erreichten die S. den Höhepunkt ihres
Glanzes. Erst
Philipp V. trat, wenn auch ohne Erfolg, als offener Gegner der S. auf,
welche von nun an gewerbsmäßig von bezahlten Stierkämpfern
(Toreros) betrieben wurden, die heute in ganz
Spanien
[* 2] der Gegenstand
allgemeinster
Popularität und der übertriebensten
Huldigungen sowohl innerhalb als außerhalb der
Arena
sind.
Fast jede irgend bedeutende Stadt hat ihre in Form eines
Amphitheaters errichtete
Plaza de
Toros. Die größten finden
sich in
Valencia
[* 3] (16,000
Plätze) und
Madrid
[* 4] (14,000). In
Madrid finden, mit einer kurzen
Unterbrechung im
Sommer, von
Ostern bis
Allerheiligen jeden
Sonntag und
Donnerstag, oft auch häufiger, S. statt, so im J. 1887 deren 34 mit 217
Stieren
und 372
Pferden als
Opfer; in den Provinzialstädten nicht so oft, dennoch kann man 200 S. jährlich in
Spanien annehmen.
Das moderne Stiergefecht besteht aus drei
Akten, in welchen die vier
Gruppen der Cuadrilla (alle
Toreros, welche irgendwie am
Gefecht teilnehmen) nacheinander ihre Geschicklichkeit entfalten. Die
Picadores (Lanzenreiter) auf elenden
Kleppern reizen zunächst den auf den Kampfplatz gelassenen
Stier durch Lanzenstiche in den
Nacken; seine Wut wird gesteigert
durch die Banderilleros, welche zu
Fuß dem
Stier mit Widerhaken versehene aufgeputzte
Stäbe
(Banderillas,
Fähnlein) ins
Fleisch
stoßen.
Die
Chulos (auch
Capeadores, von Capa,
Mantel, genannt) unterstützen die andern, indem sie durch geschicktes
Schwingen roter Mäntel die
Aufmerksamkeit des
Stiers von seinen Verfolgern, sobald diese in
Gefahr schweben, ablenken. Die Hauptperson
aber ist der
Espada
(Degen), der dem
Stier mit der blanken
Waffe, einem
ca. 90
cm langen, starken Stoßdegen
(Espada), den Todesstoß
in eine bestimmte
Stelle des
Nackens zu versetzen hat. Der
Espada (der
AusdruckMatador
[Töter] ist in
Spanien weniger üblich)
reizt den
Stier durch die Muleta, ein an einem
Stock befestigtes
Stück roten
Tuches, das er mit der
Linken vor sich flattern
läßt, und stößt dann dem angreifenden
Stier den
Degen zwischen den
Hörnern hindurch bis ans Heft in
den Leib.
Berühmte
Espadas erhalten 6-8000
Frank für jedes Stiergefecht.
FeigeStiere werden erst gebrannt und dann durch
Hunde
[* 5] zerrissen,
oder man durchschneidet ihnen von hinten die
Fesseln, und der
Cachetero, der auch die andern
Stiere, die nicht tödlich getroffen
sind, abfängt, tötet sie durch einen Dolchstoß ins
Genick. Jeder einzelne Stierkampf dauert ungefähr
eine halbe
Stunde; meist kommen bei einer
Vorstellung sechs
Stiere und ungefähr doppelt so viel
Pferde
[* 6] ums
Leben. Man kann heute
die
Opfer auf jährlich 1000
Stiere und mindestens 3500 getötete
Pferde berechnen. Die jährlichen
Ausgaben für
S. betragen viele
MillionenFrank. In
Spanien wie in den südamerikanischen
Republiken widmen sich zahllose
Zeitschriften dem
nationalen
Sport der
S., und die Litteratur über dieselbe ist eine sehr reichhaltige.
Gemeinde im deutschen
BezirkLothringen,
Kreis
[* 8]
Forbach,
[* 9] an der
Eisenbahn S. (Preußische Grenze)-Novéant,
hat ein bedeutendes Eisenhüttenwerk mit 1250 Arbeitern (Fabrikation von
Trägern, Eisenbahnschienen etc.), eine
Glashütte
und (1885) 3854 meist kath. Einwohner.
(Styfel, auch
Stieffel),
Michael, Algebrist, geb. 1487 zu
Eßlingen,
[* 21] ging in das dortige Augustinerkloster, aus
dem er aber 1522 als Anhänger
Luthers entfloh, worauf er als evangelischer
Prediger erst bei einem
Grafen von
Mansfeld, dann
in
Oberösterreich, 1528-34 zu Lochau bei
Torgau,
[* 22] hierauf bis 1547 zu Holzdorf bei
Wittenberg,
[* 23] nachher zu Haberstrohm bei
Königsberg
[* 24] i. Pr. wirkte.
