(türk.),
Handzeichen des
Sultans auf offiziellen Aktenstücken,
Münzen,
[* 3] auch als
Insignie auf öffentlichen Gebäuden
angebracht, besteht eigentlich aus künstlich verschlungenen
Linien in der Form einer offenen
Hand,
[* 4] von
welcher drei
Finger in die
Höhe und je einer nach rechts und links laufen, enthält jetzt aber meist in verschlungenen
Initialen
die
Namen des regierenden
Fürsten und seines
Vaters.
(franz. Tuilerien, spr. tüile-), ehemaliger
Palast in
Paris,
[* 6] ward 1564 unter
Katharina von
Medici von Philibert
Delorme im
Bau begonnen und in den folgenden
Jahrhunderten stückweise,
nach oft veränderten
Plänen, von verschiedenen
Architekten vollendet, war zeitweilig
Residenz, so
Ludwigs
XV. während seiner
Minderjährigkeit und
Ludwigs XVI. von 1789 bis 1792, dann ständige
ResidenzNapoleons I. und der folgenden
Herrscher
Frankreichs.
Napoleon III. ließ die Tuilerien mit dem
Louvre (s. d.) in
Verbindung bringen. Ende Mai 1871 wurden die Tuilerien von
denKommunarden in
Brand gesteckt und lagen lange in
Ruinen. In neuester Zeit wurden der nördliche und
südliche
Flügel wiederhergestellt, wogegen die Reste des Haupttraktes 1883 gänzlich abgetragen wurden. Westlich von den
Tuilerien liegt der vielbesuchte Tuileriengarten. Vgl. auch
Paris, S. 722.
(Tuisto), der erdgeborne Gott, welchen die alten
Germanen nach
Tacitus'
Bericht
(»Germania«,
[* 7] Kap. 2) als den ersten
Urheber ihres
Volkes besangen. In seinem
Namen liegt der
Begriff des Zwiefachen, Zwiegeschlechtigen: er
erscheint als eine zwitterhafte
Gottheit, welche noch die männliche (zeugende) mit der weiblichen (empfangenden)
Kraft
[* 8]
in sich
verbindet und so aus sich selbst den
Mannus (s. d.), das erste
Wesen in Menschengestalt, zeugt.
(RamphastusL.),
Gattung aus der
Ordnung der
Klettervögel
[* 9] und der
Familie der
Pfefferfresser (Ramphastidae),
Vögel
[* 10] mit auffallend großem, am
Grund sehr dickem, gegen das Ende hin stark Zusammengedrücktem, auf der
Firste scharfkantigem
Schnabel,
dessen Wandungen sehr dünn sind und ein schmales, großmaschiges Knochennetz umschließen, so daß der
Schnabel sehr leicht ist. Die
Zunge ist schmal, bandartig, hornig, am
Rand gefasert; die abgerundeten
Flügel reichen nur bis
zum Anfang des kurzen, breiten, stumpf gerundeten
Schwanzes.
Die starken, langzehigen
Läufe sind vorn und hinten mit
tafelförmigen Gürtelschildern versehen. Das
Gefieder zeigt auf meist
schwarzem
Grund sehr lebhafte
Farben; auch die
Augen,
Beine und der
Schnabel sind glänzend gefärbt. Die
Tukane leben in den südamerikanischen Urwäldern, nähren sich von
Früchten und Fruchtkernen, richten in den
Bananen- und
Guavapflanzungen großen
Schaden an, fressen auch
Eier
[* 11] und junge
Vögel, sollen zwei
Eier in hohle
Bäume oder Baumäste legen
und werden ihres
Fleisches und der
Federn halber in
Menge gejagt.
