die
Schwingen sind braunschwarz, fahlgrau gesäumt, die
Spitzen der Flügeldeckfedern weiß, die mittelsten Steuerfedern schwarz,
die äußern weiß; die
Augen sind blaßgelb, der
Schnabel ist bräunlichschwarz, die
Füße dunkelbraun. Die S. bewohnt
Nordamerika,
[* 2] vom 40° nördl.
Br. bis
Mexiko,
[* 3] besonders den
Süden, findet sich im Buschwerk, im lichten
Wald und in
Pflanzungen,
in
Ebenen und an der
Küste, sucht, besonders im
Winter, die
Nähe menschlicher
Wohnungen, ähnelt in ihren
Bewegungen den
Drosseln
und nährt sich von
Kerbtieren und
Beeren. Sie brütet zwei-, im
Süden auch dreimal in dichten Baumkronen oder
Büschen oft
sehr nahe den
Wohnungen und legt 3-6 hellgrüne, dunkelbraun gefleckte
Eier.
[* 4] Sie singt vortrefflich, berühmt
aber ist sie durch ihre bewundernswerte Fähigkeit, fremde
Gesänge und die verschiedensten
Töne und
Geräusche nachzuahmen.
Sie hält sich gut in der Gefangenschaft und hat sich mehrfach, auch in
Europa,
[* 5] fortgepflanzt.
(spr. -wudd),William,
Mathematiker und
Physiker, geb. zuLondon,
[* 6] studierte
in
Oxford
[* 7] und übernahm dann die Druckerei der
Königin, welche unter seiner Leitung namhaften Aufschwung gewann, ohne ihm
die Muße zu selbständiger wissenschaftlicher Thätigkeit zu rauben. Seine frühsten Werke: »Meditationes analyticae« (1847)
und »Elementary theorems relating to Determinants« (1851),
bilden die erste umfassendere
Darstellung der Determinantentheorie.
EineReise durch Ostrußland (1856) beschrieb er in »A tarantasse journey through
Eastern Russia« (1857) und eine andre durch
Kroatien und
Ungarn
[* 8] in Galtons »Vacation tourist in 1860«. Seit 1870 wandte er
der
Optik und Elektrizitätslehre seine
Aufmerksamkeit zu und schrieb noch
»Polarisation
[* 9] of light« (1874). 1879 ward ihm die
höchste wissenschaftliche
Würde in
England, die des
Präsidenten der
Royal Society,
übertragen, welche
er bis zu seinem
Tod bekleidete.
Bezeichnung eines 1856 in einem antiken Gebäude am
Palatin entdeckten, im
Museum Kircherianum zu
Rom
[* 10] befindlichen Stuckfragments mit der kunstlos eingeritzten
Darstellung eines Gekreuzigten mit einem Eselskopf, vermutlich aus
der Mitte des 2. Jahrh. Er ist bekleidet mit einem
Hemd und einer losen
Tunika; rechts daneben steht eine ebenso bekleidete
menschliche Gestalt, die
Hand
[* 11] als Zeichen der
Anbetung emporstreckend; darunter die griechischen
Worte: »Alexamenos betet Gott
an«. Das S. ist wichtig als
Zeugnis der Verspottung der ersten Anhänger des
Christentums durch die
Römer.
[* 12]
[* 1] (Sprechen), vom physiologischen Standpunkt eine
Kombination von
Tönen und
Geräuschen, welche durch entsprechende
Verwendung der Ausatmungsluft, in gewissen
Fällen auch beim Einatmen
(Schnalzlaute der
Hottentoten und andrer
Völker) hervorgebracht
werden. Die
Vokale oder
Selbstlauter sind
Klänge, die an den
Stimmbändern entstehen und sich mit den auf
einem musikalischen
Instrument hervorgebrachten
Tönen vergleichen lassen; ihre besondere
Klangfarbe erhalten sie wie die
Töne
auf einer
Geige, einem
Pianoforte etc. durch die neben dem
Grundton erklingenden
Ober- oder
Nebentöne, welche ihrerseits durch
die wechselnde Gestaltung des Ansatzrohrs und Resonanzraums, d. h. der Mundhöhle,
[* 15] des
Gaumens etc., bedingt
werden.
Als die drei Grundvokale kann man
a, i, u bezeichnen; doch gibt es zwischen denselben eine unendliche
Menge von
Nüancen, die
durch kleine Verschiedenheiten der Mundstellung bedingt werden. Bei der
Aussprache des u senkt sich der
Kehlkopf, und die
Lippen
treten nach vorn, indem sie nur eine kleine rundliche Öffnung zwischen sich lassen
[* 1]
(Fig.
1). Von dem dumpfen u gelangt man zu dem heller klingenden a durch die Übergangsstufe des o, bei dessen
Bildung sich die
Lippenöffnung mäßig erweitert.
Bei der Hervorbringung des a liegt der
Kehlkopf höher, die
Zunge liegt platt auf dem
Boden der Mundhöhle, so
daß das Ansatzrohr einem vorn offenen Trichter gleicht
[* 1]
(Fig. 2). Den Übergang vom a zu
i, dem hellsten
Vokal, bildet
das e,
bei dem der hintere Teil der
Zunge und zugleich der
Gaumen sich etwas emporheben.
Beim i wird der
Kehlkopf sowohl als der hintere
Teil der
Zunge stark emporgehoben, so daß die Mundhöhle eine
Flasche
[* 16] mit sehr engem
Hals darstellt
[* 1]
(Fig.
3). Die
Diphthonge entstehen durch raschen Übergang der
Organe aus einer Mundstellung in die entsprechende andre, die zur
Hervorbringung des zweiten Teils des
Diphthongen erforderlich ist. Die
Konsonanten oder
Mitlauter kann man auf verschiedene
Weise einteilen.
Ihrer physiologischen oder akustischen
Beschaffenheit nach sind sie entweder tonlos oder
tönend, d. h. sie werden entweder
so kann man nach Brücke
[* 19] von den eigentlichen Dentalen die alveolaren, lingualen
und dorsalen Dentalen unterscheiden, auch gibt es neben den rein labialen die labiodentalen Konsonanten und drei Arten
von Gaumenlauten. Im Deutschen können als Dentale das t, d, s, sch, auch n, r, l angesehen werden;
guttural sind k, g, ch, j. Bis zu einem gewissen Grad kommt die Verschiedenheit der Artikulationsstellen auch
für die Vokale in Betracht, indem z. B. bei u ungefähr die labiale, bei
i ungefähr die dentale Artikulation stattfindet.
