe ab, dessen
Südrand noch in seine Grenzen
[* 33] fällt; hier umschließt es die ungemein fruchtbaren Landschaften von Usabi
und Uhindi. Dieser nördliche Teil wird von den Bewohnern Usukuma (Mitternachtsland) nannt, im Gegensatz zu dem südlichen
Utakama (Mittagsland).
Das Land ist im allgemeinen eins der fruchtbarsten und bevölkertsten im äquatorialen Osten. Zugleich ist es durch die Kreuzung
der nach dem Tanganjika und dem Ukerewe führenden und bei der Missionsstation Tabora sich spaltenden Karawanenwege
das belebteste und wichtigste Handelsland im Innern Ostafrikas. Das Land stand früher unter einem Herrscher, ist aber im
Lauf seiner neuesten Geschichte in eine Anzahl von Kleinstaaten zerfallen. Die Bewohner, die Waniamwesi, sind dunkler
von Farbe als ihre Nachbarn, schlagen die untern Schneidezähne aus und splittern eine dreieckige Lücke
zwischen die zwei innern Schneidezähne der obern Reihe, tragen schwere Kupferringe um die Arme, rauchen und trinken stark,
bauen aber ihr Land gut an, weben auf eignen Webstühlen, schmelzen Eisen
[* 34] und sind als Händler oder Träger
[* 35] überall zwischen
Sansibar
[* 36] und Udschidschi anzutreffen. Seitdem sich Araber zahlreich unter ihnen niedergelassen haben, sind
sie verarmt, einzelne haben sich aber, wie jene, eifrig dem Sklaven- und Elfenbeinhandel gewidmet und es teilweise zu großem
Wohlstand gebracht. S. Karte bei Artikel »Congo«.
Auf kirchlichem Gebiet bezeichnet Union die Vereinigung verschiedener Religions- oder Konfessionsparteien
zu Einer Gemeinde oder Kirche. Der Trieb nach Beseitigung der kirchlichen Spaltungen zieht sich (unter stetiger Berufung auf
Joh.
10, 16;. 17, 21-23;
Eph. 4, 3-6). durch die ganze Geschichte der Kirche hindurch. Während aber die katholische Kirche bei ihren
Attributen der Einheit, Allgemeinheit und Untrüglichkeit eine Union nur durch das Aufgehen aller andern Kirchenparteien in ihrer
Gemeinschaft erstreben kann, erlaubt die evangelische Kirche bei ihrer prinzipiell freiern Stellung zum Dogma, zu der kirchlichen
Verfassung und zu den gottesdienstlichen Einrichtungen eine Vereinigung zweier oder mehrerer Kirchenparteien innerhalb
eines gewissen gemeinsamen Rahmens von Glaubensanschauungen und Kultuseinrichtungen unter einheitlichem
Kirchenregiment.
Die ältesten Unionsversuche bezweckten Vereinigung der griechisch- und römisch-katholischen Kirchen und sind meist von den
griechischen Kaisern aus politischen Rücksichten ausgegangen. Schon die Verhandlungen auf der Synode zu Lyon
[* 47] 1274 führten dazu,
daß die Griechen den Primat des römischen Bischofs anerkannten; die Kirchenversammlung von Konstantinopel
[* 48] 1285 nahm
aber alle Konzessionen wieder zurück. Denselben Mißerfolg erntete seit 1439 das Florentiner Konzil
[* 49] (s. d.), so daß die Zahl
der »unierten Griechen« (s. d.)
eine sehr geringe blieb. Dagegen gelang die Union der Katholiken mit den Maroniten (s. d.) und einem Teil der armenischen Kirche
(s. d.). Neuerdings haben die sogen.
Altkatholiken (s. d.) wieder den Gedanken einer Union der christlichen Kirchen, zunächst der beiden großen katholischen, ins
Auge
[* 50] gefaßt, und etliche Gelehrte vereinigten sich im August 1875 zu Bonn
[* 51] über das Dogma vom Ausgang des HeiligenGeistes. - Noch
entschiedener scheiterten die Unionsversuche mit den Protestanten zunächst auf allen Reichstagen im Reformationszeitalter,
dann bei verschiedenen Religionsgesprächen (s. d.) zwischen den Katholiken und Evangelischen. Ebenso erfolglos blieben auch
die Unionsvorschläge von Staphylus, Wicel¶
Aber die von Zwingli dargereichte Bruderhand stieß Luther von sich, und als nachher Melanchthon und seine Schüler an der Vereinigung
fortarbeiteten, unterlagen sie dem Vorwurf des Kryptocalvinismus (s. d.).
