Die gleichnamige Hauptstadt liegt malerisch auf einem zum
Tajo schroff abfallenden
Berg, von doppelten, getürmten
Mauern umgeben,
ist durch eine Zweigbahn nach
Castillejo mit der
BahnMadrid-Alicante verbunden und gewährt mit ihren 26
Kirchen, zahlreichen
Klostergebäuden, ihren alten
Thoren,
Brücken
[* 2] und einer Unzahl von
Türmen einen imposanten Anblick. DasInnere
bildet ein Gewirr krummer und ungleich hoch liegender, aber reinlicher
Gassen. Das ansehnlichste Gebäude ist die
Kathedrale,
eine der großartigsten gotischen
Kirchen, 113 m lang, 57 m breit, mit einem großen, 90 m hohen
Turm,
[* 3] fünf von 88
Pfeilern
getragenen
Schiffen, 40 Seitenkapellen, prachtvollen Grabmälern, zahlreichen Kostbarkeiten und Kunstschätzen.
Die
Bibliothek des
Domkapitels besitzt viele seltene
Handschriften. Der im höchsten Teil der Stadt gelegene
Alkazar ist 1887 abgebrannt. Bemerkenswert sind noch: die schöne gotische
KircheSan Juande los Reyes (von 1477) und das anstoßende
ehemalige Franziskanerkloster mit herrlichem
Kreuzgang, der ehemalige Inquisitionspalast (jetzt Regierungsgebäude), der
Palast
der Vargas, das Stadthaus, das
Hospital mit dem
Grabmal seines
Gründers,
Kardinals Tavera, 2
Thore von arabischer
Bauart, 2 hoch gespannte
Brücken. Im
Mittelalter hatte Toledo
[* 4] gegen 200,000, jetzt hat die tote, verlassene Stadt nur noch (1886)
19,775 Einw.
Nahe am
Tajo liegt die große königliche Waffenfabrik, in welcher die berühmten Toledoklingen, jetzt
meist die
Waffen
[* 5] für die
Armee, verfertigt werden.
Außerdem liefert Toledo
Seiden-,
Gold- und
Silberstoffe (Kirchenparamente) und führt berühmten
Marzipan aus. Toledo hat eine Zentralschießschule
und ist Sitz des
Gouverneurs und eines
Erzbischofs, der den
Titel eines
Primas von
Spanien
[* 6] führt. Hier spricht man das reinste
Spanisch (Castellano). Die 1498 gestiftete
Universität ist eingegangen. Toledo hieß zur Römerzeit Toletum,
war ein befestigter
Ort derKarpetaner im tarrakonensischen
Spanien, wurde später römische
Kolonie, war schon frühzeitig durch
seine Stahlwarenfabrikation berühmt und zu der Zeit
Cäsars ein starker
Waffenplatz. Unter den Westgoten war es eine Zeitlang
(576-711)
Residenz der
Könige und wurde bedeutend vergrößert. Unter der Herrschaft der
Mauren (seit 714)
bildete es längere Zeit ein eignes
Reich. 1085 eroberte
Alfons VI. von
Kastilien die Stadt und das
Reich und machte erstere
zu seiner
Residenz. In der
Folge war Toledo der Hauptsitz der
Inquisition.
Flecken in der ital.
ProvinzRom,
[* 16]
Kreis
[* 17]
Civitavecchia, hat Alaungruben (bei Tolfa und bei dem nahegelegenen Allumiere),
die, im 15. Jahrh. entdeckt, früher noch reichern
Ertrag lieferten, und (1881) 3103 Einw.
Durch den
Sieg11. Juni bei Kulewtscha erwarb er sich die Grafenwürde. Im polnischen
Feldzug von 1831 stand er abermals als Stabschef
dem
General Diebitsch zur Seite, übernahm nach dessen
Tode das interimistische
Kommando und leitete beim
Sturm auf
Warschau
[* 31] 7. Okt. nach
Paskewitsch' Verwundung die
Operationen des letzten entscheidenden Schlachttags. Hierauf ward er in den
russischen
Reichsrat berufen und 1833 zum Oberdirigenten der
Wasser- und Wegekommunikationen und der öffentlichen Bauten ernannt.
Er starb in
Petersburg.
[* 32]
Henrik Caroluszoon, niederländ. Dichter, geb. zu
Rotterdam,
[* 33] ward
¶
mehr
Kaufmann, widmete sich daneben der Poesie, zog sich 1846 auf sein Landgut zu Rijswijk zurück, wo er starb. Seine
Erstlingsarbeiten waren mehrere Komödien und ein bürgerliches Trauerspiel: »Konstanten«, welche er jedoch später nicht in
seine Werke aufnehmen wollte. Darauf veröffentlichte er: »Idyllen en minnezangen« (1801-1805);
»Gedichten« (1808-15, 3 Bde.);
»Tafereel van de overwintering der Nederlanders op Nova Zembla« (1816; deutsch, Amsterd. 1871);
»Nieuwe gedichten« (1821) und »Laatste
gedichten« (1848-53).
