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Nonnenkloster, (1881) 11,373 Einw., Seminar, Lehrerpräparandie, kath. Obergymnasium, Bibliothek, Waiseninstitut, Bezirksgericht, Oberforstamt, Mineralquelle und Porzellanerdegruben.
Nonnenkloster, (1881) 11,373 Einw., Seminar, Lehrerpräparandie, kath. Obergymnasium, Bibliothek, Waiseninstitut, Bezirksgericht, Oberforstamt, Mineralquelle und Porzellanerdegruben.
(Formosabai), weite, offene Bucht an der Küste Ostafrikas, am Nordende des Sansibar [* 2] zugehörigen Küstenstrichs, im N. von Witu begrenzt, in der Tiefe derselben mündet der Tanafluß.
Die Ungamabai bietet selbst für größere Seeschiffe bis nahe am Land guten Ankergrund und ist ein Stationspunkt der britischen gegen den Sklavenhandel in Ostafrika kreuzenden Fahrzeuge;
1867 wurden die an ihr liegenden Ortschaften von den Galla zerstört.
(Magyar-Óvár), Markt im ungar. Komitat Wieselburg, an der Leitha und der Kleinen Donau, Sitz des Komitats und Hauptort einer Domäne des Erzherzogs Albrecht, hat 2 Klöster, (1881) 3427 Einw. (meist Deutsche), [* 3] eine landwirtschaftliche Akademie, Musterlandwirtschaft, Bierbrauerei, [* 4] Dampfmühle und Bezirksgericht.
Stadt in Mähren, [* 5] an der Eisenbahn Brünn-Vlarapaß, Sitz einer Bezirkshauptmannschaft und eines Bezirksgerichts, an der Olsawa, mit Mauern und Graben umgeben, hat einen Dominikanerkonvent, ein fürstlich Kaunitzsches Schloß, eine Zuckerfabrik und (1880) 4435 Einw. (646 Juden).
Litteratur. Die Litteratur der Ungarn [* 6] ist eine verhältnismäßig sehr junge. Ihre ununterbrochene Existenz und Entwickelung erstreckt sich kaum über einen Zeitraum von 110 Jahren; sie datiert eigentlich erst vom Jahr 1772, und ihre Geschichte bis zu diesem Jahr läßt sich in wenige Bemerkungen zusammenfassen. Als die Magyaren um 894 aus der südrussischen Ebene in Ungarn einbrachen, waren sie ein barbarisches Nomadenvolk ohne jegliche Litteratur, mit Ausnahme jener Lieder und Heldensagen, deren auch der wildeste Stamm nicht völlig entbehrt.
Allein auch als sie in Ungarn seßhaft geworden waren, sich zum Christentum bekehrt und aus Deutschland, [* 7] Byzanz und Italien [* 8] eine ziemlich ansehnliche Kultur erhalten hatten, regte sich in ihnen noch wenig schöpferische litterarische Neigung. Alles, was von dem magyarischen Schrifttum bis zum 16. Jahrh., also binnen sieben Jahrhunderten des europäischen Daseins der Magyaren, auf uns gekommen ist, beschränkt sich auf eine »Grabrede« (»Halotti beszéd«, das älteste Sprachdenkmal der Magyaren, aus dem Ende des 12. oder dem Anfang des 13. Jahrh.),
auf ein Marienlied, auf ein Gebet aus dem 13. Jahrh., ein »Leben der heil. Margarete« (Tochter des Arpadenkönigs Bela IV.), eine verifizierte Biographie der heil. Katharina von Alexandria (mutmaßlich eine Übersetzung) und einige fragmentarische Bibelübersetzungen und Schriften theologischen Inhalts. Aus dem Ende des 14. oder dem Anfang des 15. Jahrh. stammt das älteste historische Lied über die »Geschichte der Eroberung Pannoniens durch die Magyaren«. Einen blühenden Aufschwung nahm die magyarische Litteratur während der Reformationszeit. Im 16. Jahrh. treten uns auch zum erstenmal zwei etwas deutlicher individualisierte Poetenphysiognomien entgegen: die des Sebastian Tinódy (Geburtsjahr unsicher, starb um 1559), eines fahrenden Sängers, dessen Lieder Reimchroniken der Kämpfe Ungarns gegen die Türken bilden, und des Barons Valentin Balassa (1551-94), der über den Verfall Ungarns klagte, und dessen Gedichte, namentlich die jüngst entdeckten lyrischen »Blumengedichte«, Feuer und Leidenschaft, Reichtum an Phantasie und Gewandtheit der Sprache [* 9] bekunden. In demselben Jahrhundert gelangte die romantische Dichtung, die im Westen bereits ausgelebt hatte und gerade durch die unsterbliche Satire des Cervantes für ewige Zeiten eingesargt worden war, nach Ungarn, das so spät eine ganze Reihe von Romanen und Gedichten entstehen sah, in welchen die alten Ritter und Abenteuergeschichten des frühen Mittelalters zu einem wunderlich anachronistischen verspäteten Dasein wiedererwachten.
Diese Litteratur, teils Nachahmung, teils Übersetzung ohne jeden Wert, ohne jede Originalität und ohne das geringste nationale Eigengepräge, war quantitativ nicht unansehnlich (»Geschichte der Gismunda«, von Georg Enyedi; »König Voltér und Griseldis« von Peter Istvánfi; »König Argirus und die Feenjungfrau« von Albert Gergei; »Schöne Geschichte von der Freundschaft zweier edler Jünglinge«, von Kaspar Veres; »Die schöne Magellone« und »Fortunatus«, beide von Heltai [?] und zahlreiche andre), und ihre einzelnen Werke erhielten sich zum Teil bis in die Gegenwart als Volksbücher, die in schlechten, billigen Drucken auf allen Jahrmärkten feilgeboten werden.
