Kälte oder anhaltender
Hitze.
Objektive Temperaturempfindungen entstehen somit nicht bloß bei Veränderungen der Hauttemperatur,
sondern auch beim
Durchgang bedeutender Wärmemengen durch die konstant temperiert bleibende
Haut.
[* 2] Wir vermögen zwischen 14 und
29° R. noch Temperaturunterschiede von 1/5-1/6°, jedoch nur bei sehr großer
Aufmerksamkeit, zu erkennen. Am bevorzugtesten
sind in dieser Beziehung die Zungenspitze, die Gesichtshaut, die
Finger.
Die Fähigkeit für Temperaturwahrnehmungen wird durch verschiedene Umstände vorübergehend beeinträchtigt, so z. B.
schon durch Eintauchen der
Hand
[* 3] in
Wasser von einigen 50
Grad, durch
Schmerzen verschiedener Art u. dgl. Ist eine
Hautstelle durch Eintauchen in niedrig temperiertes
Wasser (z. B. von 10°) abgekühlt worden, so empfindet
man beim Einbringen derselben in
Wasser von z. B. 16° einige
Sekunden hindurch
Wärme,
[* 4] so lange nämlich, als die Hauttemperatur
von 10 auf 16° steigt.
Dann erst folgt anhaltendes Kältegefühl. Die jeweilige
Temperatur der
Haut veranlaßt also falsche Beurteilungen der objektiven
Temperatur.
Schnelle Temperaturveränderungen der
Haut bedingen lebhaftereEmpfindungen.
KalteKörper, welche
die
Wärme gut leiten, wie
Metalle, halten wir deshalb (weil
sie derHaut die
Wärme schnell entziehen) für viel kälter als
andre gleich kalte, welche schlechte Wärmeleiter sind, wie z. B.
Holz,
[* 5]
Stroh etc. Die
Hand empfindet das gleiche
Gefühl des
Brennens bei
Luft von 120°, beiHolz von 80° und bei
Quecksilber von 50°, weil die
Luft langsamer als das
Holz, dieses langsamer als das
Quecksilber die
Wärme an den
Körper abgibt.
Kleine Hautstrecken verursachen schwächere Temperatureindrücke als größere. Taucht man z. B.
einen
Finger der linken
Hand in
Wasser von 32° R., die ganze rechte
Hand dagegen in ein solches von 28½°,
so erscheint uns letzteres gleich wohl wärmer als das erstere, während der Unterschied sofort den wirklichen Verhältnissen
entsprechend erscheint, wenn man beide
Hände ganz eintaucht. Die Fundamentalarbeit über den Tastsinn verdanken wir E. H.Weber:
Ȇber Tastsinn und
Gemeingefühl« in
Wagners »Handwörterbuch der
Physiologie«.
(Tastorgane), die zum
Tasten oder Fühlen dienenden Einrichtungen des tierischen
Körpers, liegen ausnahmslos
in der
Haut und bestehen aus besondern Hautzellen, welche nach innen zu mit einer
Nervenfaser in
Verbindung stehen, um den empfangenen
Reiz zur
Wahrnehmung zu bringen, nach außen gewöhnlich ein
Haar
[* 6] oder sonst eine Vorrichtung zur Erleichterung
der Berührung mit einem
Fremdkörper tragen. Bei den meisten
Tieren ist nicht die ganze
Haut in gleichem
Maß mit Tastwerkzeugen
ausgestattet, sondern diese finden sich meist an besondern Anhängen
(Fühlern,
Tentakeln,
Gliedmaßen) und dann oft in großer
Anzahl. Bei den
Wirbeltieren speziell sind die Tastwerkzeuge besonders entwickelt in der Umgebung des
Mundes (sogen.
Barteln mancher
Fische,
[* 7] Tasthaare oder Schnurrhaare mancher
Säugetiere) und vielfach auch an den
Händen und
Füßen. Wegen
der eigentümlichen
Tastkörperchen s.
Haut, S. 232.
iranischer Volksstamm, welcher mit den verwandten
Guran den äußersten
Westen von
Iran bewohnt und dort dieselbe
Stelle einnimmt wie die
Tadschik im äußersten
Osten.
(unrichtig
Tartarei), im
MittelalterName Innerasiens, dessen gegen W. heranstürmende
Horden man unter dem Gesamtnamen
der
Tataren (s. d.) begriff.
Später nannte man die
Kleine oder europäische Tatarei die russischen
GouvernementsKrim,
[* 10]
Astrachan und
Kasan,
[* 11] im engern
Sinn aber insbesondere die
Krim und die Gegenden am untern
DnjeprundDon. Die
Große oder asiatische
Tatarei, seit dem 13. Jahrh. von ihrem Beherrscher, dem Sohn
Dschengis-Chans, auch Dschagatai genannt, führt jetzt in den geographischen
Werken den allgemeinenNamenZentralasien
[* 12] (s. d.), teilweise auch
Turkistan (s. d.). Die
Namen chinesische
oder
Hohe Tatarei für das östliche und
Freie Tatarei für das westliche (russische)
Turkistan sind jetzt außer
Gebrauch.
die
Osmanen, die türkischen Bewohner der europäischen Türkei
[* 15] und teilweise
Kleinasiens, und die im engern
Sinn.
