Endglied der Kiefertaster ist löffelförmig ausgehöhlt und enthält einen spiralig gebogenen
Faden
[* 2] nebst hervorstreckbaren
Anhängen. Bei der
Begattung füllt das Männchen dies
Glied
[* 3] mit
Samen
[* 4] und führt es in die weibliche Geschlechtsöffnung ein,
wo sich ein besonderes Behältnis zur
Aufbewahrung des
Samens (Samentasche) befindet. Zuweilen leben beide
Geschlechter friedlich
nebeneinander in benachbarten Gespinsten oder selbst eine Zeitlang in demselben Gespinst; in andern
Fällen
stellt das stärkere Weibchen dem schwächern Männchen wie jedem andern
Tier nach, und selbst bei der
Begattung ist dieses
gefährdet. Die
Entwickelung im
Eie ist insofern interessant, als der
Embryo eine Zeitlang einen deutlich aus 10 bis 12
Segmenten
bestehenden
Hinterleib besitzt, an dem sich auch die
Anlagen von
Gliedmaßen zeigen, die aber im weitern Verlauf samt der
Gliederung
wieder verschwinden. Die ausschlüpfenden
Jungen erleiden keine
Metamorphose, bleiben aber bis nach der ersten
Häutung im Gespinst
der
Eihüllen. -
AlleSpinnen
[* 5] nähren sich vom
Raub: die vagabundierenden überfallen die
Tiere im
Lauf oder
Sprung;
andre bauen Gespinste, welche bei den verschiedenen
Gattungen sehr wesentlich voneinander abweichen und zum
Fang von
Insekten
[* 6] dienen;
oft finden sich in der
Nähe derselben röhren- oder trichterartige
Verstecke zum Aufenthalt der
Spinnen.
Man kennt mehrere tausend
ArtenSpinnen; fossil finden sie sich namentlich in
Bernstein
[* 7] eingeschlossen vor. Man ordnet sie in
zwei größere
Gruppen:
1) Vierlunger (Tetrapneumones), mit 4 Lungensäcken und 4 Stigmen, 4, selten 6 Spinnwarzen. Hierher nur die
Familie der
Vogelspinnen
(Theraphosidae), s.
Vogelspinne.
2) Zweilunger (Dipneumones), mit 2 Lungensäcken und 2 oder 4 Stigmen (in diesem
Fall führt das hintere
Paar zu Tracheenstämmen),
stets 6 Spinnwarzen. Sie zerfallen in mehrere kleinere
Gruppen: a) Springspinnen (Saltigradae), b) Wolfsspinnen
(Citigradae), unter andern mit der
Gattung Lycosa
(Tarantel,
s. d.), c) Krabbenspinnen (Laterigradae), unter andern mit der
Gattung Thomisus (umherschweifende Krabbenspinne, T. viaticusC. L.Koch), d) Röhrenspinnen (Tubitelariae), zu denen Tegenaria
(Hausspinne, T. domesticaL.) und Argyroneta (gemeine Wasserspinne, A.aquaticaL.) gehören, e) Webspinnen
(Retitelariae) mit der
Gattung Theridium (bekränzte Webspinne, T. redimitumL.), f) Radspinnen (Orbitelariae) mit der
Gattung
Tetragnatha (gestreckte Strickerspinne, T. extensaWalck.) und
Epeira
(Kreuzspinne, s. d.).
vegetabilische oder animalische Gebilde, die sich zur Verarbeitung
auf Gespinste und
Gewebe
[* 14] eignen und daher fest, geschmeidig und
womöglich bleichbar sein müssen. Die Zahl der tierischen
S. ist verhältnismäßig gering. Von größerer Bedeutung sind nur
Wolle,
Seide
[* 15] und die
Haare
[* 16] einiger
Ziegen, des Alpako u.
der Vicunna, das
Kamelhaar und
Pferdehaar. Viel größer ist die Zahl der vegetabilischen S., welche auch in ihrer
Natur und
Beschaffenheit viel mehr voneinander abweichen.
Wir finden darunter Haargebilde,
Gefäßbündel
[* 17] und Gefäßbündelbestandteile. Die erstern sind fast ausschließlich Samenhaare,
wie die
Baumwolle,
[* 18] die
Wolle der
Wollbäume und die vegetabilische
Seide; viele S. setzen sich aus den
Gefäßbündeln
der
Blätter,
Stämme oder
Wurzeln monokotyler
Pflanzen zusammen, wie der neuseeländische
Flachs, die Agavefaser, die Aloefaser
und die Ananasfaser, der
Manilahanf und die Tillandsiafaser. Am häufigsten werden aber Gefäßbündelbestandteile dikotyler
Pflanzen als S. benutzt.
sie sind glanzlos bis seidenglänzend, zum Teil sehr hygroskopisch, so daß wenigstens bei den
animalischen
(Seide,
Wolle) im
Handel der Wassergehalt der
Ware in besondern Anstalten (Konditionierungsanstalten)
festgestellt zu werden pflegt.
