(Klinoklas,
Abichit,
Aphanesit,
Siderochalcit),
Mineral aus der
Ordnung der
Phosphate, findet sich in glasglänzenden,
monoklinen
Kristallen und in radialstängeligen
Aggregaten, ist spangrün bis blaugrün, glasglänzend, kantendurchscheinend,
Härte 2,5-3, spez. Gew. 4,2-4,5,
besteht aus wasserhaltigem Kupferarseniat Cu3As2O8 + 3H2CuO2 , mit 50 Proz.
Kupfer,
[* 12] findet sich auf englischen Kupfererzgängen und bei
Saida.
Stadt im südwestlichen
Böhmen,
[* 18] an der
Wotawa und der Staatsbahnlinie
Wien-Eger, Sitz
einer Bezirkshauptmannschaft und eines Bezirksgerichts, mit einem
Schloß des
Johanniterordens aus dem 13. Jahrh., einer Dechantei-
und 3 andern
Kirchen, bedeutender Fabrikation von Wirkwaren und orientalischen
Fes, Bierbrauerei,
[* 19] lebhaftem
Handel und (1880) 5835 Einw.
S. ist Geburtsort des Dichters
Celakovsky.
Der Regierungsbezirk S. (s. Karte »Pommern«) umfaßt 4010 qkm (72,83 QM.) mit (1885)
210,165 Einw. (darunter 207,004 Evangelische, 4268 Katholiken und 196 Juden), und fünf Kreise:
[* 38]
Stadt in der mähr. Bezirkshauptmannschaft Neutitschein, an der Lokalbahn Stauding-S., mit altem Schloß,
Baumwollweberei, Samtbandfabrikation, Kalkbrennerei und (1880) 2282 Einw.
KarlWilhelm, schwed. Dichter und Publizist, geb. zu Stigtamta in Södermanland,
studierte zu Lund, ließ sich 1840 in Stockholm
[* 40] als Schriftsteller nieder und übernahm in der Folge die Redaktion der »Post-
och Inrikes-Tidningar« (»Post- und Reichszeitung«),
die er bis zu seinem Tod führte. Er starb als Mitglied der schwedischen
Akademie. Als Dichter erwarb er sich zuerst durch seine unter dem Pseudonym Talis Qualis veröffentlichten,
politisch gefärbten »Sangar i pansar« (»Geharnischte
Lieder«, 1835), durch die ein Zug
nordischer Kraft
[* 41] und Einfachheit geht, einen gefeierten Namen. In spätern Jahren erschien ein
zweiter Band
[* 42] Gedichte, die einen weichern und innigern Ton anschlugen, aber sich nicht minder als die ersten
durch begeisterte Vaterlandsliebe, Adel der Gesinnung u. Formvollendung auszeichneten. Umfangreicher als seine Originalarbeiten
sind seine vortrefflichen metrischen Übersetzungen, unter denen wohl der genialen Übertragung von Byrons »Don Juan« und poetischen
Erzählungen der erste Rang gebührt. Seine »Samlade vitterhetsarbeten« erschienen Stockholm 1877-78 in 2 Bänden.
die von einem gescheiterten, gestrandeten oder sonst verunglückten Schiff
[* 43] geretteten Güter und Schiffstrümmer.
Dabei wird unterschieden zwischen S. im engern Sinn, den bei einer Seenot geborgenen Gegenständen;
Strandtrift (strandtriftigem Gut),
Gegenständen, die von der See gegen den Strand getrieben und vom Strand aus geborgen wurden;
Wrackgut, versunkenen Schiffstrümmern
oder
sonstigen Gegenständen, die vom Meeresgrund heraufgebracht sind, und Seetrift (seetriftigem Gut), von welchem man dann
spricht, wenn ein verlassenes Schiff oder sonstige besitzlos gewordene Gegenstände, in offener See treibend, von einem
Fahrzeug geborgen werden.
