Sivatherium Falc. et Cautl.,
mit enorm großem
Schädel, zwei
Stirnzapfen und zwei weitern Hervorragungen hinter letztern, in den SivalikschichtenIndiens;
Bramatherium Falc. und Hydaspitherium Lydekker, ebenfalls in
Indien.
denen sich später andre
Dichtungen unter dem
Titel: »Palmen
[* 12] und
Birken« (2. Aufl., Leipz. 1853) und »Aus
beiden
Welten« (das. 1863) anschlossen. Außerdem schrieb er: »Deutsche
[* 13] Dichter in Rußland« (Berl.
1855);
»Wenden. Seine Vergangenheit und Gegenwart«
(Riga 1858);
einer der volkstümlichsten
Götter der
Inder, dem im
Süden von
Indien
die großeMehrzahl, im N. wenigstens ein bedeutender Teil der
Bevölkerung
[* 15] anhängt. Er ist der
Patron
der
Büßer, der aber selbst nicht durch
Askese überwunden und zur Gewährung von Bitten gezwungen werden kann, und der mächtige,
hoch
oben auf dem
Himalaja thronende
Herr derBerge, der zerstörend, aber zugleich reinigend und befruchtend wirkt.
Als
Symbol seiner
Gewalt führt
er denDreizack und eine Jagdschlinge oder eine
Antilope, zuweilen auch eine Feuerflamme in der
Hand;
[* 16] eine besondere Eigentümlichkeit seines
Gesichts ist das dritte
Auge
[* 17] auf der
Stirn.
Zuweilen wird er auch mit fünf
Armen abgebildet. Seine
Gattin ist
Parwatî (s. d.), auch
Durgâ undKâlî
genannt (s. Tafel
»Bildhauerkunst
[* 18] I«,
[* 1]
Fig. 12 u. 13). Die Siwaiten oder
Siwaverehrer zerfallen in Saiwas (Siwaiten) und Wîrasaiwas (starke Siwaiten); gemeinsam ist beiden die Verehrung des S.
unter dem
Symbol des
Phallus oder
Lingam (s. d.). S. scheint aus dem wedischen
Rudra (s. d.) in
Verbindung mit
Agni (s. d.) sich
herausgebildet zu haben; nach andern ist es ein ursprünglich drawidischer Gott, der in der Zeit des
Kampfes zwischen
Brahmanismus und
Buddhismus mit seiner
Familie in das brahmanische Göttersystem aufgenommen und mit dem wedischen
Rudra identifiziert wurde.
(Sywás, sonst
Sebastia), Hauptstadt des gleichnamigen
türk.
Wilajets in
Kleinasien, am
Kisil Irmak,
ziemlich verfallen, eng und schmutzig, mit etwas
Industrie und
Handel und 16-20,000 Einw. (ein Fünftel Armenier).
(franz., spr. ssixt, deutsch Sechsern), ein
Kartenspiel, welches unter 6
Personen gespielt wird, von denen jeder 6
Blätter
erhält; 6
Spiele machen eine
Partie. DerGeber schlägt das letzte (ihm selbst gehörige)
Blatt
[* 22] als Trumpf
auf. Die
Folge der
Karten ist die natürliche:
As bis
Sechs. Es muß
Farbe bekannt und möglichst überstochen werden.
Wer 3
Stiche
hat, markiert 1
Point; haben aber 2
Spieler je 3
Stiche, so markiert nur der, welcher sie zuerst hatte.
Ebenso ist es, wenn 3
Spieler je 2 oder alle 6
Spieler je 1
Stich haben.
Wer ein
As als Trumpf aufschlägt, markiert 1
Point. Derjenige
gewinnt schließlich den Einsatz, welcher in 6
Spielen die meisten
Points hatte.
1) St.S. I.,
Römer
[* 28] und als röm.
Bischof seit 116 (119) Nachfolger
Alexanders I., soll 128 enthauptet worden sein und wird
deshalb als
Märtyrer verehrt.