Eine Gesamtausgabe seiner Werke erschien Leeuwarden 1876, 12 Bde. Tollens war eine Zeitlang
der beliebteste holländ. Dichter, vorzüglich des Mittelstandes; 1860 ward ihm
zu Rotterdam ein Standbild errichtet.
(Darmgicht), Bienenkrankheit, bei der junge Bienen, welche eben erst die Zelle
[* 38] verlassen haben, von den
Waben auf das Bodenbrett des Stockes herabfallen, sich zum Flugloch herauswälzen und dann auf der Erde
wie rasend umherlaufen, bis sie unter krampfhaften Zuckungen sterben. Verursacht wird die Tollkrankheit durch schädliche
Bestandteile der genossenen Nahrung. Bemerkt man der Tollkrankheit ähnliche Erscheinungen an den Flugbienen, so liegt offenbar Vergiftung
durch gewissenlose Menschen vor; aus Vorsicht esse man nicht Honig aus Stöcken, an denen man Tollkrankheit wahrnimmt.
Durch Füttern gesunden Honigs mildert und beseitigt man das Übel. Der Tollkrankheit nicht unähnlich ist die Flugunfähigkeit (Maikrankheit),
bei welcher die Trachtbienen aus dem Flugloch herauskommen, auf die Erde niederstürzen, wo sie wie irrsinnig umherlaufen,
bis sie ermattet liegen bleiben und verenden. Ursache dieser Krankheit ist ein Schimmelpilz (MucorMucedo)
in den Eingeweiden der Bienen. Füttert man gesunden Honig, dem man einige Tropfen Salicylspiritus beimischte, so beseitigt man
die Krankheit nach und nach.
unterscheidet sich von Feigheit (s. d.), welche die drohende Gefahr überschätzt, von Tapferkeit (s. d.),
welche dieselbe richtig, und von Verwegenheit (s. d.), welche sie unterschätzt, dadurch,
daß sie jene gar nicht schätzt, sondern ihr blind entgegengeht.
Die Tollwut der Hunde kommt in zwei Formen, als rasende und stille Wut, vor; nicht selten geht die erste in die zweite über, meist
aber besteht die eine Form des Leidens während der ganzen Dauer desselben. Beide Formen sind gleichmäßig
ansteckend, und die eine kann die andre hervorrufen. Die Tollwut beginnt mit verändertem Benehmen der Hunde; die Tiere werden mürrisch,
hastig, weniger folgsam und verkriechen sich oft. Der Appetit ist vermindert, und bald wird die Aufnahme von Nahrungsmitteln
ganz verschmäht.
Dagegen zeigt sich gewöhnlich eine Neigung, ungenießbare Gegenstände zu benagen und selbst herabzuschlucken.
Auch plätschern die wutkranken Hunde zuweilen mit der Zunge in kaltem Wasser. Die Ansicht, daß die Hunde in der Tollwut Scheu vor
dem Wasser hätten, ist unrichtig. Die Neigung, zu beißen, ist zunächst am meisten gegen andre Hunde und gegen
Katzen gerichtet. Nicht selten werden aber auch größere Haustiere und Menschen schon in der ersten Zeit der Krankheit angegriffen.
Im weitern Verlauf der Tollwut streben die Hunde, sich aus ihrem etwanigen Gewahrsam zu befreien und von der Kette loszumachen.
Sie laufen ohne erkennbare Veranlassung fort, schweifen nicht selten in entfernte Gegenden, kehren aber
zuweilen noch an demselben oder am folgenden Tag wieder zurück. Sie verkriechen sich dann an abgelegenen Orten, um nach kurzer
Ruhe abermals zu entlaufen. Gegen ihnen bekannte Personen benehmen sie sich oft freundlich, während sie fremde Personen und
Tiere anfallen. Sie beißen gewöhnlich Menschen und Tiere nur ein- oder einigemal, worauf sie weiterlaufen.
Zuweilen ist aber die Beißwut so groß, daß der Hund auf alles, was ihm in den Weg kommt, losfährt und selbst in leblose
Gegenstände sich mit den Zähnen einige Zeit lang festbeißt.
Die meisten wutkranken Hunde sind schwer abzuwehren, weil sie sich gegen die gewöhnlichen Abwehrmittel
unempfindlich zeigen. Die Stimme ändert sich zu einem Mittelding zwischen Bellen und Heulen. Es tritt Schwäche und Lähmung
des Unterkiefers und des Hinterteils sowie allmählich zunehmende Abmagerung des Körpers ein. Aus dem offen stehenden Maul fließt
zäher Schleim. Die Hunde ziehen sich nach dunkelnOrten zurück oder verkriechen sich in ihren Behältern.
