jetzt allgemeiner
Name für alle
künstlerisch ausgestatteten
Produkte der
Töpfer und Thonbildner wie der Bildhauer überhaupt, die sich
mit Kleinplastik beschäftigen. Die
Technik des Formens in
Thon aus freier
Hand,
[* 7] vermittelst der Hohlform oder auf der
Drehscheibe
ist uralt und war schon bei den Ägyptern, dann auch bei den Babyloniern und Assyrern hoch entwickelt. Mit bemalten und glasierten
Thonfliesen sind am
Nil ebenso wie am
Tigris und
EuphratWände und
Fußboden der
Wohnungen belegt worden.
Aber erst in
Griechenland
[* 8] wird die
Technik aufs höchste verfeinert, die Form geadelt und mit jener Farbenpracht geschmückt,
welche der klassischen
Kunst in allen ihren Äußerungen eigen war. Die Aufgaben der
Keramik
[* 9] in dieser Zeit sind doppelter
Art, sie arbeitet teils im
Dienste
[* 10] der
Architektur und Tischlerei, teils schafft sie selbständige Gebilde:
Gefäße oder
Figuren der verschiedensten
Größe, Gestalt und Bestimmung. Der erstgenannten
Gattung gehören die kastenartigen,
bunt bemalten und hart gebrannten Thonplatten an, welche in ältester Zeit (7. u. 6. Jahrh.
v. Chr.) in
Griechenland zur Verkleidung der Gesimsbalken an
Tempeln, Schatzhäusern etc. verwendet worden
sind, und deren sich eine große Anzahl in
Olympia, in
Sizilien
[* 11] und an der von Griechen bewohnten unteritalischen
Küste vorgefunden
haben.
Sie waren in
Olympia mit
Nägeln auf die steinernen (ursprünglich aus
Holz
[* 12] gefertigten) Geisonblöcke befestigt und dienten
dem geringern
Material (poros), das sie bedeckten, als
Schutz undSchmuck zugleich (vgl. Fig. 1 u. 3, Terrakotten von
Olympia und
Selinus, und die
Schrift von
Dörpfeld u. a.: »Über die Verwendung von Terrakotten am
Geison und
Dach
[* 13] griechischer Bauwerke«, Berl. 1881). Auch späterhin, als dieser
Gebrauch abgekommen, erhielt sich die Anwendung
von Terrakotten als Dachstirnziegel
[* 1]
(Fig. 10) und Wasserspeier
[* 1]
(Fig.
2), und beliebt wurde zumal in römischer Zeit die
Verzierung von Wandflächen mit thönernen, bunt bemalten Relieffriesen,
deren viele in kampanischen
Gräbern zum Vorschein gekommen sind.
Vgl.
Combe, Description
of the collection of ancient terracottas in the British
Museum (Lond. 1810;
Campana,
Opere in plastica
(Rom
1842).
Auch zur Verkleidung hölzerner Geräte benutzte man frühzeitig Thonreliefs, an denen der
Hintergrund ausgeschnitten wurde,
und deren
Befestigung mit
Nägeln die im
Thon ausgesparten
Löcher bezeugen. Eine aus zahlreichen
Beispielen bekannte
Klasse derselben
bilden die nach dem Hauptfundort
(InselMelos) so genannten melischen
Reliefs
[* 1]
(Fig. 11). Auch
Vasen
[* 17] pflegte
man etwa seit dem 4. Jahrh.
v. Chr. mit bemalten
Reliefs an
Stelle der einfachern Gemälde zu schmücken. Besondere
Formen und
Dekorationsweisen bilden sich in
Athen,
[* 18]
Etrurien (schwarze Reliefvasen, vasi di Bucchero) und Unteritalien
[* 1]
(Fig. 4 u.