Die letztern werden nach ihrer Lebensweise als ansässige und nomadisierende Tataren unterschieden.
Ihre Zahl wird geschätzt auf 1,200,000 im europäischen Rußland, 100,000 im
Kaukasus und 70,000 in
Sibirien; sie sind alle
Mohammedaner. Die Kasanschen Tataren haben durch ihre Vermischung mit
Finnen und
Russen ihren mongolischen
Typus
mehrfach eingebüßt; sie zeichnen sich durch Nüchternheit, Gastfreiheit und Arbeitsamkeit aus, sind sehr begabt, können
alle lesen und schreiben und ernähren sich vorzugsweise durch den
Handel; ihre Zahl wird auf 450,000 angegeben.
Die
Krimschen Tataren werden in
Steppen- und Bergtataren eingeteilt, von denen die erstern den mongolischen
Typus recht rein erhalten haben. Sie beschäftigen sich vorzugsweise mit
Viehzucht,
[* 16] namentlich Schafhaltung; einige unter ihnen
bauen auch
Tabak,
[* 17]
Arbusen und
Melonen. Der
Reichtum der Bergtataren besteht in
Frucht- und Obstgärten. Ihr häusliches
Leben ist
durch Sauberkeit und Ordnungsliebe ausgezeichnet.
Ihre Zahl wird auf 250,000 geschätzt. Die stark mit
Mongolen vermischten Nogaiischen Tataren oder
Nogaier wohnen, 50,000
Seelen stark, zwischen dem
Schwarzen und dem
KaspischenMeer an den
FlüssenKuban,
Kuma,
Wolga und in der
Krim. Die
Sibirischen Tataren sind zum größten Teil ansässig, nur ein kleiner Teil nomadisiert.
Ein Hauptstamm derselben sind die Tureliner, aus denen man die eigentlichen Tataren und die nach
den von ihnen bewohnten Gegenden benannten Taraischen, Tobolskischen, Tjumenschen und Tomskischen Tataren unterscheidet.
Zum Teile leben sie in
Städten und
¶
Die Bezeichnung Tatarennachricht für unbeglaubigtes Gerücht stammt aus dem Krimkrieg, wo ein türkischer Tatar nach
der Schlacht an der Alma die unrichtige Nachricht vom FallSebastopols brachte.
pelzverbrämte niedrige Tuchmütze mit viereckigem Deckel, 1860 in Österreich
[* 21] bei den Ulanen eingeführt,
wurde 1876 durch die Czapka (s. d.) ersetzt.
Missionsstation in Südafrika
[* 22] am Flüßchen Tati, unter 21° 50' südl. Br. und 27° 50' östl. L. v. Gr. Der Distrikt
wurde bekannter durch die hier 1868 von Mauch entdeckten goldreichen Quarze.
christlicher Apologet des 2. Jahrh., angeblich ein Assyrer, wurde durch
JustinusMartyr zum Christentum bekehrt, wandte sich aber nach dem Tod seines Meisters dualistisch-gnostischen Lehren
[* 23] zu und erwarb
sich eine streng asketische Anhängerschaft. Erhalten ist von ihm eine 176 geschriebene »Oratio ad Graecos«
(hrsg. von Otto im »Corpus Apologetarum«, 6. Abteil., 3. Ausg.,
Jena
[* 24] 1882, und von Schwartz, Leipz. 1888). Über das von ihm verfaßte »Diatessaron« s. Evangelienharmonie.
Wasilij Nikitisch, russ. Staatsmann und Schriftsteller, geb.
entstammte der SchulePeters d. Gr., machte mehrere Reisen ins Ausland, war unter anderm als Diplomat in Schweden
[* 26] und als Aufseher
des Bergwesens in Sibirien thätig, bekleidete 1741-45 den Posten eines Gouverneurs von Astrachan und starb Er regte
zu großen wissenschaftlichen Unternehmungen an, sammelte das Material zu einer geographisch-historischen Encyklopädie Rußlands
(hrsg. Petersb. 1793) und schrieb eine mehrbändige Geschichte
Rußlands, welche erst nach seinem Tod (1769-1848, 5 Bde.) gedruckt wurde.
Vgl. Pogow, Tatischtschew und seine Zeit (Mosk. 1861, russ.).
Titus, nach der Sage König der Sabiner in Cures, zog wegen des von den Römern an den Sabinerinnen
begangenen Raubes gegen Romulus, besetzte den Quirinalischen und sodann den KapitolinischenBerg und beherrschte nach erfolgter
Aussöhnung gemeinsam mit Romulus den Doppelstaat der Römer
[* 27] und Quiriten, in welchem die zweite Tribus nach ihm Tatienses oder
Titienses genannt ward, bis er bei einem feierlichen Opfer zu Lavinium von Laurentern, die er beleidigt
hatte, erschlagen ward.