Nur vorübergehend hielt der 1570 geschlossene Vertrag von Sendomir vor (s. Dissidenten). Das zwischen sächsischen, hessischen
und brandenburgischen Theologen 1631 zu Leipzig gehaltene Religionsgespräch sowie auch das zu Kassel
[* 56] 1661, welches der LandgrafWilhelm V. zwischen den reformierten Theologen der UniversitätMarburg und den lutherischen zu Rinteln angeordnet
hatte, bewiesen zwar die Möglichkeit einer Ausgleichung, und hervorragende Theologen, wie lutherischerseits Calixtus und
reformierterseits Duräus, setzten die ganze Arbeit ihres Lebens für eine solche ein.
Aber der dogmatische Zelotismus zerstörte beständig die gemachten Ansätze. Aus Gründen der Politik sahen sich die reformierten,
aber über ein lutherisches Volk herrschenden Hohenzollern auf den Gedanken der Union der beiden evangelischen
Konfessionen
[* 57] hingewiesen. Friedrich I. von Preußen veranstaltete 1703 eine Unterredung lutherischer und reformierter Theologen
in Berlin
[* 58] (Collegium caritativum), allein die Errichtung einiger Unionskirchen und der Waisenhäuser zu Berlin und Königsberg,
[* 59] in welchen sowohl ein lutherischer als auch ein reformierter Geistlicher unterrichten und das Abendmahl
zugleich austeilen mußten, hatte ebensowenig den Fortgang der Vereinigung zur Folge als der zur Einführung der englischen
Liturgie 1706 promulgierte Entwurf.
Als später König FriedrichWilhelm I. sich bemühte, durch das Corpus Evangelicorum 1719 eine Union zu stande zu bringen, fanden
die von den Tübinger Theologen Klemm und Pfaff proponierten 15 Unionsartikel so wenig Beifall,
daß die
Konsistorien zu Dresden und Gotha
[* 60] bei dem Reichstag zu Regensburg
[* 61] nachdrücklich dagegen protestierten. Zwar wurde hierauf von
FriedrichWilhelm I. die Union wenigstens in seinem Reich realisiert, indem er selbst der calvinistischen Prädestinationslehre
entsagte, dagegen die Annahme des reformierten Kultus forderte; aber schon Friedrich II. gab 1740 seinem
Lande die alte Freiheit mit dem alten Kultus wieder zurück.
Das Reformationsjubiläum von 1817 gab der Union einen neuen Anlaß. In Preußen, wo Konsistorien und Universitäten schon seit
Jahren beiden Konfessionen gemein waren, konnte die kirchenregimentliche Union ohne Schwierigkeiten vollzogen werden.
Der König erließ eine die Übereinstimmung der Lutheraner und Reformierten im wesentlichen der Lehre voraussetzende
Aufforderung an die Geistlichkeit, die Union zu fördern. Dieselbe wurde nunmehr auch 30. und 31. Okt. zu Berlin und Potsdam
[* 62] durch
gemeinschaftliche Abendmahlsfeier vollzogen.
Gleichwohl lehnte ein Erlaß von 1853 ausdrücklich jede Absicht einer Störung der Union ab und ordnete zugleich an, daß der
altlutherische Ritus beim Abendmahl nur auf gemeinschaftlichen Antrag des Geistlichen und der Gemeinde gestattet sein sollte; 1857 ward
derselbe noch von der Genehmigung der Konsistorien abhängig gemacht. Eine 1856 auf Befehl des Königs
zusammen tretende, aus 40 Vertrauensmännern bestehende Konferenz sprach sich gegen eine bekenntnislose Union aus.
Der Name der Union selbst aber ward durch einen königlichen Erlaß vom für die alten ProvinzenPreußens
[* 67] festgehalten.
Vgl. Hering, Geschichte der kirchlichen Unionsversuche (Leipz. 1836-1838, 2 Bde.);
Nitzsch, Urkundenbuch der evangelischen Union (Bonn 1853);
Fonsecabai und am Fuß des Vulkans von Conchaqua ^[richtig: Conchagua], in bewaldeter Gegend, mit vorzüglichem Hafen, lebhaftem
Handel und (1878) 2112 Einw.
(Tokelau), eine nördlich von den Samoainseln, zu beiden Seiten des 10. Breitengrades liegende Gruppe von
vier Inseln: Oatafu, Nukunono, Fakaafo und Olosenga, zusammen 14 qkm (0,25
QM.) mit 514 Einw. Wegen ihrer Guanolager sind sie von den Nordamerikanern
besetzt.