Drittens lassen sich die Konsonanten nach ihrer Artikulationsart einteilen,
wobei am meisten der Mundraum, außerdem der Nasenraum und der Kehlkopf in Betracht kommen. Wird die Stimmritze so weit verengert,
daß die ausgeatmete Luft an den Rändern der Stimmritze ein reibendes Geräusch erzeugt, so entsteht der
Hauchlauth; auch alle geflüsterten Laute werden auf diese Weise gebildet. Der Nasenraum erscheint an der Bildung der Nasalen
oder Nasenlaute n, m und ng (z. B. in »Ding«) beteiligt, indem er durch Senkung des Gaumensegels geöffnet wird, so daß die
Luft aus der Nase
[* 20] strömen kann (ein Vorgang, durch den auch das sogen. Näseln bedingt wird).
Die Artikulationsart des Mundraums kann wechseln und so entstehen:
1) Liquidä oder Zitterlaute, die entweder durch Biegung der Zungenspitze gebildet werden (r-Laute) oder an den Seitenwänden
der Zunge (l-Laute);
2) frikative oder Reibelaute, durch Verengerung des Mundkanals gebildet, indem die Ausatmungsluft an den
Rändern der Enge ein reibendes Geräusch erzeugt, wie z. B. beim deutschen s, sch, f, ch, j, w; 3) Explosiv- oder Verschlußlaute,
bei deren Erzeugung der Mundkanal an irgend einer Stelle plötzlich geschlossen und wieder geöffnet wird, z. B. an den Lippen
bei b, p, hinter oder an den Zähnen bei d, t, am Gaumen bei g, k. AndreSprachen kennen auch noch andre Artikulationsarten,
wie überhaupt die Mannigfaltigkeit der menschlichen Sprachlaute eine fast unbegrenzte und durch die Schrift nicht entfernt
ausdrückbare ist.
Ein sehr wichtiger Faktor bei der Lautbildung ist auch die Betonung,
[* 21] auf der namentlich die Silben- und
Wortbildung und daher auch die landläufige Unterscheidung zwischen Vokalen und Konsonanten vornehmlich beruht. Ihrer akustischen
Beschaffenheit nach unterscheiden sich z. B. die Nasale n, m und die Zitterlaute r, l in keiner Weise von den Vokalen, da sie wie
die letztern mit dem auf regelmäßigen Schwingungen der Stimmbänder beruhenden Stimmton hervorgebracht
werden (daher auch Resonanten genannt); sie stimmen aber darin mit den übrigen Konsonanten überein, daß sie in der Regel
nicht als Träger
[* 22] des Silbenaccents fungieren. Doch gibt es auch hierin
Ausnahmen; man vergleiche z. B.
das silbenbildende l in dem deutschen Wort »Handel« (sprich: Handl) oder die r- und l-Vokale der slawischen
Sprachen und des Sanskrit. Eine künstliche Nachbildung der menschlichen Sprachlaute liefert der Phonograph
[* 23] Edisons, durch den
die schon im 18. Jahrh. von Kempelen konstruierte Sprechmaschine weit überboten wurde. Vgl. auch Lautlehre.
[* 1] und Sprachwissenschaft. Unter Sprache versteht man, ohne beide Bedeutungen streng zu sondern, einesteils
die Sprachthätigkeit oder das Sprachvermögen, d. h. nach W. v.
Humboldts treffender Definition der Sprache »die ewig sich wiederholende Arbeit des menschlichen Geistes, den artikulierten Laut
zum Ausdruck des Gedankens fähig zu machen«; andernteils wird damit etwas Konkretes, Individuelles bezeichnet, nämlich die
Summe der Wörter, welche bei einem bestimmten Volk als Mittel zur Verständigung in Anwendung sind oder
(bei toten Sprachen) gewesen sind.
Die einzelnen Sprachen sind das Produkt des Sprachvermögens oder mit andern Worten des Triebes nach Äußerung und Mitteilung,
und die Sprache im allgemeinen ist eine nicht minder wichtige Seite in der Eigenart des Menschen als Recht und Sitte,
Religion und Kunst und zwar eine solche, welche sich schon auf den frühsten Stufen der geistigen Entwickelung, beim Kind und
unzivilisierten Menschen, geltend macht. Gerade bei den rohesten Naturvölkern ist die Sprachthätigkeit besonders lebendig
und das Leben der Sprache, die man bei ihnen gewissermaßen in ihrem natürlichen Zustand studieren kann,
ein ungemein rasches. So herrscht im Innern von Brasilien
[* 24] eine so große Sprachverschiedenheit, daß bisweilen an einem Fluß
hin, dessen Länge 300-500 km nicht übersteigt, 7-8 völlig verschiedene Sprachen gesprochen werden.
Genaue Kenner des Landes erklären dies daraus, daß es ein Hauptzeitvertreib der Indianer ist, während sie an ihrem Feuer
sitzen, neue Wörter zu ersinnen, über die, wenn sie treffend sind, der ganze Haufe in Gelächter ausbricht und sie dann beibehält.
Bei südafrikanischen Negerstämmen, unter denen der englische MissionärMoffat lebte, wurden die Kinder manchmal von ihren
Eltern so sehr sich selbst überlassen, daß sie genötigt waren, sich eine besondere Sprache zu ersinnen,
wodurch im Lauf einer Generation die Sprache des ganzen Stammes eine andre Gestalt annahm.
Missionäre in Zentralamerika
[* 25] hatten von der Sprache des Volkes, dem sie das Christentum predigten, ein sorgfältiges Lexikon
angelegt; als sie nach zehn Jahren zu dem nämlichen Stamm zurückkehrten, fanden sie, daß dasselbe veraltet
und unbrauchbar geworden war. Die kleinen melanesischen Inseln des StillenOzeans haben jede eine besondere Sprache, wenn dieselben
auch zu dem gleichen Sprachstamm
[* 26] gehören. Selbst auf den friesischen Inseln derNordsee hat die Isoliertheit der insularen
Lage die Folge gehabt, daß auf allen diesen Inseln verschiedene Dialekte herrschen, worin sogar ein so gewöhnlicher
Begriff wie »Vater« durch besondere Wörter ausgedrückt wird. Dieselbe sprachliche Isoliertheit wie bei Inselvölkern findet
sich auch bei Bergvölkern. So fand der russische GeneralBaron v. Uslar bei der ethnographischen und linguistischen Durchforschung
des nördlichen Kaukasus dort mindestens zehn total verschiedene Sprachen, und die auf etwa 800,000 Köpfe
geschätzten Basken der Pyrenäen sprechen acht Dialekte, die so stark voneinander abweichen wie das Französische vom Englischen.