Als solcher nannte er sich Montalto, beschäftigte sich vorzüglich mit gelehrten Arbeiten, wohlthätigen Werken und frommen
Stiftungen und schien, altersschwach und krank, nur an sein Ende zu denken. Ebendieser Umstand bestimmte nach Gregors XIII.
Tode die Kardinäle, ihn auf den päpstlichen Stuhl zu erheben, da sie hofften, ihn leicht lenken
zu können. Nun aber nahm S. plötzlich die Maske ab, warf noch in der Wahlkapelle den Stab,
[* 41] der ihm bisher zur Stütze gedient,
weg und zeigte sich fortan ebenso streng, wie er vorher mild gewesen war. Er unterdrückte das Banditenwesen im
Kirchenstaat, drang auf unparteiische Rechtspflege, beschränkte die Kosten seiner Hofhaltung auf das Notdürftigste, stellte
die nach ihm benannte große Wasserleitung (Acqua Felice) wieder her, erweiterte die vatikanische Bibliothek, erbaute für dieselbe
ein prachtvolles Gebäude und errichtete eine eigne Druckerei, aus welcher seine Ausgabe der Werke des heil. Ambrosius und
die von ihm veranlaßte Ausgabe der Septuaginta (1587) und der Vulgata (1590) hervorgingen.
(franz., spr. ssisett, Sechsspiel), Kartenspiel unter 6 Personen, von denen je 3 verbündet sind. Sie setzen
sich so, daß nie 2 von einer Partie nebeneinander sind. Wie bei Sixte (s. d.), wird mit 36 Blättern (As
bis Sechs) gespielt, und jeder erhält 6 Blätter. Das letzte wirft der Geber als Trumpf auf. As rangiert hinter dem Buben, übrigens
ist die Kartenfolge die natürliche. Jede Partei wählt sich einen »Leiter«, dessen Aufgabe es ist, sich durch geschickte Fragen
über die Karten seiner Partner zu unterrichten, ohne hierdurch der Gegenpartei zu viel zu verraten. Der
Leiter der Vorhandspartei berät sich mit seinen Partnern zuerst und dirigiert danach das Ausspielen; hierauf berät sich die
andre Partei. Die Partei, welche zuerst 3 Stiche macht, gewinnt das Spiel; alle 6 Stiche gewinnen doppelt.
die größte Insel des MittelländischenMeers, die an Naturfülle reichste, historisch
und archäologisch interessanteste, zwischen 12° 19'-15° 42' östl. L. v. Gr.
und 36° 38'-38° 18' nördl. Br. gelegen, hat die Gestalt eines Dreiecks und einen Flächenraum (mit den umliegenden kleinen
Inseln) von 29,241 qkm (nach Strelbitskys Berechnung nur 25,798 qkm oder 468,5 QM.).
Die Nordküste wird vom Tyrrhenischen, die Ostküste vom Ionischen und die Südküste vom AfrikanischenMeer bespült. Die Meerenge (Faro) von Messina,
[* 45] an ihrer schmälsten Stelle nur 3,2 km breit, trennt S. vom Festland, doch muß
bei der geringen Breite
[* 46] und Tiefe der Meerenge und der überraschenden Übereinstimmung im geologischen Bau beider Seiten derselben
S. wohl als eine latente Halbinsel des italienischen Festlandes, mit dem es auch historisch stets eng verbunden
gewesen ist, aufgefaßt werden.
S. ist durchaus Gebirgsland und stellt sich als eine an den Rändern, namentlich im N., etwas
gehobene Platte dar, die sich sanft zum AfrikanischenMeer abdacht und eine mittlere Höhe von 600-700 m hat. Wir finden daher
an der Nordseite nur kleine, an der Südwest- und Ostseite Flüsse
[* 47] mit längerm Lauf. Die höchsten, nicht
vulkanischen Erhebungen liegen im N., wo die Insel von der Meerenge her bis weit nach W. hin von einer Gebirgskette durchzogen
wird, die als eine Fortsetzung der nach Süden hin geologisch sich immer
¶
mannigfaltiger gestaltenden Hebungslinie zu betrachten ist, welche unter dem NamenApennin das ganze FestlandItaliens
[* 51] durchzieht
und in S. eine Brücke
[* 52] nach Afrika
[* 53] hinüber geschaffen hat. Scharf ausgeprägt ist der Charakter des Kettengebirges bis zu einer
deutlich erkennbaren, auch politisch wiederholt wichtig gewordenen Einsenkung bei Polizzi, von welcher der nördliche
und der südliche Himera der Alten (Fiume
[* 54] Grande und FiumeSalso) den entgegengesetzten Meeren zueilen.