58
cm lang, schwarz, an
Kehle, Vorderhals,
Wangen und Oberschwanzdeckfedern
weiß, am
Bürzel blutrot, mit orangerotem
Schnabel, der an der
Spitze des
Unterkiefers feuerrot, an der
Spitze des Oberkiefers
schwarz ist, dreieckigem, gelbem
Fleck vor dem
Auge,
[* 12] blauem Augenring, dunkelgrünem
Auge und hellblauem
Fuß, bewohnt die höher gelegenen Teile
Südamerikas von
Guayana bis
Paraguay,
[* 13] besonders bewaldete Flußufer und die offene
Savanne, welche er in kleinen Trupps durchschweift; er hält sich gewöhnlich hoch
oben in den Waldbäumen auf, ist beweglich,
scheu, neugierig und mordlustig.
In der Gefangenschaft erscheint er sehr anziehend. In
Europa
[* 14] sieht man oft mehrere
Arten in den zoologischen
Gärten. Man jagt
die Tukane des
Fleisches und der schönen
Federn halber. Die Eingebornen erlegen sie mit ganz kleinen
Pfeilen, welche mit äußerst
schwachem
Gift bestrichen sind, so daß der
Vogel nur betäubt wird und, nachdem er seiner wertvollsten
Federn beraubt ist, sich wieder erholt und davonfliegt, um später vielleicht abermals geschossen zu werden.
Vgl.
Gould, Monograph
of the Ramphastidae (2. Aufl., Lond. 1854-55, 3
Tle.).
Der
Boden ist von sehr geringer
Fruchtbarkeit, doch findet sich in mehreren
Kreisen fruchtbare
Schwarzerde
(Tschernosem). Das
Areal setzt sich zusammen aus 73,4 Proz.
Acker, 10,5Wald, 10,7Wiese und
Weide,
[* 16] 2,4 Proz. Unland. Von
Flüssen
sind erwähnenswert: die
Oka (teilweise Grenzfluß gegen W. und N.), der Osetr, die Plawa, die Upa und derDon. Das
Klima
[* 17] ist
mild und gesund. Die Einwohnerzahl beläuft sich auf (1885) 1,409,432 (45 pro Quadratkilometer),
die fast nur Großrussen sind.
Die gleichnamige Hauptstadt, an der Upa, Knotenpunkt der EisenbahnenMoskau-Kursk und Wjasma-Rjaschsk, eine der gewerbthätigsten
Städte des russischen Reichs, hat 28 Kirchen (darunter die Himmelfahrtskirche und die Allerheiligenkirche), 2 Klöster,
und unter den sonstigen öffentlichen Bauten ragen hervor das Exerzierhaus und die Gouvernementsgebäude. Die Zahl der Einwohner
betrug 1885: 63,928. Die Bedeutung der Stadt beruht vornehmlich auf der großen kaiserlichen Gewehrfabrik, die 1712 von Peter
I. gegründet wurde, jetzt über 7000 Arbeiter beschäftigt und jährlich 70,000 Gewehre, eine große Menge
blanker Waffen
[* 29] sowie treffliche andre Stahl- und Eisenwaren liefert.
(spr. -ssingo), Stadt im mexikan.
StaatHidalgo, 1820 m ü. M., in reizender Vega, hat eine Kathedrale, ein bischöfliches Seminar, eine Baumwollfabrik und (1880) 9739 Einw.
im Munizipium.
See im S. des nordamerikan. StaatsKalifornien, 1683 qkm groß, wird vom Kernfluß gespeist und hat durch
einen Sumpf periodischen Abfluß zum St. Joaquinfluß.
Stadt im südamerikan. StaatEcuador,
[* 38] 2077 m ü. M., dicht bei der Grenze von Kolumbien, am Nordfuß des 3405 m
hohen Passes Paramo de Balicho, mit 4000 Einw.
L. (Tulpe), Gattung aus der Familie der Liliaceen, Zwiebelgewächse mit riemenförmigen oder lineal-lanzettlichen,
häufig blaugrünen Blättern, einblütigem Stengel,
[* 39] sechsblätteriger, glockiger Blütenhülle u. oblonger oder verkehrt-eiförmiger,
stumpf dreikantiger, vielsamiger Kapsel. Etwa 50 Arten, meist im Orient. Tulipa silvestrisL. (wilde Tulpe), mit breit lineal-lanzettlichen
Blättern und gelben, äußerlich grünen, wohlriechenden Blüten, wächst in Süd- und Mitteleuropa und
in Sibirien auf Waldwiesen und in Weinbergen.