Die Lähmung des Körpers nimmt zu, u. der Tod erfolgt in der Regel nach 5-7 Tagen. Über elf Tage sah man bis jetzt keinen Hund
bei Tollwut leben bleiben. Bei der rasenden Wut tritt unter den vorstehenden Erscheinungen besonders hervor: die große Unruhe,
die Neigung zum öftern Entlaufen, die große Beißsucht, das häufige eigentümliche Bellen und die kürzere
Dauer der Krankheit. Bei der stillem Wut sind sehr bemerkenswert: die Lähmung (Herabhängen) des Unterkiefers, Schwäche und
Lähmung des Hinterteils, mehr ruhiges Verhalten, geringere Beißsucht, das Verkriechen an dunkeln Orten und im allgemeinen
eine längere Krankheitsdauer.
Die Meinung, daß tolle Hunde immer geradeaus laufen, den Schwanz hängen lassen oder ihn zwischen die
Beine ziehen, und daß bei ihnen Speichel aus dem Maul abfließt, ist irrig. Erst später, wenn die Kreuzlähmung sich einstellt,
hängt der Schwanz schlaff herab, das Maul aber ist bei tollen Hunden mehr trocken als feucht. Das eigentümlichste
und wichtigste Zeichen der Tollwut ist die Veränderung der Stimme und der Art des Bellens. Die Töne sind bald höher, bald tiefer
als im gesunden Zustand, immer etwas rauh und heiser, und der erste Anschlag des Bellens geht allemal in ein kurzes Geheul
über.
¶
mehr
Die Ursachen der primären Erzeugung der Tollwut sind nicht bekannt; ist eine solche überhaupt möglich, so erfolgt
sie jedenfalls sehr selten, sekundär entsteht die Krankheit durch Einimpfung des Speichels, an welchen das Kontagium hauptsächlich
gebunden ist, in die Bißwunde. Bei hoher Entwickelung der Krankheit findet sich das Kontagium aber auch
im Blut, Harn und andern Säften des Hundes. Die Verdauungsorgane und die unverletzte Haut
[* 43] scheinen keine besondere Empfänglichkeit
für dasselbe zu besitzen.
Nicht jeder Biß eines tollen Hundes erzeugt Tollwut, besonders dann nicht, wenn die Zähne
[* 44] durch den Pelz des gebissenen Tiers oder
durch dicke Kleider des Menschen abgewischt, von Speichel befreit werden. Zuweilen wird auch das Kontagium durch reichlich fließendes
Blut fortgespült, oder es fehlt bei dem betreffenden Individuum die Disposition. Die Behandlung wutkranker
Hunde und Katzen ist wegen der damit verbundenen Gefahr in den meisten Ländern gesetzlich verboten, übrigens auch erfolglos.
Es kommt hauptsächlich darauf an, die Krankheit und ihre Folgen zu verhüten.
Dies geschieht am wirksamsten durch möglichst hohe Hundesteuer. Nach dem deutschen Viehseuchengesetz ist von
jedem Fall von Tollwut der Polizei sofort Anzeige zu machen. Hunde, welche der Tollwut verdächtig sind, sind sofort zu töten oder bis
zu polizeilichem Einschreiten abgesondert in einem sichern Behältnis einzusperren. Letzteres, soweit es ohne Gefahr geschehen
kann, besonders dann, wenn der verdächtige oder an der Tollwut erkrankte Hund einen Menschen oder ein Tier gebissen
hat.
Ist die Tollwut festgestellt, so ist der Hund sofort zu töten, ebenso alle Hunde und Katzen, welche von demselben gebissen worden
sind. Ist ein erkrankter oder verdächtiger Hund frei umhergelaufen, so ist die Festlegung aller Hunde des gefährdeten Bezirks
für drei Monate anzuordnen. Dasselbe gilt für Katzen. Kadaver toller Hunde sind vorsichtig an abgelegenem
Ort mindestens 2 m tief zu vergraben. Die Berührung mit der bloßen oder gar mit verletzter Hand
[* 45] ist sorgfältig zu vermeiden.
Alles, was mit dem tollen Hund in Berührung gekommen war oder von ihm besudelt wurde, ist zu verbrennen oder
auszuglühen. GrößereMassen von Geifer, Blut etc. übergießt man mit starker Seifensiederlauge, Chlorkalklösung oder Schwefelsäure.