Alles S. ist an den Empfangsberechtigten gegen Bezahlung der Bergungskosten herauszugeben. Die Ermittelung
des Empfangsberechtigten ist nach der deutschen Strandungsordnung vom Sache der Strandämter (s. Strandung). Ist
der Empfangsberechtigte auch durch das Aufgebotsverfahren nicht zu ermitteln, so werden Gegenstände, welche in Seenot vom
Strand aus geborgen sind, desgleichen Seeauswurf und strandtriftiges Gut dem Landesfiskus, versunkenes und
seetriftiges Gut aber dem Berger überwiesen. Die Höhe der Bergungskosten richtet sich nach den Bestimmungen des deutschen
Handelsgesetzbuchs (s. Bergen).
[* 44] Von beschädigten, auf dem Weg des öffentlichen Ausgebots verkauften Strandgütern ist auf
Antrag nur ein Zoll von 10 Proz. zu entrichten. Inländische Strandgüter, welche nach
dem Auslaufen verunglücken, sind frei vom Eingangszoll.
(Tringa L.), Gattung aus der Ordnung der Watvögel
[* 45] (Grallae) und der Familie der Schnepfen (Scolopacidae),
Vögel
[* 46] mit geradem Schnabel, der länger als der Lauf, aber kürzer als der nackte Teil des Fußes, an der
Spitze verdickt und verbreitert und nur an den Rändern der Oberschnabelspitze hornig ist. In den mittellangen, spitzen Flügeln
ist die erste Schwinge am längsten, der Schwanz ist kurz, abgerundet, die Füße sind kurz, dick, der Lauf länger als die Mittelzehe,
die Krallen sind kurz, stark gekrümmt.
Die S. leben in den nordischen Gegenden der Alten und Neuen Welt an Gewässern, in deren Uferschlamm sie ihre Nahrung suchen;
im Winter wandern sie, meist den Küsten entlang, in Scharen südwärts, im Frühling wieder nordwärts, nur selten geraten sie
ins Binnenland. Alle haben im Sommer ein anders gefärbtes Gefieder als im Winter. Die etwa 25 Arten umfassende
Gattung ist in mehrere Gattungen: ActodromasKaup., CalidrisIll., LimicolaKoch, ArquatellaBaird und PelidnaCuv., geteilt worden.
Roststrandläufer (Kanutsvogel, T. canutaL.), 25 cm lang, im Sommer oberseits schwarz mit rostroten Flecken, weißlichen Federspitzen
und rostgelben Federsäumen, unterseits dunkel braunrot, im Winter oberseits aschblau, unterseits weiß,
an der Unterkehle dunkel gefleckt; der Schnabel schwarz, der Fuß grauschwarz. Er bewohnt den Norden
[* 47] der Alten Welt und weilt
in Deutschland
[* 48] von August bis Mai an der Küste der Nord- und Ostsee, nistet aber nur im hohen Norden. Er ist
sehr beweglich, fliegt und schwimmt gut und besitzt eine laute, pfeifende Stimme.
Die Nahrung besteht in allerlei Kleingetier. Der Zwergstrandläufer (Raßler, T. [Actodromas] minutaKaup), 14 cm lang, im Sommer
oberseits schwarz mit rostroten Federkanten, an der Oberbrust hell rostfarben, fein braun gefleckt, unterseits weiß, im
Winter oberseits dunkel aschgrau, braunschwarz gestrichelt; das Auge ist braun, der Schnabel schwarz, der
Fuß grünlichschwarz. Er bewohnt den hohen Norden, findet sich aber an fast allen Meeresküsten Europas, Asiens, Afrikas und
Australiens und weilt bei uns von August bis April. Er nistet in den Tundren Europas und Asiens. Seine Eier
[* 49] (s. Tafel »Eier
II«,
[* 36]
Fig. 17) sind trüb gelblichgrau bis ölgrün,
¶
mehr
aschgrau und dunkelbraun gefleckt. Der Alpenstrandläufer (T. [Pelidna] alpinaCuv.), 15-18 cm lang, im Sommer oberseits rotbraun,
schwarz gefleckt, unterseits weiß mit schwarzen Schaftstrichen, an Unterbrust und Vorderbauch schwarz, im Winter oberseits
aschgrau, unterseits weißlich; das Auge ist braun, Fuß und Schnabel schwarz. Er bewohnt den hohen Norden, brütet aber
schon in Deutschland, wo er von August bis Mai verweilt, durchstreift im Winter mit Ausnahme von Australien
[* 51] und Polynesien die
ganze Erde und erscheint auch oft in Scharen im Binnenland und im Gebirge. Er nistet an sandigen oder feuchten Stellen in der
Regel nicht weit vom Meer auf dem Boden; die vier schmutzig ölfarbenen, dunkel ölbraun gefleckten Eier
(s. Tafel »Eier II«,
[* 50]
Fig. 19) werden vom Weibchen allein ausgebrütet. Das Fleisch des Alpenstrandläufers ist sehr schmackhaft,
und er wird daher in großer Zahl auf den Schnepfenherden erlegt oder gefangen.