Später scheint er in
Jena
[* 25] gelebt zu haben, wo er starb.
Sein Hauptwerk ist die »Arithmetica integra«
(Nürnb. 1544).
(das S.;Mehrzahl: die
Stifter), jede mit Vermächtnissen und
Rechten ausgestattete, zu kirchlichen
Zwecken bestimmte
und einer geistlichen
Korporation übergebene Anstalt mit allen dazu gehörigen
Personen, Gebäuden und
Liegenschaften. Die
ältesten Anstalten dieser Art sind die Klöster, nach deren Vorbild sich später das kanonischeLeben
der
Geistlichen an
Kathedralen und Kollegiatstiftskirchen gestaltete. Im
Gegensatz zu den mit den Kathedralkirchen verbundenen
Erz- und Hochstiftern mit je einem
Erzbischof oder
Bischof an der
Spitze hießen die Kollegiatkirchen, bei welchen kein
Bischof
angestellt war,
Kollegiatstifter.
Die Mitglieder derselben wohnten in Einem Gebäude zusammen und wurden von demErtrag eines Teils der
Stiftsgüter und
Zehnten unterhalten. So bildeten sich die
Domkapitel, deren
Glieder,
[* 26] die
Canonici, sich
Kapitularen,
Dom-,
Chor-
oder
Stiftsherren nannten. Infolge des häufigen
Eintritts Adliger entzogen sich dieselben schon im 11. Jahrh. der Verpflichtung
des Zusammenwohnens
(Klausur), verzehrten ihre
Präbenden einzeln in besondern Amtswohnungen, bildeten jedoch fortwährend
ein durch
Rechte und Einkünfte ausgezeichnetes
Kollegium, welches seit dem 13. Jahrh. über die
Aufnahme neuer
Kapitularen zu
entscheiden, bei Erledigung eines Bischofsitzes
(Sedisvakanz) die
¶
Außer den Erz-, Hoch- undKollegiatstiftern gibt es auch noch weibliche Stifter und zwar geistliche und weltliche. Erstere entstanden
durch eine Vereinigung regulierter Chorfrauen und glichen den Klöstern; bei den freien weltlichen Stiftern dagegen legen die
Kanonissinnen nur die Gelübde der Keuschheit und des Gehorsams gegen ihre Obern ab, können jedoch heiraten, wenn sie auf ihre
Pfründe verzichten, und haben die Freiheit, die ihnen vom S. zufließenden Einkünfte zu verzehren, wo
sie wollen.
Nur die Pröpstin und Vorsteherin nebst einer geringen Zahl Kanonissinnen pflegen sich im Stiftsgebäude aufzuhalten. Auch
die Pfründen dieser Stifter wußte der stiftsfähige Adel vielfach ausschließlich für seine Töchter zu erlangen, doch hängt
häufig die Aufnahme auch von einer Einkaufssumme ab. Auch sind für die Töchter von verdienten Beamten
Stiftsstellen geschaffen worden. Die Kanonissinnen dieser »freien weltadligen Damenstifter« werden jetzt
gewöhnlich Stiftsdamen genannt.
Die unbedingte Hinwegwendung von allen Problemen und Tendenzen des Tags, der idyllische, fast quietistische
Grundzug, die meisterhaften Details, namentlich die sinnigen Naturschilderungen, die feine, gleichmäßige Durchführung bildeten
einen so wohlthuenden Gegensatz zur Tagesbelletristik, daß man darüber die Mängel der überwiegend kontemplativen, aller
Leidenschaft und Thatkraft abgewandten, zur lebendigern Menschendarstellung daher unfähigen Natur des
Autors übersah. Diese Mängel traten namentlich in den größern Romanen Stifters: »Der Nachsommer« (Pest 1857, 3. Aufl. 1877)
und »Witiko« (das. 1864-67, 3 Bde.),
hervor. Stifters Nachlaß (»Briefe«, Pest 1869, 3 Bde.; »Erzählungen«, das. 1869, 2 Bde.;
»Vermischte Schriften«, das. 1870, 2 Bde.)
gab Aprent heraus. »Ausgewählte Werke« von ihm erschienen
in 4 Bänden (Leipz. 1887).
IhreWände bestanden aus 48 übergoldeten Brettern von Akazienholz, welche durch goldene Ringe zusammengehalten wurden. Über
diesen Wänden hing ein einfacher Teppich. Die vordere, zum Eingang dienende Seite war mit einem an fünf Säulen
[* 65] befestigten
Vorhang verhängt. Das Innere teilte ein andrer Vorhang (Parochet) in eine vordere Abteilung, das Heilige,
worin der Tisch mit den Schaubroten, der goldene Leuchter und der Räucheraltar, und in eine hintere Abteilung, das Allerheiligste,
worin die Bundeslade stand. Das Ganze war mit einem für das Volk bestimmten Vorhof umgeben. Salomo ließ nach Erbauung des Tempels
die Überreste der S. in diesem aufstellen.