[* 46] Die Hundehütte ist zu verbrennen, der Stall gründlich zu reinigen und zu desinfizieren, und niemals darf vor Ablauf
[* 47] von zwölf
Wochen ein neuer Hund in denselben gebracht werden. Pferde,
[* 48] Rinder,
[* 49] Schafe,
[* 50] Ziegen, Schweine,
[* 51] Vögel, die von
einem wutkranken Tier gebissen wurden, sind sobald wie möglich tierärztlicher Behandlung und zugleich einer Beaufsichtigung
zu unterwerfen.
Kommt die Krankheit zum Ausbruch, so ist der PolizeiAnzeige zu erstatten, welche das Tier töten läßt. Die Kadaver sind wie
die der Hunde zu behandeln, sie sind ohne Abhäutung tief zu vergraben oder durch Chemikalien, resp. hohe
Hitzegrade unschädlich zu machen. Ein Ersatz des Wertes der auf polizeiliche Anordnung getöteten Tiere findet nicht
statt.
Die Gesetzgeber haben sich gegenüber dieser Frage von dem Gesichtspunkt leiten lassen, daß die Tollwut nach ihrem Ausbruch nur
wenige Tage besteht, stets zum Tod führt und deshalb nicht wie Rotz und Lungenseuche längere Zeit verheimlicht
werden kann.
In Preußen erkrankten und fielen an Tollwut oder wurden deshalb getötet 1884-85: 352, 1885-86: 326, 1886-87: 386 Hunde. Die steigende
Zahl der getöteten Hunde, welche mit tollkranken in nähere Beziehung gekommen oder von solchen gebissen worden waren (759,
822, 1247), zeigt, daß diese Maßregel eine ihrer Wichtigkeit entsprechende Beachtung gefunden hat.
Von den tollwutkranken ortsangehörigen Hunden entfällt ein so großer und beständig steigender Prozentsatz (bis 86,79 Proz.)
auf die östlichen Provinzen, und von diesen ist wieder ein so großer Teil von herrenlos umherschweifenden tollwutkranken
Hunden gebissen worden, daß man wohl annehmen darf, die steigende Verbreitung der Tollwut in
den östlichen preußischen Provinzen sei auf stets erneute Einschleppung aus Rußland zurückzuführen. Jedenfalls aber ist
der Verbreitung der Seuche in diesen Provinzen förderlich, daß hier häufiger als anderwärts viele nutzlose, schlecht gepflegte
und wenig beaufsichtigte Hunde gehalten werden. Ferner sind von 1884 bis 1887 in Preußen an Tollwut erkrankt
und gefallen, bez. getötet worden: 23 Pferde, 348 Rinder, 80 Schafe und 52 Schweine.
BeimMenschen entsteht die Tollwut ebenfalls nur nach dem Biß eines wutkranken Fleischfressers (Hund, Wolf, Fuchs,
[* 52] Katze)
[* 53] und zwar nach
2-6 Wochen, auch wohl nach einigen Monaten, so daß die Wunde längst geheilt sein kann, wenn die Krankheit
ausbricht. Im ersten Stadium derselben sind die Kranken sehr unruhig, ängstlich und matt, sie verlieren den Appetit, klagen
über Übelkeit und Gliederschmerzen, und es stellt sich leichtes Fieber mit Durst und Verstopfung ein. Eitert die Wunde noch,
so nimmt sie ein häßliches Ansehen an; war sie bereits geheilt, so wird sie wieder schmerzhaft, und
die Schmerzen ziehen sich nach dem Stamm hin.
Bald entsteht Steifigkeit in Hals und Nacken, namentlich beim Schlingen; der Kopf wird eingenommen, das Gesicht
[* 54] blaß, der Blick
matt, der Puls voll und beschleunigt. Allmählich oder plötzlich entwickelt sich nun das zweite Stadium
mit immer heftigern und häufigern Anfällen mit krampfhaften Bewegungen, großer Angst, Verzweiflung, Wut und meist nur geringer
Störung des Bewußtseins. Die Kranken haben das Bedürfnis zu beißen, und manche laufen unruhig hin und her.
Sie haben heftigen Durst, aber Widerwillen gegen jedes Getränk. Mitunter tritt schon beim Anblick des
Getränks oder doch nach Genuß von wenig Wasser das Gefühl heftiger Zusammenschnürung im Hals oder ein Wutanfall ein, während
feste Speisen noch geschlungen werden können. Im dritten Stadium, etwa 1-2 Tage später, tritt Lähmung ein, der Speichel läuft
aus dem Mund oder in den Schlund und erregt Erstickungsnot, der Atem wird schnell und röchelnd, der Puls
klein, die Stimme rauh und heiser, und der Tod erfolgt in einem Anfall oder ruhig nach einem solchen. Dies Stadium dauert nur
wenige Stunden, und so verläuft die ganze Krankheit in 3 Tagen, oft in 24 Stunden. Die Sektion ergibt nichts
Besonderes, nur die Schwellung der Milz und der lymphatischen Gebilde ist bemerkenswert. Die Prognose der ausgebrochenen Tollwut ist
ganz ungünstig, dagegen sind überhaupt nur wenige Bisse eines tollen Hundes ansteckend, die Mehrzahl der Gebissenen erkrankt
nicht. In Preußen starben 1884-87 an Tollwut
¶
mehr
sechs Personen. Die Behandlung muß mit energischem Ausblutenlassen der Wunde durch tiefe Einschnitte und aufgesetzte Schröpfköpfe,
Ätzungen der Wunde mit Alkalien und rauchender Salpetersäure beginnen. Kleinere, vielfach zerfleischte Glieder
[* 56] sind zu amputieren.