Bemerkenswert ist endlich die Originaldichtung des Peter Ilosway über den halbhistorischen magyarischen Riesen und Volkshelden »Niklas Toldi« (1574) und die »Geschichte von Szilágyi und Hajmási« (1571), der ebenfalls ein historisches Faktum zu Grunde liegt. Das 17. Jahrh. produzierte den ersten namhaften Kunstdichter Ungarns, den Grafen Nikolaus Zrinyi (1616-64),
den Enkel des heldenmütigen Verteidigers von Szigetvár, dessen Hauptwerk, ein Epos in 15 Gesängen, »Obsidio Szigetiana« betitelt, die Verherrlichung der Waffenthat seines Ahns zum Gegenstand hat. Das Gedicht, das sich bemüht, Tassos »Befreites Jerusalem« [* 10] nachzuahmen, zeigt trotz seiner rohen, keiner Nüancierung fähigen Sprache dennoch an vielen Stellen Kraft [* 11] und Schwung. Zeitgenossen Zrinyis waren Baron Ladislaus Liszti (geboren um 1630, Todesjahr unbekannt),
der ein Epos: »Cladis Mohachina«, und Stephan Gyöngyösi (1620-1700),
der das Gedicht »Die Venus von Murány« schrieb, beides Werke, welche (wie das ihnen zum Muster dienende Heldengedicht Zrinyis) Episoden aus der ungarischen Geschichte jener Zeit in oft banaler und handwerksmäßiger Weise behandeln. Neben diesen Dichtungen brachte das 17. Jahrh. zahlreiche theologische Streitschriften hervor, unter welchen die Werke des Gegenreformators Pazmány (s. d.) die weitaus bedeutendsten sind. So gelangen wir ins 18. Jahrh. Damals war es um das Geistesleben des magyarischen Stammes traurig bestellt; die Türkenherrschaft, erst 1699 endgültig beseitigt, hatte das Land als Einöde und in tiefster Barbarei zurückgelassen.
Die wenigen Schulen, die diesen Namen verdienten, waren ausschließlich in den Händen der Geistlichkeit. Die Sprache der Verwaltung, der Rechtspflege, des Unterrichts war die lateinische, die Umgangssprache der höhern und mittlern Klassen die deutsche oder französische. Das magyarische Idiom besaß weder eine wissenschaftliche noch eine schöngeistige Litteratur; dennoch gab es auch in dieser Zeit einige nennenswerte Dichter und Schriftsteller in ungarischer Sprache.
So den namhaften Lyriker Franz Faludi (1704-79), den Kirchenliederdichter Paul v. Ráday (1677-1733), den Sänger weltlicher Lieder Baron Ladislaus Amadé (1703-64) u. a. Auch blühte in dieser Zeit das magyarische Schuldrama. Allerdings übten diese litterarischen Erzeugnisse nur geringen Einfluß auf die breitern Schichten der Gesellschaft. Da erfolgte von andrer Seite ein kräftiger Reformversuch. Die Kaiserin Maria Theresia gründete (1760) die ungarische adlige Leibgarde, ¶
begabte junge Magyaren kamen als Gardisten nach Wien [* 13] und mit einer höhern Kultur in Berührung, sie lernten die Bildung und die Litteraturen des Westens kennen und empfanden erst angesichts dieser glänzenden Beispiele die tiefe geistige Erniedrigung, in die ihr Volksstamm gesunken war. Sie schämten sich ihrer Barbarei und beschlossen, die Regeneratoren ihres Volkes zu werden. Die Gardisten thaten sich zusammen und schufen in klarer, bestimmter Absicht eine magyarische Schriftsprache und eine magyarische Nationallitteratur.
Allerdings gab es unter diesen Gardisten keine wahren poetischen Talente; sie schrieben nicht, um einem dichterischen, sondern um einem patriotisch-politischen Drang zu genügen, und sie beschränkten sich der Mehrzahl nach darauf, die berühmtern Werke alter und neuerer fremder Schriftsteller in magyarischer Sprache mehr oder minder glücklich nachzuahmen. Die nennenswertesten unter diesen verdienstvollen Gardisten, welche die Gründer der modernen magyarischen Litteratur wurden, sind Georg Bessenyei (1752-1811), Abraham Barcsay (1742-1806), Alexander Baróczy (1737-1809) u. a. Früh teilten sich die Gardisten und ihre Gesinnungsgenossen außer der Garde in drei Schulen.
Die französische (Bessenyei, Barcsay, Anyos, Graf Joseph Teleki, Jos. Péczeli, Baróczy) ahmte Voltaire, Racine, Wieland etc. nach; die klassische (David Baróti Szabó, Nikolaus Révai, Joseph Rajnis, Ben. Virág) hielt sich an das Muster der Alten, und nur die volkstümliche (A. Dugonics, A. Palóci Horváth, Graf J. Gvadányi) machte den schüchternen Versuch, national und selbständig zu sein. Den ersten Bahnbrechern folgte eine Schriftstellergeneration, deren Hervorbringungen bereits wesentlich höher stehen.
Joseph Kármán (1771-98) schrieb seinen sentimentalen Roman »Fannys Hinterlassenschaft«, der Aufsehen erregte; Michael Csokonai (1773-1805) dichtete das komische Epos »Dorothea«, die Satire »Froschmäusekrieg«, einige Lustspiele, die Anlauf [* 14] zur Selbständigkeit nahmen, besonders aber lyrische Verse, welche im Munde des Volkes noch heute leben; endlich trat Alexander Kisfaludy (1772-1844) auf, dessen Sammlung lyrischer Gedichte: »Himfys Liebe«, für Ungarn epochemachend wurde, insofern hier zum erstenmal die pedantische konventionelle Schulpoesie verlassen und neben vielem Schwulst und Unnatürlichkeit manchmal doch der Ton wahren Gefühls angeschlagen wird.
Von großem Einfluß auf die weitere Entwickelung der ungarischen Litteratur war Franz Kazinczy (1759-1831) und sein Kreis. [* 15] Kazinczy, wenig bedeutend als Poet, that sich als Reformator der noch wenig ausgebildeten magyarischen Sprache hervor. Die gleiche Richtung (Entwickelung, Veredelung und Bereicherung des magyarischen Idioms) befolgten der Odendichter Daniel Berzsenyi (1776-1836), der Lyriker M. Vitkovics (1778-1829), der Dramenübersetzer G. Döbrentei (1786-1851), der Dramendichter Karl Kisfaludy (1788-1830), der eigentliche Begründer des magyarischen Kunstdramas, und der Ependichter Andreas Horváth (1778-1839). Was diese Schriftstellergruppe (den sogen. Kazinczyschen Kreis) sowie deren Zeitgenossen Kölcsey, Andr. Fáy, Joseph Katona u. a. charakterisiert, das ist der nahezu ausschließlich patriotische Inhalt ihrer Werke; der einzige Stoff, den sie in allen Dichtungsarten behandeln, ist ihr Vaterland, dessen glorreiche Vergangenheit, dessen betrübende Gegenwart und herrliche Zukunft. Noch heute hat sich die magyarische Litteratur von diesem durch die politischen Verhältnisse der Zeit erklärten und gerechtfertigten engen Stoffkreis nicht gänzlich loszuringen vermocht, und noch immer selten sind bis zu diesem Tag die magyarischen Werke geblieben, die sich von beschränktem Nationalismus zu freier allgemeiner Menschlichkeit emporheben.