JohannBaptist, Erzgießer, Bildhauer und Medailleur, geb. zu Fürstenfeldbruck bei München,
kam zu einem Goldschmied in München in die Lehre,
[* 70] ward 1810 in die Akademie der bildenden Künste aufgenommen, 1814 als Münzgraveur
angestellt und 1819 nach Italien gesandt, um die Technik des Erzgusses kennen zu lernen. In Rom
[* 71] gründete
er seinen Ruf durch den Guß der Büste des spätern KönigsLudwig I. von Bayern nach ThorwaldsensModell. 1822 ins Vaterland zurückgekehrt,
schnitt er Stempel zu Kurrentmünzen und Medaillen und ward dann zum Inspektor der königlichen Erzgießerei ernannt, in welcher
Stellung er eine lebhafte Thätigkeit entfaltete.
bei den Griechen und Römern ein Brandmal, das Verbrechern, namentlich diebischen oder entlaufenen
Sklaven, eingebrannt wurde (gewöhnlich auf der Stirn);
das angebliche freiwillige Auftreten der fünf Wundmale Christi bei Personen, die sich in eine schwärmerische
Betrachtung seiner Leiden
[* 83] versenkt hatten. Nachdem der heil. Franz von Assisi (s. Franziskaner) zuerst diese Auszeichnung erhalten
haben soll und die heil. Katharina von Siena wenigstens einen Ansatz dazu genommen, hat sich diese Erscheinung
im Lauf der Jahrhunderte an sehr zahlreichen Personen, namentlich weiblichen Geschlechts, wiederholt, und zwar sowohl bei Nonnen
als bei weiblichen Laien, und bei einigen blieb die S. eine dauernde, indem die Wundmale alle Freitage und am stärksten in der
Passionszeit bluteten, was dann häufig zu Schaustellungen Anlaß gegeben hat.
Insbesondere wiederholte sich die S. in Zeiten religiöser Aufregung, und in unserm Jahrhundert haben KatharinaEmmerich,
[* 84] die
Freundin KlemensBrentanos, Maria v. Mörl und insbesondere LouiseLateau in dem belgischen Dörfchen Bois d'Haine in dieser Richtung
großes Aufsehen erregt. Diese Personen gaben bestimmten Verehrerkreisen Schaustellungen, indem sie theatralisch
die LeidenChristi, während sie dieselben angeblich empfanden, in lebenden Bildern durchführten; daneben bekamen sie kataleptische
Zufälle (Verzückungen), in denen sie unempfindlich gegen Schmerzen zu sein vorgaben, und mancherlei andre Wundergaben
(vollkommenes
Fasten, Empfindung der Nähe heiliger Gegenstände etc.). Das Urteil über diese Fälle hat sich zuerst naturgemäß
nur in den beiden Gegensätzen: Wunder oder Betrug! kundgegeben, und in der unendlichen Litteratur, die über LouiseLateau entstand,
vertrat der belgische ArztProfessorLefebvre (»LouiseLateau«, Löwen
[* 85] 1873) mit aller Entschiedenheit die Überzeugung, daß hier
ein übernatürliches Ereignis vorliege, während Virchow u. a. es einfach als Betrug brandmarkten.
In der That sind denn auch nicht wenige Fälle von sogen. S. vor den Gerichten als grober Betrug entlarvt worden. Bei der Bedeutung,
welche von manchen Seiten dem Fall der LouiseLateau beigelegt wurde, ernannte die BrüsselerAkademie der Wissenschaften eine
Kommission zur Untersuchung desselben, und in dem Bericht, welchen Warlomont über die Arbeiten dieser Kommission
erstattet hat, wird nun auf Grund sehr sorgfältiger und den Betrug ausschließender Untersuchungen und in Übereinstimmung
mit andern belgischen und französischen Ärzten die schon von Montaigne vertretene Meinung ausgesprochen, daß eine bis zur
Krankheit gesteigerte Einbildungskraft das wiederholte freiwillige Bluten der irgendwie erworbenen Wunden
hervorbringen könne.
Außerdem bieten viele den Stigmatisierten eigentümliche Zufälle, wie die Katalepsie, Unempfindlichkeit, die Nachahmungssucht
u. a., eine bedeutende Ähnlichkeit
[* 86] mit den neuerdings genauer untersuchten Zuständen des Hypnotismus (s. d.), welche in ähnlicher
Weise durch Konzentration der Gedanken und Sinneseindrücke auf bestimmte eng begrenzte Gebiete hervorgerufen werden. Danach
würde sich die S. in den Fällen, wo nicht grober Betrug vorliegt, jenen zahlreichen Erscheinungen anreihen lassen, welche mit
hochgradiger Hysterie einhergehen, und bei denen Krankheit und Selbstbetrug so merkwürdig miteinander verbunden sind. Diesen
Standpunkt nehmen die Schriften von Warlomont (Brüssel
[* 87] 1875) und Bourneville (Par. 1875) über LouiseLateau und
Charbonnier (»Maladies des mystiques«, Brüssel 1875) ein; aus der unübersehbaren fernern Litteratur vgl. Schwann, MeinGutachten
über die Versuche etc. (Köln 1875).