Außerdem ist eine umsichtige, beruhigende psychische Behandlung unendlich wichtiger als alle Arzneien. In der Diät ändere
man wenig und lasse nur die bei jeder Wunde schädlichen Dinge vermeiden.
Gegen die Krankheit selbst sind allerlei Mittel empfohlen worden, die sich aber als nutzlos erwiesen haben. Man beschränkt
sich daher auf Morphiumeinspritzungen und Chloroformeinatmungen, sucht bei Wutanfällen zu verhindern, daß der Kranke sich
oder andern schaden kann, und wendet dabei möglichst geringen Zwang an. Alles, was den Kranken erregen
könnte, namentlich auch das Aufdringen von Flüssigkeiten, ist zu vermeiden. Als Ersatz des Getränks sind nasse Brotkrume,
Apfelsinenscheiben, Eisstückchen, Klystiere zu empfehlen, doch nur dann, wenn sie keine Krämpfe erregen. In neuerer Zeit
hatPasteur auf theoretische Annahmen hin ein Impfverfahren ersonnen, welches die Empfänglichkeit für
das unbekannte Wutgift selbst bei schon gebissenen Personen beseitigen soll und bei Tieren, auch in mehreren Fällen bei Menschen
erprobt wurde. Er arbeitet mit dem getrockneten Rückenmark tollwutkranker Kaninchen
[* 57] und benutzt dies zu präventiven Impfungen.
Dabei erreichte er, daß ein geschütztes Tier ohne Schaden mit solchem frischen Rückenmark geimpft werden
konnte, welches bei ungeschützten Tieren in sieben Tagen Tollwut erzeugte. Thatsache ist, daß alle Personen, welchePasteur geimpft
hat, die Impfung
[* 58] ohne Schaden ertrugen, und daß keine derselben, obwohl sie von verdächtigen Hunden gebissen worden waren,
an Tollwut erkrankte. Ein Urteil über den wahren Wert dieser Impfungen läßt sich aber bis jetzt nicht fällen,
denn erstens ist die Methode nicht frei von erheblichen Einwänden, ferner ist bei mehreren der geimpften Personen sehr zweifelhaft,
ob der Hund, welcher sie biß, wirklich an Tollwut litt, endlich lehrt die Erfahrung, daß viele Menschen, welche von unzweifelhaft
wutkranken Tieren gebissen wurden, niemals an Tollwut erkranken.
ungar. Komitat, am rechten Donauufer, wird südlich vom KomitatBaranya, westlich von Sümeg, nördlich von Veszprim
und Weißenburg
[* 60] und östlich von der Donau begrenzt, ist 3643 qkm (66,17 QM.) groß, eben und
sehr fruchtbar, im W. bergig und hügelig, in den östlichen Teilen dagegen morastig. Das Komitat, welches der Sárviz (mit
dem Sárviz- oder Palatinalkanal) und seine Nebenflüsse Kapos und Sió durchströmen, erzeugt viel Getreide, Wein, Obst, Tabak
etc. Ausgedehnte Wiesen und Hutweiden begünstigen die Viehzucht; in der Donau wird beträchtlicher Hausenfang
betrieben. Die Einwohner (1881: 234,643) sind meist Ungarn
[* 61] und katholisch. Sitz des Komitats ist Szegszárd. Der Markt an der
Donau, hat ein Kastell, eine Dampfschiffstation und (1881) 7723
Einw.
(Sula Briss.), Gattung aus der Ordnung der Schwimmvögel
[* 64] und der Familie der Tölpel (Sulidae), schlank gebaute Vögel
mit langem, geradem, an den Seiten komprimiertem, sehr starkem und in eine wenig herabgekrümmte Spitze
ausgehendem Schnabel, sehr langen Flügeln, langem, keilförmigem Schwanz, niedrigen, stämmigen Füßen, nacktem Gesicht und
nackter Kehle. Der Tölpel (weißer Seerabe, Bassansgans, Sula bassanaGray), 98 cm lang, 190 cm breit, mit Ausnahme der braunschwarzen
Schwingen erster Ordnung weiß, auf Oberkopf und Hinterhals gelblich überflogen, mit gelben Augen, bläulichem
Schnabel, grünen Füßen und schwarzer, nackter Kehlhaut, bewohnt alle nördlichen Meere vom Wendekreis bis zum 70.° nördl.