Bei Kulturvölkern erscheint die Veränderung der
¶
mehr
Sprache ungemein verlangsamt. Ganz neue Wörter werden meist nur von Kindern erfunden, deren Neuerungsversuche in der Regel
keine bleibende Wirkung hinterlassen. So berichtet CharlesDarwin von einem englischen Kinde, das im Alter von einem Jahr alles
Eßbare mit der Silbe »umm« bezeichnete; Taine beobachtete ein französisches Kind, das etwa im gleichen
Alter einen Hund »na-na«, ein Pferd
[* 28] »da-da« nannte; und der Schreiber dieser Zeilen kannte ein deutsches Kind, das umherflatternde
Tauben
[* 29] als »Wattel-Wattel« bezeichnete.
Aber wenige Jahre später waren diese Wörter vergessen. Dem gebildeten Deutschen, Engländer, Franzosen etc. sind daher noch
jetzt Bücher, die in den zwei oder drei letzten Jahrhunderten geschrieben wurden, fast ohne Mühe verständlich.
Das Englische
[* 30] hat sich über alle Weltteile verbreitet, ist aber dabei vollkommen stabil geblieben. Namentlich bildet die Schrift
und in der Neuzeit auch der Buchdruck, dann die ungeheure Vermehrung und Verbesserung der Verkehrsmittel die wirksamste Schranke
gegen die sprachliche Neuerungssucht.
Dennoch wäre es ein vollkommener Irrtum, irgend eine moderne Sprache für vollkommen abgeschlossen zu
halten. Vor allem ist auch in der Sprache unaufhörlich ein Gesetz der Trägheit wirksam, das sich besonders in der Vereinfachung
oder gänzlichen Beseitigung schwer sprechbarer oder unbetonter Laute und Lautverbindungen geltend macht. Durch diese stufenweise
fortschreitende Abschleifung und Verwitterung der Laute ist z. B. im Englischen überall das ch und das
vor einem n stehende k abgestoßen worden, so daß knight, das deutsche »Knecht«, wie neit gesprochen wird; im Deutschen ist
das tonlose e in Schlußsilben in völligem Rückzug begriffen, wodurch z. B. erst in neuester Zeit »des
Königes, dem Könige« in »Königs, König«, »befestiget« in »befestigt«
verwandelt wurde u. dgl. Anderseits führt der
Nachahmungs- und Analogietrieb zur Erfindung und Ausbildung neuer Wörter, Formen und Bedeutungen, die entweder aus fremden Sprachen
entlehnt werden, wie z. B. unsre aus dem Französischen herübergenommenen zahlreichen Verba auf -ieren, oder aus den Mundarten
in die Schriftsprache eindringen, oder an ältere einheimische Wörter und Formen angelehnt werden, wie
z. B. die deutsche Form der Vergangenheit auf -te, welche zusehends die alten ablautenden
Verba verdrängt, wofür unser »backte« für das noch im vorigen Jahrhundert übliche »buk« als Beispiel dienen kann. Überhaupt
hat die Sprachforschung dargethan, daß der Grad, bis zu dem sich Laute, Wörter, Wort- und Satzformen verändern
können, an und für sich ein völlig unbegrenzter ist und oft die scheinbar unähnlichsten Sprachen durch eine Reihe von
Mittelgliedern hindurch auf eine und dieselbe Grundsprache zurückgeführt werden können.
Denkt man sich die Entwickelung sämtlicher geschichtlich nachweisbarer Grundsprachen in einer vorgeschichtlichen
Periode bis an ihren Ausgangspunkt fortgesetzt, so liegt es nahe, die Frage aufzuwerfen, ob nicht dieser Ausgangspunkt der
gleiche, alle Grundsprachen in letzter Linie aus der nämlichen Ursprache entsprungen seien. Diese Frage, die man früher,
teilweise aus religiösen Vorurteilen, voreilig zu bejahen pflegte, muß auf dem heutigen Stande der Wissenschaft
entschieden verneint werden.
Standen auch eine Reihe wichtiger Sprachen einander früher viel näher als jetzt, so weichen doch die Grundsprachen, auf die
sie zurückgehen, sowohl hinsichtlich der Wurzeln als des grammatischen Baues so entschieden voneinander ab, daß alle Versuche,
sie (z. B. die indogermanische und
semitische Grundsprache) auf eine gemeinsame Ursprache
zurückzuführen, vollständig scheitern mußten. Man muß im Gegenteil annehmen, daß eine Reihe ursprünglicher Sprachtypen
jetzt entweder völlig oder nur mit Hinterlassung vereinzelter Überreste, wie das rätselhafte Baskisch der Pyrenäen und
die Sprachen des nördlichen Kaukasus, vom Erdboden verschwunden sind; denn je mehr die Kultur zunimmt, desto mehr nimmt die
Sprachverschiedenheit ab und ist daher in Europa trotz seiner dichten Bevölkerung
[* 31] weit geringer als in
allen übrigen Erdteilen. Auch die bestehenden Sprachen werden von der heutigen Sprachforschung auf eine beträchtliche Anzahl
selbständiger Ursprachen zurückgeführt.
Mit dieser Erkenntnis hat sich die Frage nach dem Ursprung der Sprache, die schon Platon und Aristoteles,
Epikur und die Stoiker beschäftigt und die griechischen und römischen Grammatiker in zwei Lager
[* 32] gespalten hat, später mit
unbegründetem Hinweis auf die Bibel,
[* 33] welche die Erfindung der Sprache dem ersten Menschen beilegt, im Sinn eines übernatürlichen
Ursprungs beantwortet wurde, in eine Frage nach der Entstehung der einzelnen thatsächlich nachgewiesenen Grundsprachen
verwandelt.