Im 19. Jahrh. nimmt die u. L. einen kräftigen Aufschwung. Zu den bedeutendsten Leistungen derselben gehört die Tragödie »Bánk Bán« von Joseph Katona (1792-1830), welche bis heute noch als das hervorragendste dramatische Kunstwerk der Magyaren gilt. Großen Ruhm erwarb sich ferner Michael Vörösmarty (1800-1855),
den manche den größten Dichter Ungarns nennen, mit dem Epos »Zaláns Flucht« (1824), während von seinen zahlreichen Dramen, poetischen Erzählungen und lyrischen Gedichten nur die letztern höhern Wert besitzen. Im allgemeinen ist Vörösmarty mehr Rhetor als Dichter, seine Stärke [* 16] ist die Deklamation. Gregor Czuczor, Joseph Bajza, Johann Garay, Alex. Vachott (1818-61) sind andere Epiker und Lyriker dieser Periode, deren bedeutendster Dichter indes Alexander Petöfi ist (1823-1849). Petöfi, dessen poetische Erzählung »Held János«, eine vortreffliche volkstümlich humoristische Dichtung, dessen Roman »Der Strick des Henkers« und dessen Drama »Tiger und Hyäne« wertlose, unreife Produkte sind, erhebt sich als Lyriker weit über seine Vorgänger und ist der erste, dessen Gedichte wahr, natürlich, einfach und menschlich sind. Er ist neben Joseph Katona die erste Erscheinung in der magyarischen Litteratur, die mit dem Maßstab [* 17] der Weltlitteraturen gemessen werden kann, und die neben den großen Namen der letztern einen Platz beanspruchen darf. Noch bedeutender als Petöfi ist Johann Arany (1817-82), der bedeutendste ungarische Balladen und Ependichter dieses Jahrhunderts. Vortreffliche Balladen dichteten auch P. Gyulai, Joseph Kiß (geb. 1843) und Ludwig Tolnai (geb. 1837). Als Lyriker verdienen Michael Tompa, Franz Császár, Paul Jámbor (Pseudonym Hiador), Kol. Lisznyay (1823-63), Johann Vajda (geb. 1827), Joseph Lévay (geb. 1825), Karl Szász, Emil Abrányi (geb. 1851), Alex. Endrödy (geb. 1850) hervorgehoben zu werden; als Dramatiker sind Szigligeti, Czakó, Obernyik, Ludwig Dobsa (geb. 1824), Karl Hugo (Hugo Bernstein, [* 18] 1817-77), Kol. Tóth, Aloys Degré (geb. 1820), Joseph Szigeti (geb. 1822), Eduard Tóth, Gregor Csiky), Eugen Rákosi (geb. 1842), L. v. Dóczy, Ludwig Bartók (geb. 1851) zu erwähnen.
Auf dem Gebiet des Romans thaten sich hervor: Freiherr Nik. Jósika (1794-1865), der »ungarische Walter Scott« genannt, dessen Romane auch in Deutschland viel gelesen wurden, ferner Ludwig Kuthy (1813-64; »Die Geheimnisse des Vaterlands«),
Baron Joseph Eötvös (1813-71; »Der Kartäuser«, unter dem Einfluß der Chateaubriandschen christlich-romantischen Sentimentalität geschrieben; »Dorfgeschichten«, realistisch und voll Humor; »Der Dorfnotar« und »Ungarn im Jahr 1514«, satte, fleißige Gemälde ungarischen Lebens zu bestimmten Perioden), Baron Siegmund Kemény (1816-75), Moritz Jókai (geb. 1825), Paul Gyulai (geb. 1826), Zoltan Beöthy (geb. 1848). Die letzten zwei Jahrzehnte haben außer einigen bedeutenden Werken Johann Aranys, einigen Dramen, die einen gewissen Tageserfolg errangen, und einigen Romanen Jókais nur weniges hervorgebracht, was besonderer Erwähnung verdiente und hoffen könnte, außerhalb Ungarns zu interessieren. Hierher gehört vor allem das philosophische Drama »Die Tragödie des Menschen« von Emerich v. Madách (1823-1864), eine Dichtung, reich an erhabenen Gedanken und ¶
poetischen Schönheiten. Ein hervorragendes Talent der Gegenwart ist Koloman Mikszáth (geb. 1849), dessen nordungarische Dorfgeschichten auch außerhalb Ungarns großen Beifall gefunden haben. Die lebende Schriftstellergeneration widmet sich fast ausschließlich der Journalistik, und die Folge davon ist tiefer Verfall auf allen Gebieten der schönwissenschaftlichen Litteratur. Diese hat bisher nicht gehalten, was sie in den 40er Jahren dieses Jahrhunderts zu versprechen schien; den Namen Eötvös, Petöfi, Arany, Jókai haben sich keine neuern von nur annähernd gleichem Klang angefügt.
Die wissenschaftliche Litteratur Ungarns war bis ins 18. Jahrh. fast ausschließlich lateinisch, ja noch in der ersten Hälfte unsers Jahrhunderts bedienten sich die Gelehrten in der Litteratur wie in der Schule mit Vorliebe der Sprache Roms. Die ersten magyarischen Geschichtswerke sind die chronikartigen Aufzeichnungen aus dem 16. Jahrh. von Anton Verancsics, Franz Zay, Valentin Homonnai, Franz Wathai und die Chroniken von Stephan Székely und Kaspar Heltai. Im 17. Jahrh. schrieb Emmerich [* 20] Tököly Memoiren über mehrere seiner Feldzüge;
Fürst Johann Kemény und Niklas Bethlen verfaßten Autobiographien;
zahlreiche andre politische Persönlichkeiten von bedeutenderer Stellung zeichneten die Ereignisse auf, deren Zeugen sie waren;
die Chronik von Gregor Petheö, später von Nachfolgern fortgesetzt, blieb lange das einzige geschichtliche Handbuch des ungarischen Publikums. Im 18. Jahrh. ragen hervor: »Historie Siebenbürgens« von Mich. Cserey und »Metamorphose Siebenbürgens«, ein sittengeschichtliches Werk von Peter Apor;
»Briefe aus der Türkei« [* 21] von Cl. Zágoni-Mikes, Sekretär [* 22] Franz Rákóczys II.;
ferner Esaias Budais »Geschichte von Ungarn« (erschienen 1805);
Franz Budais »Bürgerliches Lexikon«, die Biographien ausgezeichneter Ungarn enthaltend.
Unter dem Einfluß der Göttinger historischen Schule, dann der Arbeiten der ungarischen Historiker Georg Pray und Steph. Katona sowie der Arbeiten von Gebhardi, Feßler und Engel erwachte im ersten Viertel des 19. Jahrh. in der Geschichtschreibung ein neuer Geist. Man begann mit großem Fleiß Daten zu sammeln, Kritik und Quellenstudium wurden leitende Grundsätze. Georg Fehér, Nikolaus v. Jankovics, Baron Aloys Mednyánszky, Johann Czech, Benedikt Virág, Stephan Horváth wirkten als Forscher oder eröffneten durch ihre Schriften neue Gesichtskreise.