5) aus, während in der Kaiserzeit zumeist nur einfarbig rote, mit aus Hohlformen eingepreßten
Reliefs
verzierte Thonvasen
(Fabriken von
Cales etc.) gefertigt werden (ein
Beispiel gibt
[* 1]
Fig. 6). Die höchsten Leistungen dieser
Technik
erreichte
man in der
Koroplastik, in der Herstellung kleiner Rundfiguren, die in der Form gepreßt, gebrannt, dann
mit
Pfeifenthon überzogen, aus freier
Hand nachmodelliert und in zarten Farbentönen bemalt wurden.
Manche scheinen als Spielzeug, als Zimmerschmuck gedient zu haben. Die
Mehrzahl wurde für
Zwecke des
Kultus und des Totendienstes
geschaffen. Es waren Weihgeschenke an die
Götter und
Toten, daher sie vorzugsweise in
Gräbern gefunden werden. Ein altertümliches
Sitzbild der
Athene
[* 19] aus einem attischen
Grab zeigt
[* 1]
Fig. 9. Der
Blütezeit griechischer
Kunst aber gehören die anmutigen Terrakottafiguren
an, die in erstaunlichen
Mengen neuerdings bei
Tanagra in
Böotien, in Myrrhina,
Ephesos
[* 20] und andern
OrtenKleinasiens, auch in
Tarent (Unteritalien) ausgegraben worden sind. Der Farbenschmuck ist meist bei der Auffindung bereits
zerstört, recht gut aber z. B. an einer
[* 1]
Figur der früher dem
GrafenPourtalès-Gorgier angehörenden Sammlung
[* 1]
(Fig. 7) erhalten.
Auch in der
Architektur der
Renaissance, besonders in der norditalienischen (lombardischen), gelangte die
Terrakotta zum
Schmuck
der äußern und Hoffassaden in reich ornamentierten
Gesimsen und
Kranzgesimsen, Archivolten, Fensterumrahmungen,
Pilasterfüllungen,
Friesen,
Medaillons und sonstigen Zieraten zur Verwendung. Zu unsrer Zeit hat die
Baukunst
[* 28] zum
Schmuck der
Fassaden von Backsteinrohbauten noch ausgedehntern
Gebrauch von der
Terrakotta gemacht, indem auch einzelne architektonische
Glieder,
[* 29] wie
Kapitäler,
Konsolen u. dgl., nur aus
Terrakotta hergestellt werden, ferner ganze
Friese,
[* 30] Eckakroterien,
Figuren und
Gruppen zur Bekrönung von Gebäuden, für
Fontänen etc., wobei die Färbung des
Thons meist in Übereinstimmung
mit der
Farbe der für die
Fassade gewählten
Backsteine (gelb oder rot in verschiedenen
Nüancen) gehalten wird. Bei rein ornamentalen
Terrakotten kommt auch ein- und mehrfarbige
Glasur, selbst Vergoldung zur Anwendung. Der Backsteinbau mit Terrakottenverzierung
blüht am meisten in den an Werksteinen armen Gegenden, besonders in Norddeutschland.
Fabriken, welche sich mit Anfertigung
von
Ornamenten und Kunstgegenständen in
Terrakotta beschäftigen, gibt es in
Charlottenburg
[* 31]
¶
1. Sima und Geisonverkleidung vom Schatzhaus der Geloer in Olympia.
Bisweilen liegen die Terramaren auf natürlichen Hügeln; auch fehlt bisweilen das Pfahlwerk. Einige Terramaren sind wohl schon in der »neolithischen
Zeit« bewohnt gewesen; die Mehrzahl derselben enthält jedoch primitive Bronzegegenstände, namentlich Haus- und Ackergeräte
und Schmuckgegenstände, seltener Waffen.
[* 42] Die bemerkenswerte Übereinstimmung zwischen den Fundgegenständen und der Konstruktion
der schweizerischen Pfahlbauten
[* 43] und der Terramaren hat zu der Annahme geführt, daß die Besiedler der Terramaren sowie die Bewohner der PfahlbautenPiemonts, der Lombardei und Venetiens von Norden
[* 44] her über die Alpen
[* 45] gekommen seien. Helbig (»Die Italiker
in der Poebene«, Leipz. 1879) glaubt, daß die Terramaren wie die Pfahlbauten an den oberitalienischen Seen von den Italikern herrühren
und die ersten Niederlassungen dieses Volkes bilden.