(v. lat. stilus, »Griffel«, Schreibart), bezeichnet in der Litteratur die Art und Weise der
sprachlichen Darstellung, wie sie sowohl durch die geistige Fähigkeit und subjektive Eigentümlichkeit des Schriftstellers
als auch durch den Inhalt und den Zweck des Dargestellten bedingt wird. Da der S. also als die durch das Ganze der schriftlichen
Darstellung herrschende Art, einen Gegenstand aufzufassen und auszudrücken, nicht nur von dem Inhalt des
Gegenstandes, sondern auch von dem Charakter und der Bildung des Menschen abhängig ist, so hat eigentlich jeder Schriftsteller
seinen eignen S., was Buffon meint, wenn er sagt: »Der S. ist der Mensch selbst« (»le style c'est l'homme même«). Die erste
Forderung, die man an jede Art des Stils macht, ist Deutlichkeit und Klarheit. Die Deutlichkeit verlangt
aber Reinheit der Sprache oder Vermeidung aller
¶
mehr
Wörter, die das Bürgerrecht in der Sprache nicht erlangt haben, z. B. aller Provinzialismen, ausländischer, ohne Not neugeschaffener
oder veralteter Wörter;
Korrektheit, wonach man das den darzustellenden
Begriff bezeichnende und deckende Wort wählt;
Präzision oder Bestimmtheit, wonach alles Überflüssige entfernt und nicht mehr
oder weniger gegeben wird, als was zur genauen Darstellung des Gedankens erforderlich ist.
Inhalt und Zweck der stilistischen
Darstellung können verschieden sein, und man unterscheidet insbesondere drei Kräfte, die bei derselben in Wirksamkeit treten:
Verstand, Einbildung und Gefühl, weshalb man von einem S. des Verstandes, der Einbildung und des Gefühls
spricht. Bei dem erstern wird man sich vor allem der Deutlichkeit, bei dem zweiten der Anschaulichkeit und bei dem dritten
der Leidenschaftlichkeit zu befleißigen haben. Zu dem ersten gehört die prosaische Darstellung im allgemeinen, zu dem zweiten
die Epik und das Drama, zu dem dritten die Lyrik und die Rede.
Die alten Griechen und Römer
[* 91] unterschieden, ungefähr dem entsprechend, aber ohne Rücksicht auf Inhalt und Zweck der Darstellung,
in der Prosa einen niedern (genus submissum), einen mittlern (g. medium) und einen höhern S. (g. sublime), und es sollen nach
ihrer Regel z. B. in einer Rede alle drei Stilarten miteinander abwechseln (vgl. Rede). Im übrigen unterscheidet
man mehrere stilistische Gattungen mit gewissen feststehenden Formen, z. B. den philosophischen, den didaktischen, den historischen,
den Geschäfts- und Briefstil. Die Theorie des Stils oder Stilistik ist die geordnete Zusammenstellung aller Regeln des guten
Stils oder der üblichen Art, sich schriftlich auszudrücken.
In der bildenden Kunst versteht man unter S. einerseits die in einem Kunstwerk zur Darstellung gebrachte formale und geistige
Anschauung, wie sie bei einem Volk oder in einer gewissen Zeit für die verschiedenen Künste als maßgebend angesehen ward,
anderseits die individuelle, sich von der allgemeinen Richtung in Einzelheiten unterscheidende Darstellungsweise
eines Künstlers. Wenn sich dieser individuelle S. zu einseitig ausprägt oder seinen geistigen Inhalt verliert, nennt man
diese Darstellungsweise Manier (s. d.). Ebenso bezeichnet S. in der Musik sowohl die für eine Kompositionsgattung oder für
bestimmte Instrumente erforderliche Schreibweise (Opernstil, Klavierstil, Kirchenstil, Vokalstil etc.)
als auch die eigentümliche Schreibweise eines Meisters.
Auch spricht man von einem strengen oder gebundenen S. und versteht darunter die Schreibweise mit reellen Stimmen unter Beobachtung
der für den Vokalstil gültigen Gesetze, und von einem freien oder galanten S., welcher sich nicht an eine bestimmte Anzahl
Stimmen bindet, sondern dieselben nach Belieben vermehrt oder vermindert etc.