die durch den Anprall der Meereswogen an den die Küste bildenden Felsen und an Klippen
[* 52] hervorgebrachten Linien, welche sich zusammen mit Anhäufungen von Geröllen, Bruchstücken der Gehäuse von Meeresbewohnern
und Zusammenschwemmungen von Meerestangen (Strandterrassen) sowie auch den Ansätzen (Balanen) oder den Einbohrungen (Bohrmuscheln)
von Seetieren als ein das Ufer umziehender Saum oft meilenweit in ununterbrochenem Zusammenhang verfolgen lassen. Steigt das
Land, und verschiebt sich dadurch die Grenzlinie zwischen Wasser und Land, so bleiben diese Signale als Produkte eines frühern,
jetzt nicht mehr vorhandenen Zustandes zurück und bilden als alte S. für die Geologie
[* 53] wichtige Anhaltspunkte zur Kontrolle
der Hebungserscheinungen (vgl. Hebung).
[* 54] Die KüstenSkandinaviens, Schottlands, Italiens
[* 55] etc. bieten zahlreiche Beispiele
solcher oft zu dritt und mehr übereinander hinziehender alter S.
(strandtriftiges Gut), Gegenstände, die infolge eines Seeunfalls von der See gegen den Strand getrieben
und von dem Strand aus geborgen werden. Vgl. Strandung.
Wurde eine S. fahrlässigerweise verursacht, so tritt (§ 326) Gefängnisstrafe ein. Wer endlich ein
Schiff,
welches als solches oder in seiner Ladung oder in seinem Frachtlohn versichert ist, sinken oder stranden macht, wird mit Zuchthaus
bis zu zehn Jahren und zugleich mit Geldstrafe von 150-6000 Mk. bestraft (§ 265). Für das Deutsche Reich
[* 56] ist das Strandungswesen
im übrigen durch die Strandungsordnung vom geregelt. Dieselbe handelt namentlich von den Strandbehörden, welchen
die Sorge für die Rettung und Bergung der in Seenot befindlichen Personen und Güter anvertraut ist, ferner von dem Verfahren
der Bergung und Hilfsleistung in Seenot, von den Bergungs- und Hilfskosten und von den Privatrechtsverhältnissen
in Ansehung des sogen. Strandguts (s. d.). Als Strandbehörden fungieren Strandämter, welche das Strandgut zu verwalten und
den Empfangsberechtigten, nötigen Falls nach einem Aufgebotsverfahren, zu übermitteln haben.
Den Strandämtern sind Strandvögte untergeordnet, welchen das eigentliche Hilfs- und Rettungswerk obliegt. IhrerAufforderung
zur Hilfsleistung müssen alle anwesenden Personen nachkommen, sofern sie dazu ohne erhebliche eigne Gefahr
im stande sind. Sie sind ferner befugt, zur Rettung von Menschenleben die erforderlichen Fahrzeuge und Gerätschaften in
Anspruch zu nehmen und jeden Zugang zum Strand zu benutzen. Der Vorsteher eines Strandamtes (Strandhauptmann) kann zugleich
zum Strandvogt bestellt werden. Diese Strandbeamten sind Beamte der betreffenden Landesregierungen.
(spr. strehndsch),Robert, Kupferstecher, geb. auf der orkadischen InselPomona, ging nach Edinburg
[* 58] und schloß sich dort an den Prätendenten an, nach dessen Sturz er nach Paris
[* 59] flüchtete und unter Le
[* 60] Bas studierte. 1751 kam
er nach London,
[* 61] reiste 1759 nach Italien,
[* 62] lebte dann mehrere Jahre in Paris und zuletzt in London, wo er starb.