Aber auch
Baumwolle, welche lufttrocken 6,5 Proz.
Feuchtigkeit enthält, kann über 20 Proz.,
Manilahanf sogar über 40 Proz.
Wasser aufnehmen. Die Hygroskopizität der S. wechselt bei den Kulturvarietäten einer und
derselben
Pflanze und steigt bisweilen bei derselben
Faser, wenn diese beim
Lagern an der
Luft dunkler wird.
Über die
Festigkeit
[* 21] der S. liegen vergleichbare Angaben bis jetzt nicht vor; weitaus am festesten ist
Seide, die übrigen
zeigen die mannigfachsten Abstufungen der Zerreißbarkeit.
Die chemische
Zusammensetzung der vegetabilischen S. ist eine sehr gleichartige; die Hauptsubstanz bildet überall
Cellulose,
und die
Fasern, welche nur aus letzterer bestehen, sind biegsam, geschmeidig und fest, während diejenigen,
bei denen außer
Cellulose noch Holzsubstanz oder ähnliche
Stoffe auftreten, spröde und brüchig erscheinen und erst nach
Entfernung derselben weicher und biegsamer werden. Eine solche Vervollkommnung der
Fasern wird z. B. durch den
Prozeß des
Bleichens
erreicht; doch ist die weiße
Farbe einer
Faser keineswegs ein
Beweis, daß sie
frei vonHolzfaser sei.
Selbst sehr geringe
Mengen von letzterer kann man durch Betupfen mit einer
Lösung von schwefelsaurem
Anilin nachweisen, welche
die Holzsubstanz bräunt.
Alle S., die der Hauptmasse nach aus
Cellulose bestehen, werden durch
Jod und
Schwefelsäure
[* 22] blau gefärbt
und durch
Kupferoxydammoniak aufgelöst; die übrigen, denen größere
Mengen von Holzsubstanz oder andern organischen
Stoffen
anhaften, werden durch ersteres
Reagens gelb oder braun oder grün bis blaugrün gefärbt und durch
Kupferoxydammoniak entweder
nicht verändert, oder nur unter mehr oder minder deutlicher Quellung gebläut.
Alle S. enthalten mineralische
Stoffe und lassen
daher beim Verbrennen
Asche zurück. Die tierischen S. weichen in ihrer
Zusammensetzung vollständig von den vegetabilischen
ab: sie enthalten sämtlich
Stickstoff und unterscheiden sich sehr bestimmt von den vegetabilischen durch ihr Verhalten beim
Verbrennen, indem sie
vor derFlamme
[* 23] gleichsam schmelzen und unter Verbreitung eines übeln
Geruchs eine schwammigeKohle
hinterlassen, während die
¶
mehr
Pflanzenfasern bis auf die Asche vollständig und ohne Geruch verbrennen. Eine Unterscheidung der einzelnen tierischen und
vegetabilischen S. ist nur durch methodische Prüfung mittels des Mikroskops und chemischer Reagenzien möglich; letztere aber
leisten im allgemeinen für die rohen Fasern nicht viel und für die gebleichten, welche sämtlich aus reiner Cellulose
bestehen, naturgemäß sehr wenig oder nichts.
Die übrigen Spinnfaserpflanzen, zum Teil seit alter Zeit in Gebrauch, haben in der neuern Industrie doch erst angefangen,
einen Platz sich zu erobern, was der Jute, in gewissem Grad auch dem Chinagras, Ramé, der Piassava, der Agavefaser, dem Manilahanf,
der Kokosfaser und einigen andern bereits gelungen ist und voraussichtlich noch weiter gelingen wird.
Beherrscht Nordamerika
[* 27] durch seine Baumwolle das ganze Gebiet, so wird es doch an Mannigfaltigkeit der dargebotenen Fasern weit
übertroffen von Asien,
[* 28] speziell von Indien, woher wir wohl die wichtigsten Bereicherungen auch ferner noch zu erwarten haben.