Wie man sich dieselbe zu denken habe, läßt sich freilich historisch nicht feststellen; auch gehen die Ansichten darüber
sehr auseinander, indem die einen, wie W. v. Humboldt, M. Müller, Steinthal etc., annehmen, daß sich unwillkürlich bestimmte
Laute an bestimmte Begriffe oder Anschauungen anschlossen (Nativismus), die andern dagegen, wieWhitney, L.Geiger, Bleek, Marty, Madvig u. a., von der jetzigen Unabhängigkeit des Lauts vom Gedanken und des Gedankens vom Laut ausgehend,
einen solchen Zusammenhang der Laute mit dem Gedanken abweisen (Empirismus).
Doch ist neuerdings eine Vermittelung zwischen den beiden sich entgegenstehenden Ansichten angebahnt und namentlich die früher
versuchte Zurückführung der Sprache auf ein eigentümliches, später verlornes Vermögen der ursprünglichen
Menschheit durchweg aufgegeben worden. Überhaupt ist es bei allen Mutmaßungen über den Sprachenursprung nötig, sich durchaus
auf den thatsächlichen Boden zu stellen, welchen das Leben der Sprache während der durch die Geschichte beleuchteten Strecke
ihrer Entwickelung und besonders bei unzivilisierten Völkern darbietet, und es sind dabei namentlich
folgende Sätze festzuhalten, die sich also ebenso auf das Wesen wie auf den Ursprung der Sprache beziehen:
1) Sprache und Vernunft sind nicht identisch, so vielfach sie sich gegenseitig beeinflussen, und zwar ist das Sprechen eine
weitaus beschränktere Fähigkeit als das Denken, da selbst die gebildetsten Sprachen, die das Sprachvermögen
erzeugt hat, bei weitem nicht alle Gedanken auszudrücken vermögen. Es gibt Gedanken und Empfindungen, welche ein Ton oder eine
Gebärde viel bezeichnender ausdrückt als ein Wort, und namentlich beim Kind und bei einem Menschen von lebhaftem Naturell ist
die Gebärdensprache höchst entwickelt.
Die Taubstummen, denen gewiß niemand die Vernunft absprechen wird, haben eine höchst künstliche und
ihnen gleichwohl völlig geläufige Zeichensprache. Viele Lehrsätze der Mathematik, welche sich in Worten nur mit Mühe oder
gar nicht ausdrücken lassen, können durch ein paar einfache Zeichen oder eine Zeichnung leicht demonstriert werden. Musik
und Malerei stehen der Poesie als selbständige Künste zur Seite. Auch sind die Gesetze der Denklehre oder
Logik von den Gesetzen der Sprachlehre oder Grammatik verschieden, wie z. B. der deutsche Satz: »die
¶
mehr
Kugel ist viereckig« grammatisch ganz richtig, aber logisch verkehrt ist. Hiernach hat es gewiß auch von allem
Anfang an ein Denken ohne Sprechen gegeben.
2) Kinder und Naturmenschen bezeichnen viele Individuen oder Gegenstände dadurch, daß sie mit ihrer Stimme den Schall
[* 35] nachahmen,
den sie als von denselben ausgehend wahrgenommen haben. Diese einfache und nächstliegende Art der Bezeichnung,
die onomatopoetische, war ohne Zweifel in jeder Ursprache sehr häufig, wenn die Wau-wau-Theorie (so genannt von dem NamenWau-wau
des Hundes in der Kindersprache) auch nicht den Anspruch erheben kann, alle Wörter zu erklären.
3) Ausrufe und Schreie (Interjektionen) spielen selbst bei gebildeten und erwachsenen Menschen noch eine
mehr oder weniger große Rolle, eine sicher viel größere in den Anfängen einer Sprache. Hierin liegt die Berechtigung der
sogen. Ah-ah- oder Interjektionstheorie vom Ursprung der Sprache.
4) Hiernach sind wohl auch die ersten Wörter nichts als Reflexlaute gewesen, welche im Affekt hervorgebracht wurden, gerade
wie die Zuckungen oder sonstigen unwillkürlichen Reflexbewegungen, die aus Gemütsbewegungen hervorgehen. Die Reflexlaute
gingen ursprünglich mit den andern unwillkürlichen Gebärden Hand in Hand. Da die Gemütsbewegungen am leichtesten durch verschiedenerlei
Geräusche verursacht wurden, so ahmte die menschliche Stimme mit Vorliebe diese Geräusche nach.
5) Erst in zweiter Linie wurden die Sprachlaute zugleich zu Mitteilungen verwendet, nachdem es wiederholt
gelungen war, durch ihre Hervorbringung die Aufmerksamkeit der andern zu erregen. Es ging damit ähnlich wie mit der Gebärdensprache,
die sich aus ursprünglichen Reflexbewegungen zu der ausgebildeten Zeichensprache entwickelt hat, die man z. B. bei den IndianernNordamerikas findet. Auch die Schrift hat sich aus roher Ideenmalerei und Bilderschrift successive zu einem
der vollkommensten Verständigungsmittel entwickelt.
6) Die ersten Sprachschöpfungen waren primitive Sätze, etwa wie die Ausrufe: »Diebe!« »Feuer!«, und aus diesen chaotischen
Äußerungen haben sich erst allmählich selbständige Wörter und Redeteile entwickelt.
Vgl. Herder, Über den Ursprung der Sprache (zuerst Berl. 1772);
W. v. Humboldt, Über die Verschiedenheit
des menschlichen Sprachbaues (neu hrsg. mit einer Einleitung von Pott, das. 1876, 2 Bde.);
Steinthal, Der Ursprung der Sprache
im Zusammenhang mit den letzten Fragen alles Wissens (4. Aufl., das. 1888);
Derselbe, Abriß der Sprachwissenschaft (2. Aufl.,
das. 1881, Bd. 1: »Einleitung in die Psychologie und Sprachwissenschaft«);
Paul, Prinzipien
der Sprachgeschichte (2. Aufl., Halle
[* 38] 1886).
Weitere Litteratur S. 182.
Sprachwissenschaft.
Die Sprachwissenschaft oder Linguistik (auch allgemeine Grammatik genannt) ist als Wissenschafterst einKind des 19. Jahrh. Denn die Grammatik der Griechen und Römer und die nicht minder bedeutenden grammatischen Forschungen der
Inder und Araber waren schon durch ihre Beschränkung auf eine oder höchstens zwei Sprachen völlig ungeeignet, zu einer
Einsicht in das Wesen und die Verwandtschaftsverhältnisse der Sprachen zu führen, und vom Mittelalter
ab bis in die Neuzeit herein bildete besonders das Vorurteil, als sei das Hebräische die Ursprache der Menschheit, ein Hemmnis
für den Fortschritt der Sprachforschung.