(ital.), das Zusammenklingen zweier Töne von gleicher Tonhöhe oder das Verhältnis der reinen Prime (Intervall),
wenn es von zwei verschiedenen Stimmen ausgeführt wird;
l' (spr. lüniwähr), ultramontane PariserZeitung, 1833 von den AbbésMigne und Gerbert begründet, 1860-67
unterdrückt, hat seit dem TodLouisVeuillots (s. d.), der das Blatt
[* 83] seit 1843 leitete, seinen frühern
Einfluß fast gänzlich verloren.
(Universalisten, lat.), Sekte in Nordamerika, besonders in New York, welche die Ewigkeit der Höllenstrafen
leugnet, eine natürliche Religion bekennt, die Befolgung der Sitten und Staatsgesetze als höchste Pflicht
aufstellt und daher durch Unsittlichkeit gebrandmarkte Mitglieder ausschließt.
(lat.), in der Sprache der Scholastik die Gattungsbegriffe, welche entweder nach Art der PlatonischenIdeen
als vor den Dingen seiend (Universalia ante res), oder nach Art der AristotelischenEntelechien als den Dingen innewohnend (Universalia in rebus),
oder nach Art der von der Sprache ausgehenden Benennungen als nach den Dingen kommend (Universalia post res) aufgefaßt
wurden, woraus der Streit der sogen. Realisten und Nominalisten (Konzeptualisten) entsprang.
ein monarchisches (von einem Einzelherrscher regiertes) Staatswesen, welches
die ganze zivilisierte Welt unter seinem Oberhaupt vereinigen sollte, wie dies unter den römischen Kaisern der Fall war.
Als erster Meridian (Nullmeridian) wurde der von Greenwich festgesetzt; der Welttag soll der mittlere Sonnentag
sein, sein Anfang soll aber nicht, der astronomischen Rechnung entsprechend, auf den Mittag des Meridians von Greenwich fallen,
sondern, dem Gebrauch des bürgerlichen Lebens entsprechend, auf die Mitternacht. Derselbe soll in 24 gleiche Stunden zerfallen,
die von 0 bis 24 zu zählen sind. Diese Universalzeit ist nicht für das bürgerliche Leben bestimmt,
für welche vielmehr die Ortszeit im Gebrauch bleibt. Vgl. Zeitdifferenz.
(lat., »Gesamtheiten«,
d. h. wissenschaftliche Hochschulen), diejenigen öffentlichen Anstalten, auf denen die Wissenschaften
vollständig und in systematischer Ordnung gelehrt, auch die höchsten wissenschaftlichen (akademischen) Würden (Grade) erteilt
werden. Der lateinische NameUniversitas bezeichnete ursprünglich nur die mit gewissen Rechten ausgestattete Körperschaft der
Lehrer und Schüler (universitäten magistrorum et scholarium); erst allmählich wurden auch die Lehranstalten als solche
(sonst: studium, studium generale) Universitäten genannt und nachträglich dieser Name auf den die Gesamtheit der
Wissenschaften umfassenden Lehrplan der Hochschulen gedeutet.
Unmittelbarer schlossen die ersten Universitäten sich an die alten Kloster- und Domschulen an, unter denen schon seit dem 8. und 9. Jahrh.
einzelne, wie z. B. Tours,
[* 96] St. Gallen, Fulda,
[* 97] Lüttich,
[* 98] Paris, als scholae publicae von auswärts zahlreiche
Schüleran sich gezogen hatten. Demgemäß erscheinen die Universitäten bis ins 15. Jahrh.
ausschließlich als kirchliche Anstalten, die sich an ein Domkapitel, Kollegiatstift u. dgl. anzuschließen
und auf Ausstattung mit kirchlichen Pfründen zu stützen pflegen.