Nur der unmittelbar dieser Einsenkung vorgelagerte westlichste Teil der ganzen Kette, zugleich auch der höchste, hat einen
einheimischen, volkstümlichen Namen: Le
[* 55] Madonie. Sie erreichen im Pizzo dell' Antenna 1975 m (nach dem Ätna
[* 56] die höchste
Erhebung derInsel), im MonteSalvatore 1910 m. Gewöhnlich bezeichnet man wohl die Madonie nebst der Kette im N. und NW. des Ätna
als Nebrodisches Gebirge und unterscheidet das letzte Stück nach der Meerenge hin als Peloritanisches Gebirge, in welchem sich
der Dinnamari oder Antennamare nahe bei Messina noch zu 1130 m erhebt.
Westlich jener wichtigen Wasserscheide ist zwar der Charakter der Kette noch erkennbar, und es liegen die höchsten Erhebungen
alle nahe der Nordküste (Monte San Calogero bei Termini 1245 m, weiter ins Innere die Busambra 1574 m); aber je weiter nach
W., um so mehr löst sie sich in einzelne Berge und Berggruppen auf, bis die steil zum Meer bei Trapani
hinabstürzende Felsenpyramide des Monte San Giuliano (Eryx, 727 m) den westlichen Grenzpfeiler der Insel bildet. Die höchste
Erhebung derInsel ist der Ätna (3313 m, s. d.), das riesige Vulkangerüst, das sich in einem ehemals
in die Ostküste einschneidenden Golf, der noch heute in der einzigen ansehnlichern Ebene der Insel, der
von Catania, erkennbar ist, seit der Tertiärzeit aufgebaut hat. Im Innern der Insel, südlich der Busambra, erheben sich der
Monte Cammarata noch zu 1576, der MonteRose zu 1436 m. Vom Peloritanischen Gebirge abgesehen, das aus Gneis,
kristallinischen Schiefern und Granit besteht und von jungtertiären Bildungen umschlossen ist, besteht das Gebirge der Nordseite
bis zum Monte San Giuliano und MonteRose ganz aus kompaktem Kalk- und Sandstein der Jura- und Kreideformation.
[* 57]
Das Innere, der Süden und Südwesten bestehen aber aus tertiären, versteinerungsreichen Kalken, aus Mergeln, Thonen und
Gipsen, in welchen sich die reichen Schwefel- und Steinsalzlager finden, von denen erstere zu den größten SchätzenSiziliens
gehören. Valguarnera, Caltanissetta, Sommatino, Favara, Comittini, Cianciona und Lercara sind die Zentren des großartigen Schwefeldistrikts.
Dieser Formation gehören auch mehrere Gruppen kleiner Schlammvulkane an, die bekanntesten die Maccaluben nördlich von Girgenti,
die mit vulkanischer Thätigkeit nichts zu thun haben, sondern auf durch Zersetzung organischer Substanzen
erzeugte Gase,
[* 58] namentlich Kohlenwasserstoffgas, zurückzuführen sind, die gerade in thonigem, schlammartig aufgeweichtem Boden
zu Tage treten.
Nur durch einen schmalen Rücken bei Caltagirone (628 m) mit den übrigen Gebirgen verbunden, bildet der Südosten der Insel
ein ganz selbständiges Gebirgssystem, das in seiner fast kreisrunden Gestalt und den radienförmig von
einem Mittelpunkt, dem MonteLauro (985 m), ausgehenden Flüssen noch seine Entstehung verrät. Es ist durch zahlreiche, erst
unterseeische Eruptionen, welche mit langen Ruhepausen, während welcher sich am Meeresgrund Muschelkalke über den vulkanischen
Schichten ablagern konnten, abwechselten, aufgebaut und schließlich
gehoben worden. Die tief eingeschnittenen
Thäler der meist wasserreichen kleinen Flüsse lassen deutlich die interessante Wechsellagerung dieser in der Tertiärzeit
entstandenen Schichten erkennen.