Erst die Entdeckung der alten heiligen Sprache Indiens, des Sanskrit, gegen Ende des 18. Jahrh. und die Aufdeckung
des Zusammenhangs, in dem es mit den meisten Kultursprachen Europas steht, gaben den Anstoß zu einer ausgedehntern Sprachvergleichung
und damit zur Begründung einer wirklichen Wissenschaft von der Sprache, deren Lebensprinzip, wie das jeder Wissenschaft, die
Vergleichung ist. Ihrer exakten, streng induktiven Methode wegen ist die Sprachwissenschaft mehrfach den Naturwissenschaften
zugezählt worden; doch gehört sie ihres Objekts wegen entschieden zu den sogen. Geisteswissenschaften,
da die Sprache kein Naturprodukt, sondern ein Erzeugnis des menschlichen Geistes ist.
Auch waren die Begründer der Sprachwissenschaft durchweg Philologen. Durch die Forschungen Fr. Schlegels, Bopps und ihrer Nachfolger
wurde der indogermanische Sprachstamm nachgewiesen und die zu ihm gehörigen Sprachfamilien festgestellt
wie auch die vergleichende Grammatik der indogermanischen Sprachen begründet. Zugleich regten W. v. Humboldts und Potts weitgreifende
Forschungen eingehende Untersuchungen sowohl auf andern, selbst den fernst liegenden Sprachgebieten als auf dem Gebiet der
Sprachphilosophie an, und die historische Sprachforschung, von J. Grimm und W. Diez begründet, schuf durch
exakte und gründliche Forschung in dem enger begrenzten Bereich einzelner Sprachfamilien die Methode der historischen Grammatik.
Seitdem hat der Betrieb der Sprachwissenschaft in ihren drei Hauptrichtungen, der historischen, vergleichenden und philosophischen,
in allen Ländern, namentlich aber in Deutschland,
[* 39] einen mächtigen Aufschwung genommen.
Die genaue Beobachtung des Lautwechsels, der sogen. Lautgesetze, bildet die Hauptgrundlage, auf der die
bedeutenden Resultate der Sprachwissenschaft beruhen. Vor allem besitzen wir jetzt eine wissenschaftliche Etymologie, während
früher nach dem Ausspruch des heil. Augustin die Ableitung der Wörter wie die Deutung der Träume ganz nach subjektiver Willkür
betrieben und das berüchtigte Prinzip »lucus a non lucendo« nicht selten alles
Ernstes angewendet wurde.
Nicht minder haben auch alle Teile der Grammatik, die Laut-, Flexions- und Wortbildungslehre wie die Syntax und die Lehre
[* 40] von der
Zusammensetzung, eine völlige Umgestaltung erfahren, der sich auch die Schulgrammatik nicht mehr entziehen kann, seitdem
Curtius in seiner »Griechischen Schulgrammatik« (zuerst 1852) gezeigt hat, wie wichtig auch für den Schulbetrieb
der Grammatik die Ergebnisse der vergleichenden Sprachforschung sich gestalten. Ferner ist über die Urgeschichte der Menschheit,
besonders der indogermanischen Völker, ein
¶
Chinesisch mit seinen Dialekten, Anamitisch mit der Sprache von Kambodscha, Siamesisch nebst dem Schan und der Sprache der Miaotse,
Birmanisch nebst Khassia und Talaing (Pegu) und Tibetisch nebst den zahlreichen, noch wenig erforschten Himalajasprachen. Die
Sprache besteht ganz aus einsilbigen Wurzeln, welche keiner Veränderung fähig sind; jede Wurzel
[* 42] kann je
nach ihrer Stellung im Satz alle verschiedenen Redeteile ausdrücken, die wir durch besondere Wortformen unterscheiden. Doch
gibt es neben den Stoffwurzeln, welche Begriffe und Thätigkeiten ausdrücken, auch eine Anzahl Deutewurzeln, die sich mit
unsern grammatischen Endungen vergleichen lassen. Unter sich sind diese Sprachen nur durch die Gleichheit
des Baues, nicht durch Gleichklang der Wurzeln verbunden.
Diese Sprachen zeichnen sich durch Wohlklang aus, indem sie sehr reich an Vokalen sind, dagegen nur wenig
Konsonanten unterscheiden; auch sind die Wörter meist vielsilbig. Gleichwohl ist die Grammatik auch hier sehr unentwickelt,
wie z. B. Nomen und Verbum gar nicht unterschieden und nur einige andre grammatische Beziehungen durch vorn angehängte Silben
bezeichnet werden. Am unentwickeltsten sind die SprachenPolynesiens, das wahrscheinlich den Ausgangspunkt
der großen nach Westen gerichteten Wanderung der Malaio-Polynesier gebildet hat.
III. Drawidasprachen in Südindien.
Telugu und Tamil an der Koromandel-, Kanaresisch, Malayalam, Tulu an der Malabarküste, die Hauptsprachen Südindiens, die sich
nach der neuesten Statistik der englischen Regierung auf ungefähr 49 Mill. Köpfe in der Weise verteilen,
daß das Tamil oder Tamulische nebst dem nördlich und nordwestlich davon bis nach der ProvinzOrissa sich verbreitenden Telugu
zusammen von nahezu 35 Mill., das Malayalam nebst dem nördlich daran anstoßenden Tulu und das Kanaresische zusammen von etwa 14 Mill.
gesprochen werden. Das Tamil wird außerdem von einem Bruchteil der Bevölkerung von Ceylon
[* 50] gesprochen.
Zu den Drawidasprachen werden auch die Idiome der Kota, Toda, Gond, Kond, Uraon und einiger andrer wilder Stämme in Südindien
sowie der Brahui in Belutschistan gerechnet. Die grammatischen Elemente folgen hier der Wurzel nach und wirken auf dieselbe
zurück, indem sie sich ihren Endvokal assimilieren; sonst bleibt die Wurzel
unverändert.
1) Die finnisch-ugrische in Osteuropa und Nordasien (nach Budenz), mit den 7 Hauptsprachen: Finnisch (Suomi) nebst Esthnisch
und Livisch, Lappisch, Mordwinisch, Tscheremissisch, Sirjänisch-Wotjakisch und Permisch, Ostjakisch-Wogulisch,
Magyarisch.