Sequenz von drei Blättern heißt »Tattel« und zählt, sobald der Gegner
keine höhere hat; Sequenz von 4 Blättern heißt »Quart«,
[* 28] von 5 Blättern »Fuß«. Eine Quart zählt nicht nur als solche, sondern
auch als zwei Tattel, ein Fuß ebenso als drei Tattel und zwei Quarten. Drei gleiche Figuren werden von vier
gleichen (wenn auch niedrigern) überboten, sonst schlägt das höhere Gedritt und Geviert das niedere des Gegners. Die Zehn
nimmt bei den Sequenzen und Kunststücken ihren natürlichen Platz ein. Farbebekennen wird erst nach Erschöpfung
des Talons, in den letzten 9 Stichen, obligatorisch. Die Atoutsieben raubt. Wer von den letzten 9 Stichen gar keinen erhält,
muß den Matsch zahlen. Der letzte Stich zählt, auch wenn er leer ist, an sich 10 Points. Bezüglich der Berechnung der Sequenzen
und Kunststücke sowie der Pointszahl, bis zu der man die ganze Partie spielt, vgl. Pikett. Tatteln kann übrigens
auch ohne Trumpfwahl gespielt werden.
(fälschlich Tattersall), Sammelpunkt für die Freunde des Sports in London,
[* 29] hat seinen Namen von Richard Tattesall,
Training-groom des Herzogs von Kingston, welcher 1795 an der südwestlichen Ecke des Hydeparks ein Etablissement zur Ausstellung
und zum Verkauf von Pferden begründete.
Durch den Enkel Tatesalls wurde das sehr erweiterte Etablissement 1865 verlegt.
(richtiger Tatowieren, v. tahit. tatau), der Gebrauch, gewisse Stoffe, zumal Kohle, in Form von Ruß oder
Tusche (in Europa
[* 32] vielfach Schießpulver)
[* 33] auf mechanischem Weg, durch Stechen mit Dornen und Nadeln
[* 34] oder durch
Einreiben in die durch Muscheln
[* 35] oder Zähne
[* 36] geritzte Haut eines Menschen einzuführen, um dadurch möglichst unvergängliche
Zeichnungen hervorzubringen, findet sich bei beinahe sämtlichen Völkern, den wilden sowohl als den zivilisierten, der
Erde. Er ist vorwiegend auf den Wunsch der Betreffenden, sich zu verschönern und zu verzieren, zurückzuführen.
Verschiedentlich, zumal da, wo das Tättowieren von Priestern ausgeübt wird sind mit
¶
mehr
demselben Begriffe meist religiöser Art verknüpft, die ursprünglich nichts mit demselben zu thun haben. Wegen der mit dem
Tättowieren verbundenen Schmerzen wird dasselbe bei beiden Geschlechtern häufig als eine der vielfach grausamen Zeremonien bei der
Feier der eingetretenen Pubertät vollzogen. Es entwickelt sich auch zum Stammes- oder Häuptlingsabzeichen und kann
mehrfach als ein Ersatz für Kleidung betrachtet werden. Völker mit dunkler Hautfarbe, wie Neger, Melanesier und Australier,
ziehen dem Tättowieren den Gebrauch vor, den Körper mit Narben zu zieren, die auf der schwarzen Haut, oft künstlich vergrößert, besser
zur Geltung kommen als die dunkelblauen Zeichnungen der Tättowierung.
Zum Tättowieren der roten Farbe wird meist Zinnober
[* 38] verwendet. In der Südsee ist die Sitte des Tättowierens durch
den Einfluß der Missionäre im Aussterben, dagegen in Hinterindien,
[* 39] Laos, Birma etc., noch lebhaft im Schwange; in Japan
[* 40] neuerdings
verboten. In Europa ist das Tättowieren, allerdings meist nur auf einzelne Figuren und Symbole beschränkt, bei Reisenden
aller Gesellschaftsklassen, dann bei Matrosen, Soldaten und Handwerkern in hohem Grad beliebt und verbreitet.
Vgl. Wuttke, Die
Entstehung der Schrift (Leipz. 1872);
Lacassagne, Les Tatouages (Par. 1881);
Joest, Tättowieren, Narbenzeichnen und Körperbemalen (Berl.
1887).
derjenige wässerige Niederschlag (oder Ausscheidung eines Teils des in der Atmosphäre enthaltenen Wasserdampfes),
welcher durch eine Erkaltung der an der Erdoberfläche befindlichen Körper bewirkt wird. Die Temperatur, bei welcher
die Luft mit Wasserdampf gesättigt ist, d. h. so viel Wasserdampf enthält, als diese Temperatur zuläßt, nennt man den Taupunkt.
Sobald die Temperatur der an der Erdoberfläche zunächst gelegenen Luftschichten unter den Taupunkt gesunken ist, fängt der
Wasserdampf an, aus ihnen ausgeschieden zu werden und sich in Gestalt kleiner Wasserkügelchen oder Tauperlen
auf die abgekühlten Gegenstände zu legen. Im gewöhnlichen Leben sagt man: »der Tau fällt«; aber dies ist nach der obigen
Erklärung der Taubildung nicht richtig.
Eine für diese genügend starke Abkühlung der untern Luftschichten tritt jedesmal ein, so oft bald nach Sonnenuntergang,
besonders während der Nacht und am frühen Morgen, eine kräftige Wärmeausstrahlung der Erdoberfläche
stattfinden kann; hierzu gehören vor allem klarer Himmel,
[* 42] ruhige Luft und eine Bodenbedeckung, die leicht ihre Wärme abgibt,
z. B. Rasenflächen und Blätter der Pflanzen. Glänzende und metallische Gegenstände sowie überhaupt Körper mit geringem
Strahlungsvermögen (s. Wärme) sind für Taubildung weniger geeignet.