(lat.), Vorrichtung zur Pflege und Zucht von Landtieren, entsprechend den für Wassertiere bestimmten Aquarien.
Je nach dem speziellen Zweck, der mit den Terrarien verfolgt wird, erhalten dieselben sehr verschiedene
Einrichtung. Die einfachsten Terrarien sind größere Kisten, die mit einem mit Drahtgaze bespannten Rahmen verschlossen werden.
Zur bessern Beobachtung der Tiere ersetzt
man eine oder mehrere Wände der Kiste durch Glasscheiben, auch wird der Boden vorteilhaft
mit Zinkblech benagelt, auf welches man nach dem Anstreichen handhoch Erde schüttet.
Aus dieser einfachsten Vorrichtung sind sehr luxuriöse Apparate hervorgegangen, welche namentlich dann am Platz sind, wenn
man zur Pflege tropischer Tiere einer Heizeinrichtung bedarf. Man heizt mit Petroleum- oder Gasflamme oder sehr vorteilhaft
mit Grude, die langsam und gleichmäßig verbrennt und ungemein billig ist. Die Heizung
[* 51] geschieht vom Boden
aus, erfordert sorgfältige Regulierung, Überwachung der Luftfeuchtigkeit im T. und gute Ventilation. Je nach den zu pflegenden
Tieren ist das Terrarium verschieden einzurichten.
Eidechsen
[* 52] und viele Schlangen
[* 53] brauchen trocknen Sand und trockne Schlupfwinkel, die Amphibien dagegen feuchtes Moos und größere
Wasserbecken; fast immer erweist es sich vorteilhaft, im T. Pflanzen zu kultivieren, deren Auswahl sich nach der Temperatur
und Feuchtigkeit, welche die Tiere fordern, richten muß. Für kleinere Tiere und zur Aufzucht der Jungen benutzt man Glasglocken,
die, wenn es erforderlich ist, durch Einstellen in ein Wasserbad geheizt werden. In solchen oder ähnlichen
kleinen Behältern kann man auch Reptilieneier ausbrüten.
Zur Aufzucht von Amphibien dienen Aquarien, bis die Tiere das Wasser verlassen. In Häusern mit starken Mauern kann man Fensternischen
mit Doppelfenstern als Terrarien einrichten und hier wie überhaupt Pflanzenkultur mit Tierpflege erfolgreich verbinden.
Der Raum zwischen Doppelfenstern ist auch leicht zu heizen, wenn man über dem Fensterbrett einen zweiten
Boden (am besten starkes, mehrfach gestütztes Blech) und in dem abgegrenzten Raum die Flamme
[* 54] anbringt.
Will man sich auf die Zucht heimischer Reptilien und Amphibien beschränken, dann thut man gut, die Tiere in Winterschlaf fallen
zu lassen, da die Fütterung im Winter umständlich und teuer ist. Die Einrichtung größerer Terrarien
ist durchaus von den Verhältnissen abhängig. Im Freien hat man den für das Terrarium bestimmten Raum mit einer etwa 1 m hohen Mauer
umgeben und diese mit einem breiten, etwas abwärts geneigten Zinkblech bedeckt, um das Entschlüpfen der Tiere sicher
zu vermeiden.