Vgl. Royle, The fibrous plants of India (Lond. 1855);
Wiesner, Beiträge zur Kenntnis der indischen Faserpflanzen
(Sitzungsberichte der WienerAkademie, Bd. 62);
(auch Lichtstube), der ehemals auf dem flachen Land und namentlich in den Gebirgsgegenden
weitverbreitete Gebrauch, die langen Winterabende gemeinsam in geselliger Handarbeit hinzubringen. Die S. wird abwechselnd
auf dem einen oder andern Hof
[* 31] abgehalten, die Frauen und Mädchen spinnen, die Burschen machen Musik, oder es werden Volkslieder
gesungen, Hexen- und Gespenstergeschichten erzählt
und allerlei Kurzweil dabei getrieben. Wegen der dabei
vorkommenden Ausschreitungen in sittlicher Beziehung mußten in verschiedenen Ländern »Spinnstubenordnungen«, d. h.
polizeiliche Regelungen bezüglich der Zeit und Dauer des Beisammenseins, erlassen werden, ja im Bereich des ehemaligen Kurhessen
wurden sie bereits 1726 gänzlich verboten. In Nachahmung dieser alten Dorfsitte wurden im PalastEmanuels d. Gr. zu Evora,
wo die glänzendste Periode des portugiesischen Hoflebens sich abspielte, die von mehreren Dichtern geschilderten »portugiesischen
Spinnstuben« (Seroëns de Portugal) abgehalten.
Vgl. Siret, S., épisode du temps d'Albert et d'Isabelle
(Antwerp. 1851).
2) ChristophRojas de, Vertreter des Gedankens der Union zwischen Katholiken und Protestanten, aus Spanien gebürtig, trat in den
Franziskanerorden, ward 1685 Beichtvater der österreichischen Kaiserin und 1686 Bischof von Wiener-Neustadt. Seine Unionspläne,
zu deren Durchführung er die meisten deutschen Residenzen (1676 und 1682) aufsuchte, fanden Anklang am hannöverschen Hof;
der PhilosophLeibniz und der AbtMolanus ließen sich in nähere Verhandlungen mit ihm ein (1683). Seine Schrift »Regulae circa
christianorum omnium ecclesiasticam reunionem« bot als Zugeständnisse von katholischer Seite an: deutschen Gottesdienst,
Laienkelch, Priesterehe, Aufhebung der Tridentiner Beschlüsse bis zum Zusammentritt eines neuen Konzils etc., forderte dagegen
von den Protestanten Unterordnung unter die katholische Kirchenverfassung nebst Anerkennung des päpstlichen Primats. Gegen diese
Basis der Verhandlungen erklärte sich Bossuet, während Innocenz XI. dieselbe anzunehmen nicht abgeneigt war. Der Tod Spinolas
(1695) raubte diesem unionistischen Unternehmen seinen ebenso tiefreligiösen wie geschäftsgewandten
Leiter.
¶
(eigentlich d'Espinosa),Baruch (Benedikt), berühmter Philosoph, geb. zu Amsterdam
[* 41] als Sohn jüdischer
Eltern portugiesischen Ursprungs, ward zum Rabbiner gebildet, aber seiner freien Religionsanschauungen wegen aus der Gemeinde
ausgestoßen, verließ seine Vaterstadt und ließ sich nach wechselndem Aufenthalt im Haag
[* 42] nieder, wo
er, um seine Unabhängigkeit zu bewahren, sich seinen Unterhalt durch Unterrichterteilung und durch Schleifen optischer Gläser
erwarb.
Die erste Jugendarbeit Spinozas war eine verhältnismäßig unselbständige Darstellung der Cartesianischen Prinzipien nach
seiner Lieblingsmethode, der geometrischen des Eukleides. Hierauf folgte der »Theologisch-politische Traktat«
(»Tractatus theologico-politicus«) und zwar anonym (1670). Das epochemachende
Hauptwerk, die »Ethik« (»Ethica«),
obgleich seinen Hauptzügen nach als ursprünglich in holländischer Sprache
[* 44] abgefaßter,
erst neuerlich (durch van Vloten) wieder aufgefundener Traktat »Von Gott und dem Menschen« in früher Zeit vollendet, wurde
erst nach seinem Tod von seinem Freunde, dem ArztLudwigMayer, herausgegeben. Zwei unvollendete, ebenfalls
nachgelassene Schriften, der »PolitischeTraktat« u. die »Abhandlungen über die
Verbesserung des Verstandes« (»De intellectus emendatione«),
kamen hinzu. Spinozas epochemachende »Ethik« ist der Form nach,
im Gegensatz zu der analytischen (regressiven, von den Folgen auf die Gründe zurückgehenden) Denkweise
des Descartes, in synthetischer (progressiver, von dem ersten Grund zu den äußersten Folgerungen fortschreitender) Darstellung
und nach der Methode des Eukleides in Grundbegriffen, Axiomen, Theoremen, Demonstrationen und Korollarien abgefaßt, wodurch sie
(gleich ihrem Vorbild) den Anschein unumstößlicher Gewißheit empfängt.