Alles, was die nächtliche Strahlung hindert oder vermindert, wie z. B.
ein bedeckter Himmel, hindert oder vermindert auch die Taubildung. Auch wird eine Taubildung verhindert oder wenigstens erschwert,
wenn die Luft bewegt ist, weil dann stets von neuem warme Luft mit dem abgekühlten Erdboden in Berührung kommt und sich dieselbe
daher nicht bis zum Taupunkt abkühlen kann. Ganz besonders stark ist die Taubildung in den tropischen
Gegenden, wo die Luft viel Wasserdampf enthält und durch die Wärmestrahlung
[* 43] eine sehr starke Abkühlung erfährt.
Das Drosometer, ein
zum Messen des Taues bestimmter Apparat, enthält eine an einer feinen Zeigerwage befindliche, mit feiner,
flockiger Wolle bedeckte Platte, die sich in der Nacht mit Tau bedeckt, und deren Gewichtszunahme die Taustärke
angibt. Die auf diese Weise erhaltenen Resultate entbehren aber vorläufig noch der notwendigen Genauigkeit. Wenn derKörper,
an welchem sich der kondensierte Wasserdampf absetzt, unter 0° erkaltet ist, so kann dieser nicht die flüssige Gestalt
annehmen, sondern erhält die Form von Eisnadeln und bekommt dann den NamenReif (s. d.), so daß letzterer
nichts andres als gefrorner Tau ist.
Unterordnung der Taubenvögel (s. d.). Die große Holz-,
Kohl-, Wald- oder Ringeltaube (ColumbaPalumbusL.), taubenblau, Kopf u. Brust rötlichblau, Hals grünlich und purpurn schillernd,
an jeder Seite mit großem, weißem Fleck, Flügel graublau mit breitem, weißem Streifen am Bug, Unterrücken und Steiß hellblau,
Schwanz mattschwarz, mit hellerer Querbinde und großem, weißem Fleck, Unterseite hell graublau, Hinterleib
weiß, ist 43 cm lang, findet sich in ganz Europa und einem großen Teil Asiens, nährt sich von Getreide
[* 47] und Grassämereien,
Schnecken,
[* 48] Regenwürmern, vorzugsweise aber von Nadelholzsamen, auch Eicheln und Bucheln, im Sommer von Heidelbeeren u. a. Sie
nistet in Nadelholzdickicht, niedrig oder hoch, auf allerlei Bäumen.
Obwohl überaus scheu und vorsichtig, wohnt sie zuweilen doch inmitten volkreicher Städte auf den Bäumen
der Anlagen, so in Stuttgart
[* 49] und namentlich in Paris, wo sie zutraulich und dreist von den Spaziergängern sich füttern läßt.
Die kleine Holz- oder Hohltaube (C. OenasL.), mohnblau, Kopf aschgraublau, Hals wie bei der vorigen schillernd, Oberrücken
dunkler graublau, Schwingen schieferblau, nur mit reihenweise stehenden, schwarzen Flecken, kein Weiß im
Flügel, Brust rötlichgrau, Unterleib schwach rötlich aschgrau, ist etwa 32,5 cm lang.
Verbreitung wie die vorige; sie nistet jedoch nur in Baumhöhlungen und wird, weil diese überall mangeln, immer seltener.
Zugvogel. Die Felsentaube (C. liviaL., s. Tafel »Tauben«,
Fig. 1), oberhalb aschgraublau, unterhalb mohnblau, Kopf hell graublau, Hals wie bei den vorigen metallisch schillernd, Schwingen
aschgrau und Flügel mit zwei schwarzen Binden, Unterrücken rein weiß, Schwanz dunkel graublau, mit schwarzem Endsaum, die
beiden äußersten Federn mit weißem Endsaum, Auge
[* 50] hellgelb, Schnabel schwarz, Füße rot, 34 cm lang, findet
sich in fast ganz Europa, Asien und Nordafrika, doch nur, wo es Felsen gibt, in deren Höhlungen oder auch in den Löchern alten
Gemäuers sie nistet.
Man unterscheidet zwei Varietäten mit weißem und blauem Unterrücken und nennt letztere auch Bergtaube (C. glauconotos Br.).
Sie nährt sich vorzugsweise von Getreide und Samen
[* 51] der Vogelwicke und andern Unkräutern. Sie soll die
Stammmutter aller Haustaubenrassen sein. Die Turteltaube(C.TurturL.), oberhalb rötlich braungrau, schwarz und aschgrau
gefleckt, Stirn weißlichgrau, Oberkopf und Hals graublau, letzterer mit vier schwarzen, weiß gesäumten Querstreifen, Flügel
schwärzlich aschgrau, Kehle und Oberbrust weinrot, ganze Unterseite rötlich graublau, Hinterleib gräulichweiß,
28,6 cm lang, findet sich in fast ganz Europa und Asien, besonders in
¶
mehr
Nadelholzwäldern, wandert, wie die vorige, südwärts. Sie nistet auf mittelhohem Gebüsch, nährt sich namentlich von Erbsen,
Linsen, Wicken und wird vielfach in Käfigen gehalten. Die Lachtaube (C. risoriaL.), blaß rötlich gelbweiß, mit halbmondförmigem,
schwarzem Fleck am Hinterhals, unterseits heller, Schnabel schwarz, Augen hellrot, Füße karminrot, 31,2 cm lang, bewohnt
Afrika,
[* 53] Mittel- und Südasien. Außer dem Girren hat sie besondere Laute, welche menschlichem Lachen einigermaßen ähneln, daher
der Name.