In der Mitte des Raums wird aus Steinen ein Felsen errichtet, welcher hinlänglich Schlupfwinkel darbietet, auch passend bepflanzt
und mit Geäst für die kletternden Tiere versehen wird. Der Boden muß ausreichende Abwechselung bieten, mit Sand, Moos, Steinen,
Rasen bedeckt sein, auch ist für Wasserbehälter zu sorgen und, falls Gelegenheit vorhanden ist,
kann man fließendes Wasser, auch wohl einen Springbrunnen, anbringen. Unter Umständen ist ein solches Terrarium auch durch radiale
Wände zu teilen, selbstverständlich aber eignet es sich nur fürTiere, welche gegen die Witterung keines andern Schutzes bedürfen,
als wie sie derFelsen, das Moos oder der Erdboden darbieten. Für Säugetiere müssen ausreichende Vorkehrungen
gegen das Entweichen getroffen werden, meist wird man das Terrarium mit einem Oberbau aus Drahtgeflecht versehen müssen, und für
grabende Tiere ist der Boden 1,5 m tief auszuheben, die Grube vollständig mit Mauerwerk auszukleiden und dann wieder mit Erde
zu füllen.
(franz.), wagerecht abgeplattete Erderhöhung oder Erdstufe; insbesondere
im Land- und Gartenbau Bezeichnung für die treppenförmigen Absätze zur Kultivierung von Bergabhängen. Jede Terrasse
¶
mehr
bildet eine breite und hohe Stufe, welche sich in horizontaler Richtung über den ganzen Abhang ausdehnt. Die obere Seite der
Stufe ist eine nur wenig nach vorn geneigte Fläche, die vordere Seite (Dossierung) eine nicht ganz senkrecht absteigende Wand,
welche, wenn sie nicht aus natürlichem Fels besteht, durch eine Vormauer oder Rasenverkleidung verwahrt
werden muß. Auch ein plattes Dach an einem Haus oder Turm
[* 56] (Plattform) wird oft als Terrasse bezeichnet. Über den geographischen Begriff
Terrasse vgl. Thäler u. Hochgestade.
(spr. tär-nŏáhr), Dorf im franz. DepartementLoire, Arrondissement St.-Etienne, an der
EisenbahnLyon-St. Etienne, zum Teil auf einem Hügel erbaut, welchen ein 1200 m langer Tunnel
[* 58] durchzieht, hat reiche Kohlengruben
(Becken von St.-Etienne), großartige Eisenwerke (das Bessemerverfahren wurde hier in Frankreich zuerst angewendet) und (1886) 2792 (Gemeinde
6489) Einw.
»irdene« Suppenschüssel, welche im vorigen Jahrhundert dem Tafelgeschirr zugefügt
wurde, später meist aus Porzellan, bisweilen auch aus Silber gefertigt;
auch thönerne Deckelbüchsen für Gänseleber- und
Geflügelpasteten.
Hauptfabrikationsort für letztere ist Saargemünd.
[* 59]
(lat.), früher die Bedrohung eines Angeschuldigten mit der Tortur (s. d.) durch Vorzeigen der Folterwerkzeuge,
wodurch der Inquirent das Geständnis zu erzwingen suchte.
(lat.), ein Territorium (s. d.) ^[= (lat.), Gebiet, im Mittelalter Amtsbezirk eines mit Verwaltung der kaiserlichen Hoheitsrechte ...] betreffend, damit verbunden.
auch der Grundsatz, wonach die in einem
bestimmten Land Wohnenden unter der Gesetzgebung dieses Landes stehen
und die dort vorgenommenen Rechtshandlungen, ebenso wie die dort begangenen Verbrechen, nach den Landesgesetzen beurteilt
werden.
Vgl. Kirchenpolitik, S. 765. - Territorialsystem heißt auch ein Wehrsystem, nach welchem sich die Heeresorganisation
an die Landeseinteilung anschließt, wo also die einzelnen Truppenteile sich aus den Wehrpflichtigen bestimmter Landesbezirke
ergänzen, gewisse Landwehr- oder Landsturmformationen aufstellen.