Später thaten sich hervor: Paul Jászay, Graf Joseph Teleki (Geschichte der Hunyadys), Ladislaus v. Szalay und Michael Horváth mit bedeutenden Werken über die ganze Geschichte Ungarns und Spezialwerken über einzelne Partien und Persönlichkeiten;
Arnold Ipolyi (früher Stummer), Anton Csengery, Karl Szabó, Alexander Szilágyi, Franz Salamon (Geschichte Ungarns zur Zeit der Türkenherrschaft u. a.), Koloman Thaly (Geschichte F. Rákóczys und seiner Zeit), Wilhelm Fraknói (früher Frankl; Biographie Peter Pazmánys, Geschichte der ungarischen Landtage u. a.), Julius Pauler, Wolfgang Deák, Max Falk (Biographien Széchényis und Ladislaus Szalays) u. a. Einen bedeutenden Aufschwung hat die ungarische Einzel-Geschichtsforschung seit 1867 genommen, insbesondere durch die Wirksamkeit der Ungarischen Historischen Gesellschaft, deren Organ: »Századok« (»Jahrhunderte«) eine Fundgrube zahlreicher Spezialarbeiten und Daten ist.
Die Litteraturgeschichte ist hauptsächlich durch Franz Toldy (früher Schedel) und Zoltán Beöthy, die Ästhetik durch A. Greguß, P. Gyulai, Z. Beöthy, Eugen Péterffy, Friedr. Riedl u. a. vertreten. Der Beginn der rechts-, der staatswissenschaftlichen und politischen Litteratur fällt gleichfalls ins 16. Jahrh. Das Tripartitum Verböczys erschien, von B. Veres ins Ungarische übersetzt, zuerst 1565. Aus dem 17. Jahrh. sind zu verzeichnen: P. Kitonich (»Leitfaden der Prozeßordnung«),
Paul Medgyesi (Werke über Kirchenverwaltung),
J. Fésüs (»Spiegel [* 23] der Könige«),
M. Teleki (»Fürstenseele«);
im 18. Jahrh. erregten Sam. Balia und Georg Aranka in Siebenbürgen mit ihren staatsrechtlichen Versuchen Aufsehen;
Elias Georch war der erste, der sämtliche ungarische Gesetze in ungarischer Sprache bearbeitete. Im 19. Jahrh. gaben die Reformbewegung und die staatsrechtlichen Bestrebungen, die erst zur Gesetzgebung von 1848, dann zum Ausgleich von 1867 führten, der rechts- und staatswissenschaftlichen Litteratur bedeutende Impulse. Zu nennen sind: Alexander Kövy, Paul Szlemenics, Ignaz Frank, Johann Fogarassy, Theodor Pauler, Ignaz Udvardy, Stephan Szokolay, Franz Deák, Aurel und Emil Dessewffy, Joseph Eötvös u. a. Deák, die Brüder Dessewffy und Eötvös sind zugleich Größen auf dem Felde der politischen Litteratur, deren epochemachender Schöpfer Stephan Széchényi (»Kredit«, »Licht«, [* 24] »Stadium«, »Ein Volk des Ostens« u. a.) war. In dessen Fußstapfen trat Nikolaus Wesselényi.
Der Schöpfer der ungarischen politischen Journalistik ist Ludw. Kossuth. Auf diesem Feld sind zu nennen: Graf Aurel Dessewffy, Siegmund Kemény, Anton Csengery, Joseph Eötvös, Johann Török. Als politische Redner ersten Ranges glänzen: Stephan Széchényi, Kossuth, Wesselényi, Kölcsey, Franz Deák, Joseph Lonovics, Aurel Dessewffy, Barth. Szemere, Gabriel Kazinczy, Eötvös, Koloman Ghyczy, Paul Somssich, Balthasar Horváth, Desidor Szilágyi, Graf Albert Apponyi u. a. Der erste, der eine philosophische Doktrin in ungarischer Sprache bearbeitete, war Johann Apáczai Cseri (»Ungarische Logik«, 1659). Vom Ende des 18. Jahrh. an ist eine große Zahl ungarischer Lehrbücher über Philosophie und Geschichte der Philosophie zu verzeichnen, die jedoch meist Kompilationen deutscher und französischer Werke sind.
Die Naturwissenschaft gelangte in Ungarn erst in neuester Zeit, unterstützt durch die Mittel, welche die Regierung unmittelbar und mittelbar diesem Zweig der Wissenschaft zuwendet, zu bedeutenderer Pflege. Die geologische Landesanstalt, das meteorologische, das chemische, das physiologische und hygieinische Landesinstitut, die neue chirurgische Klinik (sämtlich in Budapest), [* 25] die Naturwissenschaftliche und die Geologische Gesellschaft sind ebenso viele Stätten wissenschaftlicher Thätigkeit.
Die Hervorragendsten, von denen zahlreiche Arbeiten vorliegen, sind: Joseph Szabó, Joseph Krenner, Max v. Hantken (Geologie); [* 26]
A. Jedlik, Roland Eötvös, Koloman Szily (Physik);
Petzval, Véß, Hunyady (Mathematik);
Konkoly (Astronomie); [* 27]
Abt Krueß, Guido Schenzl (Meteorologie);
Lenhossek (Anatomie);
Jendrassik (Physiologie);
Semmelweis (Geburtshilfe);
Balassa und Joseph Kovács (Chirurgie) u. a. Die Naturwissenschaftliche Gesellschaft gibt eine reichhaltige Zeitschrift und die bedeutendsten naturwissenschaftlichen Werke der europäischen Litteratur in Übersetzungen heraus.
Ein gleicher Aufschwung ist auf dem Felde der Nationalökonomie (J. ^[Julius = Gyula] Kautz, M. Lónyay, A. György u. a.), der Statistik (A. Konek, Keleti, J. Körösi, Johann Hunfalvy), der Geographie und Reiselitteratur (Johann und Paul Hunfalvy, Ladislaus Magyar, Joh. Xantus u. a.), der ¶
GALIZIEN UND BUKOWINA.
Maßstab1:3,300,000.