Die Wandertaube (C. migratoriaL.,EctopistesmigratoriusL.), oberhalb schieferblau, unterhalb rötlichgrau, Hals violettrot
schillernd, Schwingen schwärzlich, weiß gesäumt, Schwanzfedern schwarz, an beiden Seiten hellgrau, weiß gespitzt, Bauch
[* 54] und Hinterleib weiß, Schnabel schwarz, Augen und Füße rot, 42,4 cm lang, bewohnt fast ganz Amerika,
[* 55] vorzugsweise
das östliche Nordamerika.
[* 56] Sie wandert im Herbst und Frühjahr in ungeheuern Schwärmen, welche in früherer Zeit in angebauten
Gegenden großen Schaden verursachten, gegenwärtig aber durch die unausgesetzten Verfolgungen sehr stark zusammengeschmolzen
sind. Audubon schätzte den wöchentlichen Bedarf eines Wandertaubenzugs auf 1,712,000 Scheffel Sämereien
und seine Verbreitung auf einen Raum von 8-10 engl. Meilen, während seine Brutplätze bei einer Verbreitung von 4-5 engl.
Meilen sich 50 Meilen weit durch die Wälder ziehen sollten, so daß man auf manchen Bäumen 50-100 Nester fand. Von den fremdländischen
Tauben gelangen 70 Arten lebend in den Handel und werden zum Teil als Stubenvögel
[* 57] gehalten.
Haustauben.
(Vgl. beifolgende Tafel »Tauben«.)
Unsre Haustauben stammen wahrscheinlich von der Felsentaube ab, von welcher manche unsrer Feldflüchter kaum zu unterscheiden
sind. Die Domestizierung derselben reicht ins graue Altertum zurück. Inder und Ägypter hatten bereits besondere Rassen.
Auch in neuerer Zeit blüht die Taubenzucht im Orient. Eine völlig befriedigende Einteilung der Haustauben scheint noch nicht
gefunden zu sein. Die neuern Taubenkundigen (»Peristerologen«) verteilen
die gegen 10 Rassen mit etwa 80 Unterrassen oder Schlägen unter 4 oder 5 Hauptgruppen.
I. Feld- oder Farbentauben. Im Bau und in der Haltung der wilden Felsentaube ähnlich, ist Färbung des
Gesamtgefieders oder einzelner Teile entscheidend. Sie neigen mehr oder weniger zum Felden. Von den etwa 25 Rassen nebst vielen
Farbenschlägen sind die schönsten und beliebtesten: Eistaube, Porzellantaube, Lerchentaube, Starhals, Blässentaube, Pfaffentaube,
Mäusertaube, Mönchtaube, Deckeltauben, Flügeltauben, Schwingentauben, Schnippentaube, Farben- (Mohren-) Köpfe, Elstertaube,
Hyacinthtaube, Viktoriataube, Strasser u. a. Bei vielen der genannten Rassen gibt es Farbenschläge, d. h.
die gefärbten Teile kommen in den vier Hauptfarben (Blau, Schwarz, Rot, Gelb) oder in verschiedenen Nebenfarben (Mischungen
aus den Hauptfarben) vor; ebenso verschiedene Kopf- und Beinbefiederungsarten (Haube, Kuppe, Doppelkuppe, Latschen etc.).
Die III. Gruppe enthält die durch besondere Federstruktur des Gesamtgefieders (Locken-
[* 52]
[Fig. 4] oder Strupptaube) oder einzelner
Teile desselben (Mähnentaube, Perückentaube
[* 52]
[Fig. 10], Möwentaube) oder zugleich auch durch größere
Anzahl der Schwanzfedern, Haltung
derselben und des Halses (Pfautaube
[* 52]
[Fig. 14 u. 15]) gekennzeichneten.
Unter den Lieblingen dieser Gruppe, den Möwentauben
[* 52]
(Fig. 11, 12 u. 13), sind die orientalischen
(Sattinetten, Blondinetten, Turbitins) Muster der Züchtungskunst in Bezug auf Reinheit der Färbung und Zeichnung.
Die IV. Gruppe, die der Formtauben, begreift drei sehr voneinander verschiedene Unterabteilungen.
1) Die Huhntauben zeigen in Körperform und Haltung große Ähnlichkeit
[* 59] mit den Hühnern: länglicher, spitz zulaufender Kopf,
großer, huhnartig gebauter und getragener Rumpf und Schwanz, S-förmig gebogener Hals, kurze Flügel, starke, hohe, glatte Beine.
Hauptrassen sind: die Malteser Tauben, die Florentiner,
[* 60] die Monteneur, die Modeneser Tauben.