Die Flüsse der Insel, obwohl sehr zahlreich, sind meist wasserarm und versiegen im Sommer völlig oder führen nur in der Tiefe
Wasser. Die größten sind der Simeto oder Giarretta (s. d.), der am MonteSordo entspringt und, nachdem er
die fast gleichgroßen rechten Nebenflüsse FiumeSalso, Dittaino und Gurnalonga aufgenommen, in die Bucht von Catania mündet.
Die größten Flüsse der südlichen Abdachung sind der FiumeSalso, der Platani und der Belice, der nördlichen der Leonardo und
der Fiume Torto. Die Flüsse des Peloritanischen Gebiets sind sämtlich Fiumare, die nur im WinterWasser führen, breite Betten
und tief eingeschnittene Thäler haben, in denen sie oftmals verheerend ungeheure Massen von Gerölle dem Meer zuschieben. Von
Landseen ist nur die Lagune von Lentini zu nennen; der berühmte Lago dei Palici (Naftia), der in trocknen
Sommern ganz verschwindet, ist eine Kohlensäuregasquelle.
Herrlich ist das Klima
[* 59] von S., namentlich an der Nord- und Ostküste, weder überheiß im Sommer noch kalt im Winter und fast
immer gleichmäßig. Die mittlere Jahrestemperatur beträgt 18-19°, die des Winters 11-12°, des Sommers 24-25° C.; die maximalen,
bei dem trocknen, belästigenden Scirocco (s. d.) eintretenden Augenblickstemperaturen sind 40° C., die minimalen
infolge starker Wärmestrahlung
[* 60] in klaren Winternächten bis -2° C. Doch tritt solche Kältenur fürStunden ein, mittags wird
man sehr selten weniger als 10° C. beobachten.
Schnee
[* 61] fällt selten und bleibt vielleicht einmal in 50 Jahren einen Tag liegen. Die Niederschläge, 650 mm
für die ganze Insel, konzentrieren sich auf den Winter, die drei Sommermonate sind gänzlich regenlos. Es muß dann für die
noch vegetierenden Kulturpflanzen künstliche Bewässerung eintreten, die mit der seit 1860 rasch steigenden Bodenkultur sich
immer mehr ausdehnt; immer mehr Quellen und Flüsse werden aufgefangen, selbst die unterirdisch fließenden
Gewässer werden schon gefaßt und verwendet.
Die außerordentliche Verwüstung der Wälder hat allerdings auch das Klima beeinflußt, und stagnierende Gewässer erzeugen
in einigen Gegenden Malaria. Dennoch ist die Vegetation der Insel eine reiche und üppige zu nennen, namentlich an der Nord-
und Ostseite, während das Innere im Sommer, wo die ungeheuern, baumlosen Ebenen und Hügellandschaften,
die im Winter von Weizenfeldern grünten, sonnverbrannt daliegen, der Steppe gleicht. Die wildwachsende Flora ist vermöge der
historischen Beziehungen und der geographischen Lage der Insel mitten im Mittelmeerbecken eine sehr reiche, man zählt 3000 Arten.
Es gedeihen die Zwergpalme, die namentlich im SW. weite Flächen mit ihrem Gestrüpp bedeckt, die Dattelpalme
und andre Palmenarten; Bananen reifen ihre Früchte, mehrere tropische Ficus-Arten, zahlreiche australische Pflanzen, Erythrinen,
Magnolien u. dgl. gedeihen herrlich. Man unterscheidet
drei Regionen, deren unterste bis 500 m als die der Dattelpalme, der Opuntien und der Agrumen mit überwiegender
Baumkultur, die zweite bis 1000 m als die der Getreidekultur (Weizen) und die dritte über 1000 m alsWald- und Weideland bezeichnet
werden kann.