(lat.), Gebiet, im MittelalterAmtsbezirk eines mit Verwaltung der kaiserlichen Hoheitsrechte betrauten
Vasallen; dann, nachdem dergleichen Beamte zu Landesherren geworden, s. v. w. Landesgebiet im Gegensatz
zum Reichsgebiet. In der nordamerikanischen Union versteht man unter Territorium (engl. territory) ein durch den Kongreß abgegrenztes
Gebiet, welches durch einen vom Präsidenten ernannten Gouverneur verwaltet wird. Die gegenwärtig vorhandenen zehn Territorien
(Alaska, Arizona, Dakota, Idaho, Indianerterritorium, Montana, Neumexiko, Utah, Washington
[* 64] und Wyoming) gehören nicht zu den
selbständigen Staaten der Union. Sie entsenden zu dem Kongreß einen Abgeordneten, der jedoch nicht stimmberechtigt ist.
niederländ. Insel in der Nordsee, vor dem Eingang des Zuidersees, etwa 100 qkm groß mit drei Dörfern
und (1887) 3685 Einw. Ter-Schelling ist Sitz eines deutschen
Konsuls.
Gerhard, Liederdichter und asketischer Schriftsteller, geb. zu
Mörs, lebte als Bandmacher in Mülheim
[* 65] a. d. R., bis er sich seit 1728 ausschließlich der religiösen Schriftstellerei und
dem Predigeramt in frommen Konventikeln widmete, und starb daselbst.
Von seinen Schriften sind hervorzuheben: »Geistliches
Blumengärtlein« (neueste Ausg., Stuttg. 1884);
Am bekanntesten wurde er als Dichter pietistisch gefärbter, aber gemütvoller und durch wahre Frömmigkeit ausgezeichneter
Kirchenlieder (»Jauchzet ihr Himmel,
[* 80] frohlocket ihr englischen Chöre«, »Siegesfürst und Ehrenkönig«, »Nun sich der Tag geendet«
etc.). Eine Sammlung seiner Schriften erschien Stuttgart
[* 81] 1844-45, 8 Bde. SeinLeben beschrieben Kerlen (2. Aufl., Mülh. 1853)
und Stursberg (das. 1869).
[* 66] (hierzu Tafeln »Tertiärformation I u.
II«),
in der Geologie Schichtenfolge, jünger als die Kreidebildungen und älter als das Diluvium.
[* 85] Der Name ist im Gegensatz
zu »primär« und »sekundär«
als Bezeichnungen der ältern Formationen gewählt, Ausdrücke, welche jetzt fast ganz außer Gebrauch gekommen
sind, während speziell tertiär allgemein üblich geblieben ist. Zusammen mit dem jüngern Diluvium (Quartär) und dem noch
jüngern Alluvium (Rezent), die wohl auch als Posttertiär zusammengefaßt werden, bildet das Tertiär die känozoische Formationsgruppe
im Gegensatz zu der mesozoischen und paläozoischen.
Charakteristisch für die Tertiärbildungen ist der große Einfluß, den die Herausbildung der Klimazonenunterschiede
auf die Beschaffenheit der damaligen Tier- und Pflanzenwelt ausgeübt hat, während solche klimatische Sonderungen in den ihr
an Alter vorausgehenden Formationen nur eben nachweisbar sind. Eigentümlich ist ferner das Zurücktreten oder vollkommene
Verschwinden vieler tierischer und pflanzlicher Formen, welche noch dem mesozoischen Zeitalter einen fremdartigen, von unsrer
heutigen Schöpfung wesentlich verschiedenen Charakter aufprägten, während im TertiärPflanzen und Tiere teils neu auftreten,
teils zu dominieren beginnen, welche den uns umgebenden näherstehen.
Weiter bietet das Tertiär vorzüglich in seinen jüngern Abteilungen besondere Lagerungsverhältnisse dar: die meisten Vorkommnisse
sind auf einzelne, voneinander isolierte Becken beschränkt, und nur von älterm Tertiärmaterial finden
sich zusammenhängende, über weite Strecken ununterbrochen verbreitete Ablagerungen. In den isolierten Becken wechseln Schichten,
in denen Meeresformen aufgehäuft sind, mit solchen, die brackische Formen oder Süßwasser- und Landorganismen führen, oft
in mehrfacher Folge.