Endlich heißt auch S. die verschiedene Rechnungsart nach dem julianischen und gregorianischen Kalender. Man unterscheidet
alten S., nach dem julianischen (noch jetzt bei den Russen gebräuchlich), und neuen S., nach dem gregorianischen Kalender,
die beide um zwölf Tage voneinander abweichen; daher datiert man meist 12./24. Jan., d. h. 12. Jan. nach
dem alten und 24. Jan. nach dem neuen S.
Joch (MonteStelvio, Wormser Joch), der höchste fahrbare Alpenpaß, 2756 m ü. M., an der Nordwestseite
der Ortleralpen in Tirol,
[* 98] mit prachtvoller Kunststraße, welche das Etschthal (Vintschgau) mit dem Thal
[* 99] der Adda (Veltlin) verbindet.
Die Straße wurde 1820-25 vom Ingenieur Donegani angelegt, ist 53 km lang und führt von Spondinig im Vintschgau
über Gomagoi (Mündung des Suldenthals), Trafoi und Franzenshöhe in 48 Windungen, von denen die letzten teilweise durch
Galerien gedeckt sind, bis zur Paßhöhe und von dort in 38 Windungen in das Brauliothal und weiter nach Bormio
in der italienischen ProvinzSondrio. Die Straße übertrifft an Großartigkeit der Umgebung alle fahrbaren Alpenübergänge.
SeinenNamen erhielt das Joch nach dem oberhalb der Straße gelegenen Tiroler Dörfchen Stilfs.
röm. Feldherr und Staatsmann, Sohn eines im römischen Heer dienenden Vandalen, schwang sich durch Mut, Einsicht
und Treue unter KaiserTheodosius I. zu den höchsten Stellen empor und ward von diesem zum Gemahl seiner
Nichte und Pflegetochter Serena und zum Vormund seines SohnsHonorius, welcher 395 als elfjähriger Knabe die Herrschaft des weströmischen
Reichs antrat, erwählt. S. ließ seinen Nebenbuhler Rufinus ermorden, zwang 396 den Gotenkönig Alarich, das von ihm
verwüstete Griechenland
[* 100] zu räumen, unterdrückte 398 den Aufstand des Gildo in Afrika,
[* 101] brachte Alarich, als derselbe 403 in
Italien einfiel, zwei Niederlagen bei Pollentia und Verona
[* 102] bei, durch die derselbe genötigt wurde, Italien zu verlassen, und
als 405 oder 406 ein großes Heer deutscher Völker unter Radagaisus in Italien eindrang, wurde dieses bei
Fäsulä von ihm eingeschlossen und fast völlig vernichtet. Dagegen vermochte er nicht, Gallien gegen die Vandalen und Alanen,
welche dasselbe 406 überschwemmten, zu schützen und Britannien, wo sich Constantinus zum Gegenkaiser erhoben hatte, wieder
zu unterwerfen. Er wurde 408 durch Olympius gestürzt und in Ravenna ermordet.
stilmäßig formen, besonders in Bezug auf die Schreibweise (s. Stil);
in der Zeichenkunst
[* 103] und Malerei das
Zurückführen der Naturformen unter Fortlassung des Zufälligen und Willkürlichen auf Grundformen, in welchen eine gewisse
Gesetzmäßigkeit waltet. So ist z. B. der Akanthus (s. d.,
mit Abbildung) am korinthischen Kapitäl stilisiert.
Stolzenfels die sechs Rittertugenden in großen Wandbildern dar, siedelte 1850 nach Berlin über und starb daselbst Außer
einigen Fresken für das königliche Schloß in Berlin und das Schauspielhaus in Dessau
[* 108] malte er dort nur Staffeleibilder. Von
seinen übrigen Werken sind hervorzuheben: Kreuzfahrerwacht (1834), St. Georg mit dem Engel, Pilger in der
Wüste (Nationalgalerie in Berlin), die Jungfrau von Orléans, die letzten Christen in Syrien (1841, Museum in Königsberg), Raub
der SöhneEduards (Nationalgalerie in Berlin). - Seine Gattin Hermine S., geborne Peipers, geb. 1808, gest. 1869, hat
sich als talentvolle Zeichnerin und Aquarellmalerin bekannt gemacht.
derKinder, die Ernährung der Kinder in den ersten Lebensmonaten durch die Mutter- oder Ammenmilch. Für das
neugeborne Kind, den Säugling, ist die Milch seiner Mutter die natürlichste und gesündeste Nahrung. Anderseits ist das Stillen
ihrer Kinder für die Mutter eine natürliche Pflicht und für die Erhaltung ihrer eignen Gesundheit, zumal
während des Wochenbettes, erforderlich. Bleibt die Mutter gesund, und wird die Milchabsonderung nicht gestört, so genügt
die Mutterbrust dem Kind bis zu der Zeit, wo mit dem Durchbruch der Zähne
[* 109] sich der Trieb nach festen Nahrungsmitteln äußert.