2) Die Kropftauben (Kröpfer) zeichnen sich durch kleinen Kopf, langen Hals, schmalen Rumpf, lange, schmale
Flügel, langen Schwanz, langen, dünnen Schenkel und Lauf (glatt oder bis auf die Zehen herab befiedert) und durch den riesigen
Kropf aus, den möglichst hervorzuheben der lange, schlanke Körperbau sehr geeignet ist. Man kennt gegen 15 nach
den Züchtungsorten benannte Rassen und Unterrassen. Englische
[* 61] (Fig. 16), Französische
[* 52]
(Fig. 17), Pommersche, Sächsische, Brünner
[* 52]
(Fig. 18), Prager etc.
V. Gruppe, Flugtauben, d. h. Tümmler und Purzler. Das gemeinsame Kennzeichen dieser beliebten und rassenreichsten ist
bei übrigens verschiedener Kopf- und Schnabelform der eigentümliche Flug. Sie steigen hoch in die Luft und überschlagen sich
(purzeln) beim Herabfliegen weniger oder öfter, zuweilen bis auf den Boden herab, manche Rassen auf dem Boden selber. Man teilt
die Tümmler in flachstirnige Langschnäbel (8 Rassen mit 6-7 Unterrassen, meist deutscher Zucht), flach-
und hochstirnige Mittelschnäbel (9 Rassen) und in hochstirnige Kurz- und Dickschnäbel (11-12 Rassen, meist englischer und
deutscher Zucht). Unter den EnglischenTümmlern nehmen die Almonds-
[* 52]
(Fig. 8), Bart-
[* 52]
(Fig. 9) und Weißkopftümmler den ersten
Rang ein und werden nebst den Kröpfern und Karriers zu hohen Preisen verhandelt. Auch unter den deutschen,
österreichischen und dänischen Rassen (Berliner
[* 63] [Fig. 6], Danziger, Stralsunder, Braunschweiger, Hannoveraner, Königsberger,
Altstämmer, Wiener, Prager, Pester, Kopenhagener, Kalotten
[* 52]
[Fig. 5], Nönnchen
[* 52]
[Fig. 7], Elster
[* 64] etc.) gibt es eine Menge sehr schöner
und wertvoller Tauben.
Haltung und Zucht der Tauben. Die wirtschaftlichen Zwecken dienende Taubenzucht, für welche nur die Feld- oder
Farbentauben zu empfehlen sind, ist eine sehr einfache. Der einfachste Taubenschlag, womöglich hoch gelegen, und jede gegen
die Unbilden der
¶
Witterung einigermaßen schützende Einrichtung, Fütterung zur Zeit des Nahrungsmangels (Wicken, Gerste
[* 68] und andre Sämereien),
reines Trinkwasser und alter Kalkmörtel, allenfalls das Unschädlichmachen eines boshaften Taubers ist im allgemeinen alles,
was das Gedeihen des Feldflüchters verlangt. Weit schwieriger ist Haltung und Züchtung der Rassetauben. Geräumige, für
die verschiedenen Rassen geeignete, den Mäusen und Raubtieren unzugängliche, warme und reinlich gehaltene
Schläge, passende Nester, reine Luft, gesunde Nahrung, oft erneuertes Trinkwasser sind unerläßliche Vorbedingungen. Sorge
für Pfleger (Ammen) solcher Rassen, welche ihre Jungen nicht selber füttern können (Kurzschnabeltümmler, Berber, Kröpfervarietäten,
Karriers). Stete Beaufsichtigung der brütenden und atzenden Paare etc.; richtige Paarung, eine nicht leicht
zu erwerbende Kunst.
Vgl. Prütz, Die Krankheiten der Haustauben (Hamb. 1886).
Die sogen. feinen Rassen sind viel häufiger Krankheiten ausgesetzt als die gewöhnlichen. Zur Vermeidung von Erkrankungen
sorge man für gute Ventilation, vermeide Überfüllung, Zugluft, zu große Hitze und Kälte des Schlags, gebe
nur bestes und reichliches, aber nicht überreichliches Futter, im Sommer täglich dreimal frisches, reines Wasser und halte
auf peinlichste Reinlichkeit des Schlags, der Nester und aller Utensilien; im Sommer tägliche Reinigung des Schlags.
Man vermeidet durch diese Vorbeugemittel die ganze Reihe von meist gefährlichen Krankheiten der Atmungs- und Verdauungsorgane,
der rheumatischen und andrer Übel. Auf Erkrankung darf man schließen, wenn die Flügel schlaff herabhängen,
der Schnabel geöffnet, die Zunge und die Mundhöhle
[* 70] trocken oder mißfarbig sind, ein Ausfluß
[* 71] aus Schnabel und Nase vorhanden,
die Augen entzündet, die Exkremente zu dünn, grünlich oder zu konsistent und selten sind oder gänzliche Verstopfung
eingetreten ist. Die erkrankten Tiere sind sofort von den gesunden zu trennen und abgesondert und warm zu halten. Wenn es
sich nicht um besonders wertvolle Tiere handelt, ist von meist lange dauernden und erfolglosen Kurversuchen lieber abzusehen;
Käfige und sonstige infizierte Räumlichkeiten sind zu desinfizieren, die gestorbenen oder getöteten Kranken
zu verbrennen oder tief zu vergraben.