Er stach Blätter nach italienischen Meistern, besonders nach Tizian, auch nach van Dyck, die von schöner Wirkung sind. Zur Zeit
der dominierenden Schwarzkunst kultivierte S. den edlern Linienstich.
Vgl. Dennistoun, Memoirs of SirR. S. (Lond. 1855, 2 Bde.).
JosephAnton, Schauspieler und Theaterprinzipal, geb. zu Schweidnitz
[* 66] i. Schl.,
studierte zu Breslau
[* 67] und Leipzig,
[* 68] begleitete darauf einen schlesischen Grafen auf einer Reise nach Italien und ging nach seiner
Rückkehr zur Bühne über. Im J. 1706 tauchte er in Wien
[* 69] auf, pachtete 1712 das Stadttheater am Kärntnerthor und wirkte hier
bis zu seinem Tode, der am erfolgte. S. war der berühmteste Hanswurst seiner Zeit, ein Meister
im Extemporieren und bei aller Derbheit reich an echter Komik. Er hatte aus Italien eine Menge von Szenen und Entwürfen mitgebracht,
aus denen er Stücke zusammensetzte, die zum Teil auch gedruckt wurden, und veröffentlichte unter dem Titel:
»Ollapatrida des durchgetriebenen Fuchsmundi« (1722) eine Sammlung dramatischer
Skizzen (d. h. Gespräche Hanswursts mit allerlei Leuten über allerlei Gegenstände in Versen und Prosa). Auch gab er eine »Lustige
Reyßbeschreibung, aus Salzburg
[* 70] in verschiedene Länder« (o. J.) und »Hannswurstsche Träume« (o. J.) heraus.
1) (Brodnica) Kreisstadt im preuß. Regierungsbezirk Marienwerder,
[* 71] an der Drewenz und der LinieJablonowo-Lautenburg
der Preußischen Staatsbahn, 75 m ü. M., hat eine evangelische und eine kath.
Kirche, ein Gymnasium, ein Amtsgericht, ein Hauptzollamt, Ziegelbrennerei und (1885) mit der Garnison (ein Infanteriebataillon
Nr. 14) 5462 meist kath. Einwohner.
S. wurde 1285 neben der schon 1268 vorhanden gewesenen Burg angelegt. -
Durch seine Untersuchungen über die Pflanzenzelle, besonders
in den Schriften: »Über Zellbildung und Zellteilung« (Jena 1875; 3. Aufl., das. 1880) und »Studien über
Protoplasma« (das. 1876) u. a., wirkte S. wesentlich
umgestaltend auf die Fortentwickelung der modernen Botanik ein. Von seinen fernern Arbeiten sind noch hervorzuheben: Ȇber
Befruchtung und Zellteilung« (Jena 1878);
zweiarmige Ill in drei Teile geteilt, hat elf Thore u. durch die engen, unregelmäßigen Straßen ein altertümliches Aussehen.
Ein neuer Stadtteil, im NO. liegend und aus dem durch Hinausschieben der Festungswerke gewonnenen Terrain errichtet, ist bereits
stark bebaut. Von öffentlichen Plätzen verdienen Erwähnung: der Kléberplatz mit dem ehernen Standbild Klébers,
der Gutenbergplatz mit der StatueGutenbergs (von David d'Angers), der Broglieplatz, der Schloßplatz etc. Außer den genannten
Denkmälern sind noch zu nennen: das Denkmal des GeneralsDesaix hinter dem Theater und das Denkmal des PräfektenLezay-Marnesia
auf einer Rheininsel.
Hervorragende Gebäude sind ferner: der neue Kaiserpalast, das Schloß (ehemals bischöfliche Residenz, später Universität,
jetzt Universitäts- und Landesbibliothek), das Stadthaus und das Theater am Broglieplatz (beide nach
der Einäscherung von 1870 neuerbaut), der Statthalterpalast, das neue Universitätsgebäude, das Bezirkspräsidium, das
Landgerichtsgebäude, das Offizierkasino, das Aubettegebäude am Kléberplatz, das Gebäude der Lebensversicherungsgesellschaft
Germania,
[* 101] das Bürgerhospital, die Manteuffelkaserne, der Zentralbahnhof, die Westmarkthalle etc.