Tulipa suaveolensRoth, mit sehr kurzem Stengel und roten, am obern Rand gelben, wohlriechenden
Blüten, findet sich in Südeuropa und wird in mehreren Varietäten, auch mit gefüllten Blumen kultiviert; eine der beliebtesten
Formen ist Duc van Toll. Auch von Tulipa praecox Tenor, bei Neapel,
[* 40] und Tulipa turcica W., in der Türkei,
[* 41] hat man
Varietäten (von letzterer die Monströsen oder Perroquetten mit zerschlitzten Blumenblättern). Viel wichtiger aber ist Tulipa GesnerianaL. (Gartentulpe), mit 30-45 cm hohem Schaft, eirund-lanzettlichen Blättern und ursprünglich karmesinroten, im Grund gelblichen
Blüten.
Gegenwärtig ist die Zahl der verbreitetern Varietäten verhältnismäßig niedrig. Man unterscheidet
als Hauptvarietäten Früh- und Spättulpen. Die frühen Tulpen, mit kürzerm Stengel, blühen an einem warmen Standort schon
im April oder noch früher und lassen sich sehr gut treiben. Ihre Hauptfarben sind: Weiß, Gelb, Rot und Purpurrot, einfarbig
oder schön geflammt. Die Spättulpen teilen die holländischen Blumisten in einfarbige (Exspektanten oder
Muttertulpen, welche anfangs nur eine Farbe haben, nach 2-4 Jahren aber nach und nach mehr Illuminationsfarben annehmen und
aus den Samen
[* 47] neue bunte Sorten liefern) und bunte und gestreifte Tulpen. Nach der Beschaffenheit ihrer Zeichnung teilt man letztere
in Baquetten, Bybloemen und Bizarden. Die gefüllt blühenden Varietäten werden von den Blumisten den
einfachen nachgesetzt. Die Monströsen (Perroquet- oder
¶
mehr
Papageientulpen) haben sehr große, unförmliche Blumen von schöner Farbe (gelb und rot), mit weit abstehenden, zerrissen
gefransten Kronblättern. Die Kultur stimmt im wesentlichen mit der der Hyazinthen überein. Die zur Erlangung neuer Spielarten
aus Samen gezogenen Tulpen blühen meist erst im siebenten Jahr.
Gewebe,
[* 49] bei welchen feine, untereinander gut gebundene Fäden regelmäßige Zellen bilden,
indem je zwei beisammenliegende Kettenfäden nach jedem Einschuß sich kreuzend verschlingen. Tüll wird aus Gespinsten von verschiedener
Feinheit (bis zu Nr. 120) gewebt und kommt glatt und einfach oder gestreift, gemustert,
in Seide
[* 50] broschiert oder auch auf weißem oder schwarzem Grund mit bunten Blumen gestickt vor.
Stadt in der niederösterreich. Bezirkshauptmannschaft Hernals, an der Mündung der beiden Tullnbäche in die
Donau und an der Staatsbahn Wien-Gmünd-Prag, welche hier die Donau auf einer großen Gitterbrücke überschreitet,
und an welche hier die Linie Tulln-St.
Pölten anschließt, hat ein Bezirksgericht, 2 Kirchen, eine alte Dreikönigskapelle, Kasernen, Schiffahrt und (1880) 3234 Einw.
Tulln ist eine der ältesten Städte an der Donau, das Comagenä der Römer,
[* 52] Standort ihrer Donauflotte. Nach
dem Nibelungenlied empfing hier EtzelKriemhild. Die fruchtbare Umgebung der Stadt heißt das Tullner Feld.
Vgl. Kerschbaumer,
Geschichte der Stadt Tulln (Wien 1874).