Die Zahl der Bewohner beträgt (1881) 2,927,901 und dürfte jetzt ungefähr wieder
den besten Zeiten des Altertums gleichstehen, hat aber sehr bedeutende Schwankungen durchgemacht; im 16. Jahrh.
z. B. war sie infolge beständiger Kriege, Fehden und Korsareneinfälle auf 800,000 gesunken. Die mittlere Volksdichtigkeit
beträgt demnach 113 auf 1 qkm, ist aber sehr verschieden, am stärksten an der Nord- und Nordostseite, am dünnsten im
Innern. Eigentümlich ist auch, daß sich die Bevölkerung auf wenige Wohnplätze (ca. 800) verteilt, die demnach im Durchschnitt 3660 Einw.
haben, so daß Dörfer im deutschen Sinn selten sind und infolgedessen auch die Bewirtschaftung der entlegenen Felder von diesen
großen Zentren aus sehr schwierig ist.
Die allgemeine Unsicherheit hat diese Anhäufung meist auf steilen Felsenhöhen veranlaßt; doch beginnt
die wiedergekehrte Sicherheit und das neugeschaffene Verkehrsnetz auf die Verteilung der Bevölkerung in kleinere Gruppen über
das Land zu wirken. Dieselbe ist jetzt in rascher, stetiger Zunahme begriffen, indem man 1861 nur 2,392,414 Einw.
zählte. Die Volksbildung war bis 1860, wo sie ganz in den Händen der zahlreichen Geistlichen lag, völlig
vernachlässigt und beginnt sich seitdem erst zu heben; namentlich die großen Städte, Palermo
[* 65] voran, bringen dem Schulwesen
große Opfer.
Doch steht die Volksbildung trotz der bedeutenden Fortschritte in den südöstlichsten LandschaftenSiziliens noch immer tiefer
als irgendwo in Italien.
[* 66] Günstiger ist der Sekundärunterricht in Lyceen (1883-84: 20), Gymnasien (60)
und technischen Schulen (43) bestellt. Von den drei Universitäten zu Palermo, Catania und Messina haben namentlich die beiden
letztern geringe Frequenz und ungenügende Lehrmittel und Lehrkräfte aufzuweisen. An öffentlichen Bibliotheken ist kein Mangel
(32 in ganz S.); die Biblioteca nazionale und die Biblioteca municipale in Palermo sind bedeutende Institute.
Auch für Pflege der Kunst ist gesorgt; das Museum von Palermo entwickelt sich herrlich und ist namentlich durch griechische
Kunstwerke jeder Art (Metopen,
[* 67] Münzen),
[* 68] auch durch mittelalterliche und neuere Werke der Skulptur und Malerei ausgezeichnet.
Die Reste griechischer Tempel,
[* 69] Theater
[* 70] etc. in Selinunt, Girgenti, Segesta, Syrakus
[* 71] werden sorgsam erhalten,
ebenso die mittelalterlichen der normännischen Zeit. Der Volkscharakter der Sizilianer zeigt außerordentliche Lebhaftigkeit
und Beweglichkeit, natürliche Intelligenz, Witz und Sprachgewandtheit, rasches Aufflammen in Liebe und Haß, wogegen Ausdauer
in Verfolgung gesteckter Ziele seltener sein mag.
Der Sinn für Bildung, Wissenschaft und Kunst ist jedem Sizilianer eigen und hat sich, seit der Druck des
Despotismus gewichen ist, rasch wieder zu zeigen begonnen. Das ganze Land ist, trotz der geringen Förderung seitens der Regierung,
seit 1860 in raschem materiellen und geistigen Aufschwung begriffen, der durch die dem Fernstehenden so auffallende Erscheinung
der Mafia (s. d.), eines Erzeugnisses jahrhundertelangen
Druckes und übler sozialer und wirtschaftlicher Verhältnisse, nicht dauernd beeinträchtigt werden kann.