Dem Inhalt nach stellt dieselbe gleichfalls einen Gegensatz zum Cartesianismus dar, indem an die Stelle
der dualistischen eine monistische Metaphysik tritt. Spinozas Philosophie knüpft daher zwar an die des Descartes (s. d.) an,
aber nur, um dessen System der Form und dem Inhalt nach aufzuheben. Dieselbe ist mit ihrer Vorgängerin zwar darüber einverstanden,
daß Geist, dessen Wesen im Denken, und Materie, deren Wesen in der Ausdehnung
[* 45] besteht, einen (qualitativen)
Gegensatz bilden, jener ohne das Merkmal der Ausdehnung, diese ohne das des Denkens gedacht werden kann.
Aber S. leugnet, daß derselbe ein Gegensatz zwischen Substanzen (Dualismus) sei, sondern setzt ihn zu einem solchen zwischen
bloßen »Attributen« einer und derselben Substanz (Monismus) herunter. Da nämlich aus dem Begriff der Substanz,
d. h. eines Wesens, das seine eigne Ursache (causa sui) ist, folgt, daß es nur eine einzige geben kann, so können Geist und
Materie (die zwei angeblichen Substanzen des Cartesianismus, zwischen welchen ihres Gegensatzes halber keine Wechselwirkung möglich
sein soll) nicht selbst Substanzen, sondern sie müssen Attribute einer solchen (der wahren und einzigen
Substanz) sein, welche an sich weder das eine noch das andre ist.
Diese (einzige) Substanz, welche
als solche mit Notwendigkeit existiert, und zu deren Natur die Unendlichkeit gehört, nennt
S. Gott (deus), dasjenige, was der Verstand (intellectus) von derselben als deren Wesen (essentia) ausmachend
erkennt, Attribut, die Substanz selbst bestehend aus unendlichen Attributen, deren jedes (nach seinem Wesen) deren ewige und
unendliche Wesenheit ausdrückt. Zwei derselben (die einzigen, deren S. Erwähnung thut) sind nun Denken und Ausdehnung (dieselben,
welche, nach Descartes, als Wesen des Geistes und der Materie diese zu zweierlei entgegengesetzten Substanzen
machen sollten); unter dem erstern aufgefaßt, erscheint die Substanz dem Intellekt als das unendliche Denkende (als unendliche
Geisteswelt), unter dem zweiten aufgefaßt, als das unendlich Ausgedehnte (als unendliche Stoffwelt); beide sind, da außer
Gott keine andre Substanz existiert, der Substanz nach identisch (keine qualitativ entgegengesetzten Substanzen mehr,
daher der Cartesianische Einwand gegen die Möglichkeit der Wechselwirkung zwischen Geist und Materie, Seele und Leib, beseitigt
erscheint).
Das unendliche (als solches unbestimmte) Denken zerfällt durch (inhaltliche) Bestimmung in unzählig viele Gedanken (Ideen);
die unendliche (als solche unbegrenzte) Ausdehnung zerfällt durch (räumliche) Begrenzung in unzählig viele Stoffmassen
(Körper), die sich untereinander ebenso gegenseitig ausschließen, als sich (in stetiger Reihenfolge)
gegenseitig berühren. S. bezeichnet dieselben als Modi, d. h. als Affektionen der Substanz, die Ideen als solche, insofern
die Substanz unter dem Attribut der denkenden, die Körper als solche, insofern sie unter dem Attribut der ausgedehnten Wesenheit
vorgestellt wird. Da beide Attribute der Substanz nach identisch sind, das unendliche Denken aber der Summe
aller einzelnen Denkbestimmungen (Ideen), die unendliche Materie der Summe aller einzelnen begrenzten Stoffteile (Körper) gleich
ist, so müssen auch diese beiden in ihrer stetigen Reihenfolge untereinander (der Substanz nach) identisch und kann zwischen
der (idealen) Gesetzmäßigkeit des Ideenreichs und der (mechanischen) Gesetzmäßigkeit der Körperwelt
kein Gegensatz vorhanden sein. S. stellt daher nicht nur den Satz auf, daß aus dem unendlichen WesenGottes (als natura naturans)
Unendliches auf unendlich verschiedene Weise folge (als natura naturata), sondern auch den weitern, daß die Folge und Verknüpfung
der Ideen (die ideale) und jene der Sachen (die reale Weltordnung) eine und dieselbe (ordo et connexio idearum
idem est ac ordo et connexio rerum) seien.