Hostilĭus, der dritte röm. König, 672-640 v. Chr., Nachfolger des Numa Pompilius, Enkel des Hostius Hostilius,
der unter Romulus gegen die Sabiner gekämpft hatte, zerstörte Albalonga und siedelte die Einwohner auf
dem Mons
[* 53] Cälius in Rom an.
[* 54] Auch mit den Sabinern führte Tullus Hostilius glückliche Kriege.
Da er aber den Dienst der Götter vernachlässigte,
so schickten diese erst einen Steinregen, dann eine Pest und schlugen ihn endlich selbst mit einer schweren
Krankheit, und als er deshalb den Jupiter Elicius durch gewisse geheime Gebräuche nötigen wollte, ihm die Mittel der Sühne
zu offenbaren, traf ihn JupitersBlitz, der ihn und sein Haus verbrannte.
(Tulcea), Hauptstadt eines Distrikts in der rumän. Dobrudscha, rechts an der Donau, welche sich in der Nähe
der Stadt in ihre drei Hauptmündungsarme teilt, hat 7 Kirchen, darunter eine armenische und eine katholische, 2 Moscheen,
ein Gymnasium, einen stark besuchten Hafen und 21,826 Einw. (darunter 3000 Russen, 1600 Griechen, 800 Türken, 700 Tataren, 200 Deutsche).
[* 55]
drawidische Volkssprache in Südindien (s. Drawida), in und um Mangalur, mit eignem, aber mit
der Sanskritschrift verwandtem Alphabet, nur von etwa 30,000 Menschen gesprochen.
[* 48] ägypt. Gott in menschlicher Gestalt mit der Pschentkrone abgebildet (s.
Figur) ist eine Form des Sonnengottes, die besonders in Heliopolis verehrt wurde.
[* 48] (niederd., hochd. Taumler), ein halbkugelförmiges, henkel- u. fußloßes Glasgefäß zum
Trinken, welches sich, zur Seite gelegt, wieder aufrichtet, im Volksmund auch Stehauf genannt (s.
Abbildung).
tumultuarisches Verfahren, diejenige Behandlung eines Prozesses, in welcher die prozessualischen
Handlungen nicht in der ordnungsmäßigen Reihenfolge geschehen.
Tûn, ansehnliche Stadt in der pers. ProvinzChorasan, unter 34° nördl. Br. gelegen und mit einem für
jene wüsten Gegenden bedeutenden Kulturgürtel umgeben. Obwohl eine der festesten StädtePersiens, vermag sie doch einem
regelrechten Angriff nicht standzuhalten, weil die Werke total vernachlässigt sind. Sie mißt ca. 6 km im Umfang (wovon jedoch
nur etwa ein Achtel mit Häusern bedeckt ist) und zählt etwa 8000 Einw. Produziert wird viel Tabak, Opium
und auch Seide.
(Tonbridge, spr. tönnbriddsch), Stadt in der engl. GrafschaftKent, am schiffbaren Medway, hat eine 1554 gegründete
Lateinschule, ein Schloß mit normännischem Thorweg, Fabrikation von lackierten Holz- und Drechslerwaren und (1881) 9317 Einw.
Wells (spr. tönnbriddsch), Stadt in der engl. GrafschaftKent, 8 km südlich von Tunbridge, nächst Bath der
älteste Badeort Englands, aber mehr wegen seiner guten Luft als seiner Stahlquellen besucht, hat einen Kursaal, Badeanstalten,
zahlreiche Villen, liegt malerisch auf drei Hügeln, hat Fabrikation von lackierten Holz- und Drechslerwaren
und (1881) 24,309 Einw.
die im nördlichsten Asien
[* 63] und Europa jenseit der Baumgrenze gelegenen weiten Landstrecken mit
kümmerlichem Pflanzenwuchs, der hauptsächlich aus Moosen und Flechten
[* 64] besteht. Bedingt wird diese mangelhafte, mit einem Vorwiegen
der Kryptogamenflora und einem Zurücktreten der Phanerogamen verbundene Entwickelung der Vegetation einerseits durch die
Bodenform und Höhenlage der betreffenden Gebiete, anderseits durch das Klima und die mangelhafte Wirkung der Sonnenstrahlen.