Einige dieser Eigentümlichkeiten der Tertiärformation, namentlich die zuletzt erwähnten, erschweren die Parallelisierung
und Etagierung der Schichten sehr bedeutend. Eine noch jetzt in ihren Grundzügen beibehaltene Einteilung
der Tertiärschichten rührt von Lyell (1832) her und beruht auf Verhältniszahlen zwischen ausgestorbenen und noch lebenden
Mollusken,
[* 86] welche zuerst von Deshayes berechnet
worden waren. Derselbe hatte gefunden, daß in den ältesten Schichten der Tertiärformation etwa 97 Proz.
aller MolluskenArten angehören, welche sich in unsrer heutigen Schöpfung nicht mehr vorfinden, daß dieser
Prozentsatz für die mittlere Tertiärformation auf etwa 81 sinkt und in den jüngsten Schichten nur noch 48 beträgt, so daß in diesen
die Mehrzahl der Versteinerungen sich den Arten der Jetztwelt unterordnen läßt.
Lyell fixierte diese drei Stufen als Eocän, Miocän und Pliocän. Neuere Untersuchungen haben zwar diese
Zahlen wesentlich korrigiert, im allgemeinen aber doch die Zunahme noch lebender Formen in den jüngern Schichten bestätigt;
ja, bei der Vereinzelung vieler tertiärer Ablagerungen bildet dieses prozentige Verhältnis zwischen noch lebenden und schon
ausgestorbenen Arten oft die einzige Unterlage für die relative Altersbestimmung. Dagegen hat sich der
Sprung vom Eocän zum Miocän als zu groß, dem Intervall zwischen Miocän und Pliocän nicht gleichwertig herausgestellt, weshalb
Beyrich (1854) zwischen Eocän und Miocän noch Oligocän einschob.
Mayers Originalbezeichnungen sind französisch, z. B. Tongrien, Mayencien, Helvetien etc. Mayer selbst aber trennt die Tertiärformation in
nur zwei Abteilungen: das Alttertiär (Paläogen) und das Neutertiär (Neogen), von denen das erstere Eocän und Oligocän, das
letztere Miocän und Pliocän umfaßt. Die »Übersicht der geologischen Formationen« (s. Geologische Formation) gibt einen Katalog
aller wichtigen Tertiärablagerungen, während im folgenden nur einige in geographischer Anordnung besprochen werden sollen.
Kalke. Noch jünger sind die Faluns der Touraine und der Bretagne, muschelreiche Sande und Mergel, aus denen Tafel I einen Seestern
(Scutella striata) abbildet. In England sind außerdem pliocäne Schichten vertreten, der sogen. Crag, der sich in mehrere Etagen
gliedern läßt. Eine rein marine Facies des Untertertiärs ist die Nummulitenformation. Wenn auch für
diese die früher vorausgesetzte Gleichartigkeit nicht besteht, die betreffenden Gesteine
[* 88] vielmehr verschiedenen Altersstufen
untergeordnet werden müssen, so sind doch die Altersunterschiede dieser aus Kalksteinen, Sandsteinen und Schiefern bestehenden
überaus mächtigen Ablagerungen gering: es entsprechen die ältesten etwa dem PariserGrobkalk, die jüngsten der untern Abteilung
des Oligocäns.
Ungefähr gleichalterig, teils oligocän, teils miocän, sind die besonders für Württemberg
[* 95] und die Schweiz
[* 96] wichtigen Bohnerze,
welche kleine Becken oder Ausfüllungen von schlotähnlichen Vertiefungen in Jurakalken bilden, denen sie wegen dieser lokalen
Verknüpfung lange beigezählt wurden, während ihre Reste (Säugetierknochen und Zähne) sie der Tertiärformation zuweisen. Molasse ist
kein streng geologischer Begriff, sondern eher
ein petrographischer und bezeichnet meist feinere, lockere Sandsteine, besonders
typisch in der Schweiz, aber auch in Oberschwaben entwickelt.