Br., kommt vereinzelt in die Nähe Norddeutschlands, Hollands und Frankreichs, ist aber am häufigsten auf Island,
[* 65] den Färöern,
Orkaden und Hebriden, an der amerikanischen Küste und im nördlichen Teil des StillenOzeans, fliegt vortrefflich,
schwimmt wenig, ruht nachts auf Felsen an der Küste, ist auf dem Land sehr unbeholfen und fast hilflos. AndernVögeln gegenüber
ist er zänkisch und bissig. Er erbeutet seine Nahrung, indem er auf das Wasser herabstürzt und dabei taucht. Die
Tölpel sammeln sich zur Brutzeit auf Inseln in unzähligen Scharen, nisten dicht nebeneinander und legen nur je ein weißes Ei.
[* 66] Die Jungen werden gegessen, nach Edinburg
[* 67] auf den Markt gebracht, auch eingesalzen.
1) Peter Andrejewitsch, Graf, hervorragender Diplomat in der ZeitPeters d. Gr., geb. 1645, hielt sich, um das
Seewesen zu studieren, 1698 in Italien
[* 68] auf, wirkte als Gesandter längere Zeit in der Türkei,
[* 69] setzte 1717 die Auslieferung
des auf österreichisches Gebiet geflüchteten ZarewitschAlexei durch und nahm während der RegierungKatharinas I. die erste
Stelle neben Menschikow ein, dessen Opfer er wurde; 1727 geheimer Umtriebe angeklagt, wurde er in den äußersten
Norden
[* 70] des europäischen Rußland verbannt, wo er 1729 starb.
3) Alexei Konstantinowitsch, Graf, der bedeutendste russ. Dramatiker der Neuzeit, zugleich ausgezeichneter
Lyriker und Epiker, geb. zu St. Petersburg, verbrachte seine Jugend meist in Kleinrußland, wo ihn die schöne Natur
sowie die eigentümlichen Sitten und die reiche historische Vergangenheit des Volkes mächtig anregten. Schon als Kind lernte
er, von seinem Oheim A. Perowskij bei seinen Reisen ins Ausland stets mitgenommen, Welt und Menschen kennen
und hatte sich unter anderm auch des Wohlgefallens Goethes zu erfreuen, der dem
¶
mehr
phantasievollen Knaben eine große Zukunft prophezeite. Nach Beendigung der häuslichen Erziehung studierte er in Moskau und
übernahm nach Vollendung seiner Studien einen kleinen Posten bei einer russischen Gesandtschaft in Deutschland.
[* 74] Die diplomatische
Karriere sagte ihm jedoch nicht zu; schon nach kurzer Zeit jenen Posten aufgebend, begab er sich auf Reisen
nach Deutschland, Frankreich und Italien und begann nach seiner Rückkehr seine litterarische Thätigkeit.
Seine ersten Versuche bestanden in lyrischen Gedichten, die durch das in ihnen ausgesprochene tiefe Gefühl, durch die originellen
Wendungen, die Frische und Schönheit der Naturschilderungen und die innige Liebe zum Volk große Beachtung fanden. Dem allgemeinen
patriotischen Aufschwung folgend, trat Tolstoi während des Krimkriegs 1853-56 in das aktive Heer, zog sich
aber sofort nach Beendigung des Feldzugs wieder ins Privatleben zurück, um auf seinen Gütern in der Nähe von St. Petersburg
und im GouvernementTschernigow ganz der Dichtung zu leben. Er starb in der Blüte
[* 75] seiner Kraft
[* 76] »Tolstoi war
ein großer, originaler Dichter, eine tief humane Natur«, heißt es von ihm in einem von Turgenjew geschriebenen Nekrolog.
Neben vielen lyrischen Gedichten (in Auswahl mit denen Nekrassows deutsch von Jessen, Petersb. 1881),
von denen manche in glücklichster
Weise den Ton des Volksliedes treffen, müssen in erster Reihe genannt werden die epischen Erzählungen: »Die
Sünderin« (1858) u. »Der Drache«
[* 77] (1875);
der vortreffliche historische Roman »Fürst Serebrennyi« (deutsch, Berl. 1882),
Bei einer Reise in den Kaukasus fand er am militärischen LebenGefallen und trat plötzlich 1851 in das Heer
ein. Man nahm ihn als Offizier in die 4. Batterie der 20. Artilleriebrigade am Terek auf, wo er bis zum Beginn des türkischen
Kriegs (1853) blieb. Während desselben befand er sich bei der Donauarmee des FürstenGortschakow, beteiligte sich am Gefecht
an der Tschernaja und erhielt 1855 das Kommando über eine Gebirgsbatterie. Nach Beendigung des Kriegs nahm
er seinen Abschied, hielt sich mehrere Jahre abwechselnd in St. Petersburg und Moskau auf und zog sich endlich 1861 wieder auf
sein väterliches Gut Jasnaja Poljana zurück, wo er seitdem in größter Zurückgezogenheit lebte.