Letztere vermögen den Boden nur bis zu sehr geringer Tiefe aufzutauen, die Luft nur dicht am Boden zu erwärmen, so daß die
Existenz tiefwurzelnder und hochstämmiger Pflanzen unmöglich wird. In neuester Zeit wird der Name Tundra auch
auf die gleichartigen Barren Grounds von Nordamerika
[* 65] angewandt.
(Tungri), german. Völkerschaft in Gallia Belgica, welche die Sitze der 53 vernichteten
Eburonen an der mittlern Maas einnahm, mit dem Ort
Aduatuca Tongrorum (jetzt Tongern).
Provinz des südamerikan. StaatsEcuador, umfaßt die Hochebene von Ambato (2573 m) und den Ostabhang der Kordillere
und hat ein Areal von 5050 qkm (91,7 QM.) mit (1885)
79,526 Einw. Genannt ist die Provinz nach dem noch thätigen Vulkan von Tunguragua (5087 m) in der östlichen Kordillere.
(s. Tafel »AsiatischeVölker«,
[* 69] Fig. 11), zur mongol. Rasse gehöriges Jägernomadenvolk in Sibirien, das in
ganz Ostsibirien verbreitet ist und in zahlreiche, nach Sprache
[* 70] und Sitte mehr oder weniger weit auseinander
gegangene Stämme zerfällt. Ihre eigentliche Heimat scheint das Amurland zu sein, in welchem sie das höchste Maß der ihnen
bisher zugänglichen Kultur erreicht, und von wo aus sie sich bis zum Jenissei, den Eismeerküsten und Kamtschatka verbreitet
haben.
Sie sind von mittlerm Wuchs mit verhältnismäßig ziemlich großem Kopf, breiten Schultern, etwas kurzen
Extremitäten und kleinen Händen und Füßen; ihre Konstitution ist eine trockne, hagere, sehnig-muskulöse; fettleibige Gestalten
findet man unter ihnen nicht. Die Hautfarbe ist mehr oder weniger gelbbräunlich, das Auge braun, das Haar
[* 71] schwarz, schlicht,
struppig und stark, das Barthaar auf Lippen, Backen und Kinn sehr spärlich; die Kopfbildung ist entschieden,
wenn auch abgeschwächt, mongolisch.
Das Gesicht
[* 72] trägt den Ausdruck der Gutmütigkeit und Indolenz. Ihre Zahl wird auf 70,000 geschätzt. Unter den verschiedenen
Stämmen lassen sich in sprachlicher Beziehung vier Gruppen bilden:
1) Dauren und Solonen, Stämme mit starker mongolischer Beimischung;
Sprache.Tungusisch im weitern Sinn heißen alle zur tungusischen Gruppe des uralaltaischen Sprachstammes
(s. d.) gehörigen Sprachen, von denen die Mandschusprache (s. d.) die
¶
(lat.), röm. Kleidungsstück für
Männer und Frauen, das unter der Toga
[* 75] unmittelbar auf dem Körper getragen wurde. Sie wurde über den Hüften durch einen Gürtel
[* 76] zusammengehalten und reichte bis unter die Kniee herab. Sie war von weißer Wolle gefertigt und anfangs ohne Ärmel; später
wurden kurze, nicht bis an die Ellbogen reichende Ärmel üblich. Die Frauen trugen über der innern, ärmellosen
Tunika noch eine zweite mit Ärmeln (stola), die den halben Oberarm bedeckte und nach der Außenseite einen durch
Agraffen (fibulae) zusammengehaltenen Schlitz hatte.
Die Tunika der Knaben und Soldaten war hochrot (tunica russa). An der Tunika der Senatorenwar in der Mitte von der
Brust herab bis zum untern Saum ein Purpurstreif angewebt (tunika laticlavia); die der Ritter war durch zwei dergleichen schmale
Streifen ausgezeichnet (tunika angusticlavia), doch trugen letztere zur Kaiserzeit auch die tunika laticlavia.