Folge des erstern ist, daß die Gesamtsumme der WirkungenGottes (die Welt der Erscheinungen) ihrer Beschaffenheit sowohl als ihrer
Verknüpfung nach als eine unabänderliche, von Ewigkeit her feststehende, weil in der ewigen und unwandelbaren
NaturGottes (der all-einen Substanz) als Ursache begründete, angesehen werden muß. Folge des zweiten ist, daß die im Reich
des Geistes waltende sittliche) von der das Reich der Materie regelnden (mechanischen) Gesetzlichkeit nicht verschieden, das
die Erscheinungen der Natur ausnahmslos beherrschende Kausalgesetz daher auch das die Erscheinungen des
Geistes bestimmende sei. So wenig in der Körperwelt eine Wirkung ohne (zwingende) Ursache, so wenig ist in der Geisteswelt
ein Willensentschluß ohne (nötigendes) Motiv (und daher keine indeterministische Willensfreiheit) möglich. Die (geistigen
wie körperlichen) Erscheinungen selbst als Entfaltung der (all-einen) Substanz sind weder das Werk einer Vorsehung (da
die Substanz als solche
¶
mehr
weder Intelligenz noch Willen besitzt, von einem »Weltplan« oder gar einer »Wahl« zwischen mehreren Weltplänen nicht die Rede
sein kann) noch eines blinden Verhängnisses (da die SubstanzUrsache ihrer selbst und von nichts außer ihr abhängig ist).
Die Beschaffenheit und Reihenfolge derselben sind nicht durch Zweck-, sondern lediglich durch wirkende
Ursachen bestimmt; dieselben sind weder nützlich (gut) noch schädlich (schlecht), sondern einfach notwendig.
Als solche ist die Welt weder die beste noch die schlechteste unter (mehreren) möglichen, sondern die einzig mögliche. Die
Erkenntnis dieser unabänderlichen Weltordnung ist es, welche den Weisen vom Thoren scheidet. Während der letztere vom Weltlauf
die Erfüllung seiner Wünsche hofft oder deren Gegenteil fürchtet, erkennt der erstere, daß jener unabhängig
von diesen unabänderlich feststeht und daher weder Hoffnung noch Furcht einzuflößen vermag. Die philosophische Erkenntnis
besteht darin, die Dinge zu schauen, wie Gott sie schaut (unter dem Gesichtspunkt der Ewigkeit, sub specie aeternitatis, gleichsam
»aus der Vogelperspektive«),
d. h. jedes Einzelne (Idee, Körper, Ereignis) im Zusammenhang als Glied des
(unendlichen) Ganzen. Die philosophische Gemütsstimmung besteht einerseits in der Resignation, d. h.
in der Ergebung, welche aus der Erkenntnis der Notwendigkeit, anderseits in der (intellektuellen) Liebe zu Gott, welche aus der
Erkenntnis der (ursprünglichen) Göttlichkeit des Weltlaufs entspringt. Da die eine wie die andre
Wissen, d. h. Erkenntnis des (metaphysischen) Wesens der Welt (als Entfaltung Gottes), voraussetzt, so bildet die (pantheistische,
richtiger akosmistische) Metaphysik die unentbehrliche Vorbedingung zu der (affekt- und leidenschaftslosen) Ethik Spinozas.
Sowohl um dieses ihres echt philosophischen Ergebnisses in praktischer wie um ihres auf den Zusammenhang des
Ganzen als Weltorganismus gerichteten Blicks (den übrigens Leibniz zum mindesten im gleichen Grad besaß) in theoretischer
Hinsicht halber hat die Philosophie Spinozas, die anfänglich nur in Holland einen kleinen Kreis
[* 47] von Anhängern fand (de Vries,
Mayer u. a.), ein Jahrhundert später bei Größen ersten Ranges, wie Lessing, Jacobi, Herder, Goethe u. a.,
Bewunderung, bei Fichte,
[* 48] Schelling, Hegel mehr oder weniger eingestandene Nachahmung gefunden. Am ist ihm im Haag ein
Denkmal (von Hexamer) errichtet worden.
Für die Erläuterung seiner (selbst von seinen Freunden oft mißverstandenen) Lehre
[* 49] ist sein ziemlich umfangreicher Briefwechsel
wichtig. Eine vollständige Ausgabe der Werke Spinozas wurde von Paulus veranstaltet (Jena
[* 50] 1802, 2 Bde.);
eine andre von Gfrörer im »Corpus philosophorum optimae notae«, Bd. 3 (Stuttg.
1830), enthält sämtliche Werke ohne die hebräische Grammatik. Korrekter als die erstgenannte, aber ohne die Biographie des
Colerus ist die Ausgabe von Bruder (Leipz. 1843-46, 3 Bde.);
die neueste ist die von J. van Vloten und Land (Haag 1882, 2 Bde.). Deutsche
[* 51] Übersetzungen lieferten B.
Auerbach
[* 52] (2. Aufl., Stuttg. 1871, 2 Bde.),
welcher die französische von Saisset (2. Aufl., Par. 1861, 3 Bde.)
vorzuziehen ist, und neuerlich Kirchmann und Schaarschmidt in der »Philosophischen Bibliothek«. Den »Tractatus de deo et homine«
(hrsg. von van Vloten, Amsterd. 1862, und mit Einleitung von Ginsberg, Leipz. 1877) hat Sigwart (Tübing.