Die Universität zu Paris wurde Ausgangspunkt und Muster für fast alle abendländischen Universitäten, besonders die englischen, unter
denen Oxford
[* 100] durch eine Auswanderung aus Paris unter der Königin Blanka von Kastilien (1226-36) mindestens erst zu höherer Bedeutung
gelangte, und die deutschen. Eine mit besondern staatlichen und kirchlichen Privilegien ausgestattete
Körperschaft bildeten freilich schon früher die Juristen in Bologna. Als die Bedeutung derartiger gelehrter Körperschaften
für das geistige Leben der Völker wuchs, nahmen die Päpste die Schutzherrschaft über die neuen Anstalten in Anspruch und
dehnten den besondern Gerichtsstand, welchen die Kirche für ihre Angehörigen besaß, auch auf die weltlichen
Universitätsgenossen aus. - Die innere Organisation der Universitäten war auf die Verschiedenheit der Nationalitäten gegründet, wobei
sich die kleinern an eine der größern anschlossen. So entstand in Paris die Einteilung in vier Nationen: Gallikaner (zu denen
sich auch Italiener, Spanier, Griechen und Morgenländer hielten), Picarden, Normannen und Engländer (welche
auch die Deutschen und übrigen Nordländer zu sich zählten).
Die Bakkalarien wurden von den einzelnen Magistern ernannt; der Grad eines Lizentiaten wurde nach einer Prüfung durch die Fakultätsmeister
von seiten der Kanzler oder Bischöfe erteilt, die aber zuletzt bloß ihre Bestätigung gaben. Nur die Magister hatten das uneingeschränkte
Recht, als Lehrer ihrer Fakultät aufzutreten. Sie hießen auch oft Doktoren. In Deutschland ernannten (promovierten,
krëierten) die drei alten oder obern FakultätenDoktoren, die der freien KünsteMagister. Die Promotionen fanden meistens unter
festlichem Gepränge statt; als Zeichen der Würde wurde dem Promotus der Doktorhut überreicht. - Ein drittes für die mittelalterliche
Verfassung der Universitäten wichtiges Institut waren die
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mehr
Kollegien oder Kollegiaturen, ursprünglich kirchliche Anstalten, in welchen Studierende freien Unterhalt, Lehre und Beaufsichtigung
fanden. Eins der ersten Universitätskollegien war die berühmte PariserSorbonne (s. d.), gegründet um 1250 von Robert de Sorbon,
KaplanLudwigs IX. Den öffentlichen Kollegien traten, wo sie dem Bedürfnis nicht genügten, auch private Unternehmen ähnlicher
Art zur Seite, die auf Beiträge der Insassen begründet und von einzelnen Universitätslehrern geleitet
waren. Solche Bursen (bursae, davon Burschen) waren vorzugsweise in Deutschland verbreitet. Das Kollegienwesen entwickelte
sich am reichsten in Frankreich und England, wo auch der Unterricht zumeist in die Kollegien sich zurückzog. Gegenwärtig bezeichnet
man an deutschen Universitäten die Vorlesungen der Lehrer als Kollegien, ohne dabei an die geschichtliche Herkunft
dieser Bezeichnung zu denken. - Neben dem festern Kern jener Bursen und Kollegien bevölkerten die Universitäten des Mittelalters die sogen.
fahrenden Schüler, eine bunt gemischte, wandernde Gesellschaft, in welcher die verschiedensten Alters- und Bildungsstufen zusammentrafen
(s. Vaganten). In ihrem Schoß bildeten sich zuerst in rohen Umrissen die Anfänge der studentischen Sitten
heraus, die sich teilweise bis heute erhalten haben; so die Gewalt der ältern Studenten (Bacchanten) über die jüngern (Schützen,
Füchse).
Das Reformationsjahrhundert brachte eine Reihe neuer Universitäten, welche bestimmungsgemäß evangelischen (lutherischen oder calvinischen)
Charakter hatten, so: Marburg (1527), Königsberg (1544), Jena (1558), Helmstädt (1575), Gießen
[* 114] (1607), Rinteln
(1619), Straßburg
[* 115] (1621). Eine eigentümliche Mittelform zwischen Universitäten und sogen.
lateinischen Schulen (Gymnasien) bildeten in jener Zeit die akademischen Gymnasien oder gymnasia illustria, die von FreienStädten (Straßburg 1537, Hamburg
[* 116] 1610, Altdorf-Nürnberg 1578) und kleinern Landesfürsten (Herborn 1584 etc.) begründet wurden,
um dem Auswandern der Landeskinder vorzubeugen.
Mehrere dieser akademischen Gymnasien, wie Straßburg (1621), Altdorf (1623), Herborn (1654), entwickelten sich später zu wirklichen
Hochschulen. Während im protestantischen Norden
[* 117] die Universitäten im allmählichen Übergang Staatsanstalten mit einer gewissen korporativen
Selbständigkeit wurden, blieben die neuen jesuitischen Universitäten, wie Würzburg
[* 118] (1582), Graz
[* 119] (1586), Salzburg
[* 120] (1623), Bamberg
[* 121] (1648),
Innsbruck
[* 122] (1672), Breslau (1702), nach deren Muster auch mehrere der schon bestehenden katholischen Universitäten umgestaltet
wurden, dem ältern Typus im wesentlichen treu. - Auf den protestantischen Universitäten beginnt in dieser Periode die eigentliche Geschichte
des deutschen Burschentums.