Mit dem ersten Anlegen des Kindes darf man nicht warten, bis die Brüste reichlichere und wirkliche Milch
geben. Gerade durch das Saugen des Kindes wird die Milchabsonderung am besten befördert, und das Kolostrum, welches vom Kind
zuerst verschluckt wird, begünstigt den Abgang des Kindspechs aus dem Darm.
[* 110] Schon in den ersten 24 Stunden nach
der Geburt, am besten, sobald das Kind ordentlich aufgewacht ist, legt man dasselbe an die Brust und wiederholt dies etwa alle 3 Stunden,
im allgemeinen um so häufiger, je schwächlicher das Kind ist, und läßt es dann um so weniger auf einmal trinken.
Sonst aber läßt man es saugen, bis es satt ist, d. h. bis es zu trinken aufhört, oder
bis es einschläft. Man läßt das Kind nun so lange schlafen, bis es von selbst aufwacht, und gibt ihm dann wieder die Brust.
Nach einigen Monaten braucht dem Kinde die Brust nur in größern Zwischenräumen gereicht zu werden, und
es pflegt dann um so größere Portionen auf einmal zu trinken. Wegen der nachteiligen Wirkung auf die Milchabsonderung und
somit auch auf den Säugling darf dieser niemals gleich nach einem heftigen Gemütsaffekt, Zorn oder Ärger, der Mutter an die
Brust gelegt werden; man kennt viele Fälle, wo Kinder unter solchen Umständen plötzlich erkrankt und
selbst gestorben sind.
Nach jedesmaligem Trinken muß der Mund des Säuglings mit einem zarten, in Wasser getauchten Leinwandläppchen sorgfältig
gereinigt werden. Es ist dies das sicherste Mittel gegen Schwämmchenbildung auf der kindlichen Mundschleimhaut sowie gegen
das Wundwerden der Brustwarzen. Mit der Entwickelung der Zähne müssen dem Kind noch andre Nahrungsmittel
[* 111] als Milch gereicht werden, und jetzt, wenn das Kind die Mutterbrust beißen kann, soll es von derselben entwöhnt werden, gewöhnlich
etwa nach Vollendung des ersten Lebensjahrs, oft aber auch erst später. Je schwächlicher und kränklicher das Kind, je schlechter
es genährt ist, um so später ist dasselbe zu entwöhnen, desgleichen bei bestehendem Verdacht auf erbliche
Anlage zu gewissen Krankheiten.
Hier fahre man womöglich mit dem Stillen über das erste Zahnen hinaus fort. Überhaupt warte man
mit dem Entwöhnen eine
Zeit ab, wo das Kind ganz gesund ist, und nehme es womöglich erst im Frühjahr oder Sommer vor. Immer sollte
das Kind schon vorher mit Vorsicht und allmählich an dünnen Milchbrei, Suppen mit Zwieback, Arrowroot u. dgl. gewöhnt werden.
Dem entwöhnten Kind gibt man täglich vier- bis fünfmal einen dünnen Brei aus feinem Weizenmehl, fein gestoßenem Zwieback
und Milch mit wenig Zucker.
[* 112] Nebenher gibt man dem Kind gute, erwärmte, nicht abgekochte Kuhmilch, unter
Umständen mäßig verdünnt, zu trinken. Wird das Kind stärker, so reicht man ihm Kalbfleisch- und Hühnerfleischbrühe,
später auch andre Fleischbrühsuppen mit Grieß, Reis u. dgl., die aber durchgeseiht und einem
dünnen Brei ähnlich sein müssen, bis man endlich nach dem Zahndurchbruch zu festern Nahrungsmitteln
übergeht.
Die Benennung Südsee ist noch jetzt für das gesamte inselreiche Meer südlich von Japan
[* 118] und den Sandwichinseln, namentlich
bei den Seeleuten, allgemein in Gebrauch. Die von Malte-Brun herrührende Bezeichnung als Großer Ozean
hat sich nicht allgemein einzubürgern vermocht und verschwindet mehr und mehr. Die in allen Sprachen eingebürgerte Bezeichnung
Pacific oder S. O. rührt von Magelhaens her, welcher nach stürmischer Fahrt drei Monate lang bei beständigem stillen Wetter
[* 119] dieses Meer durchsegelte, bis er die Ladronen erreichte.
Die Erforschung des StillenOzeans auf wissenschaftlicher Grundlage datiert von Cook und seinen unmittelbaren
Nachfolgern. Krusenstern, Dumont d'Urville, King und Fitzroy und eine Reihe andrer hervorragender Seeoffiziere setzten diese Arbeiten
in unserm Jahrhundert fort. Die Hydrographie des StillenOzeans ist so weit gefördert, daß Entdeckungen neuer Inseln als ausgeschlossen
gelten dürfen, wenn auch die genauere Bestimmung und Kartierung der zahlreichen kleinen Inseln (nahe
700) noch zum größern Teil der Zukunft vorbehalten bleibt.