Die Triumphatoren trugen Purpurtuniken, auf deren SaumPalmen
[* 77] in Gold
[* 78] gestickt waren (tunika palmata). Die einfarbige, unverzierte
(tunika recta) erhielten die Jünglinge zugleich mit der toga virilis und Jungfrauen, wenn sie heirateten, als Brautkleid von ihren
Eltern. - Die Tunika der römischen Bischöfe ist ein leinenes Gewand von weißer Farbe, das bis auf die Füße reicht und durch
das Cingulum (s. d.) um die Hüften festgehalten wird.
(Tunicata Lam., Manteltiere), hoch entwickelte Seetiere, deren meist sack- oder tonnenförmiger Körper von
einem Mantel, d. h. einer eigentümlichen, oft außerordentlich dicken, bald gallertigen, bald
lederartigen oder knorpeligen Hülle, umgeben ist (s. Tafel »Mollusken
[* 79] und Tunikaten«). Diese wird von der eigentlichen Haut
[* 80] des Tiers abgeschieden und enthält einen der pflanzlichen Cellulose ungemein nahe verwandten Stoff. Sie
besitzt zwei Öffnungen, die eine zur Einfuhr von frischem Wasser mit den in ihm befindlichen Nahrungssubstanzen, die andre
zur Entfernung des zum Atmen unbrauchbar gewordenen Wassers sowie der Exkremente, Eier etc. Beide Öffnungen liegen entweder
einander sehr nahe oder an den entgegengesetzten Körperenden und sind durch Muskeln
[* 81] mehr oder weniger
verschließbar.
Der Innenfläche des Mantels, welcher zu seiner Ernährung von Blutgefäßen durchzogen wird, liegt die Hautschicht des Tiers
dicht an. Von ihr umschlossen ist im Vorderende die sehr geräumige Atemhöhle, in welcher das aufgenommene Wasser mit der
in ihr befindlichen Kieme in Berührung kommt und so die Atmung vermittelt. Die Kieme selbst besteht bei
vielen aus einem grobmaschigen Sack, bei andern aus einem hohlen Cylinder mit durchbrochener Wandung oder einfach aus einer
dünnen, in der Atemhöhle ausgespannten Scheidewand mit vielen Lücken. In allen Fällen bewegt sich das Wasser, durch zahllose
Flimmerhaare in fortwährender Strömung längs den Wandungen der Kieme erhalten, vom Vorderende weiter
nach hinten, wo im Grunde der Atemhöhle der eigentliche Mund des Tiers liegt.
Die Nahrungsteilchen, welche es mitbringt, werden aber schon von der Eingangsöffnung ab durch eine besondere Flimmerrinne,
welche einen zähen Schleim zu ihrer Festhaltung absondert, dem Mund zugeführt und gelangen darauf in
den Magen.
[* 82]
Der Darm
[* 83] endet durch den After entweder direkt in den hintern Teil der Atemhöhle oder in einen besondern Abschnitt
derselben, die sogen. Kloake. Neben dem Darm liegt das dünnwandige, beutelförmige Herz. Das Blut wird von demselben einige
Minuten in den Gefäßen in einer bestimmten Richtung vorwärts getrieben, hört dann kurze Zeit ganz zu
fließen auf und zirkuliert darauf in der entgegengesetzten Richtung, so daß die kurz vorher als Arterien fungierenden Gefäße
nun zu Venen werden und umgekehrt.
Das Nervensystem besteht in der Hauptsache aus einem zwischen Einfuhr- und Ausfuhröffnung gelegenen Ganglion, in dessen Nähe
sich meist ein Auge sowie ein Gehörbläschen befindet. Über die Niere ist nichts Genaueres bekannt. Die Geschlechtsorgane
sind im allgemeinen einfach gebaut. Alle Tunikaten sind im anatomischen SinnZwitter, befruchten sich jedoch nicht selbst und haben
gewöhnlich auch nicht einmal zu gleicher Zeit reife Eier und reifen Samen, sondern vielfach erstere früher
als letztern.