Thätige Teilnahme der Studierenden an der Verwaltung der Universitäten fand nicht mehr statt; die Wahl junger studierender
Fürsten zu Rektoren war
bloße Form, da die wirklichen Geschäfte von Prorektoren, die aus der Zahl der Professoren erwählt
waren, geführt wurden. Statt dessen bildete die Studentenschaft für sich eine Art von Verfassung heraus, die ihre Grundzüge
teils aus dem mittelalterlichen Herkommen, teils aus den öffentlichen Zuständen der Zeit entnahm. Das
Landsknechtwesen, die fortwährenden Feldzüge, namentlich der Dreißigjährige Krieg, nährten auf den Hochschulen einen Geist
der Ungebundenheit, welcher das in seinen letzten Ausläufern noch an die Gegenwart heranreichende Unwesen des Pennalismus
(s. d.) erzeugte.
Auch kam damals an den deutschen Universitäten das Duell auf, indem die Studierenden sich mehr und mehr als geschlossener
Stand fühlten, in dem der Begriff der Standesehre Geltung gewann. Auf manchen Universitäten gab es daneben noch Nationalkollegia als eine
von den akademischen Behörden angeordnete oder geduldete Einteilung der Studentenschaft. Zum Teil in Verbindung hiermit, zum
Teil aber auch selbständig entwickelten sich nun die Landsmannschaften, welche zu Ende des 17. und das
ganze 18. Jahrh. hindurch das studentische Leben der deutschen Universitäten beherrschten.
Als förmliche Verbindungen mit besondern Statuten, Vorstehern (Senioren) und Kassen erlangten sie bald das Übergewicht über
die keiner Verbindung angehörigen Studierenden (Finken, Kamele,
[* 123] Wilde, Obskuranten etc.), maßten sich die öffentliche Vertretung
der Studierenden und damit zugleich eine gewisse Gerichtsbarkeit über dieselben an. Über die Ehrensachen
wie über die studentischen Gelage etc. wurden feste Regeln aufgestellt, welche man unter dem NamenKomment zusammenfaßte.
Der Druck, den die Landsmannschaften auf die Nichtverbindungsstudenten ausübten, war oft sehr hart. Viele der Wilden schlossen
sich den Verbindungen als sogen. Renoncen (Konkneipanten) an, welche sich bloß unter den Schutz der Verbindung
stellten, eine Abgabe zahlten und den Komment anerkannten. Die höchste Instanz für jede Universität bildete der Seniorenkonvent,
der namentlich den Verruf gegen Philister, d. h. Bürger, oder auch gegen Studenten auszusprechen und das öffentliche Auftreten
der Studentenschaft zu ordnen hatte. - Ebenso fällt in diese Zeit (von 1500 bis 1650) die Entwickelung
des akademischen Lehrkörpers zu der im wesentlichen noch heute geltenden Verfassung.
Danach bilden die ordentlichen Professoren (professores publici ordinarii) als vollberechtigte Mitglieder der vier Fakultäten
den akademischen (großen) Senat. Aus ihrer Mitte wählen im jährlichen Wechsel die ordentlichen Professoren
der einzelnen Fakultäten (ordines) die vier Dekane und sämtliche ordentliche Professoren den Rector magnificus, der an einigen
Universitäten auch Prorektor heißt, indem der Landesherr oder ein andrer Fürst als Rector magnificentissimus gilt.
Außerhalb des Senats stehen die außerordentlichen Professoren (professores publici extraordinarii), welche meist kleinere
Gehalte vom Staat beziehen, und die Privatdozenten (privatim docentes), welche nur die Erlaubnis (veniam
docendi), nicht aber die amtliche Pflicht, zu lehren, haben. Der Senat, dem der Staat einen ständigen juristischen Beamten
als Universitätsrichter (Universitätsrat) oder Syndikus beigibt, ist Verwaltungs- und Disziplinarbehörde der Universität
und übt seine Rechte, abgesehen von den Plenarsitzungen, entweder durch den Rektor und die Dekane oder auch
durch einzelne Ausschüsse aus. Der Rektor und die Dekane bilden, meist mit einigen gewählten Beisitzern, den engern oder kleinern
Senat.
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