Die Tiefenverhältnisse des StillenOzeans sind durch eine Reihe von Forschungen in den beiden letzten Jahrzehnten in großen
Zügen bestimmt worden. Danach befindet sich im nördlichen StillenOzean ein großes Depressionsgebiet
von über 6000 m Tiefe (Tuscaroratiefe), dessen westlicher Teil die größte bisher gelotete Tiefe aufweist (8513 m; vgl.
die Tabelle im Art. »Meer«, S. 411). Der steile Abfall von der Küste von Japan zu diesen großen Tiefen ist bemerkenswert. Ein
kleines tiefes Gebiet liegt in großer Nähe des südamerikanischen Kontinents. Dagegen ist der südliche
StilleOzean, soweit bis jetzt erforscht, verhältnismäßig arm an großen Tiefen. Die Tiefenverhältnisse zwischen den einzelnen
Inselgruppen sind
¶
mehr
noch wenig bekannt und nach den vereinzelten Lotungen als sehr ungleichmäßig zu betrachten.
Die für den StillenOzean charakteristischen Erdbebenwellen, welche von Zeit zu Zeit beobachtet worden sind, lassen einen
Schluß zu auf die mittlere Tiefe des durchlaufenen Meeresgebiets. Die Erdbebenwellen von 1854, 1868 und 1877 sind zu
solchen Berechnungen benutzt und haben für die RichtungKalifornien-Japan rund 4050 m, für die RichtungPeru-Neuseeland 2750 m ergeben (Hochstetter 1869, Geinitz 1877 in »PetermannsGeographischen Mitteilungen«). Bisher sind solche
Beobachtungen nur immer an einer Seite des Ozeans mit selbstregistrierenden Apparaten angestellt, während die Zeitangaben für
die andre Seite schwankend waren.
Die Ergebnisse sind daher noch ungenau. Auf Grund der verschiedenen Lotungen und Berechnungen bis zum
Jahr 1878 ist die mittlere Tiefe des StillenOzeans von Supan gefunden worden zu 3370 m, von Krümmel (ohne Rücksicht auf die
Wellenrechnung) zu 3912 m. Das Stromsystem an der Oberfläche des StillenOzeans zeigt in seinen Hauptzügen
Analogien mit dem des Atlantischen Ozeans. Auch hier wird ein Äquatorialstrom von den Passaten zu beiden Seiten des Äquators
nach W. getrieben.
Die Nordgrenze dieser Westströmungen setzt Duperrey in 24° nördl. Br., die Südgrenze in 26° südl. Br. In der Nähe des
Äquators findet sich ein östlich gerichteter Äquatorialgegenstrom, in der Regel zwischen 2 und 6° nördl.
Br. angegeben. Diese Strömungen sind bei weitem nicht so stark und beständig wie die analogen des Atlantischen Ozeans. Da
außerdem ihre Grenzen
[* 121] nach N. und Süden mit den Jahreszeiten
[* 122] schwanken müssen, so bedarf es einer sehr großen Zahl von Beobachtungen,
um ein zuverlässiges Bild dieser Verhältnisse zu erlangen.
Daran mangelt es so sehr, daß die Fortführung dieser Strömungen über den ganzen Ozean auf einer Verbindung von Einzelbeobachtungen
und Wahrscheinlichkeiten beruht, welche noch weiterer Bestätigung bedürfen. Die weitaus größte Fläche des StillenOzeans
ist frei von regelmäßigen Strömungen, an den Küsten der Kontinente dagegen finden sich ausgeprägte
Stromverhältnisse, welche denen des Atlantischen Ozeans nahekommen. Namentlich der Kuro Siwo (Schwarzer oder Japanischer Strom,
s. Kuro Siwo), welcher warmes Wasser an der Ostküste von Japan nach N. führt, ist stets gern mit dem Golfstrom verglichen worden.
Seine Fortsetzung macht sich an der Westküste Nordamerikas in warmem, feuchtem Klima
[* 123] bemerklich. Der Labradorströmung
der Ostküste von Nordamerika entspricht das kalte Wasser im Ochotskischen Meer und bis zur Halbinsel von Korea. Im südlichen
StillenOzean finden sich ebenfalls analoge Strömungen wie im südlichen Atlantischen Ozean. Eine nach Süden setzende australische
Strömung macht sich an der Küste von Neusüdwales bemerklich. Im Süden von Australien herrscht ein östlicher
Strom vor, welcher den australischen Strom nach Neuseeland hin ablenkt.