Regierungssitze sind doppelt, die Hauptorte der Komitate in Ungarn-Siebenbürgen und Kroatien-Slavonien, sowie der Bezirkshauptmannschaften in Galizien und Bukowina sind einfach unterstrichen. ¶
Altertumskunde (E. Henßlmann, A. Ipolyi, F. Romer, Eugen Nyáry, Franz Pulszky u. a.) zu verzeichnen. Überhaupt hat die geistige Arbeit Ungarns seit den letzten zehn Jahren sich vielfach der wissenschaftlichen Thätigkeit zugewendet, wenn auch die ungarischen Männer der exakten Wissenschaften sich bisher hauptsächlich auf Übersetzung oder Bearbeitung ausländischer Werke verlegten und mit Ausnahme der um die Erforschung ihres Landes sehr verdienten Geologen und Archäologen noch keine selbständigen Entdeckungen aufzuweisen haben, welche ihnen einen Platz in der Geschichte des Fortschritts der Wissenschaft sichern würden.
Vgl. Toldy, Geschichte der ungarischen Dichtung (deutsch, Pest 1863);
Dux, Aus Ungarn (Leipz. 1880);
Schwicker, Geschichte der ungarischen Litteratur (das. 1889);
Beöthy, Handbuch der ungarischen Litteraturgeschichte (in ungar. Sprache, 4. Aufl., Budap. 1884);
»Ungarische Revue« (seit 1881 hrsg. von Hunfalvy und Heinrich, Budapest).
Erzgebirge, s. Karpathen, ^[= (Karpathisches Gebirgssystem), im weitesten Umfang der zusammenhängende Gebirgswall, welcher, ...] S. 557.
Sprache. Die Sprache der Magyaren gehört zu der finnisch-ugrischen Abteilung der großen uralaltaischen Sprachenfamilie (s. d.). Die Verwandtschaft derselben mit dem Ostjakischen und Wogulischen am Uralgebirge sowie auch mit der zweitbedeutendsten Sprache dieser ganzen Gruppe, dem Finnischen, ist so unverkennbar, daß sie schon vor dem Aufblühen der modernen Sprachwissenschaft in frühern Jahrhunderten von einzelnen Gelehrten bemerkt wurde; wissenschaftlich nachgewiesen ward aber dieser Zusammenhang und die entferntere Verwandtschaft des Ungarischen oder Magyarischen mit dem Türkischen und den übrigen Gruppen des uralaltaischen Sprachstammes erst in den letzten Dezennien.
Die wichtigsten Eigentümlichkeiten, die das Ungarische mit den uralaltaischen und speziell mit den finnisch-ugrischen Sprachen teilt, sind die Vokalharmonie (s. d.) und das Prinzip der Agglutination. Die Agglutination, d. h. die lose Anfügung einer beliebig großen Menge von Beugungssilben an den Wortstamm, der unverändert an der Spitze des Wortes stehen bleibt, bewirkt, daß die magyarische Sprache wie das Finnische, Türkische etc. einen ungeheuern Reichtum an grammatischen Formen besitzt.
Weit geringer ist dagegen ihr Wortreichtum, teils deshalb, weil neben ihr noch zu viele andre Sprachen im Land sich geltend machen, teils und vorzüglich, weil sie viele Jahrhunderte hindurch aus den Geschäftsverhandlungen der Behörden, aus Kirche und Schule durch das Lateinische, aus der gebildeten Konversation durch das Französische und Deutsche verdrängt war. Erst seit dem Tod Josephs II. nahm sie einen höhern Aufschwung, auch ist sie seit Wiederherstellung der selbständigen ungarischen Regierung (1867) mit der Terminologie für sämtliche Zweige des modernen Kulturlebens ausgestattet.
Die Schrift ist die lateinische. Lange Vokale werden durch Accente (á, é etc.) bezeichnet. Für die konsonantischen Laute reichen die Buchstaben des lateinischen Alphabets nicht aus, weshalb man zu Zusammensetzungen seine Zuflucht genommen hat. q, w und x hat man überhaupt nicht mit verwendet und auch c und y nur in Zusammensetzungen mit andern zur Bezeichnung der Laute, für welche dem lateinischen Alphabet eigne Buchstaben fehlen; doch vertritt y in ältern Familiennamen häufig die Stelle des i. Im ganzen hat die Sprache 24 konsonantische Laute, welche in folgender Weise bezeichnet werden: b, cs, cz, d, f, g, gy, h, j, k, l, ly, m, n, ny, p, r, s (spr. sch), sz (spr. ss), t, ty, v, z (spr. s), zs (weiches sch, wie franz. j). In den Lauten gy, ny, ly, ty ist das y keineswegs mit i identisch, sondern wird als ein mit dem vorhergehenden Konsonanten innig verschmolzenes j gehört; gy ist ungefähr wie dj zu sprechen. Im Anfang einer Silbe verträgt die u. S. in der Regel nie mehr als einen Konsonanten; in Wörtern mit zwei Anfangskonsonanten, die sie aus fremden Sprachen aufgenommen hat, hilft sie sich daher durch Vorsetzung oder Einschiebung eines Vokals, z. B. asztal (slaw. stol), der Tisch, király (slaw. kral), der König.
Die älteste ungarische Grammatik ist die von Joannes Silvester Pannonius (Sarvár-Ujszigeth 1539). Neuere Werke für den ersten Unterricht sind die (deutsch verfaßten) Grammatiken von Mailáth (2. Aufl., Pest 1832), Kis (Wien 1834), Töpler (7. Aufl., Budap. 1882), M. Ballagi (magyarisierte Namensform) oder Bloch (8. Aufl., das. 1871), Franz Ney (24. Aufl., das. 1888); eine wissenschaftliche Grammatik, obgleich im einzelnen bereits veraltet, ist diejenige von M. Riedl (Wien 1858). Wörterbücher lieferten Richter (Wien 1836, 2 Bde.), Fogarassy (Pest 1836, 2 Bde.), J. T. Schuster (Wien 1838), Ballagi (5. Aufl., das. 1882; Supplement zum deutsch ungar. Teil 1874). Den ganzen ungarischen Wortschatz streng wissenschaftlich darzustellen, ist das unablässige Bestreben der Ungarischen Gelehrten Gesellschaft, deren großes ungarisches Wörterbuch, von G. Czuczor und J. Fogarassy redigiert (1862-74, 6 Bde.), nun vollendet vorliegt. Außerdem ist die Ausarbeitung eines sprachgeschichtlichen Wörterbuchs unter Aufsicht der linguistischen Kommission der Akademie im Gang. [* 30] Die Hauptstützen der sprachvergleichenden Durchforschung des Magyarischen sind Paul Hunfalvy (s. d.) und Joseph Budenz (s. d.) mit ihren zahlreichen durch die ungarische Akademie veröffentlichten Studien über die mit dem Magyarischen verwandten Sprachen.
s. Hradisch. ^[= (Ungarisch-H.), Stadt mit eignem Gemeindestatut in Mähren, in sehr fruchtbarer Gegend an der ...]
s. Ostra. ^[= (Ungarisch-O.), Stadt in der mähr. Bezirkshauptmannschaft Ungarisch-Hradisch, auf einer Insel ...]