2) Die samojedische, im Norden und Nordosten der vorigen, nämlich: Yurak, Tawgy, Jenissei- und Ostjakisch-Samojedisch.
3) Die türkische, von der europäischen Türkei
[* 51] mit Unterbrechungen bis zur Lena, nämlich: Osmanisch, Nogaisch (in der Krim),
[* 52] Tschuwaschisch, Kirgisisch, Kumükisch, Uigurisch, Tschagataisch, Turkmenisch, Uzbekisch und Jakutisch. Alle diese Sprachen
sind trotz der großen räumlichen Entfernung sehr nahe untereinander verwandt.
Der grammatische Bau ist auch hier sehr einfach, indem jedes Wort aus einer unveränderlichen Wurzel und einem oder mehreren
Suffixen besteht. Letztere sind aber sehr zahlreich und drücken nicht bloß den Unterschied von Nomen und Verbum, sondern die
verschiedensten andern grammatischen Beziehungen aus; die in den Suffixen enthaltenen Vokale werden an den Wurzelvokal assimiliert
(Vokalharmonie). Die Flexion zeichnet sich durch große Regelmäßigkeit aus.
1) Die östliche Gruppe umfaßt die Kaffernsprachen (Kafir im engern Sinn, Zulu), die Sambesisprachen (Sprachen der Barotse, Bayeye,
Maschona) und Sansibarsprachen (Kisuaheli, Kinika, Kikamba, Kihiau, Kipokomo).
Auch dieser Sprachstamm zeichnet sich durch eine sehr reiche und regelmäßige Flexion aus, die aber fast nur durch vorn antretende
grammatische Elemente (Präfixe) bewirkt wird. Besonders besitzen sämtliche Bantusprachen eine beträchtliche Anzahl von
Artikeln, die zugleich, in der Bedeutung von Pronomina, an das Verbum und andre Satzteile vorn angesetzt
werden, um die grammatische Kongruenz der Satzglieder auszudrücken. Daher hat sie Bleek die »präfix-pronominalen« Sprachen
genannt.
Die beiden ersten Spezies der semitischen Gruppe sind völlig ausgestorben, wenn man von dem syrischen
Dialekt einiger Nestorianer und Jakobitengemeinden am Urmiasee und in Turabdin absieht, und auch von der dritten Spezies sind
das Äthiopische und Himjarische jetzt erloschen. Die hamitische und semitische Gruppe stimmen nur betreffs eines Teils ihrer
Wurzeln, namentlich bei den Pronomina und Zahlwörtern, und betreffs der Unterscheidung des grammatischen
Geschlechts überein. Sonst sind die hamitischen Sprachen grammatisch sehr wenig, die semitischen dagegen im höchsten Grad
entwickelt, indem sie, die verschiedenen grammatischen Beziehungen, sowohl am Nomen als am Verbum, teils durch vorn oder hinten
antretende Affixe, teils durch Variation des Wurzelvokals ausdrücken. Jede Wurzel enthält drei Konsonanten, welche stets unverändert
bleiben, so sehr die Vokale wechseln.
2) IranischeGruppe: Zend oder Altbaktrisch, Altpersisch der Keilinschriften, Pehlewi oder Mittelpersisch, Pazend und Parsi, wahrscheinlich
auch die Sprache der Skythen nordwärts vom SchwarzenMeer (Müllenhoff) sind die toten, Neupersisch, Kurdisch, Belutschi, Afghanisch
oder Puchtu und Ossetisch (im Kaukasus) die lebenden Sprachen dieser Gruppe, die mit der indischen sehr
nahe verwandt ist.
Der indogermanische Sprachstamm ist, wie der wichtigste u. verbreitetste,
so der vollkommenste aller Sprachtypen, dem nur der semitische einigermaßen nahekommt. Wie die übrigen grammatisch entwickelten
Sprachstämme, bildet er die Wörter aus Wurzeln und Affixen, welch letztere in der Regel der Wurzel nachfolgen. Die große Anzahl
der Affixe, welche überdies in beliebiger Menge aufeinander gehäuft werden können, ihre innige Vereinigung
mit der Wurzel zu einem vollkommen selbständigen, neuen Wort ermöglichen den charakteristischen Wort- und Bedeutungsreichtum
der indogermanischen Sprachen. Auch die feine und mannigfaltige Gliederung derSätze ist ihnen eigentümlich.
die andoperuanische Gruppe mit Kechua und Aymara als Hauptsprachen;
die andisische Gruppe östlich davon, mit den Sprachen der Yuracare u. a.;
das Araukanische, Patagonische, Guaicuru, Chiquito,
Abiponische und die Sprache der Pescheräh oder Feuerländer.
Alle diese Sprachen oder Sprachstämme Amerikas
nebst vielen andern hier ungenannten Sprachen (Amerika
[* 63] zählt deren über 400) haben zwar keine Wurzeln, aber den gleichen grammatischen
Bau miteinander gemeinsam. Der ganze Satz geht im Verbum auf, mit welchem Subjekt, Objekt und adverbiale Bestimmungen zu Einem
Wort verschmolzen werden, wodurch die ungeheuern Wortkonglomerate entstehen, welche die amerikanischen
Sprachen charakterisieren.
Über die außerhalb der angeführten acht Sprachstämme stehenden sogen. isolierten Sprachen vgl. den Text, S. 181 f.
¶
unerwartetes Licht
[* 67] verbreitet worden, indem die Ausscheidung der allen indogermanischen Sprachen gemeinsamen Wörter erkennen
ließ, welchen Kulturgrad diese Völker vor ihrem Aufbruch aus der gemeinsamen asiatischen Heimat schon erreicht hatten. Auch
hat sich im Anschluß an diese Forschungen eine vergleichende Mythologie und eine vergleichende Sitten- und Rechtsgeschichte
entwickelt. Selbst die schwierige Frage nach dem Ursprung der Sprache ist, wie schon erwähnt, in ein ganz
neues Licht getreten.
Das wichtigste Ergebnis bleibt aber immer die Klassifikation der Sprachen, weil dadurch zugleich die wichtigsten Fragen der
Anthropologie auf einem ganz neuen Weg ihrer Lösung entgegengeführt werden. Man unterscheidet zwischen einer morphologischen
und einer genealogischen Einteilung der Sprachen. Bei der erstern gibt der grammatische Bau derSprachen
den Einteilungsgrund ab, und man stellt meistenteils drei Hauptarten desselben auf. Die isolierenden Sprachen, wie z. B. das
Chinesische, bestehen aus lauter einsilbigen Wurzeln, welche stets unverändert bleiben, selbst wenn sie miteinander zusammengesetzt
werden.