Diese nicht eigentlich organisierten, sondern aus dem stillschweigenden Einverständnis aller gegenüber einer fremden, kein
Recht achtenden, brutalen Gewalt bestehenden Gesellschaften werden verschwinden, und die immer nur reichen Grundbesitzern gegenüber
gefährdete Sicherheit wird zurückkehren, wenn es gelingt, den allgemeinen Wohlstand und die allgemeine
Bildung zu heben und vor allen Dingen der Masse der Bevölkerung die Möglichkeit zu gewähren, selbst Besitz zu erwerben.
Bisher ist dies nämlich in den meisten Gegenden Siziliens nicht möglich, sondern aller Besitz als eine Erbschaft der Feudalzeit
in wenigen Händen vereinigt; selbst der Verkauf der Kirchengüter seit Ende der 70er Jahre in kleinern
Losen hat bei der völligen Mittellosigkeit der großen Menge, lauter kleinen Pächtern und Arbeitern, da sich erst in den
Städten durch Handel und Handwerk ein Mittelstand zu entwickeln begonnen hat, nur dazu geführt, Spekulanten zu bereichern
u. den Großgrundbesitz noch mehr abzurunden. Derselbe ist meist in den Händen des zahlreichen, mit Fürsten-,
Herzogs- und Markgrafentiteln geschmückten Adels, der in den Städten lebt und seine Güter fast nie besucht. Verwalter bewirtschaften
dieselben und vermitteln zwischen dem unbekannten Herrn und den zahlreichen kleinen Pachtern.
[Erwerbszweige.]
Trotz schlechter Bewirtschaftung, primitiver Werkzeuge
[* 72] und noch immer ungenügender Verkehrswege
ist der Ackerbau, von dem die bei weitem überwiegende Masse der Bevölkerung lebt, ebenso lohnend wie im Altertum. Am meisten
wird Weizen gebaut (1886: 4,5 Mill. hl), der noch immer hochgeschätzt ist und meist zum Export gelangt, wogegen geringerer
eingeführt wird. Neben Weizen spielen Gerste
[* 73] (1885: 1,3 Mill. hl) und Bohnen (600,601 hl) eine große Rolle.
Sehr wichtig ist der Weinbau, der hier durch den Einfluß Fremder rationeller betrieben wird als sonst in Italien; über 211,000
Hektar sind der Rebe gewidmet und geben eine Ernte
[* 74] von durchschnittlich 7,6 (1886 sogar 8) Mill. hl, wovon immer bedeutendere
Mengen zur Ausfuhr fähig und haltbar hergerichtet werden; vor allem die Weine von Marsala, die Weine von der
Nord- und Ostküste, welche in Milazzo, Messina (Farowein), Riposto (Mascaliwein vom Ätna), Catania, Syrakus und Vittoria (süße
Muskatweine) zum Export gelangen, sind Naturweine und werden vielfach zur Vermischung mit leichtern Sorten nach den Wein
fabrizierenden Ländern, insbesondere Frankreich, verschifft (vgl. Puglisi, La Sicilia e i suoi vini, Palermo 1885). Von Bedeutung
ist ferner die Olivenkultur, deren Ertrag seit 1883 etwas gesunken ist (von 575,000 hl auf 323,000 hl in 1885), welche aber
noch immer für ca. 20 Mill. Lire Öl zur Ausfuhr liefert, das freilich noch meist unrationell behandelt
wird, dann die Agrumenkultur, besonders die Kultur von Orangen und Limonen.
Nur die Schwefelproduktion ist bedeutend, wenn auch die Methode der Gewinnung noch sehr primitiv ist.
Sie ist von 300,000 metr. Ztr. im J. 1830 in den letzten Jahren auf 3,300,000 gestiegen, die im Wert von 25 Mill. Lire zur
Ausfuhr gelangen, während nur etwa 60,000 metr. Ztr. im Land selbst
verbraucht werden. Die reichen Steinsalzlager werden noch kaum ausgebeutet, da manSeesalz in den Salzgärten
von Syrakus, Augusta, Trapani und Marsala massenhaft und billiger gewinnt.