[* 6] (ungar. Magyarország, türk. Magyaristan, slawon. Vengria, lat. Hungaria, franz. Hongrie, engl. Hungary), Königreich, die östliche Hälfte der österreichisch ungarischen Monarchie, erstreckt sich von 44° 9'-49° 33' nördl. Br. und von 14° 24'-26° 36' östl. L. v. Gr., besteht aus dem eigentlichen Ungarn, dem ehemaligen Siebenbürgen, Fiume [* 31] samt Gebiet, Kroatien, Slawonien und der frühern Militärgrenze und grenzt im N. an Mähren, Österreichisch-Schlesien und Galizien, im O. an die Bukowina und Rumänien, [* 32] im S. an letzteres, Serbien, Bosnien [* 33] und Dalmatien und im W. an Istrien, [* 34] Krain, Kärnten, Steiermark, [* 35] Niederösterreich und Mähren.
Vgl. beifolgende Karte »Länder der [* 6] ungarischen Krone«.
Die Gebirge gehören den Karpathen und den Alpen [* 36] an, zwischen denen die Donau mit den von ihr durchschnittenen weiten Ebenen die natürliche Grenze bildet. Die Karpathen (s. d.), das Hauptgebirge des Landes, beginnen an der Donau neben der Marchmündung und umgeben das Land von NW. nach SO. in einem mächtigen Halbbogen, dessen Wölbung gegen NO. fällt; die Ausläufer der Norischen und Karnischen Alpen hingegen schließen das an dem rechten Donauufer gelegene westliche Berg- und Hügelland ein und treffen mit ihren Vorbergen an der Donau bei Hainburg (Leithagebirge) und Gran [* 37] (Vértesgebirge) mit den Karpathen zusammen. Am südöstlichen Ende, bei Orsova, wird die Donau abermals von den Ausläufern der siebenbürgischen Karpathen und des Balkangebirges eingeengt (die berühmte Klissura mit dem Eisernen Thor). Die weite ¶
Tiefebene des Landes wird durch die Alpenausläufer in zwei Hälften geteilt, deren kleinere sich gegen W., die größere gegen O. erstreckt. Die kleine oder oberungarische Tiefebene (Preßburger Becken), zu beiden Seiten der Donau zwischen Preßburg [* 39] und Komorn, etwa 12,000 qkm (220 QM.) groß, breitet sich in Eiform aus, liegt 130 m ü. M., ist meist von Bergen [* 40] umschlossen und sehr fruchtbar, besonders der nördliche Teil und die Donauinsel Schütt (s. d.). Im N. und S. breiten sich auf bald flachem, bald hügeligem Boden die gesegnetsten Gefilde aus mit Äckern, Gärten, Wald, Obsthainen und Weinpflanzungen und dringen zungenförmig an den Flußthälern in die Vorkarpathen, Voralpen und den Bakonyer Wald ein.
Die östliche große oder niederungarische Tiefebene (Alföld oder Pester Becken) wird im N. und O. von den Karpathen, im W. von den Voralpen, im S. von den alpinen Vorhöhen und dem Balkan umsäumt, erstreckt sich an der Donau von Budapest und an der Theiß von Szatmár bis zum Strompaß von Orsova und nimmt, ein ununterbrochenes Flachland bildend, im ganzen 96,910 qkm (1760 QM.) ein. Ausgedehnte Sumpfstrecken, Torf- und Moorgründe an der Donau und Theiß, unabsehbare Sandflächen, hier und da mit niedrigen Flugsandhügeln, wasser-, baum- und schattenlose Heideflächen, unterbrochen von Grasangern und fruchtbarem Ackerboden, weit auseinander liegende Meierhöfe auf den Pußten (s. d.), wenige, aber weitläufige und volkreiche Ortschaften bilden den Charakter der eigentlichen Heidelandschaft.
Der nördliche Landstrich zwischen Donau und Theiß führt den Namen Kecskeméter Heide; südlich davon, in der sogen. Bácska, liegt das 169 m hohe Plateau von Telecska und südöstlich an der Theißmündung das Titler Plateau; ferner im NO. unterhalb des Theißbogens der Nyir und südlich hiervon die Debrecziner Heide oder Hortobágyer Pußta. Über 600 Flüsse [* 41] und Bäche durchkreuzen Ungarn nach allen Richtungen und gehören mit Ausnahme von Poprád und Dunajec, welche der Weichsel zufließen, sämtlich zum Gebiet der Donau, die bei Theben das Land betritt, sich bei Waitzen südwärts bis zur slawonischen Grenze wendet und das ungarische Gebiet bei Orsova verläßt.
Sie nimmt rechts die Leitha, Raab, [* 42] den Sárviz, die Drau mit der Mur und die Save, links die March, Waag, Neutra, Gran, Eipel, die mächtige Theiß, die Temes und die Aluta auf. In die Theiß münden rechts der Bodrog, Sajó mit dem Hernád und die Zagyva, links die Szamos, die dreifache Körös und die Maros. Alle Flüsse, insbesondere aber die Theiß mit ihren Nebenflüssen, verursachen durch Überschwemmungen fast jährlich bedeutenden Schaden; um diesen zu verhindern und zur Erleichterung der Schiffahrt wurden seit 1771, besonders aber seit 1845, umfassende Regulierungen vorgenommen und zahlreiche Kanäle erbaut, unter denen der Franzenskanal (zwischen der Donau und Theiß), der Begakanal (zwischen der Bega und Theiß), der Sárviz- oder Palatinkanal (zwischen Stuhlweißenburg [* 43] und Szegszárd), der Albrechtskanal zur Entsumpfung des Bodens im Baranyaer Komitat, der Kapos oder Zichykanal im Tolnaer Komitat und der Siókanal (zwischen Plattensee und Donau) die bedeutendsten sind.
In den Karpathen finden sich viele kleine Seen (Meeraugen), darunter in der Hohen Tatra allein 58 meist sehr romantisch 1260-1990 m ü. M. gelegene Seen. Größere Seen in der Ebene sind der Plattensee, der größte Südeuropas, und der Neusiedler See. Von den zahlreichen Morästen und Sümpfen sind zu nennen: der mit dem Neusiedler See in Verbindung stehende Hanság, der Ecseder Sumpf bei Szatmár, der Sárrét am Berettyó, der Alibunárer, Hoßzuréter Sumpf etc. Die Sümpfe an der Theiß und Donau sind durch Abzugskanäle meist trocken gelegt worden.