Der Unterschied zwischen Subjekt und Objekt und überhaupt alle grammatischen Verhältnisse werden nur
durch die Stellung der Wörter im Satz ausgedrückt. Agglutinierende (»anleimende«) Sprachen sind solche, welche einen Teil ihrer
Wurzeln zum Zweck des Beziehungsausdrucks an andre regelmäßig anfügen und dabei die erstern verändern, während dagegen
die Hauptwurzel, welche den Begriff des Wortes enthält, unverändert bleibt. Eine Unterart dieser sehr
zahlreichen Klasse sind die polysynthetischen Sprachen, die, wie z. B. die amerikanischen, alle abhängigen oder minder wichtigen
Satzglieder in verkürzter Form an die Hauptwurzel anhängen.
Diese unbeholfene Ausdrucksweise ist vielleicht als ein Überbleibsel aus der primitiven Stufe des Sprachlebens anzusehen,
als man noch nicht dazu gelangt war, den Satz in seine einzelnen Bestandteile aufzulösen. Von den polysynthetischen
Sprachen trennen manche als eine besondere Klasse die einverleibenden ab, die, wie das Baskische, die Nebenbestimmungen zwischen
Wurzel und Endung einschieben. Flektierend sind diejenigen Sprachen, welche in Zusammensetzungen sowohl die erste als die zweite
nebst den folgenden Wurzeln beliebig verändern können, um verschiedene Nebenbeziehungen auszudrücken.
Zu dieser höchsten morphologischen Klasse rechnet man nur den indogermanischen und semitischen Sprachstamm.
Die morphologische Verschiedenheit läßt sich auch durch Zeichen ausdrücken, indem man die unveränderlichen Wurzeln durch
große, die veränderlichen durch kleine Buchstaben bezeichnet. Die Wörter der isolierenden Klasse können dann
nur die Form A oder A B, B A, A B C etc., die der agglutinierenden außerdem auch die Form A b, A c, b A etc., die der flektierenden
noch die Formena b, b a, a b c etc. annehmen. Übrigens kommen nicht nur in den flektierenden und
agglutinierenden Sprachstämmen Wortbildungen nach dem isolierenden, sondern auch in den isolierenden Sprachen solche nach
dem agglutinierenden und selbst dem flektierenden Prinzip vor, so daß sich diese Einteilung keineswegs streng durchführen
läßt.
Viel wichtiger als die morphologische Klassifikation ist daher die genealogische Einteilung der Sprachen, welche Gemeinsamkeit
der Abstammung zum Einteilungsgrund macht. Stimmen zwei oder mehrere Sprachen sowohl in betreff ihrer Wörter
und Wurzeln als ihres grammatischen Baues überein, oder haben sie wenigstens in einer diesen beiden Beziehungen
so viel miteinander
gemein, daß die Annahme einer bloß zufälligen Ähnlichkeit
[* 68] völlig ausgeschlossen ist, so muß man annehmen, daß sie auf
eine und dieselbe Grundsprache zurückgehen.
Hieraus folgt zugleich, daß die Völker, welche die betreffenden Sprachen sprechen, zu irgend einer Zeit einmal ein einziges
Volk gebildet haben müssen, und es ergeben sich so aus der genealogischen Klassifikation der Sprachen die wichtigsten Resultate
für die Einteilung der Völker und Rassen, Resultate, die viel sicherer sind als diejenigen der Schädelvergleichung,
da die Sprachen weniger leicht der Mischung unterliegen und stattgehabte Mischungen weit leichter erkennbar sind als bei den
Körpermerkmalen.
Die Gesamtzahl der lebenden Sprachen mag in runder Summe etwa 1000 betragen. Adelung in seinem »Mithridates«
zählte deren über 3000 auf; dagegen veranschlagen Balbi und Pott sie nur auf 860, MaxMüller auf 900, welche Ziffern jedoch
wahrscheinlich zu niedrig gegriffen sind. Die Sprachenstatistik wird dadurch sehr erschwert, daß es unmöglich ist, die
Grenze zwischen Sprache und Dialekt zu bestimmen. Bei einer Übersicht über die geographische Verbreitung
der Sprachen handelt es sich vorzugsweise darum, ihre Zusammengehörigkeit zu größern oder kleinern Gruppen, die von einer
gemeinsamen Ursprache herstammen, zur Anschauung zu bringen.
Auf beifolgender »Sprachenkarte« und der zugehörigen Übersicht sind nur
die wichtigern der bis jetzt von der Linguistik ermittelten Sprachstämme und deren Unterabteilungen vollständig (letztere
auch einschließlich der jetzt ausgestorbenen), von den einzelnen Sprachen sind nur die hervorragendsten
aufgeführt, namentlich von den in Amerika gesprochenen. Dort ist die Sprachverschiedenheit am größten; geringer ist sie
in den Weltteilen, die wenigstens teilweise von alters her von Kulturvölkern bewohnt und daher früher zur Ausbildung von
Schriftsprachen gelangt sind, in Asien
[* 69] und Afrika, am geringsten in Europa, wo es nur 53 Sprachen gibt; die
Sprachen der Eingebornen von Australien
[* 70] sind teilweise schon ausgestorben.