Außer der geschlechtlichen Fortpflanzung ist aber noch die ungeschlechtliche durch Knospung sehr verbreitet. Sie liefert Kolonien,
bei welchen die Individuen häufig ganz bestimmt und charakteristisch gruppiert sind. Die Eier entwickeln sich in der Atemhöhle
oder der Kloake, so daß meist die Jungen lebendig geboren werden. Bei den im Alter festsitzenden (s. Ascidien)
schwärmen sie, mit einem später abfallenden Ruderschwanz versehen, noch eine Zeitlang umher, heften sich dann an und bilden
unter Umständen sofort durch Knospung eine kleine Kolonie.
Bei der andern, frei schwimmenden Gruppe (s. Salpen) wechselt geschlechtliche u. ungeschlechtliche Fortpflanzung regelmäßig
miteinander ab, so daß ein Generationswechsel vorliegt. Über die Stellung der im Tierreich sind die Forscher
nicht einig. Früher ordnete man sie auf Grund ihres weichen Körpers allgemein den Mollusken unter, hat sie aber gegenwärtig
von diesen abgetrennt und vereinigt sie entweder mit den Bryozoen
[* 84] (s. d.) zu der Gruppe der Molluskoideen oder
läßt sie besser ganz selbständig sein. Da sie aber aus andern Tieren hervorgegangen sein müssen, so gibt man ihnen als
Vorfahren entweder die Würmer,
[* 85] und zwar eine ausgestorbene Gruppe derselben, oder die Wirbeltiere.
Mit den letztern haben sie nämlich in der Entwickelung so viel Gemeinsames (vgl. Ascidien und Amphioxus), daß
nahe Verwandtschaft zwischen beiden mit Recht angenommen werden darf. Indessen ist bisher noch nicht festgestellt worden, ob
die Wirbeltiere von den Tunikaten oder diese von jenen abstammen. Im erstern Fall gäbe es eine stetig aufsteigende Linie: Würmer;
Tunikaten (Ascidien) als völlig rückgebildet,
als auch eine aufsteigende: fischähnliche Wesen;
Fische etc., so daß dann die Tunikaten sozusagen einen herabgekommenen Seitenzweig
des Hauptstammes der Wirbeltiere darstellen würden.
Die Tunikaten sind ohne Ausnahme Bewohner des Meers. Teils sind sie
auf allen möglichen Unterlagen festgewachsen und finden sich dann sowohl an der Flutgrenze als in bedeutenden Tiefen; teils
schwimmen sie auf der Oberfläche oft weit von den Küsten und in großen Scharen umher. Sie nähren sich von kleinsten tierischen
und pflanzlichen Wesen, die mit dem Wasser in ihre Atemhöhle geraten und dort zum Mund gelangen. Viele unter
ihnen leuchten mit prachtvollem Licht.
[* 87] FossileFormen sind bisher nicht
¶
mehr
aufgefunden worden. - Man teilt die Tunikaten in zwei große Gruppen: die meist festsitzenden Ascidien (s. d.) oder Seescheiden und
die frei schwimmenden Salpen (s. d.).
seit Schutzstaat
Frankreichs, wird im N. und O. vom MittelländischenMeer, im SO. von Tripolis, im SW. und W. von Algerien
begrenzt und hat ein Areal von 116,000 qkm (2107 QM.). Der östliche Küstensaum ist flach, sandig und unfruchtbar,
der nördliche dagegen hoch, steil und felsig. Der nördliche und westliche Teil des Innern ist im allgemeinen sehr gebirgig.
Waldreiche Gebirgsmassen bilden eine maritime Gebirgszone, welche im S. durch eine breite ebene Zone begrenzt
wird, und an welche sich weiter im S. eine zweite hohe Gebirgsregion als dritte Zone anschließt, sich im Dschebel Mechila bis 1477 m
erhebt und in einem langen Ast in den Ras Addar (KapBon) ausläuft. Im SW. des Landes, nach Gafsa zu, steigen
nochmals Bergmassen auf, und südlich von diesen bilden die wüsten, felsigen Ebenen des Biled ul Dscherid eine vierte Zone.