Überhaupt ist sowohl von seiten der Regierung als der einzelnen sehr vieles zur Trockenlegung oder doch Einschränkung der Sümpfe geschehen. Für die Theißregulierung allein, um welche sich Graf Széchényi große Verdienste erworben hat, wurden seit 1845 mehr als 26 Mill. Guld. verwendet. Das Ackerland der großen ungarischen Tiefebene besteht zumeist aus schwarzem Thonboden mit mehr oder weniger Humus und ist in manchen Gegenden auch ohne Dünger ebenso fruchtbar wie die zwischen hohen Bergen liegenden lieblichen Thäler (z. B. das äußerst romantische Waagthal). Dagegen gibt es aber auch große unfruchtbare Sandflächen; in der westlichen Ebene erstrecken sie sich nur von Raab und Komorn bis zum Komitat Zala; in der östlichen Ebene jedoch bilden sie, von Waitzen ausgehend, zwischen der Donau und Theiß bis nahe an den Franzenskanal ein wahres Sandmeer.
Schon die geographische Lage Ungarns, noch mehr aber die Gestalt seiner Oberfläche machen es zu einem klimatisch milden Land. Mit Ausnahme des nach N. geöffneten Popráder Thals ist es vor rauhen Nordwinden durch hohe Gebirge geschützt; im S. aber öffnet es sich den warmen Südwinden, deren oft heftigen Andrang die zahlreichen Gewässer mäßigen. Am Fuß der hohen Karpathen und des Königsbergs (in Gömör), in der Árva, Liptau und Zips reift selbst die Pflaume kaum, und oft bedeckt schon im September Schnee [* 44] den noch stehenden Hafer, [* 45] während 60 km südlicher der edelste Wein gedeiht.
Mitten im ehemaligen Pannonien, das einem fortlaufenden Obst- und Weingarten gleicht, reift in der rauhen Bakony auch die Traube nicht. In Syrmien blüht oft schon im Februar der Haselstrauch, im April überall das Obst, Anfang Mai Roggen und Gerste, [* 46] in den ersten Junitagen der Weinstock, und frisches Grün schmückt acht Monate lang die Wälder, während weiter nach S. zu wieder die rauhe Karpathengegend auftritt. Charakteristisch ist der starke Temperaturwechsel, namentlich der Unterschied zwischen Tages- und Nachtwärme, so im Alföld, wo die Temperatur im Sommer des Morgens nur 45° C. beträgt und mittags auf mehr als 30° steigt; noch größer aber ist der Unterschied der von den Sonnenstrahlen erzeugten Bodenwärme; daher treten dort auch häufig Wechselfieber und andre Krankheiten auf. Im allgemeinen ist aber das Klima [* 47] in Ungarn gesund. Die mittlere Jahrestemperatur bewegt sich zwischen +5,9° und +14° C. und beträgt in Schemnitz 6°, Preßburg 9,6,° Budapest 11°, Klausenburg [* 48] 9,12,° Semlin 11,6,° Fiume 14,1°. Eine gewöhnliche Erscheinung ist im Alföld die Fata Morgana, hier Délibáb (»Mittagszauber«) genannt.
Das Areal von Ungarn samt Nebenländern beträgt 322,940 qkm (5865 QM.), wovon auf das eigentlich Ungarn samt Siebenbürgen 280,387 qkm (5092 QM.), auf Fiume samt Gebiet 20 qkm (0,36 QM.) und auf Kroatien und Slawonien 42,533 qkm (772 QM.) entfallen. Das eigentliche Ungarn wurde früher in administrativer Beziehung in vier Kreise [* 49] eingeteilt und zwar in den Kreis a) diesseit und b) jenseit der Donau, c) diesseit und d) jenseit der Theiß. Seit der 1876 erfolgten Einverleibung Siebenbürgens und der Regelung der Munizipalgebiete jedoch teilt man Ungarn in nachstehende sieben Gebiete ein: ¶
Gebiet und Komitat | Areal QKil. | Einwohner 1881 |
---|---|---|
A. Ungarn mit Siebenbürgen. | ||
I. Am linken Donauufer: | ||
Árva | 2077 | 81643 |
Bars | 2673 | 142691 |
Gran | 1123 | 72166 |
Hont | 2650 | 116080 |
Liptau | 2258 | 74758 |
Neograd | 4355 | 191678 |
Neutra | 5726 | 370099 |
Preßburg | 4311 | 314173 |
Sohl | 2730 | 102500 |
Trentschin | 4620 | 244919 |
Turócz | 1150 | 45933 |
Zusammen: | 33674 | 1756640 |
II. Am rechten Donauufer: | ||
Baranya | 5133 | 293414 |
Eisenburg | 5035 | 360590 |
Komorn | 2944 | 151699 |
Ödenburg | 3307 | 245787 |
Raab | 1381 | 109493 |
Somogy | 6531 | 307448 |
Tolna | 3643 | 234643 |
Veszprim | 4166 | 208487 |
Weißenburg | 4156 | 209440 |
Wieselburg | 1944 | 81370 |
Zala | 5122 | 359984 |
Zusammen: | 43363 | 2562355 |
III. Zwischen der Donau und Theiß: | ||
Bács-Bodrog | 11079 | 638063 |
Csongrád | 4314 | 228413 |
Heves | 3802 | 208420 |
Jazygien etc. | 5374 | 278443 |
Pest-Pilis etc. | 12605 | 988532 |
Zusammen: | 37173 | 2341871 |
IV. Am rechten Theißufer: | ||
Abauj-Torna | 3331 | 180344 |
Bereg | 3724 | 153377 |
Borsod | 3527 | 195980 |
Gömör und Kis-Hont | 4275 | 169064 |
Sáros | 3822 | 168013 |
Ung | 3053 | 126707 |
Zemplin | 6208 | 275175 |
Zips | 3605 | 172881 |
Zusammen: | 31546 | 1441541 |
V. Am linken Theißufer: | ||
Békés | 3558 | 229757 |
Bihar | 10919 | 446777 |
Hajdu | 3353 | 173329 |
Marmaros | 0355 | 227436 |
Szabolcs | 14917 | 214008 |
Szatmár | 6491 | 29309 |
Szilágy | 3671 | 171079 |
Ugocsa | 1191 | 65377 |
Zusammen: | 44456 | 1820855 |
VI. Längs der Flüsse Maros und Theiß: | ||
Arad | 6443 | 303964 |
Csanád | 1618 | 109011 |
Krassó-Szörény | 9751 | 381304 |
Temes | 7136 | 396045 |
Torontál | 9495 | 530988 |
Zusammen: | 34444 | 1721312 |
VII. Siebenbürgen: | ||
Bistritz-Naszód | 4014 | 95017 |
Csik | 4493 | 110940 |
Fogaras | 1875 | 84571 |
Großkokelb. | 3116 | 132454 |
Háromszék | 3556 | 125277 |
Hermannstadt | 3314 | 141627 |
Hunyad | 6932 | 248464 |
Klausenburg | 5149 | 196307 |
Kleinkokelb. | 1646 | 92214 |
Kronstadt | 1797 | 83929 |
Maros-Torda | 4324 | 158999 |
Szolnok-Doboka | 5150 | 193677 |
Torda-Aranyos | 3370 | 137031 |
Udvarhely | 3418 | 105520 |
Unterweißenb. | 3577 | 178021 |
Zusammen: | 55731 | 2084048 |
Ungarn: | 280387 | 13728622 |
B. Fiume samt Gebiet | ||
20 | 20981 | |
C. Kroatien und Slawonien (mit ehem. Militärgrenze). | ||
Komitate: | ||
Lyka-Krbava | 6211 | 174239 |
Modrus-Fiume | 4879 | 203173 |
Agram | 7211 | 419879 |
Warasdin | 2521 | 229063 |
Belovar-Kreutz | 5048 | 219529 |
Požega | 4942 | 166512 |
Virovititz | 4851 | 183226 |
Syrmien | 6870 | 296878 |
Zusammen: | 42533 | 1892499 |
Länder der ungar. Krone: | 322940 | 15642102 |
In Bezug auf die Bevölkerung [* 51] nimmt Ungarn unter den europäischen Staaten die achte Stelle ein. Nach der letzten Volkszählung (1880/81) betrug die Zivilbevölkerung 15,642,102 Seelen (gegen 15,417,324 Seelen im J. 1870). Die Zahl der aktiven Soldaten und Honvéds (Landwehr) belief sich auf 97,157 Mann, daher ergibt sich eine Gesamtbevölkerung von 15,739,259 Seelen. Von 1870 bis 1881 hat dieselbe nur um 1,44 Proz. zugenommen und zwar zumeist nur im W. und in der Mitte des Landes.