Das Gesamtnetz umfaßt gegenwärtig 805 km. Auch auf Hafenbauten in Palermo, Messina und Porto Empedocle sind bedeutende Summen
verwendet worden. Landstraßen gibt es verhältnismäßig wenig (ca. 3500 km) und in mäßigem Zustand. Der Verkehr war daher
immer hauptsächlich auf das Meer angewiesen. In sämtlichen (60) Häfen von S. liefen 1886: 31,337 Schiffe
[* 86] mit 5,292,798 Ton. ein. Die Handelsmarine der sizilischen Häfen hatte Ende 1886 einen Stand von 1491 Schiffen mit 122,384 T.,
worunter sich 76 Dampfer mit 52,828 T. befanden.
führt seinen Namen von den Sikelern oder Sikulern, die einst den ganzen Westen der Apenninenhalbinsel
südlich vom Tiber bewohnten, bis sie, von den Oskern vertrieben, um 1100 v. Chr. nach S. hinübergingen,
wo sie die Ureinwohner, die Sikaner und Elymer, in den westlichsten Teil der Insel zurückdrängten. Wegen ihrer günstigen
Lage im Zentrum des MittelländischenMeers wurde S. bald das Ziel der Handelsthätigkeit der Phöniker, die zahlreiche Niederlassungen
hier gründeten, unter denen eine der ältesten das heutige Palermo (Machanath choschbim, später Panormos)
ist.
Ihnen folgten seit dem 8. Jahrh. ionische Griechen, welche den Norden
[* 93] der Ostküste, dann dorische, welche den südlichen Teil
derselben kolonisierten und dann sich auch über die Nord- und Südküste ausbreiteten. IonischeStädte waren: Naxos, Zankle
(später dorisch Messana), Katane, Leontinoi, Himera;
Die griechische Kolonisation der sogen. Sikelioten (sizilischen Griechen) war so zahlreich und mächtig,
daß sie bald die ganze Insel, auch den später karthagischen Teil, hellenisierte.
Die Herrschaft in den griechischen Kolonien lag anfangs in den Händen der edlen Geschlechter, während die niedern Stände und
die spätern Ansiedler ohne Teilnahme an der Regierung waren. Diese Rechtsungleichheit erzeugte Unzufriedenheit in der niedern
Bürgerschaft, die von ehrgeizigen Männern zur Gründung von Tyrannenherrschaften benutzt wurde. Den Anfang machte 565 v. Chr.
Phalaris
[* 94] in Agrigent; einem seiner Nachfolger, Theron, und Gelon, dem Tyrannen von Syrakus, war zur Zeit der Perserkriege
der größte Teil der Insel unterthänig.
Dadurch wurden die Besitzungen der Karthager, welche an Stelle der Phöniker getreten waren, im Westen der Insel gefährdet,
und es kam infolgedessen zwischen ihnen und den Griechen zum Kampf, welcher mit dem Sieg der letztern bei Himera (480) endete.
Die Tyrannis, welche sich bald durch hohe Steuern und Bedrückung des Volkes verhaßt machte, wurde zuerst
(465) in Syrakus und bald darauf in allen übrigen Städten der Insel beseitigt. Das ehrgeizige Streben von Syrakus nach der Vorherrschaft
über die sizilischen Hellenen hatte die Einmischung der Athener in die Verhältnisse der Insel (sizilische Expedition, 415-413,
s. Syrakus) zur Folge. Zwar wurde diese zurückgewiesen, und Dionysios von Syrakus vereinigte 376 fast ganz
S. unter seiner Herrschaft. Nach dessen Tod jedoch zerfiel die Macht von Syrakus, die auch Agathokles nicht auf die Dauer
¶
mehr
herstellen konnte. Von ihrem Waffenplatz Agrigent aus dehnten daher die Karthager ihre Herrschaft immer weiter aus und behaupteten
sie auch gegen den anfangs siegreichen König Pyrrhos von Epirus, bis sie in dem Frieden, der dem ersten PunischenKrieg ein Ende
machte (241), ihren Anteil an der Insel an die Römer abtreten mußten. Die Osthälfte blieb zunächst unter
der Herrschaft von Syrakus und wurde erst nach dessen Eroberung 212 mit dem Westen zur Provincia Sicilia vereinigt.