Am Küstenrand treten zahlreiche Vorgebirge hervor, so an der NordküsteRas Addar (KapBon), KapBlanc u. a. Von den Meerbusen sind
im NO. der Golf von an der Ostseite die Meerbusen von Hammamet und Gabes (KleineSyrte) die ansehnlichsten;
vor dem letztern liegen die InselnKerkena und Dscherba.
Die gebirgigen Teile im N., NW. und W. des Landes sind sehr quellenreich; desto wasserärmer sind die großen Ebenen im südlichen
Teil des Landes, in denen jedoch ausgedehnte unterirdische Wasserbecken nachgewiesen worden sind. Die
meisten von den Gebirgen herabkommenden Bäche und Flüßchen (Wadi) verlieren sich im Sand oder erreichen als Küstenflüsse
nach kurzem Lauf das Meer. Kein einziger Fluß ist schiffbar. Der bedeutendste ist der Medscherda, der bei PortoFarina in das Mittelmeer
mündet, nächst ihm der Wadi el Kebir und der Wadi el Miliana.
Man meinte früher, daß die Schotts im S. des Landes eine Depression
[* 89] bildeten, indes ist dies nur mit demSchott Gharsa (-21
m), welcher mit dem schon auf algerischem Gebiet liegendenSchott Melrir (-29 m) in Verbindung steht, der Fall.
Die von diesen durch eine Bodenschwelle getrennten, weit größern SchottsDscherid und Fedschedsch liegen bereits 16-25 m ü. M.;
die (von Roudaire befürwortete) Durchstechung der Landenge von Gabes würde daher nur ein beschränktes Binnenmeer schaffen.
Mineralquellen gibt es bei Tunis (Hammam el Enf), zu Gurbos, Tozer und Gafsa. An der Küste ist das Klima
gemäßigt, gleichförmig und gesund, der Winter gleicht unserm Frühjahr. Im Juli und August steigt unter dem Einfluß der
Glutwinde aus der Sahara das Thermometer
[* 90] bis auf 40, ja 50° C. Vom Oktober bis zum April regnet es häufig. Die Vegetation hat
mediterranen Charakter; auch an kahlen Hochebenen wächst massenhaft das Halfagras
und harzgebende Akazien,
die Schotts sind von großen Dattelpalmenhainen umsäumt; Wälder befinden sich zwar nur an der Nordküste, enthalten dort aber
prachtvolle Bäume.
Aus dem Tierreich ist Rindvieh in großer Zahl vorhanden, auch hat man eine zur Fettschwanzgattung gehörige Art von Schafen;
ausgezeichnet sind die Pferde und Dromedare. Bei Tabarka fischt man Korallen.
[* 91] Mineralprodukte sind außer
dem an der Küste gewonnenen Salz
[* 92] nur die Salpeterablagerungen bei Kairuan, Bleierze an mehreren Stellen, bei Bescha und am Dschebel
Resas (Bleiberg) bei Tunis, endlich Quecksilber, das nicht gefördert wird, bei PortoFarina. Die Bevölkerung
[* 93] beträgt ca. 1½
Mill. Seelen, darunter 45,000 Israeliten, 35,000 Katholiken, 400 Griechisch-katholische und 100 Protestanten;
den Rest bilden Mohammedaner.
Die Juden, meist aus Spanien
[* 94] und Portugal stammend, wohnen in den Städten, wurden vor der französischen Okkupation sehr unterdrückt,
haben jetzt aber gleiche Rechte mit andern. Die Zahl der Fremden (schnell zunehmend) war 1881: 55,987, davon 10,249
Italiener, 8979 englische Malteser, 3395 Franzosen. Der Ackerbau wird bei der hohen Produktionsfähigkeit des Bodens sehr lässig
betrieben. Fabriziert werden besonders rote tunesische Mützen (Fesse), Saffian, Seiden- und Wollwaren und irdene Geschirre.