Die Bevölkerung
[* 102] beläuft sich (1885) mit der 10,523 Mann starken Garnison (Infanterieregimenter Nr. 105,
126, 132 und 138, je 2 Infanteriebataillone Nr. 99 und 137, ein Ulanenregiment Nr.
15, ein Feldartillerieregiment Nr. 15, ein Fußartillerieregiment Nr. 10 und
ein Pionierbataillon Nr. 15) auf 111,987 Seelen, darunter 52,306 Evangelische, 55,406 Katholiken, 363 andre Christen u. 3767 Juden.
Der lebhafte Handel, unterstützt durch eine Handelskammer und eine Reichsbankhauptstelle wie durch andre Geldinstitute, durch
das verzweigte Eisenbahnnetz (S. ist Knotenpunkt der Eisenbahnen S.-Weißenburg, S.-Deutsch-Avricourt, S.-Kehl, S.-Schiltigheim,
S.-Königshofen, S.-Basel, S.-Rothau und S.-Lauterburg), durch vortreffliche Landstraßen, durch die schiffbare Ill, den Ill-,
Rhein-Rhône- und Rhein-Marnekanal und durch eine Pferdebahn, welche die innern Stadtteile mit den Vororten verbindet, ist besonders
bedeutend in Steinkohlen, Kolonial- und Lederwaren, Papier, Tabak, Eisen,
[* 106] Getreide, Wein, Holz,
[* 107] Gänseleberpasteten, Sauerkraut, Schinken,
Hopfen,
[* 108] Gartengewächsen der verschiedensten Art etc. An Bildungs- und andern ähnlichen Anstalten hat
S. die 1872 neugegründete Kaiser Wilhelms-Universität (Sommersemester 1888: 828 Studierende), die neue Universitäts- und
Landesbibliothek mit ca. 600,000 Bänden (größtenteils durch freiwillige Gaben entstanden und zum Ersatz für die in der Nacht
vom 24. zum verbrannte Stadtbibliothek bestimmt), ferner ein protestantisches Gymnasium (1538
gegründet), ein Lyceum (katholisches Gymnasium, verbunden mit Realgymnasialabteilung), 2 Realschulen, eine höhere katholische
Schule, ein Priesterseminar, ein evangelisches Schullehrer- und ein evangelisches Lehrerinnenseminar, 2 Taubstummenanstalten,
ein Konservatorium, ein Kunstmuseum, ein Kunstgewerbemuseum, ein Naturalienkabinett, ein Stadttheater, eine Bezirksfindel-
und Waisenanstalt, zahlreiche Sammlungen etc. In S. erscheinen fünf Zeitungen.
Die Festungswerke, deren Anlage 1682-84 von Vauban mit der auf der Ostseite der Stadt liegenden fünfeckigen Citadelle begonnen
wurde, haben seit 1870 eine bedeutende Erweiterung und Verstärkung
[* 109] erfahren. Ein Teil der Befestigung ist im NO. hinausgerückt,
und 13 Forts, 4-8 km vom Mittelpunkt der Stadt entfernt, krönen die umliegenden Höhen, 3 davon auf der
badischen Seite des Rheins bei Kehl. Die Stärke
[* 110] der Werke wird dadurch noch bedeutend erhöht, daß durch die Ill und den Rhein-Rhônekanal
ein großer Teil der Umgegend von S. unter Wasser
Unter der Regierung des KaisersAugustus entstand auf der Stelle des heutigen S. eine städtische Ansiedelung, Argentoratum,
welche der achten Legion als Standquartier diente. Durch den großen Sieg bei S. 357 über die Alemannen rettete KaiserJulian die Rheingrenze, doch schon um 406 fiel das Elsaß jenem germanischen Volksstamm zu. Damals ging die Stadt in
Flammen auf, ward aber bald neu erbaut und in der Karolingerzeit durch die Neustadt
[* 117] im W. vergrößert.