1870) ins Deutsche übersetzt und erläutert.
Über die S. betreffende Litteratur vgl. van der Linde, S. (Göttingen
[* 53] 1862);
über dessen Philosophie: Sigwart, Der
Spinozismus,
historisch und philosophisch erläutert (Tübing. 1839);
(lat.), Gemmen
[* 55] oder Münzen
[* 56] mit unzüchtigen Darstellungen. ^[= im ästhetischen Sinn des Wortes die Vorführung eines innerlich Vorgestellten für die äußere ...]
Die Blüten liefern ein ätherisches Öl, welches salicylige Säure enthält. Dasselbe gilt von S. filipendulaL. (Erdeichel,
Haarstrang), deren Früchtchen nicht spiralig gedreht und behaart sind, und an deren langen, fadenförmigen Wurzeln erbsengroße
Knollen
[* 62] hängen. Diese Art wächst auf trocknen Wiesen und in Wäldern und war, wie die vorige, früher
offizinell. Gegen 40 andre Arten aus Südeuropa, Asien und Nordamerika sind beliebte Ziersträucher.
(lat., Spiral-, irrtümlich auch Schneckenlinie), ebene krumme Linie, die um einen festen Punkt O unendlich
viele Umläufe macht. Die einfachste ist die von Archimedes untersuchte, welche von einem Punkt P beschrieben wird, der sich
mit gleichförmiger Geschwindigkeit auf einer durch O gehenden Geraden bewegt, während letztere sich gleichförmig um O dreht.
Es ist also der AbstandO P = r proportional dem Drehungswinkel φ (r = aφ, wenn a konstant ist). Man
kann dieselbe zur Teilung derWinkel
[* 63] benutzen, welche auf die Teilung einer Geraden zurückgeführt wird. Andre Spiralen sind:
die Fermatsche (r² = a²φ), die hyperbolische oder reciproke (rφ = a), die logarithmische
¶
mehr
(r = acφ, c wie a konstant). Mit dem Namen S. bezeichnet man auch bisweilen räumliche Kurven; es bedeutet z. B. cylindrische
oder konische S. den Durchschnitt einer Schraubenfläche mit einer Cylinder- oder Kegelfläche (richtiger cylindrische oder
konische Schraubenlinie), sphärische S. die Linie, welche ein Punkt auf der Kugel beschreibt, wenn seine
Länge und Breite
[* 65] proportional sind.
[* 64] Wasserfördermaschine, welche 1746 von Wirz in Zürich
[* 67] erfunden wurde. Sie besteht (s.
Fig.) aus einem um eine horizontale Welle A spiralförmig gewundenen Rohr DEFGHJKL, welches an dem Wasser schöpfenden Ende
C trichterförmig erweitert ist (zu dem sogen. Horn) und mit dem andern Ende in das hohle Ende der Welle
mündet. Eine zwischen dem Wellenende und dem Steigrohr N eingeschaltete Stopfbüchse
[* 68] M ermöglicht einen dichten Verschluß
während der Drehung der Welle.
Ist nun der Apparat mit den zu unterst gelegenen Teilen der Schraubenwindungen in ein Wasserbassin getaucht,
so wird von dem Horn bei der Drehung der WelleWasser geschöpft, solange seine Mündung sich unter Wasser befindet, bei weiterer
Umdrehung tritt so lange Luft ein, bis das Horn wieder ins Wasser taucht. Während der dazu erforderlichen einmaligen Umdrehung
ist das zuerst geschöpfte Wasser, da es wegen seiner Schwere bestrebt ist, immer den zu unterst gelegenen
Teil der Schraube einzunehmen, um einen Schraubengang in dem Rohr vorgerückt, die ihm folgende Luft wird durch das bei einem
zweiten Eintauchen des Horns aufgenommene Wasser abgesperrt, und so geht es fort, bis das ganze Schlangenrohr in den untern
Teilen seiner Windungen mit Wasserquantitäten gefüllt ist, die zwischen sich in den obern Teilen der
Windungen Luftsäulen einschließen, die bis jetzt nur die Spannung der äußern Atmosphäre besitzen.