Durch seine beiden großartigen Romane: »Krieg und Frieden« (1865-68, 4 Bde.) und
»Anna Karenin« (1875-78, 3 Bde.), von denen der erstere
die Zeit der Napoleonischen Kriege behandelt, der andre in der russischen Gegenwart spielt, hat sich Tolstoi einen Ehrenplatz
in der modernen russischen Litteratur erworben. Er ist ein vortrefflicher Erzähler, der die echte epische Ruhe besitzt und
die Sprache
[* 79] meisterhaft handhabt. Außer den genannten Romanen sind als bedeutsame Werke noch zu verzeichnen
(seit Anfang der 50er
Jahre): »Kindheit und Jugend«, »Die Kosaken«, »Kriegsgeschichten«, »SebastopolerErzählungen« (während
des Kriegs geschrieben),
das dramatische Sittengemälde
»Die Macht der Finsternis« (deutsch von Scholz, Berl. 1887) u. a. In den letzten Jahren ist Tolstoi mehr und
mehr einem religiösen Mystizismus anheimgefallen, wie z. B. sein Aufsehen erregendes Buch »Worin besteht mein Glaube« (deutsch
von SophieBehr, Leipz. 1885) zeigt.
Gesamtausgaben seiner meist auch ins Deutsche
[* 80] übersetzten Werke erschienen 1880 und 1887. Sonst
ist Tolstoi noch auf dem Gebiet der Volkspädagogik, auch litterarisch, thätig gewesen.
5) Dimitri Andrejewitsch, Graf, russ. Staatsmann, geb. 1823, ward beim Marineministerium
angestellt, 1865 Oberprokurator des heiligen Synod und 1866 Minister der Volksaufklärung. Er zeigte sich als ein fanatischer
Vorkämpfer des orthodoxen Russentums. Die mitunter gewaltsame Bekehrung der Griechisch-Unierten zur russischen
Staatskirche, die Unterordnung der Katholiken Rußlands unter das römisch-katholischeKollegium in Petersburg, die Russifizierung
der polnischen Schulen waren sein Werk. Im Unterrichtswesen begünstigte er den Klassizismus, machte sich aber durch seine
Feindschaft gegen die Volksschule und seine kleinliche Bevormundung der Universitäten verhaßt und erhielt daher 1880 unter
Loris-Melikow seine Entlassung. Auf Betrieb Katkows ernannte ihn KaiserAlexander 1882 zum Präsidenten der Akademie der Wissenschaften
und 1883 zum Minister des Innern. Er leitete dies Amt ganz im Geiste des Zaren streng reaktionär und starb in Petersburg.
Er schrieb eine Geschichte der Finanzen Rußlands bis Katharina II. (1847) und »Le
[* 81] catholicisme romain
en Russie« (1863-64); von dem letztern Werk erschien 1877 eine russische Bearbeitung.
(Tolteca), amerikan. Volksstamm, wanderte im 4. oder 5. Jahrh.
von einem nördlichern Land, Huehuetlapallan, aus in Anahuac ein und gründete hier um die Mitte des 7. Jahrh. die Stadt Tollan
(Tula). Durch Eroberung und friedliche Übereinkunft erweiterten die Tolteken bald ihr Gebiet und gelangten auf eine ziemlich
hohe Stufe der Kultur, welche im allgemeinen das Gepräge der spätern aztekischen trägt, und von welcher großartige Bauten
in Anahuac noch Kunde geben. Im 4. Jahrh. seines Bestehens stand ihr Reich auf der höchsten Stufe seiner
Macht, seitdem fing es infolge unglücklicher Kriege und ungünstiger Naturereignisse an zu sinken. Unter dem König Topiltzin
(Mitte des 11. Jahrh.) wurde das Land durch Hungersnot und Krankheit entvölkert, und die übriggebliebenen siedelten sich
teils in benachbarten Landschaften an, teils verschmolzen sie mit den Chichimeken, die 100 Jahre später
hier einwanderten, bis die Azteken (s. d.) an ihre Stelle traten.
Vgl. Valentini, The Olmecas and the Tultecas (Worcester 1883).