Die Annahme einer Molassenformation hat nach genauern paläontologischen Untersuchungen weichen müssen; es gehören diese
Bildungen verschiedenen Stufen des obern Oligocäns und des Miocäns an und bergen teils meerische, teils
Süßwasserformen. Aus der Meeresmolasse bildet die Tafel I den Haifischzahn, Notidanus primigenius, ab. Der obern Süßwassermolasse,
dem mittlern Miocän, werden auch die Kalke von Öningen in Oberbaden zugerechnet, welche einen ganz außerordentlichen Reichtum
an pflanzlichen und tierischen Formen enthalten, unter den letztern jenen Riesensalamander (Andrias Scheuchzeri, s.
Tafel II), den Scheuchzer 1732 als Homo diluvii testis beschrieb.
Die sämtlichen Pflanzen des Alttertiärs tragen einen tropischen Charakteran sich, wie denn auch die Land- und Süßwasserkonchylien
ihre nächsten Verwandten unter den heutigen Arten von Ostasien, Polynesien und Indien haben. Auch nach den Pflanzenformen des
Neogens, unter welchen 119 ArtenMonokotyledonen und gegen 500 ArtenDikotyledonen gezählt werden, berechnet
O. Heer für die verschiedenen Fundorte eine gegen 9° C. höhere Mitteltemperatur während der Neogenzeit, als heute an
denselben Orten herrscht. Er nimmt an:
Unter den Tierformen der Tertiärformation sind die Molluskenordnungen schon ganz in dem für die Jetztwelt bestehenden
Verhältnis vertreten. Zweischaler und Schnecken überwiegen; Brachiopoden
[* 109] und namentlich Cephalopoden, noch in der Kreide
[* 110] in
großartigem Formenreichtum entwickelt, treten vollkommen zurück. GleichesSchicksal teilen die Krinoideen, die
Meeressaurier und Flugsaurier. Weitaus das meiste Interesse unter den tertiären Tierformen erregen die Säugetiere, teils
weil sie im Gegensatz zu der in ältern Formationen allein vertretenen Ordnung der Beuteltiere
[* 111] viel mannigfaltigere Typen aufweisen,
teils weil sie gewisse in der heutigen Schöpfung nur lückenhaft entwickelte Ordnungen ergänzen.
Für das Neogen sind vor allen die Mastodonten (Tafel II), Elefanten mit vier Stoßzähnen und eigentümlichen, nicht blätterig,
sondern zitzenförmig gebauten Zähnen, charakteristisch, daneben Dinotherium (Tafel II), ein riesiges Rüsseltier mit abwärts
laufenden Stoßzähnen, in der übrigen Bezahnung an den Tapir erinnernd. Ferner treten gehörnte und ungehörnte
Rhinozerosarten, Giraffen, Antilopen, Hunde,
[* 114] Raubtiere sowie einige Affen auf, von denen Dryopithecus (Tafel II) ein besonderes
Interesse erregt, weil seine Bezahnung der des Menschen so nahe steht, daß einzelne aufgefundene Zähne lange Zeit für menschliche
gehalten wurden. Endlich birgt das Jungtertiär in Anchitherium und Hipparion Stammformen unsers Pferdes.
Gleichalterig sind ferner die nordböhmischen, ungarischen und siebenbürgischen Territorien vulkanischen Materials. Hierzu
gesellen sich weiter die Gebiete in Zentralfrankreich, in Norditalien, in Schottland, Irland, auf den Shetlandinseln,
den Färöern und Island.
[* 116] Auch im SüdenEuropas begann die heute noch andauernde vulkanische Thätigkeit schon während der
Tertiärzeit. Gleich zahlreiche Belege für die großartige Entwickelung der Vulkane
[* 117] in der Tertiärformation wären auch aus außereuropäischen
Ländern beizubringen.
Vgl. Beyrich, Über den Zusammenhang der norddeutschen Tertiärbildungen (Berl. 1856);
»Über das Klima und die Vegetationsverhältnisse des Tertiärlands« (Winterthur 1860) und
»Flora fossilis arctica« (Zürich
u. Winterthur 1868-75, 3 Bde.);