Der Nutzen der wirtschaftlichen Taubenrassen wiegt den Schaden bedeutend auf. Junge und Alte liefern eine gesunde, leichtverdauliche
Speise für Kranke und Genesende und bilden im Sommer oft die einzige Fleischkost
auf dem Land oder einen
einträglichen Marktartikel. Die Gewinnung des Düngers, dessen Wert für Garten- und Feldbau man höher schätzen gelernt hat,
ist im Orient einziger Zweck der Taubenhaltung (rings um Ispahan zählt man über 3000 Taubentürme).
Franzosen und Italiener ziehen ihn zu gärtnerischen Zwecken dem Guano vor. Den angeblichen Schaden an Sämereien,
gerade zur Saatzeit, hat man auf Grund genauester Untersuchungen (Snell hat jahrelang Körner und Vogelwickensamen in Kropf und
Magen
[* 77] gezählt [in einer jungen Taube 3582], die Tauben auf seine Äcker gelockt und die besten Getreideernten erhalten) als großen
Vorteil erkannt. de Vitey und Befroy erachten die Zerstörung der gegen 50,000 Taubentürme in Frankreich
durch die Revolution von 1789 als Nationalunglück. Der wirkliche Schade an Mehl- und Ölfrüchten zur Zeit der Ernte
[* 78] kommt dagegen
nicht in Betracht.
Als Stammeltern der Brieftaube gelten der Karrier und die von ihm zunächst gezüchtete Drachentaube, dann die Feldtaube, das
Möwchen und der Tümmler. Man unterscheidet wohl 3 oder 4 mehr oder minder ausgeprägte Brieftaubenrassen,
namentlich die Antwerpener
[* 67]
(Fig. 23), die Lütticher
[* 67]
(Fig. 24) und die Brüsseler, welche aber in neuester Zeit wieder weitergebildet
wurden, so daß gegenwärtig eine große Mannigfaltigkeit vorhanden ist. Eine gute Brieftaube muß aufrechte Haltung, langen
Hals, breite Brust, breite und lange Schwingen, große Muskelkraft in den Flügeln und blaue oder dunkle
Farbe besitzen; ungeduldiges, stürmisches Benehmen gelten als besonders gute Zeichen. Zu ihrem Dienst muß die Brieftaube angelernt
werden.
Während man durch die den Brieftauben gereichte Nahrung auf Erhöhung des Flugvermögens durch Stärkung der Muskeln
[* 79] wirkt,
Fettbildung aber unterdrückt, nimmt man mit den Tieren Flugübungen vor, die ihren Orientierungssinn und
ihr Gedächtnis stählen und allmählich immer weiter ausgedehnt werden. Natürlich lernen die Tiere nur eine bestimmte, immer
dieselbe bleibende Richtung mit Sicherheit durchfliegen, d. h. sie müssen im stande sein, den Weg nach ihrer
Heimatsstation von einer Außenstation selbst bei Nacht und ungünstiger Witterung (Nebel, Regen) zurückzulegen;
nicht aber kann man von ihnen das Fliegen
[* 80] von mehreren Außenstationen aus verlangen oder gar, daß sie nach einer andern
als der Heimatsstation fliegen, denn nur die Sehnsucht nach der Heimat, als ein diesen Tieren von der Natur gegebener Instinkt,
macht sie für obige Zwecke geeignet.
Deshalb werden auch die Tauben verschiedener Flugrichtungen stets getrennt gehalten. Die Geschlechter sondert man voneinander
nach der ersten, spätestens zweiten Brut, um eine neue Begattung der Tauben zu verhindern, welche die Täubin durch Entwickelung
des Eies im Körper reiseuntüchtig machen würde, und ferner auch, um die Begierde zur Paarung und damit
den Drang zu heben, der alten Heimat zuzufliegen. Im Schlag macht man durch Lattenverschlüsse Abteilungen, deren jede einzelne
freie Bewegung nach dem Flugloch und Ausflugkasten gestattet, die untereinander aber nur durch verschließbare Schiebethüren
und Lauflöcher am Boden in Verbindung stehen.
Das Einüben der Tauben für eine bestimmte Tour beginnt vom Mai ab, nach Beendigung des Brutgeschäfts, mit
Entfernungen von 7-8 km und steigt allmählich bis zu 200 km, wobei aber die Tauben erst dann in weiterer Entfernung aufgelassen
werden, wenn sie die Tour vom ersten Auflaßort in geradester Richtung und kürzester Frist zurücklegen. Die
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Geschwindigkeit des Flugs der Brieftaube beträgt 60-70 km in der Stunde, übertrifft also die der schnellsten Eisenbahnzüge.
Bei 15-20 MeilenEntfernung kommen fast sämtliche Brieftauben unter günstigen Verhältnissen heim, mit der zunehmenden Weite
aber verringert sich ihre Anzahl. Als Verlust auf kürzern Flügen schätzt man etwa 10 von 100 Tauben, doch
nimmt diese Zahl mit der Entfernung in steigendem Verhältnis zu. Bei mehr als 100 Meilen Weite ist auf die Rückkehr überhaupt
nicht mehr sicher zu zählen, und dann bleiben sonderbarerweise gerade die besten und zuverlässigsten Brieftauben am ehesten
aus. Es haben indes auf eine Entfernung von 1600 km (Madrid-Lüttich) einige der ausgelassenen Tauben ihren
Heimatsschlag erreicht, und 1886 flogen von 9 Brieftauben eine von London in den Heimatsschlag zu Boston,
[* 82] eine zweite erreichte
New York, eine dritte Pennsylvanien. Die AntwerpenerVereine wählen für die Konkurse eine Weite von höchstens 200 Stunden. Wenn
die Brieftaube in der Jugend nicht zu sehr angestrengt wird, so hält sie wohl mehrere Jahre gut aus, und
man hat Brieftauben von 6, 7-10 Jahren, die noch alljährliche Wettflüge in tüchtigster Weise mitmachen.