(Opobalsam), harzig-balsamische Substanz, welche von dem in Südamerika
[* 83] heimischen BaumMyroxylontoluifera H. B. Kth.
aus Einschnitten in den Stamm gewonnen wird, ist frisch terpentinartig, braungelb, durchsichtig, erstarrt mit der Zeit kristallinisch
und gibt dann ein gelbliches Pulver. Er riecht feiner als Perubalsam, schmeckt
¶
mehr
aromatisch, wenig kratzend, löst sich in Alkohol und Äther und besteht aus einem Kohlenwasserstoff, Tolen, Harzen, Benzoesäure
und Zimtsäure. Man benutzt den Tolubalsam als Räuchermittel und zur Bereitung eines aromatischen Sirups. Der Tolubalsam wurde zuerst durch
Monardes bekannt, scheint aber noch lange eine Seltenheit geblieben zu sein und findet sich erst im 17. Jahrh.
in deutschen Apothekertaxen.
(Toloccan), Hauptstadt des mexikan. StaatsMexiko,
[* 85] 2680 m ü. M. gelegen, hat eine schöne Kathedrale, Theater,
[* 86] höhere Schule, Seifen-, Schminke- und Kerzenfabrikation,
[* 87] bedeutende Schweinezucht, Handel mit Würsten und Schinken und (1880)
11,376 Einw. Südwestlich davon liegt der 4570 m hohe Nevado de Tolúca (Xinantecatl),
ein ausgebrannter Vulkan mit einem Kratersee in der Höhe von 4090 m.
Reines Toluol bildet eine farblose, dem Benzol sehr ähnliche Flüssigkeit vom spez. Gew. 0,882, riecht angenehm
aromatisch, löst sich nicht in Wasser, wenig in Alkohol, leicht in Äther, erstarrt noch nicht bei -20°,
siedet bei 111° und brennt mit leuchtender Flamme;
[* 89] mit Chromsäure liefert es Benzoesäure, mit konzentrierter Salpetersäure
zwei isomere Nitrotoluole C7H7NO2 , ein kristallisierbares (Paranitrotoluol), welches bei 54°
schmilzt und bei 237° siedet, und ein flüssiges (Orthonitrotoluol) vom spez. Gew.
1,163, welches bei 227° siedet und nach Bittermandelöl riecht.
Bei Behandlung mit reduzierenden Substanzen liefert das Gemisch der Nitrotoluole zwei Toluidine C7H7.NH2 ^[C7H7.NH2],
von welchen das Paratoluidin farblose Kristalle
[* 90] bildet, bei 45° schmilzt und bei 198° siedet, während das flüssige Orthotoluidin
(Pseudotoluidin) vom spez. Gew. 1,0 nicht bei -20°
erstarrt und bei 199° siedet. Dies Toluidin wird durch Chlorkalklösung violett gefärbt, ersteres nicht. Die Toluidine entsprechen
dem Anilin und verhalten sich demselben sehr ähnlich, bilden namentlich auch mit SäurenSalze. Aus salzsaurem Orthotoluidin
scheidet Eisenchlorid einen blauen Körper (Toluidinblau) ab. Die Toluidine spielen eine wichtige Rolle bei der Darstellung derAnilinfarben (vgl. Anilin), das Toluol ist der Ausgangspunkt für die Darstellung vieler Verbindungen, z. B. der Benzoesäure, des
künstlichen Indigos etc.
(Tomaund, Tomond), pers. Goldmünze, ursprünglich dem Dukaten gleich, wird in 10 Kran
[* 99] à 2 Panabat
à 10 Schahi (4 Schahi = 1 Abassi) eingeteilt und enthält gesetzmäßig 3,376 g fein Gold im Wert von 9,419 Mk.
1) Stadt im russisch-poln. GouvernementPetrokow, an der Pilitza und der Bahnlinie Koluszki-Ostrowez, hat
eine protestantische und eine kath. Kirche, viele Tuchfabriken und (1885) 16,349 Einw. -
(El Tomé), Hafenstadt im südamerikan. StaatChile,
[* 103] ProvinzConcepcion, an der Nordseite der Talcahuanabai, hat eine
Wolltuchfabrik, Schiffswerfte und (1875) 3529 Einw.
Wáclaw Wladiwoj, böhm. Historiker, geb. zu Königgrätz,
[* 104] seit 1850 Professor
an der Universität in Prag, ging 1882 an die neue tschechische Universität daselbst über, war 1861-66 Mitglied des böhmischen
Landtags und des österreichischen Reichsrats und ist seit 1885 Mitglied des Herrenhauses. Er schrieb auf Palackys Betrieb eine
vortreffliche Geschichte Prags (1855 ff., Bd.
1-7). Von seinen übrigen Büchern sind noch zu nennen: Děje zemř české" (1843);