Sobald nun weiter gedreht wird, will Wasser in das Steigrohr treten und übt deshalb auf die Flüssigkeit im Rohr einen Druckwiderstand
aus, durch welchen die einzelnen Flüssigkeitssäulen in den Schraubengängen entsprechend in die Höhe
getrieben werden und nun mit demselben Druck auf die Flüssigkeit im Steigrohr zurückwirken können. Dabei wird zunächst von der
zuletzt aufgenommenen Wassersäule CD, ihrer barometrischen Niveaudifferenz entsprechend, auf die ihr vorangegangene Luftsäule
DE gedrückt, welche den erhaltenen Druck mit Hilfe der sich daran schließenden Wassersäule EF auf die
folgende Luftsäule FG überträgt; aber auch die zweite Wassersäule EF übt auf letztere in derselben Weise wie die erste
einen Druck aus, so daß sich der Druck auf die zweite Luftsäule aus dem Druck der beiden nachgeschöpften Wassersäulen zusammensetzt.
In gleicher Weise summieren sich die Wasserdrucke bis zur letzten Windung, und der hier herrschende Druck
entspricht derjenigen Druckhöhe, bis zu welcher die Maschine
[* 69] fördern kann. Diese S. ist nur in wenigen Exemplaren ausgeführt,
wohl aber hat man sie in geeigneter Umformung zur Erzeugung von Gebläsewind benutzt, indem man am Ende der Schraube eine
Vorrichtung anbrachte, welche zwar die Luft aufnimmt und in die Windleitung treibt, aber das Wasser unten entweichen läßt
(vgl. Gebläse).
[* 70]
Landsee im preuß. Regierungsbezirk Gumbinnen,
[* 71] im N. von Johannisburg, mit seinen Verzweigungen 118 qkm
(2,14 QM.) groß, liegt 117 m ü. M.,
fließt durch den Pissek (Pysz) zum Narew ab, ist tief und fischreich, enthält vier Inseln (auf einer derselben das eingegangene
FortLyck)
[* 72] und steht gegen N. mit dem Löwentin- und Mauersee durch die Masurischen Kanäle in schiffbarer
Verbindung.
Man rechnet zu den Spirillen diejenigen krummen Bacillen, bei welchen ein Auswachsen zu schraubenartig gewundenen
und sich in derselben Form vermehrenden Fäden beobachtet wird.
(neulat., auch Spiritualismus, aber dann zu unterscheiden von der gleichnamigen philosophischen Richtung),
der in der Neuzeit wieder stark entwickelte Glaube, daß nicht nur die Geister der abgeschiedenen Menschen
fortleben, sondern daß auch ein beständiger und leichter Verkehr mit ihnen möglich sei. Ein solcher Verkehr kann aber angeblich
nur von wenigen Auserwählten unmittelbar gepflogen werden, welche als Mittelspersonen (Medien) den Geistern eine Art dünnen
Körpers zu leihen vermögen, damit sich dieselben »materialisieren«
und unsern gröbern Sinnen bemerklich machen können.
Der menschliche Geist, ein persönliches, immaterielles Wesen, wäre nach dieser Theorie von einem besondern, die niedern tierischen
Funktionen leitenden, im Körper verteilten ätherischen Fluidum, dem Perisprit, gleichsam aufgelöst und durch dieses Vehikel
erst dem Körper zeitweise verbunden, könne aber auch schon im Leben denselben gelegentlich verlassen
(Verzückung, Doppeltgehen etc.) und Fernwirkungen ausüben, namentlich bei den Medien, deren Geist nur sehr lose »verzellt«
ist.
Von jener seelischen Hülle des Geistes sollen nun die Medien einen gewissen Überfluß besitzen, eine Aura desselben um sich
verbreiten und davon den überall im Raum verteilten Geistern so viel abgeben können, daß diese sich
für kurze Zeit den Sterblichen offenbaren können. IhreManifestationen und Materialisationen geschehen angeblich durch Erscheinen
im Dunkeln in ganzer Gestalt oder wenigstens als leuchtende Hände oder Gesichter und sollen, wenn selbst das Auge
[* 74] nicht im stande
sein sollte, das zarte Lichtgebilde zu erkennen, wenigstens auf der photographischen Platte ihre Spur zurücklassen.
Die Geisterphotographie bildet in Amerika
[* 75] ein schwunghaft betriebenes Geschäft, welches kaum dadurch gelitten hat, daß einer
oder der andre dieser Künstler vor Gericht den groben Betrug eingestand, wie der Photograph Buguet in Paris
[* 76] (1875). In neuerer
Zeit sind dazu noch die Abdrücke der Geisterhände in Mehlschüsseln oder in Gips
[* 77] gekommen. Eine andre
Art der Offenbarung¶
mehr
ist diejenige durch Musik, die wichtigste von allen aber die durch mechanische Wirkungen, weil man darauf eine Verkehrsmethode,
eine wirkliche Unterhaltung mit den Geistern basiert. Die Antworten werden entweder durch eigentümliche Klopftöne im Sitzungstisch
oder in andern Möbeln etc. gegeben, um dadurch die Folge der Buchstaben festzustellen, oder kürzer mit
dem Manulektor oder Psychographen (s. d.) direkt geschrieben. An dessen Stelle ist in neuester Zeit namentlich durch das Medium
Slade die unsichtbare Niederschrift der Antwort auf eine unter den Tisch oder hinter den Rücken gehaltene Schiefertafel getreten.