Nach den bisherigen Ergebnissen der genealogischen Einteilung der Sprachen unterscheiden wir nun acht Sprachstämme:
5) die Bantusprachen (südafrikanischer Sprachstamm);
6) den hamito-semitischen Sprachstamm;
7) den indogermanischen Sprachstamm;
8) den amerikanischen Sprachstamm. Außerdem gibt es noch eine beträchtliche Anzahl isolierter Sprachen, welche sich, wenigstens
auf Grund der bisherigen Forschungen, in keinen der größern Sprachstämme einreihen lassen. Dazu gehören: in Europa
das Baskische in den Pyrenäen und das jetzt ausgestorbene Etruskische (nach Corssen Indogermanisch) in Toscana;
die meisten
Negersprachen in Nord- und Zentralafrika, so das Wolof, Bidschogo, Banyum, Haussa, Nalu, Bulanda, Baghirmi, Bari, Dinka etc.,
von denen nur einzelne, wie die Nuba-, Fulbe-, Mande-, Nil-, Kru-, Ewe-, Bornusprachen, sich zu Gruppen vereinigen
lassen;
in Südafrika
[* 71] die verschiedenen Sprachen der Hottentoten und Buschmänner, welche sich durch das Vorhandensein zahlreicher
Schnalzlaute, im Buschmännischen acht, auszeichnen, übrigens dem Aussterben nahe sind;
die Sprachen des Kaukasus, unter denen
man einen südkaukasischen Sprachstamm
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mit Georgisch, Mingrelisch und Lasisch nebst Suanisch und einen nordkaukasischen Sprachstamm mit Tscherkessisch, Awarisch,
Udisch, Tschetschenzisch etc. unterscheiden kann;
(besser Sprachstörungen) werden bedingt durch Bildungsfehler oder Erkrankungen 1) der lautbildenden Organe
(Kehlkopf, Schlund, Mund), 2) des diesen Artikulationsorganen zugehörenden Nervenapparats. Über S. der ersten Gruppe s. die
betreffenden Artikel. Die S. der zweiten Gruppe, die eigentlichen S., äußern sich als solche der Artikulation,
d. h. der mechanischen Silben- und Wortbildung, und solche der Diktion, d. h. der Fähigkeit, einen Gedanken in richtiger Wahl
und Anordnung der Wörter zum Ausdruck zu bringen.
Bei den Fehlern der Artikulation handelt es sich um Beeinträchtigung derjenigen Muskelbewegungen, welche nötig sind, um
einen bestimmten Laut hervorzubringen; diese Muskeln
[* 76] werden in Thätigkeit versetzt von dem zwölften Gehirnnerv
(nervus hypoglossus), und da die Ursprungsstellen oder Kerne dieses Nervs im verlängerten Mark (bulbus), am Boden des vierten
Gehirnventrikels, gelegen sind, so sind es besonders häufig Blutungen oder andre Veränderungen dieses Gehirnteils, welche
zu schweren Bewegungsstörungen der Lippen-, Zungen- und Schlundmuskulatur (Bulbärparalyse, s. d.) führen.
Die S. der Diktion sind stets bedingt durch Erkrankungen des Großhirns (z. B. Gehirnerweichung), und zwar sind es besonders
zwei Stellen der Großhirnrinde, deren Zerstörung die als Aphasie benannten S. herbeiführt. Die eine dieser Stellen (von Broca
entdeckt) findet sich bei Rechtshändern im Fuß der dritten linken Stirnwindung, die andre (nach Wernicke)
in der
ersten Schläfenwindung. Ist die erstere erkrankt, so findet sich motorische oder ataktische Aphasie, d. h. der Kranke
ist nicht im stande, die Bewegungen seiner Sprachwerkzeuge so zu beeinflussen, daß ein ihm in seinem Bewußtsein vorschwebender
Laut ertönt. Bei Schädigung der zweiten Stelle tritt sensorische Aphasie (WorttaubheitKußmauls) ein, wobei
der Kranke trotz vorhandener Intelligenz und bei intaktem Gehör
[* 77] den Sinn gesprochener Worte nicht auffassen kann. Als amnestische
Aphasie bezeichnet man das Unvermögen des Kranken, für einen ihm bekannten Gegenstand die richtige Bezeichnung zu finden;
als Paraphasie das Verwechseln ganzer Wörter oder Silben, ein krankhaftes Sichversprechen. - Den Störungen
der Sprache entsprechen solche des Schreibens, der Aphasie die Agraphie; doch findet sich z. B. bei sensorischer Aphasie nicht
etwa auch sensorische Agraphie, d. h. das Unvermögen, Geschriebenes zu verstehen, woraus hervorgeht, daß die Zentren des
Hörens und Lesens an verschiedenen Stellen der Gehirnrinde ihren Sitz haben. Da die meisten S. durch solche
Gehirnveränderungen bedingt werden, welche einen dauernden Verlust von Rindensubstanz mit sich bringen, so sollte man annehmen,
daß diese S. unheilbar sein müßten; doch lehrt die Erfahrung, daß teilweise oder völlige Heilung eintreten kann, wobei
namentlich methodischer Unterricht von Erfolg ist.
Gewölbe,
[* 78] welche so gebaut sind, daß alles, was an einem bestimmten Punkt ihres Innern leise gesprochen
wird, nur an einem andern Punkte desselben gehört werden kann.
Sie müssen ellipsoidisch gebaut sein, weil Ellipsen die Eigenschaft
haben, alle Schallstrahlen, welche von dem einen ihrer beiden Brennpunkte ausgehen, nach dem andern zurückzuwerfen
und dort zu vereinigen.
die Ausscheidung fremdartiger, im weitern Sinn auch fehlerhafter Beimischungen (Solözismen) aus einer
Sprache und die Ersetzung derselben durch einheimische und regelrecht gebildete Wörter und Wortverbindungen.
Das hierauf gerichtete Streben ist an sich löblich; doch muß dabei mit Vorsicht, gründlicher Sprachkenntnis, gesundem Urteil
und geläutertem Geschmack zu Werke gegangen werden, da es leicht in Übertreibung (Purismus) ausartet.
Wörter wie Fenster, Wein, Pforte, opfern, schreiben etc. (v. lat.
fenestra, vinum, porta, offerre, scribere) lassen nur für den Sprachforscher den fremden Ursprung erkennen;
seit frühster Zeit eingebürgert, haben sich dieselben mit den auf deutschem Sprachboden erwachsenen Wörtern verschwistert
und gleiche Rechte erworben (vgl. Fremdwörter). Auch werden heutzutage, wenn neue technische und wissenschaftliche Begriffe
eine sprachliche Bezeichnung verlangen, die Ausdrücke dafür mit Recht vornehmlich dem griechischen und
lateinischen Sprachschatz entnommen. Mit einheimischen vertauscht, sind diese häufig unverständlich oder zu unbestimmt
oder müssen gar umschrieben werden; auch wird dadurch der Verkehr mit fremden Nationen erschwert. Mehr als lächerlich ist
es aber, wenn der Purismus sich an solchen Wörtern vergreift, die nur scheinbar fremden Ursprungs sind,
wie z. B. von Deutschtümlern für Nase der Ausdruck »Gesichtserker« vorgeschlagen wurde, während Nase keineswegs von dem
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