Bei den frühern Erhebungen zählte man: 1850: 13,1, 1857: 13,7, 1869: 15,4 Mill. Einw. Ursachen dieser geringen Zunahme waren anfangs die Nachwehen der Freiheitskriege und wiederholte Choleraepidemien, zuletzt jedoch Seuchen, Mißwachs, Auswanderung und enorme Sterblichkeit der Kinder (bis zu 55 Proz.). Die Dichtigkeit der Bevölkerung ist eine mittlere, denn es entfallen auf 1 qkm durchschnittlich 48 Einw. Am dichtesten bevölkert sind die fruchtbaren und minder gebirgigen Landstriche im W. und NW., am gleichmäßigsten das Innere des Landes, am dünnsten der Nordosten, Osten und Südosten. Von der Zivilbevölkerung entfallen auf die beiden Geschlechter:
Männer | Frauen | |
---|---|---|
in Ungarn (samt Siebenbürgen) | 6749646 | 6978976 |
- Fiume samt Gebiet | 9598 | 11383 |
- Kroatien-Slawonien | 589615 | 604800 |
- der ehemaligen Militärgrenze | 354051 | 344033 |
Zusammen: | 7702910 | 7939192 |
In Ungarn, wo auf je 1000 Einw. 10 Ehen, 45 Geburten und 37 Sterbefälle entfallen, gibt es 163 Städte, 1872 Märkte, 15,394 Dörfer und 4152 Pußten, wovon auf Ungarn allein (mit Siebenbürgen) 143 Städte, 1822 Märkte, 10,873 Dörfer und 3917 Pußten entfallen. Die volkreichsten Städte (mit über 20,000 Einw.) sind: Budapest, Szegedin, [* 52] Maria-Theresiopel, Debreczin, [* 53] Hódmezö-Vásárhely, Preßburg, Kecskemét, [* 54] Arad, Temesvár, Großwardein, [* 55] Makó, Klausenburg, Kronstadt, [* 56] Szentes, Fünfkirchen, [* 57] Agram, [* 58] Kaschau, Stuhlweißenburg, Czegléd, Zombor, Miskolcz, [* 59] Nyiregyháza, Kiskun-Félegyháza, Ödenburg, [* 60] Nagy-Körös, Werschetz, Jászberény, Neusatz, Mezötur, Zenta, Raab und Fiume. Die schönsten Dörfer sind jene der Deutschen, der Ungarn und Slowaken; am schlechtesten wohnt der Rumäne und Ruthene.
Unter den verschiedenen Nationalitäten nehmen die Ungarn (Magyaren, s. d.) als die herrschende Nation die erste Stelle ein. Das Übergewicht verdanken sie nicht nur ihrer größern Anzahl (45 Proz.: 6,445,487 Einw.), sondern auch dem Umstand, daß sie die Mitte und zwar den fruchtbarsten Teil des Landes in ungeteilter Masse bewohnen. Der magyarische Volksstamm wohnt dicht zwischen der Donau und Theiß im Alföld (70,9 Proz. der dortigen Bevölkerung), am rechten Donauufer und in den übrigen ebenen Landstrichen im eigentlichen Ungarn; in den siebenbürgischen Komitaten dagegen bewohnen die Magyaren (dort Szekler genannt) die höchst gelegenen Teile in den östlichen Komitaten. Am schwächsten sind sie am linken Donauufer (25,7 Proz.), im Theiß-Maroswinkel (15,6 Proz.) und in Kroatien-Slawonien (3,9 Proz.) vertreten.
Von den übrigen Nationalitäten sind die Slawen am zahlreichsten. Von den Serbokroaten (2,352,339 Einw.) wohnen die Serben zur Hälfte im SO. von Ungarn, zur Hälfte in Kroatien-Slawonien und der ehemaligen Militärgrenze, die Kroaten aber meist in Kroatien; die Slowaken (1,864,529 Einw.) bilden eine kompakte Bevölkerung im N. und NW., mit einzelnen Ausläufern bis tief nach dem Süden (Békés und Csanád); in den östlichen Karpathen von Marmaros bis nach Sáros und bis in die Zips haben sich die Ruthenen (356,062 Einw.) niedergelassen.
Die Rumänen (2,405,085 Einw.), gleichfalls ein kompakter Volksstamm, bewohnen den Osten, Nordosten und Siebenbürgen. Die Deutschen (1,953,911 Einw.) sind fast über das ganze Land zerstreut und meist in den westlichen Komitaten unterhalb der Donau (Wieselburg, Ödenburg, Eisenburg), in den südlichen Landstrichen (Tolna, Baranya, Bács-Bodrog, Torontál, Temes) sowie im südlichen Siebenbürgen (Hermannstadt, [* 61] Groß-Kokelburg, Kronstadt) und in den Komitaten Zips und Bistritz-Naszód ansässig. In den Komitaten Wieselburg, Ödenburg, ¶