Jedes Medium hat in der Regel seine besondere Art, zu »arbeiten«, und man unterscheidet
danach Klopfmedien, Schreibmedien etc. Die Spiritisten geben allgemein zu, daß die Geisterantworten
oft ungemein albern, zuweilen auch neckisch sind; aber sie erklären sich dies dadurch, daß es auch unwissende, unorthographisch
schreibende und boshafte Geister gebe. Weitere mechanische Leistungen der Geister sind: die Entfesselungen gebundener Medien,
Knotenknüpfen in beiderseits festgehaltenen Schnüren, Ineinanderbringen hölzerner Ringe, die aus einem
Stück bestehen, das Erheben der Möbel
[* 79] und andrer schwerer Gegenstände (s. Tischrücken), Transportierungen derselben, Schweben
der Medien und ähnliche Manifestationen, in denen besonders das MediumHome sehr geschickt gewesen sein soll.
Zum Gelingen dieser Versuche gehören in der Regel besondere Vorbedingungen, so z. B., daß die Teilnehmer
einer Soiree durch Berühren der Hände eine Kette schließen, um angeblich eine Ansammlung und Zirkulation jenes Fluidums zu
erzeugen und damit das Medium zu unterstützen, welches durch Ausgabe seines Perisprits oft gänzlich erschöpft werden soll.
MancheVersuche gelingen auch bloß im Dunkeln, weil das Licht
[* 80] angeblich die Materialisationen hindert. Der
in vielen Fällen selbst den berühmtesten Medien (Home, Slade u. a.) nachgewiesene Betrug hindert die große Gemeinde der Spiritisten
nicht, der Sache ferner ihr Zutrauen zu schenken.
Was die Geschichte dieser merkwürdigen Bewegung betrifft, so fanden sich ähnliche Praktiken schon seit alten Zeiten in China,
[* 81] Indien, Griechenland
[* 82] und Rom,
[* 83] woselbst man zum Teil in sehr ähnlicher Weise Geisterschriften und Orakel zu
erlangen wußte; aber der neuere Anstoß ging von dem quäkerischen Sektenwesen mit seinem Geister- und Erleuchtungsglauben
aus, welches sich seit Jahrhunderten in Amerika ausgebreitet hat. Die GeschwisterFox zu Hydesville bei New York sind die Entdecker
der Geisterklopferei (1849). Fast gleichzeitig damit begann das Tischrücken (s. d.) für die spiritistischen
AnschauungenPropaganda zu machen.
Diese »Offenbarungen« gewannen in Amerika in der That sehr bald zahlreiche Anhänger, die eine förmliche Kirche bildeten und
ihre Überzeugungen durch eine große MengeZeitschriften und Broschüren stärkten. Man erzählt von vielen Millionen; doch
lassen sich solche Angaben begreiflicherweise nicht kontrollieren, wenn auch zugegeben werden muß, daß
die höhern Klassen infolge einer natürlichen Reaktion gegen die herrschenden materialistischen und sozialistischen Lehren
[* 84] der Gegenwart den S. überall mit offenen Armen aufnehmen und in ihm zum Teil das einzige Rettungsmittel der Gesellschaft sehen.
In Amerika wirkten als spiritistische Schriftsteller insbesondere AndreasJacksonDavis durch eine Unzahl
von Offenbarungen triefender Schriften (z. B. »Der Reformator«, »Der Zauberstab«, »Die
Prinzipien der Natur« etc.),
Schriftstellerisch haben außerdem M. Perty. Zöllner, K. du Prel, Baron Hellenbach u. a. in dieser Richtung gewirkt, und eine
neue Monatsschrift: »Die Sphinx«
[* 88] (hrsg. von Hübbe-Schleiden, Hamb. 1886 ff.), dient der weitern Ausbreitung.
Ob dieser von der streng kirchlichen wie von der liberalen und fortschrittlichen Presse
[* 89] gleich lebhaft angefeindeten Bewegung
irgend welche nicht durch die bekannten Kräfte erklärbare Thatsachen zu Grunde liegen, wie Hare, Wallace und Crookes behaupten,
oder ob eine noch ununtersuchte Nerventhätigkeit, resp. das sogen.
Od (s. d.), wie andre wollen, dieselben erklären kann, oder ob alles auf
bewußter und unbewußter Täuschung beruht, mag der Zukunft anheimgestellt bleiben.