Zu den Auflaßorten werden die Tauben in besonders konstruierten, ihre Verpflegung zulassenden Reisekörben per Kurier- oder Schnellzug
unter Aufsicht eines Wärters befördert. Dort angekommen, werden sie an einem freie Übersicht gewährenden
Ort bei guter Witterung, und nachdem sie kurz vor dem Abflug noch getränkt, aber nicht gefüttert worden, aufgelassen; zur
Kontrolle ist jedes einzelne Tier auf den Schwungfedern genau gezeichnet; an den Schlägen aber befindet sich ein elektrischer
Läutapparat, welcher das Einspringen in den Stall dem Wärter anzeigt.
Sollen die Brieftauben für Kriegszwecke benutzt werden, so werden sie bei der Mobilmachung aus den Festungen oder sonstigen
Heimatsstationen nach den Außenstationen verschickt und dort interniert. Die Depeschen werden zu ihrer Beförderung auf mikrophotographischem
Weg auf ein feines Kollodiumhäutchen übertragen, deren sich mehrere in einem Federkiel unterbringen
lassen. Dieser wird mit einem Wachspfropfen geschlossen und an eine Schwanzfeder der Taube angenäht;
daß diese Feder, wenn
z. B. ein wenig in der Haut gelockert oder beim Zusammenstoß mit einem Raubvogel, leicht verloren gehen kann, liegt auf der
Hand;
deshalb verlangt das Befestigen der Depesche sehr geschickte Finger, und man fertigt stets fünf Tauben mit
der gleichen Nachricht ab;
deshalb hat man auch zu einem von den Chinesen seit undenklichen Zeiten angewandten Mittel gegriffen,
um die Tauben nach Möglichkeit vor dem Anfall durch Raubvögel
[* 83] zu schützen.
Man befestigt nämlich an die Schwungfedern Glöckchen
von durchdringendem Ton, die von größter Leichtigkeit sind, das Tier also nur wenig belästigen und,
je schneller die Taube fliegt, desto heller tönend, die Raubvögel verscheuchen. Durch die Mikrophotographie ist man im stande,
den Inhalt von zwölf großen Journalen auf den Raum eines Zwanzigpfennigstücks zu konzentrieren; das Dechiffrieren erfolgt
dann nach Vergrößerung mittels Lupe
[* 84] oder Laterna
[* 85] magika.
NathanRothschild erhielt von seinen Agenten durch die Taubenpost die neuesten Nachrichten über NapoleonsFeldzüge und benutzte
dieselben zu seiner Spekulation. Auch zwischen Paris und Brüssel
[* 87] haben Bankhäuser Kurstauben unterhalten,
und das Reutersche Büreau bediente sich bis 1850 einer Taubenpost zwischen Aachen
[* 88] und Brüssel. In ganz Belgien
[* 89] war damals bereits,
wie noch heute, die Brieftaubenliebhaberei weit verbreitet, und die ganze milde Jahreszeit hindurch veranstaltete man allsonntäglich
Wettflüge, welche vom König und den Behörden durch Aussetzung von Prämien unterstützt wurden.
Dieser Sport verbreitete sich auch nach Frankreich, und 1820 hatte Paris einen Taubenwettflug. Zu großer Bedeutung gelangte
die Brieftaubenpost 1870 bei der Belagerung von Paris; man sandte dort im ganzen 534 Tauben mittels des Luftballons ab, von denen
etwa 100 zurückkamen. Eine Taube hat den Weg zehnmal gemacht. Auf diese Weise wurden 60 Serien von Depeschen
nach Paris hinein befördert, und wenn diese Resultate einer improvisierten Einrichtung auch nicht sehr glänzende waren, so
hatten sie doch für die belagerte Stadt hohen Wert und veranlaßten die Militärbehörden nach dem Frieden zu eingehender
Berücksichtigung der Brieftaubenpost. In Frankreich errichtete man im Jardin d'acclimatation eine Zentralzuchtanstalt und
stattete Paris und Langres derart mit aus, daß sie sechs Monate lang den Verkehr mit vielen andern Stationen unterhalten können.
Die etwa 350 Brieftaubenvereine Deutschlands,
[* 103] besonders im Rheinland vertreten, werden im Krieg ihre etwa 50,000 Tauben der Heeresleitung
zur Verfügung stellen. Nächst Deutschland ist die Kriegstaubenpost besonders in Italien
[* 104] entwickelt, und auch in fast allen
andern Staaten hat man entsprechende Einrichtungen getroffen. 1876 wurden an der Nordseeküste, besonders in Tönning an der
Eidermündung, Versuche angestellt, um eine Verbindung der in See liegenden Leuchtschiffe mit dem Land (55 km) durch Tauben herzustellen,
und in der That haben die Tauben bei heftigen Stürmen die Lotsen herbeigerufen.