Als römische Provinz war S. die Kornkammer Italiens; ein Krebsschaden war jedoch die ausgedehnte Sklavenwirtschaft. Wiederholt,
am gefährlichsten 136-133 und 103-98, kam die Erbitterung der auf das grausamste behandelten Sklaven
in blutigen Aufständen (Sklavenkriegen, s. d.) zum Ausbruch. Der Reichtum der Insel und die Kunstschätze der Städte verführten
die Statthalter zu Erpressungen und Räubereien, und nur selten fanden die Geschädigten in Rom einen Fürsprecher, wie in Cicero
gegen Verres.
Rogers Sohn, Roger II., vereinigte 1130 S. mit Neapel
[* 96] zu einem Königreich (s. Sizilien, Königreich beider). Durch die Sizilianische Vesper wurde S. wieder von Neapel getrennt und kam unter die Herrschaft Peters vonAragonien, der
es 1285 auf seinen zweiten Sohn, Jakob, vererbte. Als dieser 1291 König von Aragonien wurde, verzichtete er zu gunsten der
Anjous auf S.; doch wollten die Sizilianer ihre Unabhängigkeit nicht aufgeben und erhobenPeters jüngsten
Sohn, Friedrich II. (1291 bis 1337), auf den Thron,
[* 97] der sich siegreich gegen die Anjous und den Papst behauptete und eine Hauptstütze
der Ghibellinen in Italien war.
Nach der kurzen Regierung seines SohnsPeter II. (1337-42) folgten dessen SöhneLudwig (1342-55) und Friedrich III. (1355-77),
welch letzterer, um vom Kirchenbann losgesprochen zu werden, die Oberlehnsherrlichkeit des Papstes und
Neapels anerkannte und sich zur Zahlung eines Zinses an letzteres verpflichtete. Unter der Herrschaft von Friedrichs III. Tochter
Maria, welche minderjährig war, wurde S. von Parteiungen zerrissen, indem ein Teil der Barone einem italienischen Prinzen die
Hand der Königin und die Herrschaft verschaffen wollte, ein andrer zu Aragonien hinneigte.
Als König Ferdinand IV. 1806 von Napoleon seines Throns entsetzt wurde, floh er nach S., das er
unter dem Schutz der englischen
Flotte behauptete, und dem er auf Verlangen des englischen Befehlshabers LordBentinck 1812 auch eine freisinnige Verfassung gab. 1815 wurde
die Insel mit Neapel zum Königreich beider Sizilien (s. d.) vereinigt. Als 1820 in Neapel die Revolution ausbrach, versuchte
S. sich wieder loszureißen; nur durch Personalunion wollte es mit Neapel verbunden sein.
Doch wurde der Aufstand mit der EroberungPalermos(5. Okt.) unterdrückt. Anfang 1848 erneuerte es den Versuch, sagte
sich 13. April förmlich von den Bourbonen los und wählte 11. Juli den Herzog von Genua
[* 100] zum König. Indes wurde es im Mai 1849 von
den Neapolitanern wieder unterworfen. 1860, als Garibaldi in Marsala landete, schloß sich S. ihm sofort an und ermöglichte
hierdurch den Sturz des bourbonischen Königreichs. Doch stieß die italienische Regierung in S. auf große
Schwierigkeiten, da der gesetzlose Sinn derBevölkerung der Errichtung einer kräftigen Verwaltung und gerechten Handhabung
der Gesetze widerstrebte. Die Korruption und der Widerstand gegen Gesetz und Recht waren in der Mafia (s. d.) förmlich organisiert
und konnten auch durch energische Ausnahmemaßregeln nicht ausgerottet werden.
Vgl. di Blasi, Storia del
regno di Sicilia (Palermo 1844, 3 Bde.);
San Filippo, Compendio della storia di Sicilia (7. Aufl., das.
1859);
La Lumia, Studi di storia siciliana (das. 1870, 2 Bde.);
Duca di Serradifalco, La antichità della Sicilia (das. 1835-42, 5 Bde.);