Hier schwuren 14. Febr. 842 Ludwig der Deutsche und Karl der Kahle den Eid gegenseitiger Treue, der in altromanischer
und altdeutscher Sprache
[* 118] erhalten ist. Seit der Begründung des Bistums (s. unten) hob sich die Bedeutung der Stadt; doch blieb
sie noch lange Eigentum des Bischofs, der den Schultheißen ernannte. Wie andre bischöfliche Städte, wußte sich auch S. allmählich
größere Selbständigkeit zu verschaffen: an die Stelle der bischöflichen Ministerialen trat ein aus
der Bürgerschaft hervorgehender Rat, und die Richter der Stadt, die Consules, sprachen vom Bischof unabhängig Recht.
Die Stadt schloß sich 1381 dem Städtebund zu Speier an und leistete ein Jahrhundert später den Schweizern gegen Karl den Kühnen
bei Granson und Nancy
[* 120] erfolgreiche Unterstützung. In S. hat der MainzerGutenberg die erste Druckerpresse
aufgestellt, hier haben einige Jahrzehnte später die Dichter SebastianBrantundThomasMurner sowie der Humanist Wimpfeling
gewirkt. Die Bedeutung der Stadt war damals weit größer, als man nach ihrer geringen Bevölkerung (um 1475 nur 20,700 Seelen)
erwarten sollte.
Die Reformation fand früh Eingang, besonders infolge des rastlosen EifersMartin Butzers, der 1523 in S.
eine Zuflucht fand. Doch erst nach Abschaffung der Messe 1529 kann die Stadt als protestantisch gelten. In der gefährlichen
Zeit der religiösen Streitigkeiten und Fehden hatte sie einen vorzüglichen Führer in dem gelehrten und welterfahrenen JakobSturm (s. d.), welcher ihr z. B. nach
dem SchmalkaldischenKrieg einen billigen Frieden vom Kaiser erwirkte.
Durch ihn wurde S. auch eine Stätte der Wissenschaft, besonders als der Philolog JohannesSturm sich hier niederließ. Ihm
gegenüber vertrat das deutsch-volkstümliche Element in der Litteratur der StraßburgerJohannFischart. Für ihren Rücktritt
von der Union belohnte KaiserFerdinand II. die Stadt 1621 mit der Errichtung der Universität. Während
des Dreißigjährigen Kriegs ersparte
die auf reichsstädtischer Tradition beruhende und durch innere Parteiungen geförderte
Neutralitätspolitik S. viel Elend. Im WestfälischenFrieden blieb es dem Reich erhalten.
Die französische Revolution zertrümmerte die Vorrechte der alten deutschen Reichsstadt; an die Spitze trat ein Maire, ihm
standen zur Seite 17 Munizipalräte und 36 Notabeln, welche alle aus unmittelbaren Volkswahlen hervorgingen. Nach dem Fall
des Königtums blieb der Stadt die Schreckensherrschaft nicht erspart; auch hier wurde 1793 ein Revolutionstribunal
eingerichtet, dem der deutsche Emigrant Eulogius Schneider vorstand. Erst unter dem ersten Kaiserreich schwanden die partikularistischen
Neigungen, welche noch das 18. Jahrh. kennzeichnen. S., das Napoleon I. die Wiederherstellung seiner in den Revolutionsstürmen
verfallenen Universität zu danken hatte, ward wirklich eine französische Stadt. Der VersuchLudwigNapoleons
sich hier von der Garnison zum Kaiser ausrufen zu lassen, mißlang.
Die Besatzung (noch 17,000 Mann) wurde kriegsgefangen, 1200 Kanonen und zahlreiches Kriegsmaterial wurden eine Beute der Sieger
(s. Plan der Belagerung von S. bei Artikel »Festungskrieg«). Die deutschfeindliche Haltung der Stadtbehörde in S. veranlaßte
die kaiserliche Regierung, den BürgermeisterLauth seines Amtes zu entsetzen und den Gemeinderat, dessen überwiegende
Mehrheit sich gegen diese Maßregel aussprach, zunächst auf zwei Monate, dann auf ein Jahr zu suspendieren. Mit der Wahrnehmung
der Geschäfte des Magistrats wurde der Polizeidirektor Back betraut, unter welchem das
¶