Südlich von 30° südl. Br. herrschen Westwinde und mit ihnen laufende Ostströme vor, welche nach der Westküste Südamerikas
das Wasser hintreiben. Daraus resultieren an dieser Küste die an der patagonischen Küste nach Süden um
das KapHorn setzende Strömung und nach N. die kalte Peru- oder Humboldt-Strömung, welche sich bis über die Galapagosinseln
hinaus fortsetzt und auf das Klima der ganzen Küste einen so wohlthätigen Einfluß ausübt. Die an der Küste von Chile
[* 124] und
Peru
[* 125] bekannten dichten Nebel werden diesem kalten Wasser zugeschrieben. Doch wird selbst diese Strömung
streckenweise durch anhaltende Nordwinde in ihren obern Schichten zum Stillstand gebracht. Neuere Forschungen machen es wahrscheinlich,
daß das kalte Wasser an der peruanischen Küste nicht der Strömung direkt entstammt, sondern aus der Tiefe aufsteigt.
Die Temperaturverteilung an der Oberfläche dieses ausgedehnten Wasserbeckens ist nur lückenhaft erforscht.
Es knüpft sich jedoch an die Kenntnis derselben das für die Südsee so wichtige Problem von der Verbreitung der Riffe bauenden
Korallen;
[* 126] man hat daher aus direkten Beobachtungen, aus den Strömungen und aus der Lage der Koralleninseln wechselseitig Schlüsse
gezogen. Danach ist die Oberflächentemperatur zwischen 28° nördl. Br. und 28° südl. Br. im allgemeinen
nicht niedriger als 20° C., mit Ausnahme der Gewässer im Bereich der peruanischen Strömung und der Küste von Kalifornien,
während im O. das warme Wasser noch höhere Breiten (Japan) erreicht. Im Bereich des Äquatorialgegenstroms ist das Wasser,
ebenso wie im Atlantischen Ozean, am wärmsten.
Das Gebiet, in welchem das Wasser über 20° warm bleibt, bietet die Lebensbedingungen für die Riffe bauenden Korallen, welche
im StillenOzean eine so große Verbreitung aufweisen (vgl. Dana, Corals and coral-islands) und Inselgruppen von der Ausdehnung
der Karolinen u. der Tuamotus u. a. ganz ausschließlich aufgebaut
haben. Eine charakteristische Eigentümlichkeit des westlichen StillenOzeans sind die tiefen Meeresbecken,
welche von der freien Zirkulation des Tiefenwassers durch unterseeische Bodenerhebungen abgeschlossen werden (vgl.
Tiefentemperatur im Art. »Meer«, S. 413 f.). Eine solche Erhebung verbindet in ca. 2600 m Tiefe Japan mit den Bonininseln, Marianen
und Karolinen und umschließt ein 8400 m tiefes Becken. Das Korallenmeer mit Tiefen von 4900 m ist in 2500 m
durch eine Bodenerhebung abgesperrt, ebenso sind die Sulusee (4700 m), Mindorosee (4800 m), Celebessee (5150 m) in Tiefen
von 600-1200 m umrandet, wie sich aus ihren warmen Bodentemperaturen unzweifelhaft ergibt.
Die Windverhältnisse des StillenOzeans sind im allgemeinen denen des Atlantischen Ozeans ähnlich. Zwischen
25° nördl. Br. und 25° südl. Br. wehen vorherrschend Nordost- und Südostpassate, welche jedoch hier nur durch einen schmalen,
im mittlern Teil sogar überhaupt nicht durch einen Stillengürtel voneinander getrennt sind. An der Westküste von Nordamerika
sind nördliche, an der von Südamerika
[* 127] sehr beständige, aber schwache südliche Winde
[* 128] das ganze Jahr
hindurch vorherrschend. Die Westseite des StillenOzeans, namentlich die oben genannten, durch ihre Tiefentemperaturen merkwürdigen
Meeresteile liegen im Gebiet der Monsune, welche sie mit dem IndischenOzean (s. d.) gemeinsam haben. Die höhern Breiten beider
Hemisphären weisen, ähnlich wie im Atlantischen Ozean, vorherrschend Westwinde auf, welche namentlich
im Süden sehr kräftig und beständig angetroffen werden.
Der StilleOzean ist erst sehr spät dem Weltverkehr eröffnet worden. Seine nordwestliche Küste wurde allerdings schon in
früher Zeit befahren, ohne daß man aber eine Ahnung davon hatte, daß man sich hier in andern Gewässern
befinde als denen des Atlantischen Ozeans. Auch Kolumbus meinte, daß letzterer bis nach Japan und China reiche. Erst dem VascoNuñez deBalboa verdanken wir die Entdeckung der Existenz einer zwischen der Westküste Amerikas und Asien sich hinziehenden Meeresfläche.
Als der
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